Perish
"Ich glaube wir bewegen uns immer noch in einer sehr integren Szene"
Interview
metal.de: Definitiv. Vieles ist natürlich heutzutage freier, aber gleichzeitig auch irgendwie wieder einschränkend, sei das bei eben wie schon angesprochenen Liveveranstaltungen, aber vielleicht auch online. Also in dem Sinne, dass es mehr Ausdrucksformen, Medien, Genres gibt, vielleicht auch nicht mehr so die klassischen Gatekeeper von früher wie das Rock Hard, sondern viele persönliche Blogs, Onlinemagazine und so weiter, aber auch natürlich Fans, die sich etwa Neuerungen bei Bands oder generell im Metal verschließen. Das meinte ich auch vorhin mit: Man kann es den Leuten nicht recht machen.
Für einige ist ein Album zu sehr auf Linie und zu wenig experimentell und vorwärtsdenkend, für andere schon zu viel, für manche die Produktion viel zu klinisch, für andere viel zu schlecht und so weiter. Auch wir Metalpostillen sind ja eigentlich der natürliche Lebensraum für diese Debatten und damit ja eigentlich der natürliche „Feind“ einer jeden Band, da man natürlich ja auch gutes Feedback bekommen möchte und das ja auch nicht immer der Fall ist. Gibt es so Dinge, die euch an Reviews oder generell an Metalmedien richtig aufregen? Spielen solche Medien überhaupt noch eine Rolle? Ihr habt ja beispielsweise eure erste Single auch direkt über YouTube rausgehauen und nicht vorher irgendwo groß angekündigt.
JR: Ich find das eigentlich total gut, dass es so etwas noch gibt. Wenn ich merke, Leute haben sich mit meiner Musik beschäftigt und stellen mir Fragen dazu, dafür bin ich total dankbar. Natürlich teilen die vielleicht nicht immer meine Meinung und du hast auch Recht, es gibt auch definitiv unter Schreibern auch schon eher fragwürdige Gestalten oder Rezensionen. Und wenn es dann vielleicht einmal eine Rezension gibt die mir nicht so gefällt ist das halt so. Musik ist ja immer noch Geschmackssache. Über gute Reviews freue ich mich natürlich. Am Ende mach ich das ja genauso, ich höre und kaufe ja selber gerne Musik und manchmal hat die Lieblingsband vielleicht abgeliefert, manchmal aber vielleicht auch nicht. Ich denke Metal ist immer noch eine Sparte, wo das Drumherum wichtig ist, wo Leute gerne Rezensionen lesen, sich austauschen, sich ein Rock Hard oder Deaf Forever kaufen, was auch immer sonst tun.
Die von dir angesprochenen Gatekeeper gibt es ja doch noch. Es ist vielleicht nicht so krass wie früher ohne Internet, auf der anderen Seite gibt es selbst bei denen immer noch die Möglichkeit, dass Bands dort ein Forum bekommen können, was sie sonst nicht bekommen könnten. Das gibt die Möglichkeit auch noch mal eine kleine Band zu pushen. Und das, weil ein Magazin sie geil findet und da nicht dick Marketingbudget hinter steht oder eine Anzeige gebucht wurde. Solange man auch als Band noch dieses Gefühl hat, dass das passiert, finde ich das cool. Falls irgendwann mal das Gefühl eintreten sollte, dass die dicksten Labels mit der meisten Kohle sich für die großen Bands ihre Reviews einkaufen, kippt das sicherlich, aber das sehe ich ehrlicherweise nicht. Hype kann ja durch vieles ausgelöst werden, vielleicht nur ein Musikvideo bei YouTube das viral geht.
