Paragon
"Musik hat mein Leben gerettet."

Interview

PARAGON veröffentlichen am 08.November ihr 13. Studioalbum „Metalation“. Fünf Jahre und eine Pandemie liegen zwischen dem Vorgänger „Controlled Demolition“ und „Metalation“. Es hat sich viel im und um den PARAGON-Kosmos getan und verändert. Bassist Jan Bünning stand uns Rede und Antwort bezüglich der Veränderungen in der Band, der neuen Scheibe und der zukünftigen Planung von PARAGON.

PARAGON – Metalation – Cover Artwork

Hallo Jan, danke für Deine Zeit. Eröffnen möchte ich mit der Historie von PARAGON und einem Festival, mit dem die Band sehr verbunden ist. PARAGON war bei den ersten vier Ausgaben des Headbangers Open Air. Wie sind deine Erinnerungen an die Anfänge im Garten von Thomas Tegelhütter?

Wir haben auch danach noch etliche Male dort gespielt und werden 2025 wieder mit einer 35 Jahre Special Show dorthin zurückkehren. Insofern gehören wir fast schon zum Inventar und haben natürlich eine spezielle Beziehung zum Festival. Bei der ersten Show war es wie oft bei solchen Dingen eine Schnapsidee. Es standen vielleicht 50 Leute vor einem Heuwagen, der als Bühne diente. Die nächsten Jahre wurde es dann nach und nach größer und der Heuwagen wurde durch die Holzbühne ersetzt, die von vielen großen Namen bespielt wurde und noch wird, zumindest beim Warm Up.

Heute kommen Fans aus aller Welt zu der „größten Gartenparty der Welt“ und es ist alles professioneller und größer. Aber eigentlich hat sich an der Festivalattitude wenig geändert. Es ist immer noch ein Festival von Fans für Fans und alles familiär und locker, sowohl vom Veranstalter als auch von den Bands und den Fans.

PARAGON war 2017 mit dem Album „Hell Beyond Hell“ in Brande-Hörnerkirchen. Fun Fact: „Hellgore“ habt ihr damals gespielt, der jetzt auf „Metalation“ als Bonustrack zu finden ist. Wie sind Deine Erinnerungen an den 2017er Gig und was ist mit „Hellgore“ passiert, dass die Nummer jetzt nochmal neu aufgenommen wurde?

Das war eine sehr schwierige Show. Unser damaliger Drummer Sören Teckenburg hat eine rheumatische Erkrankung, was ja schon grundsätzlich schwierig ist als Schlagzeuger. Er hatte zu der Zeit Medikamente genommen, die leider eine Art Neurodermitis beziehungsweise Schuppenflechte hervorgerufen haben. Die Medikamente beschädigten unter anderem die Haut an seinen Händen, so dass ihm beim Spielen die Hautfetzen um die Ohren flogen. Deshalb hat er dort unter Schmerzen mit Handschuhen gespielt. Er hat danach sogar über das Ende seiner musikalischen Aktivitäten nachgedacht. Er betreibt Musik professionell und arbeitet unter anderem als Schlagzeuglehrer und Session Musiker. Dazu ist Sören in diversen Coverbands aktiv. Zum Glück konnten wir ihn zum Weitermachen überreden. Heute hat er andere und bessere medikamentöse Lösungen gefunden.

Ansonsten war es ein klasse Gig, der sehr viel Spaß gebracht hat, aber das ist dort ja immer so. „Hellgore“ hat sich über die Jahre zu einem absoluten Fan- und Band-Favoriten entwickelt. Die Originalversion ist auf „Screenslaves“ und die Produktion klingt leider nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Eigentlich sollte „Hellgore“ schon ein Bonus-Track für die Japan-Version von „Controlled Demolition“ werden. Der Japandeal ist leider geplatzt. Insofern hatten wir die Nummer jetzt über. Die neue Version von „Hellgore“ wird nur auf der Digipak-Version zu finden sein. Auf die LP passte der Track leider nicht mehr drauf.

