Patriarkh / ex-Batushka
Alles über den Neuanfang

Interview

Nach langem Rechtsstreit tragen Bartłomiej „Bart“ Krysiuk und seine Mannen ihre Version von BATUSHKA zu Grabe und schlagen mit PATRIARKH ein neues Kapitel auf. Angesichts der bevorstehenden Veröffentlichung des Konzeptalbums „ПРОРОК ИЛИЯ“ (lat. „PROROK ILJA“ oder „Prophet Ilja“) haben wir uns Bart und Gitarrist Monk Boruta aka Jakub Śliwowski zum Gespräch vorgeknöpft.

Patriarkh – ПРОРОК ИЛИЯ

Hi und danke, dass ihr euch Zeit für dieses Interview nehmt. Wie geht es euch, seid ihr schon aufgeregt wegen der Veröffentlichung des neuen Albums unter neuem Bandnamen?

Boruta: Oh ja, tatsächlich bereiten wir uns grade auf den Abflug vor, denn in ein paar Stunden fliegen wir nach Bangkok, es ist also ein ziemlich hektischer Tag. Es ist die letzte Tour als BATUSHKA und wir sind sehr aufgeregt. Wir möchten das neue Album unter dem neuen Namen präsentieren, denn es ist eine komplett neue Story und ein neues Kapitel. Das Album ist frisch und es sind so viele neue Sache darauf, das Timing ist also perfekt.

Bart: Genau, es ist eine ziemlich spannende Zeit für uns, nicht nur weil wir in ein paar Stunden Warschau verlassen und für ein paar Tage durch Asien, Neuseeland und Australien reisen. Wir promoten während der Shows auch das neue Album „Prophet Ilja“, denn wir werden am Ende des Sets drei bis vier neue Songs spielen. Mit PATRIARKH werden wir dann das ganze Album spielen, darauf freuen wir uns besonders.

Ihr gebt den Leuten also schon einen kleinen Vorgeschmack auf das im Januar erscheinende Album. Lasst uns noch ganz kurz über den Namenswechsel sprechen. Der resultiert ja im Grunde aus dem Ergebnis des Rechtsstreits um den Namen BATUSHKA.

Boruta: Naja, nicht wirklich, denn die ganze Sache ist noch nicht abgeschlossen. Das polnische Gericht hat in erster Instanz entschieden, das ist aber nicht das endgültige Urteil, denn wir gehen in Berufung. Dieser Prozess wird aber sicherlich einige Jahre dauern, also haben wir beschlossen, dass wir den Bandnamen jetzt ändern und weitermachen. Es kommt ein tolles neues Album raus und wir möchten, dass sich die Leute auf die Musik und nicht auf den ganzen rechtlichen Kram konzentrieren. Der Rechtsfall wird weiterlaufen, aber eben im Hintergrund.

Es muss also auch eine gewisse Erleichterung für euch sein, dass ihr nun mit neuem Namen nach vorne schauen könnt und die Diskussion um die Band vielleicht nicht mehr so sehr von dem Rechtsstreit überschattet wird.

Bart: Ja, wir möchten all diese unangenehmen Ereignisse rund um den BATUSHKA-Namen hinter uns lassen. Auch die neue Musik unterscheidet sich von BATUSHKA. Wir haben uns seit „Hospodi” über „Raskol” und „Caryu” weiterentwickelt und das neue Album ist ein neues Kapitel in unserer Geschichte, daher ist der Namenswechsel eine gute Sache.

Ich habe auch eben mit unserem Anwalt gesprochen und unser Antrag auf Berufung ist raus, jetzt wird es aber mindestens die nächsten 2 Jahre dauern, bis es dahingehend eine Entscheidung gibt.

Boruta: Es ist in Polen ganz normal, dass Gerichtsverfahren sich ewig ziehen können. Ein berühmter Rechtsstreit lief über 15 Jahre und wanderte bis vor den Europäischen Gerichtshof, das ist Wahnsinn. Unter solchen Umständen kann man ja keine Band unterhalten. Also dachten wir uns, besser wir ändern den Namen jetzt, besonders mit Hinblick aufs neue Album und schauen einfach, was in Zukunft passiert.