Und das kann dir eigentlich kein Heft oder kein Multiplikator mit bekanntem Namen verschaffen, das sind oft einfach Zufälle. Ich glaube wir bewegen uns immer noch in einer sehr integren Szene. Es gibt ehrlich gesagt wenig Länder wo Hefte und das Drumherum noch so populär sind wie in Deutschland. Ich mach das ja auch gerne, ich geh auf eure Webseite oder zur Konkurrenz und gucke einmal die Woche, was es spannendes Neues gibt und lese mir auch Rezensionen durch, einfach um auf dem Laufenden zu bleibenden. Ich nutze zwar auch Streaming und entdecke so neues, aber da werden dann Playlisten nicht mehr geupdatet oder so, also das kann auch manchmal einfach weniger gut sein. Da lese ich lieber eine gute Review, hör bei Gefallen rein und kauf mir dann das Album. Und solange es noch so läuft, bekommt doch jeder das, was er möchte: Wir als Band und ihr als Magazin.
metal.de: Danke, geht runter wie Öl und ist schön zu hören. Ich habe persönlich nämlich den Eindruck, dass das ganze Drumherum immer unwichtiger wird und dieser Mittelsmann zwischen Fan und Band immer mehr ins Hintertreffen gerät. Bands tauschen sich heute über Social Media direkt aus, es gibt weniger die Hardcorefans, die regelmäßig die Kolumne ihres Lieblingsredakteurs lesen oder so.
JR: Da gebe ich dir Recht, es wird definitiv weniger. Aber dennoch findet es ja noch statt. Es gibt Genres, da findet es gar nicht mehr statt. Vergleich das mal im HipHop, da ist so etwas tot, also wirklich tot.
metal.de: Ich hab mich nur gewundert, ob so Sachen wie Reviews in Magazinen für Bands überhaupt noch irgendeinen Mehrwert bilden, gefühlt ist alles direkter geworden. Es gab auch Diskussionen während Corona, ob sich die Metalszene nun „gesundschrumpft“, wobei ich das die vollkommen falsche Denkweise finde. Denn eine Szene kann nur gesund sein – auch mit großen Bands und Festivals und Namen – in deren Schatten dann mehr Diversität praktiziert werden kann.
Fällt auch das weg oder wird weniger, hilft das eigentlich keinem, Bands oder Veranstalter können sich ohne große Namen und ausbleibende Besucher vielleicht keine spannenden neuen Bands leisten und so weiter. Und Diveristätsverlust ist meiner Meinung nach immer schlecht für eine Szene. So – vielleicht ein bisschen die Brücke zu eurem Album „The Decline“ schlagend – sehe ich die Zukunft ehrlicherweise nicht wahnsinnig rosig. Ob das alles in fünf bis zehn Jahren immer noch so toll ist wie wir es jetzt gewohnt sind… abwarten.
JR: Das weiß ich auch nicht. Ich mache schon lange Musik und immer aus einer sehr idealistischen Sichtweise heraus, als mein persönlicher Ausdruck. Das klingt verrückt, aber während der Pandemie wusste ich nicht, ob ich überhaupt noch am Ende des Monats Geld auf dem Konto habe, also es war wirklich existenziell für viele Künstler, mich mit eingeschlossen. Auf der anderen Seite hat es eben NICHT dazu geführt, dass ich mir gesagt habe, auf die ganze Scheiße mit Musik hab ich keinen Bock mehr. Es war eher das Gegenteil, eine „Jetzt erst Recht“-Einstellung hat sich da für mich ergeben. Solange es so ist und ich Musik machen will und mir das etwas gibt, werde ich das weiterführen.
Und wenn dann keiner die Platte kaufen will oder auf Konzerte kommt, dann ist das schade, aber ist halt so. Man guckt auch als Band, was funktioniert. Klappt der Stream, war die Promo gut, gibt es Merchandise, es gibt heutzutage ja viel mehr was man als Band beachten kann und worum man sich kümmern muss, im Gegensatz zu früher. Und das wichtige ist, du musst dann auch am Ball bleiben, dich auf verschiedenen Spielwiesen austoben, Dinge machen, die du vielleicht gar nicht machen möchtest, aber die gehören nun mal dazu. Aber wenn du mich fragst, die Tatsache, dass wir uns hier unterhalten und über unsere Musik sprechen finde ich viel besser und interessanter als mir jetzt irgendeinen coolen neuen Social-Media-Post auszudenken, das bin einfach nicht ich. Ich hoffe deshalb, dass so etwas auch noch lange besteht, du dir vielleicht ein Interview durchlesen kannst in einem Magazin und Reviews.