Wenn wir schon bei „Metalation“ sind, steigen wir gleich tiefer in die Thematik ein. Der Schreib- und Produktionsprozess lief nicht unbedingt glatt. Zwischenzeitlich stand PARAGON vor der Auflösung. Was war passiert und an welchem Punkt warst Du so weit, dass Du aufgeben wolltest?

Naja, im Endeffekt hatten wir gerade ein ziemlich geiles Album im Frühjahr 2019 veröffentlicht und wollten dafür gerne einige Shows spielen in den nächsten Jahren. Wir sind aus beruflichen Gründen zwar nicht in der Lage, groß und lang zu touren, aber wir haben die ganzen Jahre immer Festivals oder auch ausgesuchte Einzelshows gespielt.

Ende 2022 haben wir dann nach den ganze Covid-19 Maßnahmen endlich wieder Shows spielen können. Erst ist Günny (Kruse, Anmerkung der Redaktion) ausgestiegen und anschließend Sören. Günnys Ersatz ging gleich wieder nach der ersten Show, die wir nach Covid gespielt haben. Da war ich sehr demoralisiert, weil ich schon wusste, dass das neue Album großartig ist. Martin und ich hatten während der Lockdowns die ganze Zeit Songs geschrieben, Demos präpariert und alles außer dem Gesang für „Metalation“ selbst aufgenommen. Sprich, da steckt viel Arbeit und Herzblut drin. Wir hatten gerade Covid-19 überlebt und waren nur noch zu dritt. Martin war da noch nicht 100%ig bereit voll einzusteigen und so war die ursprüngliche Idee, das Album zu veröffentlichen, ein paar Shows zu spielen und PARAGON dann aufzulösen.

Wie wichtig ist der Verbleib beziehungsweise die vollständige Rückkehr von Bandgründer Martin Christian und der Einstieg seines Sohnes bei PARAGON nach Deiner Meinung? War das der Wendepunkt im Produktionsprozess?

Ursprünglich war Martins Vorschlag Abschiedsshows mit seinem Sohn an den Drums zu spielen. Ich war irgendwo Backstage mit Jason (Wöbcke, Sohn von Bandgründer Martin Christian, Anmerkung der Redaktion) und er fragte, wann die Drum Recordings stattfinden. Bevor ich antworten konnte, meinte er „ich will fest bei PARAGON einsteigen“. Als Martin dann reinkam, meinte ich nur „dein Sohn ist eben bei PARAGON eingestiegen, dann musst du wohl auch.“ Naja, und dann hat er natürlich zugestimmt.

Martin und ich sind nicht nur ein gutes Songwriting Team, wir sind auch privat beste Freunde. Insofern ist es gerade für mich ein gutes Gefühl ihn wieder fest in der Band zu haben. Außerdem ist Martin auch jemand, der bandintern mit anpackt. Das bringt der ganzen Band Vorteile.

Martin und Jason sind auch bei den KNEIPENTERRORISTEN aktiv. Wird es zukünftig gemeinsame Konzerte mit Jörn Rüter und Co. geben?

Nein, das ist nicht geplant. Es würde von der musikalischen Ausrichtung auch nicht so richtig passen.

Zurück zum aktuellen Album. Als Single habt ihr den Opener „Fighting The Fire“ veröffentlicht. Lyrisch geht es um eine Welt voller Fakenews. Was sprach für die Nummer als Single im Vergleich zur zum Beispiel der Mitsinghymne „Battalions“?

