Out Of Line
Interview zum Out Of Line Weekender 2019
Interview
Out Of Line sind vor allem in der schwarzen Szene vielen bekannt. Das Label, das Bands wie COMBICHRIST, OST+FRONT oder BLUTENGEL unter Vertrag hat, hat auch seit Anbeginn ein offenes Ohr für harte Gitarren. Der OUT OF LINE WEEKENDER geht in die mittlerweile achte Runde und kombiniert die Schnittmenge aus düsterem Elektro, Gothic und einem immer größeren Metal-Anteil, der sich auch im Label-Roster widerspiegelt. Zeit, sich einmal mit Felix (Marketing bei Out Of Line) über das Label-Event zu unterhalten und zu klären, wie viel Metal eigentlich in Out Of Line steckt, warum neben labeleigenen Künstlern auch weitere Bands ihren Platz in der Running Order finden, und natürlich, was euch erwarten wird.
Wenn ich mich nicht ganz vertue, geht euer Weekender jetzt in die achte Runde. Wie entstand damals die Idee, eine Art Labelfestival umzusetzen? Und waren von Beginn an auch labelfremde Bands dabei?
Du vertust dich nicht, 2012 ging es bei uns los, damals noch im K17. Unser Konzept war in allererster Linie, dass wir uns auf die Musik konzentrieren und allen weiteren Schnickschnack weglassen wollten. Wir wollten Newcomer und Bands holen, die man halt nicht so oft sieht. Damit wollten wir uns einerseits von anderen Festivals absetzen, andererseits ging es auch darum, ein Stück klassischen Spirit aus den frühen Neunzigern wieder aufleben zu lassen. Ab dem zweiten Mal hatten wir dann auch schon labelfremde Bands dabei. Der Weekender ist zwar unser Labelfestival, aber andererseits gibt es halt auch außerhalb unseres Programms genug Bands, die wir gut finden.
Out Of Line galt lange als Gothic-Label. Mittlerweile haben auch Metalbands bei euch unterschrieben. Wie kommt es zu dem Wandel und wirkt sich dies auch deutlich aufs Booking beim Weekender aus?
Was viele Leute nicht wissen oder vergessen haben, ist, dass es diesen Metaleinschlag bei uns von Anfang an gab. Out Of Line Music war inhaltlich nie so beschränkt wie manche Leute es offenbar sehen, und wir glauben auch, dass die meisten echten Musikfans genauso wenig beschränkt sind. Eine unserer ersten Bands war z.B. CLAY PEOPLE, und generell haben wir viel Industrial Metal gemacht. Zu der Zeit war diese Musik gerade frisch und unglaublich spannend. Es hat sich dann mit der Zeit herausgebildet, dass die Electro- und Industrialbands halt größeren Erfolg hatten und deshalb auch immer mehr ähnlich geartete Bands angezogen haben, aber das war nicht so richtig geplant. Aber jetzt ist es einfach an der Zeit, zu unseren Wurzeln zurückzukehren und wieder mehr Gitarrenmusik zu machen.
Das ist ja auch keine grundsätzlich neue Entwicklung, wir haben mit Bands wie OST+FRONT, COMBICHRIST, LORD OF THE LOST oder RABIA SORDA schon eine Weile Gitarren im Programm, und gerade die haben auch viel Erfolg. Da ist es letztendlich nur logisch, hier den nächsten Schritt zu gehen. Gerade weil wir im Electro-Bereich ja schon alles erreicht haben und die Schwarze Szene auch ein Stück weit langweilig geworden ist. Und mit Bands wie BLOODRED HOURGLASS, FROSTTIDE, TRAGEDY OF MINE, XENOBLIGHT, GROOVENOM, BLIND CHANNEL, BRYMIR, AEVERIUM, NIGHT LASER, RAVE THE REQVIEM und FEAR OF DOMINATION sind wir jetzt ja auch schon gut aufgestellt.