Auf der einen Seite liest du oft Interviews wo du dir denkst, hätte man sich jetzt auch sparen können, auf der anderen Seite gibt es welche die echt gut sind, wo ich neue Dinge erfahren will von den Leuten, deren Musik ich mir anhöre, die ich auch wissen will. Vielleicht hat man gewisse Dinge anders verstanden oder interpretiert oder Leute vorverurteilt und manche Interviews können dann echt erhellend sein, in die ein wie auch andere Richtung. Dann gibt es natürlich noch so Formate wie Musikpodcasts und so. Es ist glaube ich auch eine Generationenfrage, ich bin mit den ganzen Heften wie Metal Hammer aufgewachsen und hab mir das regelmäßig gekauft. Dann gab es eine Phase wo das komplett eingestellt wurde und in der letzten Zeit, unter anderem in der Pandemie, hab ich auch wieder damit angefangen mir Hefte zu kaufen und zu lesen.
metal.de: Wenn wir gleich mal dabei bleiben: Ein Format wie ein Podcast, was natürlich etwas tiefer in die Materie geht, wäre das etwas, was du zu einem normalem Interview bevorzugen würdest? Ich würde dir Recht geben, dass manche Interviews tatsächlich – und da bin ich auch nicht ganz unselbstkritisch – eher wenig Mehrwert haben. Es ist manchmal schwer sich gute Fragen auszudenken oder in eine Band und die Materie einzuarbeiten. Gibt es in der Hinsicht etwas wie deine persönlichen schlimmsten Interviews oder doofsten Fragen oder so etwas?
JR: Puh, das ist schwierig zu beantworten. Ich finde es gibt keine schlimmen Interviewfragen, es gibt eher so Konstellationen wo du merkst, dass entweder die eine oder andere Seite keinen Bock darauf hat und da wird dann wahrscheinlich nicht viel bei rum kommen. Da ist auch das Format zweitrangig, ob abgedrucktes Interview oder Podcast. Wenn man nichts zu erzählen hat oder keinen Bock hat, ist das auch vollkommen ok. Es gibt auch genug Künstler von denen ich gar kein Interview lesen wollen würde (lacht). Vielleicht macht das dann einem auch manchmal die Band ein wenig kaputt.
Auch gerade im Black Metal gab es jüngst glaube ich ein gutes Beispiel mit KANOENFIEBER, wo es eine riesen Aufregung darum gab, dass Noise ja eigentlich aus dem Pop-Punk-Umfeld kommt. Wenn es nur so einen Müll gibt als Folge der Aufmerksamkeit, kommt da nichts vernünftiges bei rum. Man merkt einfach, ob jemand was zu sagen hat oder nicht.
metal.de: Vielleicht auf PERISH bezogen, das ist musikalisch ja doch eine andere Spielweise als bei LONG DISTANCE CALLING oder anderen Projekte von dir und euch. Wenn du an das Songwriting gehst, ist das sehr anders?
JR: Musik ist ja ein Katalysator für Emotionen die raus wollen. Es ist auf der einen Seite anders, auf der anderen eigentlich gar nicht. In dem Fall von PERISH war es so, dass erst alle Songs instrumental standen und wir Demos hatten. Mit diesen hab ich mich halt hingesetzt und hab dafür die Lyrics geschrieben, hab mir überlegt wie passender Gesang sein könnte und so weiter. Es stand schon ein grobes Konzept bei PERISH, von daher war es einfach wichtig, die Stimme und Lyrics auf den Song anzupassen. Aber es war viel unverkopfter, als das jetzt vielleicht klingt. Wir standen im Proberaum und zwei Songs waren eigentlich schon fast fertig. Natürlich verfeinert man das noch einmal während der Produktion, hier eine Melodie geändert, da einen Part vielleicht gekürzt oder länger gemacht, vielleicht sogar neu eingespielt, weil man nicht ganz zufrieden war.
