Peter Beste
Peter Beste
Interview
Wenn Außenstehende Black Metal entdecken, so gehen nicht selten Faszination und Unverständnis Hand in Hand. Irgendetwas scheint hinter diesem zuweilen rauschhaften Strom von hypnotisierenden Melodien und massiven Klängen zu liegen, die eine ganz eigene Wirkkraft entfalten. Doch nicht nur die Musik erzwingt Aufmerksamkeit auf gänzlich anderer Wellenlänge als andere Metal-Stile, auch die sonderbare Bilderwelt dieses Genres reizt viele Menschen, die als potentielle Hörer von vorneherein ausscheiden. Black Metal geisterte nicht nur in den Neunzigern durch szene-externe Medien, sondern darf auch heute noch alldieweil für eine Berichterstattung herhalten, die mit Peinlichkeiten keineswegs geizt. Dabei geht es häufig um wenig mehr als die entbehrliche Reproduktion von altbekannten Klischees. Peter Beste spart dieselben nicht aus, wenn er die Protagonisten des norwegischen Black Metals in Szene setzt, aber er gewährt ihnen doch den kreativen Freiraum, sich nach eigenen Ideen zu präsentieren, die stimmungsvollsten Orte anzusteuern – oder sich selbst mit Kot beschmiert zu entblößen. Unter dem Titel „True Norwegian Black Metal“ erschien vor wenigen Wochen ein großformatiger Bildband mit einer kontrastreichen Auswahl von Photographien, die Beste über Jahre im norwegischen Black-Metal-Milieu und dessem gewaltigen Hinterland eingefangen hat. Dabei ist er mit Einfühlungsvermögen, Spontaneität und einem Sinn für’s Abenteuerliche dichter am Menschen als die meisten, die mehr oder minder wortgewaltig über Black Metal schreiben.
Ich bin froh, dass wir über Deine faszinierende Arbeit sprechen können, denn ich hätte es nur allzu verständlich gefunden, wenn Du Deine Photographien für sich selbst sprechen lassen wolltest. Es scheint, als wäre „True Norwegian Black Metal“ für Dich über die Jahre zu mehr als einem Job geworden, denn Du hast etliche der daran Beteiligten auf persönlicher Basis getroffen. Was hat einst Deine Faszination für dieses Thema geweckt und was hält sie bis heute lebendig?
Peter Beste: Bereits in jungen Jahren fühlte ich mich vom Metal angezogen – von der Musik, der Kultur und der gesamten Ästhetik. Als ich begann, Black Metal zu hören und darüber zu lesen, berührte das eine tiefe Saite in mir und seitdem fühle ich mich sehr stark davon angezogen. Für einen Photographen ist Black Metal ein faszinierendes Thema. Die Musiker sind bereits äußerlich faszinierend. Auf immer neuen Reisen mit ihnen und beim Photographieren habe ich in jenen häufig missverstandenen Menschen weitere Ebenen entdeckt. Darüber hinaus handelt es sich um ein lohnenswertes Photo-Projekt, weil die norwegische Natur so beeindruckend ist und ein Schlüsselelement in den Inspirationsquellen des Black Metals darstellt. Besonders interessant finde ich jedoch die Verbindung von Black Metal mit dem altertümlichen Erbe Norwegens und der heidnischen Kultur. Dies ist einer der Gründe, weshalb ich mich so lange mit diesem Thema beschäftigt habe. Ich hätte wahrscheinlich keinen zweiten Blick [auf diese Szene] geworfen, wenn es sich bei diesen Menschen nur um Misanthropen auf Abwegen handeln würde, die ziellos Kirchen nieder brennen. Allerdings habe bei vielen beteiligten Individuen eine starke Substanz und [ernste] Absicht entdeckt.
Du hast bereits vor einer Weile erklärt, dass Du dem Black Metal nicht seinen mythischen Charakter nehmen möchtest und dementsprechend Photos veröffentlichst, welche die spezifischen Stimmungen des norwegischen Black Metal einfangen und erhalten. Ist diese Methode für Dich eine Frage des Respekts?