Und natürlich wirkt sich das auch auf das Booking aus. Den Metaltag setzen wir beim Weekender jetzt das dritte Mal um und gehen dabei jedes Jahr einen Schritt weiter. Letztes Jahr waren die Headliner COMBICHRIST und OST+FRONT, aber diesmal gehen wir mit DARK TRANQUILLITY, DIE APOKALYPTISCHEN REITER und EVERGREY auf‘s Ganze, und der Freitag hat ja mit ESKIMO CALLBOY auch einen Metalcore-Headliner. Und das zieht sich dann natürlich auch durch das ganze Billing. Ich bin stolz darauf, wie gut diese Mischung uns repräsentiert. Ich meine, schau dir doch mal die ganzen Festivals in den frühen Neunzigern an, da hast du Electrobands und Metalbands auf demselben Billing gehabt. Da konnte auch eine Band wie AMORPHIS auf einem Gothic-Festival spielen. Die Szenen hingen viel stärker zusammen und haben sich gegenseitig befruchtet, was die Musik auch in jedem Fall bereichert hat. Die Leute waren offener, und ich bin überzeugt davon, dass es diese Offenheit auch heute noch gibt und die Festivals die Leute einfach unterschätzen. Beim Summer Breeze oder Rockharz hast du dieses Phänomen auch jetzt noch, und genau zu diesen Wurzeln wollen wir wieder zurück. Gerade weil die Schwarze Szene in den letzten Jahren reichlich innovationslos war, wird es Zeit für Impulse von außen.
Apropos Booking: Nach welchen Kriterien stellt ihr die Bands zusammen? Es ist ja eine bunte Mischung, die man so nicht unbedingt erwarten würde, und die Bandbreite zwischen HOCICO, ESKIMO CALLBOY und DARK TRANQUILLITY ist ja doch recht weit, haha.
Gerade diese bunte Mischung macht die Nummer für uns reizvoll! Es ist doch so: Du hast wahnsinnig viele Festivals – ich will hier keine Namen nennen –, da weißt du vorher, ich geh auf Festival x, da spielt in dem Jahr Band y und im nächsten Band z, und das wechselt sich halt so ab. Solche Festivals betrachten wir heute gar nicht mehr als Konkurrenz, denn wir machen ja nunmal etwas ganz anderes. Zugegebenermaßen: Früher hatten wir das in einem gewissen Maße auch. Und ganz ehrlich: Das war auch nicht schlecht, alles war sehr berechenbar und wir konnten unsere Labelbands schön damit bewerben und hatten eine tolle Zeit. Aber irgendwann geht es einem doch auf den Zeiger, wenn man immer nur im eigenen Saft schmort, erst Recht, weil das Festival nunmal unsere Labelplattform ist, und das Label hat sich seit diesen Zeiten verändert. Also hat sich logischerweise auch der Weekender verändert, und wir machen das, was uns selbst befriedigt.
Das heißt: Wir buchen die Bands, auf die wir Bock haben. Wir stellen ein Programm auf die Beine, das du nirgendwo sonst bekommst. Nimm mal den Freitag: Headliner ESKIMO CALLBOY, Co-Headliner HOCICO. Mag es oder lass es bleiben, aber beide Bands sind in ihrem Revier die absolute Spitze, und zwar konkurrenzlos. Jetzt spielen sie am selben Abend, zum Teil vor Publikum, das vielleicht noch nie von denen gehört hat. Die werden gar nicht drumherum kommen, sich richtig ins Zeug zu legen und zu versuchen, den anderen zu übertrumpfen. Und das wissen die auch! Das ist doch viel spannender, als wenn du HOCICO zum drölfzigsten Mal auf irgendeinem Gruftifestival siehst, wo sie eh den Heimsieg holen. Wir sind Musikfans, das ist der Kern, und wir sind verrückt oder vielleicht auch bescheuert genug, genau dieses buntgemischte Konzept zu probieren. Und wir sind fest davon überzeugt, dass es noch mehr Leute wie uns gibt. Und wenn dann einer sagt: „ESKIMO CALLBOY sind meine Lieblingsband, aber diese HOCICO, die waren auch saucool, ich kannte die vorher gar nicht oder fand die Scheiße“ – oder halt anders herum – dann hat sich die Sache für uns gelohnt. Wenn HOCICO riesige Fans von FROSTTIDE sind – und das sind sie – dann sind bestimmt auch deren Fans in der Lage, über den Tellerrand zu schauen.