Aber sonst gab es Songs, deren Grundgerüst innerhalb einer Stunde stand. Und das ist finde ich immer das Besondere gerade an Debüts, ohne Druck und ohne Reibereien einfach aus dem Bauch heraus Songs zu schreiben und das dann auf Platte zu bannen und ich finde jetzt im Nachhinein das hört man der Platte auch an. Natürlich hört man wo wir her kommen, aber es ist trotzdem sehr natürlich und unverkopft. Die Songs sind quasi aus uns herausgesprudelt, es war glaube ich einfach der passende Zeitpunkt und all der Druck der sich über die Zeit angestaut hat, konnte sich nun entladen.
metal.de: Musstest du dafür noch einmal extra üben, sei es für das Schlagzeug oder den Gesang? Damals meinte Florian etwa im Interview zur neuen LONG DISTANCE CALLING, dass er wahrscheinlich für schnelles Tremolo-Spiel eh keine Ausdauer mehr hätte und sich das wahrscheinlich neu antrainieren müsste.
JR: Ich habe in der Tat noch mal von befreundeten Schlagzeugern mir noch einmal ein wenig Doublebass-Unterricht geben lassen um das aufzufrischen und die Sachen spielen zu können. Aber jetzt bin ich auch wieder drin. Das bringt mich auch als Musiker weiter, andere nach Hilfe zu fragen, mich selber aufzunehmen, sehr selbstkritisch zu sein. Mir macht das nichts aus, das ist für mich kein Übel sondern der Grund weshalb ich Musik mache. Um sich selber weiter zu entwickeln.
metal.de: Hattest du eine besondere Übungsroutine oder nimmst du einfach nur auf und schaust was für Parts du verwenden kannst?
JR: Ja, ich hab in der Tat eine Übungsroutine für diese Platte gehabt, unter anderem für Doublebass, ich hab auch auf dem Pad viel gespielt. Einfach um auch wieder ein wenig mehr Power zu haben. Wir haben nicht großartig mit Triggern und Samples gearbeitet, deswegen war eine gleichmäßige Konsistenz bei den Schlägen schon sehr wichtig. Ich hab zwischendurch auch immer ein wenig so für mich gespielt. Ich hab ein Schlagzeug bei mir stehen und bald auch wieder meinen eigenen Übungsraum, das ist ganz nett. Das hat mich weiter gebracht und war auch echt spaßig.
metal.de: Von der Ästhetik her: Was muss ein guter Schlagzeugsound für dich haben, vielleicht auch auf einer Black Metal Platte?
JR: Er muss ein bisschen eigen sein. Es ist immer die Frage was man will. Es gibt sehr rohen, fies klingenden Sound, den ich bei manchen Bands total geil finde, solange das jemand spielt, der das auch kann. Vielleicht nicht komplett Garage, so dass ich Snare und Bassdrum nicht mehr unterscheiden kann, aber wenn jemand hinterm Kit sitzt der weiß was er tut kann der Sound auch total fischroh für mich sein. Auf der anderen Seite ist ein grosser, halliger Sound wie bei einem „Storm Of The Light’s Bane“ natürlich auch geil, die Platte hat ein wenig so einen gewissen Schlagzeugsound im Black Metal geprägt.
Gerade wenn man die Tom-Rolls hört weiß jeder Bescheid, wurde tausendfach kopiert. Aber auch in anderer Hinsicht ist das Album natürlich ein Klassiker. Es gibt glaube ich auf YouTube eine Dokumentation mit Dan Swanö über die Aufnahmen zu dem Album, sehr cool. So lange Eigenständigkeit mitschwingt ist mir das ziemlich egal, denn diese Musik braucht einfach eine gewisse Eigenständigkeit. Einfach nur zu kopieren was alle anderen machen ist zu wenig, das wird schnell langweilig und gleichförmig.
metal.de: Damit wären wir dann auch schon durch, danke dir für deine Zeit, viel Erfolg mit „The Decline“ und PERISH!
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