Ich möchte keineswegs die Portraitierten entmystifizieren, bin mir jedoch gleichzeitig bewusst, dass Black Metal sehr stark vom Image lebt und als dokumentierender Photograph ist es mein Job, hinter die Inszenierungen zu schauen und Elemente des Lebensstils und der Persönlichkeit zu zeigen, welche die Portraitierten zusätzlich zu dem stoischen und harten Kerl verkörpern.
Dir ist mit einem Photo meinem Empfinden nach die ultimative Abbildung von Black Metal im Kontrast zum Rest der Welt gelungen. Es zeigt Kvitrafn in den engen Straßen von Bergen, mit Furcht bestaunt von einer älteren Frau. Der Betrachter mag sich natürlich fragen, ob dies ein Schnappschuss ist, aber mich interessiert mehr noch, wie Du an solche Photo Sessions herangehst – überlässt Du es den Musikern, ihre Ideen zu realisieren?
Für gewöhnlich bespreche ich meine Ideen mit dem jeweiligen Gegenüber und bin für dessen Ideen bezüglich der Selbstdarstellung sehr offen. Bei diesem Projekt hatten die meisten Beteiligten einen Ort oder eine Gegend ausgewählt, in der sie photographiert werden wollten. Davon abgesehen gab es kaum eine konkrete Planung. Wir machen uns einfach in die betreffende Gegend auf und lassen es ganz natürlich auf uns zukommen. Das Photo von Kvitrafn auf der Straße war gar nicht geplant, sondern entstand kurz nachdem sich GORGOROTH in Kings Haus entsprechend gekleidet hatten und wir auf dem Weg zum Auto waren, mit dem wir aufs Land fahren wollten.
Deine Photographie spiegelt Black Metal in zahlreichen Facetten. Gab es jemals einen Wendepunkt, an dem Du das Gefühl hattest, dass Du nicht mehr wie ein Außenstehender auf die Szene schaust, sondern diese so zu sagen von innen betrachtest?
Das Vertrauen der Black-Metal-Gemeinschaft zu gewinnen, war ein langwieriger Prozess, aber, um ehrlich zu sein, nehme ich mich noch immer als Außenstehenden wahr, denn ich habe das Gefühl, dass ich einfach nicht so in die Szene passe. Durch meine wiederholten Besuche ist mein Verständnis von Black Metal gewachsen, aber ich bemühe mich grundsätzlich, eine Distanz zu wahren, um mich nicht selbst in dem Labyrinth vor mir zu verirren.
Ich kann nur erahnen, welch vielfältige Herausforderungen Dir in den verschiedenen Situationen begegnet sind, wenn Du also Photos auf Konzerten, im waldigen Hinterland oder in der Öffentlichkeit geschossen hast. Waren Dir diese Herangehensweisen zwischen spontaner Aufnahme und künstlerischer Inszenierung bereits bekannt oder hielt das Black Metal Milieu etwas Neues für Dich bereit?
Im Grund waren das alles neue Erfahrungen für mich, denn ich habe dieses Projekt nach dem College begonnen und zuvor hatte ich noch keine so tief gehende Photo-Arbeit in Angriff genommen. Die größten Herausforderungen lagen darin, das Vertrauen der Szene zu gewinnen, irgendwie einen einmonatigen Aufenthalt in Norwegen finanzieren und von dem leben zu können, was ich mache – das letzte sollte eine ständige Herausforderung bleiben.
Wenn wir uns vor Augen führen, dass Black Metal einerseits von der etablierten Metal-Szene und der Musikindustrie vereinnahmt wurde, dass es andererseits eine große Basis im Unterground gibt, was glaubst Du, bringt junge Menschen dazu, sich bei dem riesigen Angebot an Ausdrucksmöglichkeiten ausgerechnet dem Black Metal zuzuwenden?