„Fighting The Fire“ ist die erste Single und da wollten wir einfach eine typische PARAGON-Speed-Metal-Nummer für haben. Es sollte ein Song ohne Kompromisse sein. „Battalions“ folgte dann ja und als letztes kommt noch der Titelsong „Metalation“, die beide hymnischer sind. Wobei wir nicht eine Band sind, die auf Singles setzt. Wahrscheinlich hätten wir auch jeden anderen Song vom Album als Single nehmen können. 😉

PARAGON haben eine Ballade auf der Scheibe. „My Asylum“ bringt alles mit, um bei einem Live-Gig die Feuerzeuge zum Brennen zu bringen. Kannst Du uns einige Worte zu der Entstehung erzählen? Lyrisch dreht es sich um Isolation und Depression. Speisen sich die Lyrics aus dem echten Leben?

Der Song liegt mir tatsächlich sehr am Herzen. Die Inspiration kommt durch einen speziellen Menschen, der mir ebenfalls sehr am Herzen liegt, sowie von meinen eigenen Depressionen. Die Lyrics sind zwar von Buschi (Andreas Babuschkin, Sänger, Anmerkung der Redaktion), aber wir haben über die Auswirkung von Depressionen gesprochen. Ich finde, er hat die Thematik sehr gut umgesetzt.

Depressionen haben mich schon seit meiner Kindheit begleitet und meine Kindheit selbst hat sehr viel damit zu tun. Ich habe das Thema allerdings damals nicht wirklich realisiert. Mit Ende dreißig habe ich mich intensiver mit meinen Depressionen beschäftigt und eine Therapie gemacht. Heute kann ich gut damit umgehen, wobei mich die Thematik sicher bis zum Ende meines Lebens begleiten wird. Ich denke, ich habe die Krankheit zum Teil auch von meinem Vater geerbt. Er hat das Problem bis zu seinem frühen Tod mit Alkohol ertränkt. Früher waren Depressionen ein Tabuthema, erst recht in der Männerwelt. Das ist mittlerweile zwar anders, allerdings ist die Welt nach meinem Empfinden heutzutage wesentlich kälter und härter geworden. Ich kenne leider sehr viele Menschen, die Probleme mit Depressionen und auch anderen psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Borderline, haben. Viele Leute haben Angst sich mit der Materie zu beschäftigen, weil sie sich nicht stark genug fühlen, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen. Ich glaube nicht, dass das gut ist. Ich habe durch meine Musik über die Jahre viel Selbstvertrauen gewonnen. Das gewonnene Selbstvertrauen hat mitgeholfen, mich meinen Problemen zu stellen und ich gehe mittlerweile sehr offensiv mit dem Thema um. Mit Freunden darüber reden hilft ungemein und ich würde heute sagen, Musik hat mein Leben gerettet.

Insgesamt ist „Metalation“ sehr abwechslungsreich. Speed Metal, Mid-Tempo-Stampfer, klassische Headbanger und eine Ballade. War euch beim Start des Schreib- und Produktionsprozesses klar, dass PARAGON 2024 sehr variabel und facettenreich klingen soll? Inwieweit hat Covid und der Krieg in Europa eure Musik beeinflusst?

PARAGON hatten schon immer eine leichte Thrash- & Speed-Schlagseite und auf „Controlled Demolition“ haben wir das nach unserem Empfinden bis zum Anschlag ausgereizt. Insofern war eben die Frage, in welche Richtung das nächste Album gehen soll. Und da waren wir uns einig, dass wir wieder etwas melodischer und auch abwechslungsreicher klingen wollen. Wobei auf Abwechselung achten wir ja eigentlich immer, wir versuchen immer möglichst viele Facetten des Heavy Metal abzudecken. In dem Zusammenhang möchte ich gerne noch etwas loswerden: Gefühlt in jeder zweiten Review, gerade in Deutschland, wird behauptet, dass wir immer das gleiche Album machen. Was erwarten die Leute? Ich meine, wie eben schon gesagt – wir spielen abwechslungsreichen Heavy Metal mit allen seine Schattierungen. Was ist denn die Erwartungshaltung? Sollen wir irgendwelche hippen Mittelalter- oder Wikinger-Einflüsse in unsere Songs einbauen? Nein, natürlich nicht, wir sind eine Heavy-Metal-Band. Und wenn das bei uns schon kritisiert wird, dann bitte auch bei unseren großen Vorbildern wie ACCEPT oder JUDAS PRIEST. Dazu bitte noch die musikalisch ähnlich gelagerten deutschen Bands, wo das nie ein Thema ist. Du merkst schon – das musste mal raus.