In Pressetexten bezeichnet ihr PATRIARKH als eine Wiedergeburt: Würdet ihr also von einem kompletten Neuanfang sprechen und nicht nur von einer Fortsetzung dessen, was ihr als BATUSHKA gemacht habt? Oder ist es vielleicht ein bisschen von beidem?

Bart: Weißt du, es ist ein bisschen was von beidem. PATRIARKH wird als Band immer einem Konzept folgen, bei dem orthodoxe Musik und Symbole eine Rolle spielen, wie es auch bei BATUSHKA der Fall war.

Aber die Musik hat sich eben verändert. Wir haben ein Symphonieorchester, all diese folkloristischen Instrumente sowie weiblichen Gesang auf dem Album und allgemein kommen viele Neuerungen. Aber im Zentrum steht immer noch orthodoxe Musik und wir beleuchten dabei auch die rumänische, die griechische und die bulgarische Seite der Orthodoxie.

Dann lasst uns doch mal über das Album selbst sprechen. Zuvor habt ihr euch mit bestimmten Aspekten des orthodoxen Glaubens und seiner Rituale sowie mit der Geschichte der Kirche befasst, diesmal habt ihr aber einen anderen Ansatz gewählt. Es handelt sich um ein Konzeptalbum über Eliasz Klimowicz, den Anführer einer orthodoxen Sekte, die in eurer Heimatregion hauptsächlich in den 1930ern und 1940ern aktiv war. Könnt ihr ein bisschen was zum Hintergrund der Geschichte erzählen und warum ihr ausgerechnet diesen Charakter als Thema des Albums gewählt habt?

Bart: Die Geschichte trug sich in meiner Heimatregion Podlachien zu, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Irgendwann in den 90ern sah ich zum ersten Mal eine polnische Fernsehtheateraufführung über den Propheten Ilja. Das Stück war in Polen sehr bekannt, mit vielen berühmten polnischen Schauspielern.

Die Geschichte hinterließ tiefen Eindruck bei mir und blieb mir immer im Gedächtnis, also hielt ich es für eine gute Idee, sie mit unserem extremen Metal musikalisch umzusetzen. Die Geschichte selbst ist sehr ketzerisch und blasphemisch, sie verbindet sich also ziemlich organisch mit unserer Musik.

Und es dreht sich eben alles um die Region. Wir machen Musik, die wie Podlachien klingt, dieses Album klingt wie meine Heimat. Deshalb stehen all diese folkloristischen Instrumente auch besonders im Mittelpunkt des Albums.

Das Album enthält einige überraschende neue Elemente. Es fallen besonders traditionelle Instrumente wie die Drehleier, die Talharpa oder das Mandocello auf. Abgesehen davon, dass ihr damit euer musikalisches Repertoire erweitert; dient die Verwendung folkloristischer Elemente auch dazu, die Musik mit der Geschichte zu verbinden?

Bart: Korrekt, diese Instrumente haben eine enge Verbindung zur Geschichte und der Region. Instrumente wie die Mandoline oder das Mandocello verbindet man oft mit skandinavischen Bands wie WARDRUNA, aber sie sind auch slawisch und wir zeigen eben diese slawische Seite.

Eine weitere wichtige Neuerung ist der weiße Gesang (melodischer Schreigesang). Dieser weibliche Gesang ist sehr typisch für meine Heimat und liegt mir sehr am Herzen, weshalb er auch auf diesem Album zu hören ist.

Der abwechslungsreiche Gesang ist in der Tat ein Merkmal, das auf dem Album heraussticht. Es gibt natürlich immer noch Black-Metal-Schreie und orthodoxe Gesänge, aber ihr habt auch diverse männliche und weibliche Gäste, die zum folkloristischen Feeling des Albums beitragen. Kannst du ein wenig auf die Gesangsarrangements eingehen und auch etwas zu den Gastmusikern erzählen?