Ich glaube, dass ist wie in jeder anderen Szene auch. Bestimmte Persönlichkeiten werden aus unterschiedlichen Gründen von unterschiedlichen Szenen angesprochen. Auch wenn ich Gefahr laufe, eure Leser zu empören, so würde ich annehmen, dass Black Metal für gewöhnlich vor allem verlorene und leicht misanthropische junge Menschen anspricht. Das soll aber nicht heißen, dass es im Black Metal nicht auch echte Führer- oder sehr starke Persönlichkeiten gibt.
In zahllosen Interviews haben Musiker den großen Einfluss der Natur betont. Wie hast Du diesen Zusammenhang selbst bei Deinen Besuchen in Norwegen erlebt?
Die Natur ist eine unentbehrliche Grundfeste des norwegischen Black Metal, der seinem Anspruch nach über das Leben hinausreicht, eine Flucht aus der Moderne darstellt, und natürlich mit der alten landeseigenen Kultur verbunden ist. Ich hatte das Glück, dass zahlreiche Mitglieder der Black Metal-Szene mich auf Wanderungen durch Berge und Wälder mitgenommen haben und ich so eine starke Affinität zur norwegischen Natur und den Menschen vor Ort entwickeln konnte.
Du hast geschrieben, Black Metal sei gleichzeitig Theater und Wirklichkeit – welche Rollen in der Black-Metal-eigenen Dramaturgie haben Dich angesprochen?
Ich glaube, es handelt sich um eine dualistische Verkörperung vom Underdog und vom Establishment, welche sich in einer dunklen, fremdartigen Welt in Szene setzt, die eher an „Dungeons And Dragons“ erinnert. In atemberaubender Landschaft tauchen archetypische Krieger auf, welche sich gegen eine durch die westliche Weltlichkeit geprägte Gesellschaft zur Wehr zu setzen versuchen.
Obwohl zahlreiche Protagonisten des Black Metal für sich in Anspruch nehmen, der Mainstream-Kultur zu widerstehen, hat der Black Metal dennoch eigene Trends, Formen von Ästhetik und Moden entwickelt, welche als „in“ oder „out“ bzw. in der Sprache der Szene als „(nicht) true“ bezeichnet werden. Inwiefern erlebst Du Black Metal wirklich als Gegenentwurf zu anderen Jugendszenen und inwieweit ist es nur ein weiterer Spiegel der gegenwärtigen Gesellschaft?
Ich glaube, es gehört zur menschlichen Natur, in Gruppen einen Verhaltenskodex zu entwickeln, ganz unabhängig davon, in welchem sozialen Randbereich sie sich bewegen. Ich vergleiche Black Metal häufig mit der amerikanischen Rap-Szene im Süden oder der Punk-Rock- und Hardcore-Szene, denn in diese musikalischen Subkulturen bin ich ebenfalls eingetaucht. Das äußere Erscheinungsbild und manche Codes könnten nicht unterschiedlicher sein, aber es gibt doch eine gemeinsame Basis in dem Verlangen, sich außerhalb der gesellschaftlich etablierten Rollen zu bewegen und eine alternative Welt zu erschaffen, in welcher sie erfolgreich leben, indem sie genau das machen, was sie machen wollen. Das kann ich nachvollziehen.
Hast Du die Black-Metal-Szene jemals als gewalttätig oder unkontrolliert wahrgenommen, so dass Du bei einem Konzert um Deine Kameraausrüstung fürchten musstest, oder Angst vor unangenehmen Auseinandersetzungen mit einigen Leuten hattest?
Niemals. Jeder [den ich getroffen habe] war sehr zivilisiert und respektvoll. Allerdings hatte ich bei meinem Projekt in einem Ghetto in Houston einige Angst einjagende Erlebnisse. Im Vergleich dazu sind die Norweger wesentlich umgänglicher und weniger gewalttätig.