Ihr habt zudem explizit verschiedene Tage, die im weitesten Sinne nach Genres sortiert wurden. Ist das eine rein strategische Entscheidung? Und wie fällt die Entscheidung, welche Band an welchem Tag ran darf?
Ja klar, es ist ja schon so, dass wir gerne Bands in einen Tag packen, die auch zusammen passen. Da haben alle am meisten von. Der Metalsamstag mit u.a. DARK TRANQUILLITY, DIE APOKALYPTISCHEN REITER und EVERGREY ist da sicherlich eindeutig, und der Electrodonnerstag mit KIRLIAN CAMERA und A SPLIT-SECOND genauso. Der Freitag ist ein bisschen der Zwischen-Den-Welten-Tag, da haben wir viele Bands, die Electro und Gitarren miteinander kombinieren. Ich meine, ESKIMO CALLBOY sind dafür ja bekannt, und BLIND CHANNEL aus Finnland schlagen sicherlich in dieselbe Kerbe. HOCICO haben überhaupt keine Gitarren, sind aber ein wahnsinnig harter Electro-Act, und für YELLOW LAZARUS gilt das auch, die machen harten Electro mit einer Hardcore-Sängerin. Die anderen Bands ERDLING, RAVE THE REQVIEM und FEAR OF DOMINATION sind das Spannungsfeld zwischen diesen Extremen. Es ist also schon so, dass wir uns für jeden Tag ein Konzept überlegen und danach entscheiden, welche Band an welchem Tag spielt. Wer gerade wann verfügbar ist, spielt natürlich auch eine große Rolle.
Ein Festival kostet ja immer ziemlich viel Aufwand und Energie. Wie bewältigt ihr dies neben der Labelarbeit und wie viel Planung steckt schlussendlich im dem Weekender?
Da sachste watt! Jeder, der schonmal eine regelmäßige Veranstaltung gemacht hat, weiß: Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung. Das Thema hält uns mehr oder minder das ganze Jahr beschäftigt, natürlich mit Peaks und Lows. Je näher man dann dem Festival kommt, desto mehr Arbeitszeit nimmt es natürlich auch ein, und es ist ja nun auch nicht so, dass wir den Bands sagen könnten: Hey, der Weekender nimmt uns gerade ganz schön in Anspruch, wir haben gerade nicht so recht Zeit für einen Release. Das geht natürlich nicht, das wäre den Bands gegenüber unfair. In aller erster Linie sind wir nunmal ein Label, unsere Arbeit ist: Alben herausbringen. Das Festival ist an der Stelle Nebenprodukt, unsere Party und natürlich auch Bühne für unsere Bands.Wie machen wir das also? Klotzen statt kleckern!
Auch vor acht Jahren war die Szene schon voller Festivals. Warum habt ihr euch entschlossen, den Weekender ins Leben zu rufen und gibt es eine bestimmte Philosophie hinter dem Festival?
Wie gesagt: Der Weekender ist unsere persönliche Party. Klar gibt es da draußen einen Haufen Festivals, und jedes Jahr werden es mehr. Aber nirgendwo bekommt man so ein Programm wie bei uns. Die Philosophie ist einfach: Out Of Line, erwarte das Unerwartete! Es geht ja an der Stelle nicht darum, Zielgruppe xy zu befriedigen, sondern wir wollen etwas Besonderes auf die Beine stellen und hoffen, dass es genug Leute gibt, die genau das zu schätzen wissen. Das ist das, wofür der Weekender steht. Er ist die Bühnenumsetzung für das, was wir das ganze Jahr mit unserer Releasepolitik machen.
Blickt doch mal zurück und erzählt, wie sich das Festival seit der ersten Ausgabe entwickelt hat und vielleicht auch, was ihr rückblickend verändert und verbessert habt.