Bart: Klar, der weiße Gesang ist wie gesagt charakteristisch für meine Region und ist auf dem gesamten Album zu finden. Dafür haben wir teilweise auf frühere Gäste zurückgegriffen. Auch Eliza Sacharczuk ist auf dem Album zu hören. Sie ist bereits seit sieben Jahren unsere Gesangslehrerin.

Hinzu kommen zwei in Polen sehr bekannte Persönlichkeiten. Zum einen Adam Strug, der ziemlich groß in der hiesigen Folk-Szene ist. Außerdem der polnische Rockstar Maciej Maleńczuk, der bei uns eine Art Berühmtheit ist. Er ist Fan der Band und wollte gerne etwas zum Album beitragen. Er hat eine beeindruckende Bandbreite, seine Stimme ist sehr tief und passt perfekt zu unserer Musik.

Und natürlich sind da auch noch die Jungs aus unserem Chor, die immer wieder neue Impulse zu unserem Sound beitragen. Sie klingen vielleicht etwas anders, aber es sind dieselben Leute. Gesang und Geschichte passen einfach perfekt zusammen.

Bei „Wierszlan VI” verzichtet ihr sogar ganz auf einen metallischen Unterbau. Wolltet ihr immer einen rein akustischen Song auf dem Album haben, oder hat sich das im Laufe der Songwritings ergeben?

Bart: Zuerst habe ich das Konzept für das Album entwickelt und sämtliche Texte geschrieben. Als ich dann über die durch Konzept und Texte transportierten Emotionen und über die Dynamik des Albums nachgedacht habe, kam ich zu dem Schluss, dass es einen puren Folksong geben muss.

Ihr habt eurem Sound außerdem mehr symphonische Elemente hinzugefügt, die in Verbindung mit den schweren Riffs besonders auf der ersten Albumhälfte für eine sehr majestätische Atmosphäre sorgen. Ich hatte sogar erst den Eindruck, dass ihr euch ein Stück weit weg vom Black Metal hin zum Doom entwickelt habt, was aber gar nicht der Fall ist. Das Album hat einfach allgemein eine sehr doomige Aura. Würdet ihr das so unterschreiben?

Boruta: Es ist schwer zu sagen, selbst für uns. PATRIARKH ist nicht einfach nur Black Metal oder nur Doom Metal, es ist eine Mischung von alldem. Es gibt Blast Beats und schnelle Tremolos, aber eben auch viele schwere Doom-Metal-Riffs. Dann kommen noch die Folk-Elemente dazu, man könnte es also auch Folk Metal nennen. Ich denke all diese Genre-Bezeichnungen passen gut zu uns.

Und ich denke, man muss „Prophet Ilja“ etwas anders angehen als normal Alben. Es ist eine Geschichte, die wir mit Hilfe der Musik erzählen. Wir laden die Leute ein, sich das Album von Anfang bis Ende anzuhören und mit uns abzutauchen. Wir möchten, dass das Publikum bei unseren Liveshows mal für eine oder eineinhalb Stunden die Welt vergisst und mit uns auf eine emotionale Reise geht

Bart: Genau, unsere Absicht ist es, die Leute mit auf eine Reise zu nehmen. Sie sollen in die Geschichte und in diesen besonderen Sound eintauchen. Es ist in der Hinsicht ein wenig wie ein Hörbuch, ein Theaterstück oder ein Hörspiel.

Du sagtest ja auch, dass ein Theaterstück dich zu diesem Album inspiriert hat. Ich denke, dass Album hat eine sehr feierliche Stimmung, die jede Menge Gravitas transportiert. Es gibt viele Spoken-Word-Passagen und insgesamt fühlt sich das Album weniger wie eine orthodoxe Messe und mehr wie ein Soundtrack zu einem düsteren, folkloristischen Schwarzweißfilm an. War das also die Intention?