Ich habe mich mit einigen Leuten unterhalten, die Du in den letzten Jahren portraitiert hast, und alle redeten mit großem Respekt von Dir, besonders Ted von DARKTHRONE. Die Photos, die Du von ihm geschossen hast, gehören für mich zu den besten, denn ihre Ästhetik reflektiert die für den Black Metal typische Fremdheit und Zurückgezogenheit im Hinblick auf den Rest der Gesellschaft. Inwiefern kannst Du diesen Charakterzug, sich aus dem Massenbetrieb zurückzuziehen, nachempfinden?
Ich kann das sehr stark nachfühlen. Obwohl es ursprünglich keinen bewussten Plan gab, habe ich mich in meiner Arbeit als Photograph immer schon zu Menschen am Rand der Gesellschaft gezogen gefühlt. Für mich war der norwegische Black Metal einfach ein perfektes Beispiel für die Isoliertheit und Unnahbarkeit – sowohl für Black Metal an sich als auch für Norwegen selbst.
Da ich in hauptberuflich u.a. mit psychisch kranken Menschen arbeite, bin ich scheinbar bizarre Rituale mit Kot, Blut oder Urin gewöhnt, frage mich aber, wie Du die Aufnahmen von Nattefrost in seiner Badewanne erlebt hast?
Eines Nachts kam Nattefrost zu mir mit der Idee zum „grimmigsten Photo aller Zeiten“. Er hatte kurz zuvor eine fixe Idee entwickelt, seinen Kot zu photographieren, zu protokollieren und so weiter. Er erzählte mir also, dass er sich mit seinem Kot beschmieren und anschließend photographiert werden wollte. Nachdem er high war und einen Snickers-Riegel gegessen hatte, ging er wie ein Hund in die Hocke. Ich war im Zimmer nebenan und bereitete mich auf den Anblick und die Gerüche vor, die mich wohl erwarten würden. Als er mich hereinrief, lag er nackt in seiner Badewanne, mit Kot auf seinem Körper und in seinem Nacken, eine Weinflasche in der Hand. Ich zog mir mein Hemd über die Nase und begann mit den Aufnahmen. Nach ein oder zwei Minuten, begann seine Haut zu jucken und er musste die Dusche anstellen. Glücklicherweise musste ich den Anblick und den Geruch nicht zu lange ertragen, aber es sind einige anständige Photos entstanden.
In den letzten Jahren hast Du mit Deinen Photos die Aufmerksamkeit auch außerhalb der Black-Metal-Szene erregt. Welche Reaktionen sind für Dich erwähnenswert?
Ich habe das Gefühl, dass ich mein Ziel erreicht habe, wenn sowohl Black-Metal-Fans als auch gewöhnliche Menschen einen Wert in meiner Arbeit zum Thema „Black Metal“ erkennen. Dieses Buch hat einen großartigen Widerhall in etlichen Mainstream-Medien wie NPR, LA Weekly, Village Voice, British Journal Of Photography, New Humanist und vielen anderen respektablen Zeitschriften – und auf metal.de! – erzeugt.
Wurdest Du schon mal kritisiert, weil Du eine Person wie Gaahl portraitierst oder vielleicht auch glorifizierst, dessen Idee von Satanismus die Zerstörung dessen beinhaltet, was er als semitische und christliche Wurzeln unserer Gesellschaft beschreibt?
Nein.
Der Begriff „True Norwegian Black Metal“ wurde bislang vor allem mit DARKTHRONE und GORGOROTH verbunden, nun präsentierst Du ein wahrlich breites Spektrum von Menschen unter diesem Titel. Ich finde das großartig, weil sich Black Metal eben nicht auf dieses oder jenes Detail reduzieren lässt und deutlich wird, dass er sich in verschiedene Richtungen entwickelt. Wie hat die Szene selbst auf Deine Arbeit reagiert?
Ich wollte einen ikonischen Titel, welcher das Genre beschreibt und Licht auf die Tatsache wirft, dass Black Metal eine feingliedrige Konstruktion ist, deren Anhänger Aufrichtigkeit und Elitismus ebenso schätzen wie eine Welt, in welcher sich der durchschnittliche Norweger sehr ungemütlich fühlt.
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