Über die stilistische Entwicklung haben wir jetzt ja schon gesprochen. Davon abgesehen: Wir sind mit dem Motto „Planlos ins Schwarze“ an den Start gegangen, und dabei sind wir seitdem geblieben. Klar, es gibt immer mal wieder organisatorische Stellschrauben, an denen man ein bisschen dreht, damit das alles noch mehr flutscht, aber im Grunde haben wir unser Konzept nie grundlegend verändert. Ein Sprung war sicherlich, dass wir ab dem dritten Weekender vom K17 ins Astra umgezogen sind. Auf einmal hatten wir ganz andere Möglichkeiten, wir konnten viel größere Bands buchen, und die Halle gibt natürlich auch von der Gestaltung viel mehr her. Aber ansonsten: Wir konzentrieren uns auf die Musik, wir halten den Eintrittspreis fair und wir brauchen keinen unnötigen Schnickschnack. Das ganze hat ja immer was von einem Mikrofestival: Tagsüber schaust du dir Berlin an, abends geht es dann zu den Konzerten, nachts schläfst du in einem Bett – ein ganzes Festival, nur ohne den unbequemen Faktor eines Festivals und ohne diesen Jahrmarkt-Charakter.
Ich weiß, eigentlich fragt man sowas nicht. Aber bei welchem Bands auf eurem Billing schlägt euer Herz in Vorfreude bereits höher?
Uh, das ist eine schwierige Frage. Ich meine, wir haben ja alle Bands gebucht, weil wir sie gerne mögen. Klar, jeder hier im Büro hat irgendwie andere Favoriten, aber um an der Stelle mal ein paar junge Bands hervorzuheben: Wir haben XENOBLIGHT letztes Jahr beim Wacken Metal Battle gesehen, und da waren wir mächtig beeindruckt. Diese Bühnenenergie ist einfach nur krass! Und bei uns spielen direkt danach FROSTTIDE mit diesem überepischen Sound. Es ist beeindruckend, wie die den auf der Bühne hinbekommen. BLOODRED HOURGLASS hatten wir letztes Jahr schon da, und wir laden so eine Band ja nicht umsonst zweimal hintereinander ein. Ja, und dann gibt das so eine Band wie YELLOW LAZARUS: Ein Lyricvideo, mehr ist von denen nicht bekannt. Das hat uns auch gereicht, denn der Song ist Gold. FEAR OF DOMINATION sind für ihre wilde Liveshow bekannt, das hat immer was von SLIPKNOT. Und RAVE THE REQVIEM … du merkst, ich komm hier nicht so recht zum Ende. Es ist halt echt so ein übles Klischee, wenn man sagt, dass man auf alle Bands steht, aber ehrlich, wir freuen uns hier auf jede einzelne. Ist natürlich dann die Frage, wie viel wir auch tatsächlich schauen können, wir haben ja auch gut zu tun, und außerdem sind natürlich auch viele Freunde und Gäste da, mit denen man sich auf ein Bier oder vier zusammensetzen will.
Eine mittlerweile spannende Frage bei Indoor-Festivals: Wird es neben den üblichen Getränken auch etwas zu essen geben?
Na klar, das ist ja auch einer der Vorteile im Astra: Du hast da immer diesen tollen Essensstand mit ihren Spezialitäten, da ist für jeden was dabei, und vor allem immer qualitativ wirklich gut.
Zu guter Letzt sei noch die Frage gestattet, was eure Gäste auf dem Festival neben den Bands erwartet – wird es da etwas Besonderes geben?
Wir konzentrieren uns auf das, worum es geht: die Musik. Klar, es wird Merch geben, der Tierschutzverein wird auch seinen Stand zum Spendensammeln haben, und der Wodkahersteller Eivie wird sich auch etwas ausdenken. Worauf wir in diesem Jahr besonders stolz sind, sind unsere Gast-DJs: Am Donnerstag wird Sven Friedrich von SOLAR FAKE dabei sein, Freitag teilen sich DJ Paul und DJ One den Spot, beide von WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER, und Samstag ist dann DJ Rob Monstar vom Star FM Club und dem Bloody Ballroom Bang an der Reihe. Aber bei so einem geilen Billing sehe ich eigentlich nicht, dass wir noch groß Nebenbeibeschäftigung bräuchten.