Was die Krisen angeht: Auf die Musik selbst hatte das in dem Sinne keinen direkten Einfluss, aber auf die Texte natürlich. Und gerade die Covid-Maßnahmen haben uns als kleine Band auf alle Fälle geschadet. Ein Beispiel wäre das Booking, aber das ist sowieso ein schwieriges Thema für uns.

Zurück zur Produktion von „Metalation“. Ihr habt erneut mit Piet Sielck (IRON SAVIOR) gemeinsam am Sound gearbeitet. Piet musste sich zwischenzeitlich einer Krebsbehandlung unterziehen. Nach dem schwierigen Schreib- und Produktionsprozess ein weiterer Tiefschlag? Wie ist PARAGON mit der Erkrankung von Piet umgegangen?

Es war ein Tiefschlag und die Platte wäre wahrscheinlich früher rausgekommen, da wir die Produktion verständlicherweise etwas unterbrechen mussten. Gesundheit geht immer vor. Er ist ja nicht nur unser Produzent, sondern auch ein Freund und drei unserer (Ex-)Mitglieder haben schon bei IRON SAVIOR ausgeholfen (Jan Bertram, Jan Bünning, Ex-Schlagzeuger Sören Teckenburg). Es war ein schwerer Schlag für uns und wir sind froh, dass Piet das so gut wie es eben geht weggesteckt hat. Uns macht eine derartige lebensbedrohliche Erkrankung wieder bewusst, dass wir alle sterblich sind und wir jeden Moment unseres Lebens genießen sollten.

Planen PARAGON eine Release-Show oder Release-Party in Hamburg?

Die war tatsächlich geplant, allerdings hat der Laden, wo wir spielen wollten, kurzfristig geschlossen. Nun machen wir am 08.11.2024 zum Release nur eine kleine Bootsfahrt mit ca. 60 Leuten, wo wir halt neues Merchandise dabeihaben werden und die Menschen etwas mit uns feiern können. Aber wie es der Zufall so will, werden wir jetzt kurzfristig, zumindest an drei Tagen, als Special Guest bei der IRON SAVIOR und MYSTIC PROPHECY Hellfire 2024 Tour dabei sein. Die Termine sind am 21.11.2024 im Cassiopeia Berlin, 22.11.2024 im Knust, Hamburg, und 23.11.2024 in der Sputnikhalle Münster. Wir hoffen, dort möglichst viele PARAGON-Fans zu treffen.

Zum guten Schluss kommen wir nochmals zum Headbangers Open Air. PARAGON ist für 2025 bestätigt. Ihr habt ein Old-School-Set angekündigt. Gibt es nur Songs von den Alben aus den 90ern zu 35 Jahre PARAGON? Wird es eventuell eine Geburtstagsshow geben?

Beim HOA wird der Fokus sicher auf den LPs bis „Revenge“ liegen. Ich kann mir vorstellen, dass wir je nach Spielzeit auch zwei oder drei Songs von „Metalation“ spielen werden. Die Songs fügen sich bestens in das alte Programm ein.

Lieber Jan, danke für Deine Zeit und die offenen Statements. Die berühmten letzten Worte liegen bei Dir.

Danke für das Interview, wir hoffen viele PARAGON-Fans bei der Hellfire 2024 Tour zu treffen. Wir würden uns auch freuen, wenn wir viele von Euch bei der PARAGON-Kaperfahrt am 08. November begrüßen dürfen.

Quelle: Interview mit Jan Bünning
06.11.2024

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