Bart: Ja, absolut korrekt, das was besonders mit diesem Album ganz klar die Absicht.

Lasst uns zum Schluss noch kurz über eure Zukunftspläne sprechen. Werdet ihr die Liveshow verändern und vielleicht auch ein paar neue Elemente hinzufügen, die man so noch nicht von euch kennt?

Bart: Ja, natürlich, das gehört zur natürlichen Weiterentwicklung der Band dazu. Wir werden eine Sängerin mit auf der Bühne haben und zudem einen dritten Gitarristen. So heavy war unser Sound bei Livershows noch nie. Bei ausgewählten Shows werden wir außerdem einige Gäste mit den auf dem Album verwendeten folkloristischen Instrumenten auf der Bühne haben, das wird unsere bisher größte Produktion. Vielleicht klappt das auch bei Festivals. Die PATRIARKH-Auftritte werden sicherlich eine Herausforderung mit dem neuen Sound, dem neuen Line-Up und natürlich mit den neuen Bühnenoutfits.

Es wird also voll auf der Bühne.

Boruta: Ja, tatsächlich ändern wir grade ein paar Sachen und es gibt schon einige neue Bühnenrequisiten. Wir tauschen auch langsam die Roben aus, wir denken über neue Farben nach. Wie gesagt, das gehört alles zur natürlichen Weiterentwicklung dazu.

Bart: Die orthodoxe Messe und orthodoxe Musik bleiben auch weiterhin unsere Inspiration, aber wir wollen das auf unsere eigene Art umsetzen.

Ihr habt am Anfang des Interviews gesagt, dass ihr bei den unmittelbar anstehenden Dates eine Mischung aus alten und neuen Songs spielen werdet. Wie sieht es nach dem Release von „Prophet Ilja” aus, werdet ihr euch primär auf das neue Material konzentrieren?

Bart: Genau, wir werden das komplette Album von Anfang bis Ende spielen. Zum Schluss werden wir vielleicht ein paar alte Songs als Zugabe spielen, aber das neue Album steht klar im Fokus.

Ihr seid ja wie gesagt quasi auf dem Sprung nach Bangkok. Mit wem seid ihr unterwegs, habt ihr eine Supportband dabei oder supportet ihr selbst?

Bart: Das sieht in jeder Stadt etwas anders aus. In Bangkok spielen wir mit MALEVOLENT CREATION, dann haben wir ein paar Tage Pause und dann spielen wir zwei Shows in China; in Shanghai und Peking.

Boruta: Ich glaube wir haben bei allen Shows lokale Supportbands und in zwei Wochen beenden wir die BATHUSHKA-Story in Melbourne.

Werden diese Auftritte direkt in die nächste Tour für das Anfang des neuen Jahres erscheinende Album übergehen, oder gönnt ihr euch eine kurze Pause?

Bart: Wir starten am 3. Januar mit einer Release-Show. Das wird ein spezielles Event in Polen, wir spielen mit einem Symphonieorchester und einem Männerchor. Das wird eine riesige Produktion und wir spielen das komplette Album live mit Theaterregie und symphonischen Arrangements, das wird wirklich etwas Besonderes.

Das wird die erste Show als PATRIARKH, im März gehen wir auf eine Tour durch Polen, im April und Mai folgt dann unsere erste Europa-Tour und im Sommer und Herbst 2025 spielen wir einige Festivals. Das wird der zweite Teil der Europa-Tour und wir freuen uns schon auf Touren durch Nordamerika und vielleicht Südamerika, wir werden sehen was passiert.

Das war es von meiner Seite, ich danke euch für das Interview und drücke euch die Daumen für die Veröffentlichung des neuen Albums.

Bart: Danke für deine Zeit und für den Support, ich hoffe man sieht sich irgendwann im nächsten Jahr auf der Tour.

Boruta: Genau, irgendwo unterwegs. Vielen Dank!

Quelle: Bartłomiej Krysiuk und Monk Boruta, PATRIARKH
19.12.2024

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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