Orplid
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Interview

"Greifenherz", ORPLIDs viertes Studioalbum, steht kurz vor der Veröffentlichung und erneut hat das Duo aus Uwe Nolte und Frank Machau eindeutig Klasse bewiesen. Zum neuen Album, selbstgestellten Ansprüchen an ORPLID und der kulturellen Weltlage stand Uwe mit einer Mischung aus feiner Ironie und dem nötigen Ernst Rede und Antwort.

Orplid„Greifenherz“ ist deutlich roher und heftiger ausgefallen als „Sterbender Satyr“, genau genommen hat man euch lange nicht mehr so ungestüm und ungeschliffen gehört. Woher der Kurswechsel; oder soll das vorerst nur ein kleiner Ausflug bleiben?

Wir hatten von Anfang an vor, ein krasseres Album zu schaffen. Ob es nur ein Kurswechsel ist, wird die Zukunft zeigen. Ich wünschte mir fürs nächste Album noch mehr Druck, Wahnsinn und Brachialität, aber mal sehen was die Zeit mit sich bringt. Vielleicht begegnet man im kommenden Jahr der Liebe und wird friedlicher? Aber wollen wir doch hoffen, daß nichts zum Guten ausschlägt und wir immer schön depressiv und unzufrieden bleiben – sonst passen wir nicht mehr ins Klischee der Neofolk-Gothic- oder Sonstwas-Szene!

Auch die Texte, die dieses Mal vertont wurden, sind düsterer und kriegerischer als sonst. Bis zu welchem Grad spiegelt ORPLID persönliches Empfinden wider?

Dass Frank und ich nicht unbedingt Frohnaturen sind, hat sich ja bestimmt schon rumgesprochen. Wir waren in unserer Jugend die Jungs, welche in der Disco rumstanden, nie tanzten und immer nur aus sicherem Abstand das heitere Ringelrein der glücklichen Narren beobachteten. Düsterer finde ich die Texte eigentlich nicht, denn es wird stets der Traum als Ausweg und Erlösung angeboten. Im Gegensatz zum letzten Album, wo es ja fast nur ums „Sterbenwollen“ ging. Kriegerischer sind die beschriebenen Bilder, das stimmt allerdings, aber sie vermitteln auch Kraft und Zuversicht. Die lebensbejahende Aussage der CD könnte frei nach dem Motto christlicher Mystiker lauten: „Wer nicht stirbt, eh er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.“

Erneut hat Sandra Fink an einigen Stellen den Gesang übernommen. Wie stark ist sie an der Umsetzung ihrer Passagen beziehungsweise an der Musik insgesamt beteiligt?

Sie bekommt eine Grundmelodie vorgelegt und kann sich ansonsten nach Belieben austoben, was sie auch äußerst gekonnt und mit großer künstlerischer Sorgfalt macht. Ich kann sagen, daß sie meine Lieblingssängerin ist. Die von ihr gesungenen Texte habe ich extra für ihre Stimme geschrieben. Sowas kann nur Sandra in ihrer unverwechselbaren Art richtig rüberbringen:

„…Wo im Schnee Dämonen krächzen,
Wo die Schatten nach dir lechzen,
Wo noch Wälder, winterlich,
Traute Runenlaute ächzen…“

„Traum von Blashyrkh“ und „Totenesche“ sind neben „Luzifer“ und „Gesang an den Horusfalken“ in meinen Ohren der Höhepunkt unserer aktuellen Veröffentlichung.

ORPLIDs Textgut orientiert sich deutlich an deutscher Dichtung und nicht so sehr an (einstigem) Volksglauben. Ich habe Neofolk und Artverwandtes immer als etwas Identität-Stiften-Wollendes oder Rückbesinnendes empfunden. Wo würdet ihr euch da verorten?

Ja, mit Germanenhokuspokus und Gestern-Verherrlichung haben wir wirklich nichts am Hut. Auf Besinnung und Identitätsstiftung sollte Kunst meiner Meinung nach eigentlich immer abzielen. Wenn Kunst nicht diesen Anspruch hat, ist sie nur seichter Unterhaltungsmüll.

Die Motivation eures Schaffens mit ORPLID erklärt ihr stets mit Bezug auf deutsche Literatur. Wollt ihr bewusst erzieherisch oder gar als Kulturerhalter auftreten?

Ich glaube, dafür ist es zu spät. Der Niedergang ist in vollem Gange. Es ist kultureller Winter in Deutschland, aber nicht nur hier, auch anderswo auf der Welt! Die Beliebigkeit hielt Einzug in alle Bereiche des Seins. Man kann nur Saatkörner säen und hoffen, daß irgendwann ein Frühlingserwachen kommt. Bis dahin sitzen Frank und ich aber schon sicherlich Met pichelnd und aller irdischen Sorge entledigt in Walhalla. Ich freue mich schon sehr darauf!

In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren, wieviel Wert ihr der Rezeption eurer Texte beimesst. ORPLID will laut Bekunden eurer Netzseite ein „Refugium aus Lyrik, Schönheit und Gesang“ bieten – seht ihr euch eher in der Tradition simpler romantischer Realitätsflucht oder als Träger hoher musikalischer Ansprüche, wo doch gerade entlegene Stile wie Neofolk und dergleichen sich gerne als Gegenpol zum Massenwahn der Popmusik stilisieren?

Es freut mich natürlich, wenn die Leute sich mit Texten beschäftigen und Gedanken machen – auch über sich selbst; wer und warum sie sind und woher sie kommen. Ansonsten sind wir weder Realitätsflüchter, noch Gegenpol zum sogenannten Mainstream. Die heutige Realität ist zu banal, als dass man vor ihr flüchten müßte. Als Künstler schafft man sich seine eigene Wirklichkeit. Die Umwelt kann an ihr teilnehmen oder nicht – völlig egal, wenn man nur fest an sich und seine Sache glaubt. Und um einen Gegenpol zu Trends und Mainstream darzustellen, sind wir uns zu schade. Da ist der kunterbunte Quatsch, der durch die hiesigen Medien geistert doch zu belanglos. Wir sind ORPLID – Punkt!

Auf „Greifenherz“ befindet sich mit „Traum von Blashyrkh“ auch eine Huldigung an die Norweger IMMORTAL. Inwiefern passt ihr Schaffen zu dem, was ORPLID ausmacht?

Als eine Huldigung an IMMORTAL ist das Lied nicht unbedingt zu verstehen. Privat würde ich denen nicht unbedingt begegnen wollen. Mir hat es schon gereicht als ich Abbath ungeschminkt auf einem Zeitungscover sah. Er soll doch bitteschön ein krächzender, unnahbarer Dämon bleiben und keine langweiligen menschlichen Seiten offenbaren… Unser Lied ist mehr ein Lobgesang auf die Phantasie und auf die Freiheit ein eigenes Gedankenreich – in diesem Fall besagtes Blashyrkh – zu gründen und zu bewohnen, unabhängig von Untergang und Zerfall.

Die Musik von IMMORTAL inspiriert mich schon seit vielen, vielen Jahren. Sie vermittelt Kraft! Auch Klänge und Worte können Kraft vermitteln. Dazu bedarf es nicht unbedingt eines hämmernden Schlagzeuges und einer sägenden E-Gitarre. Das ist wohl die einzige Parallele zu ORPLID. Ansonsten ist es mehr oder weniger mein alleiniger Spleen – Frank ist da unschuldig! Ich liebe IMMORTAL – und Liebe ist nun mal irrational und läßt sich schwer erklären. Und wie der Zufall es will – gerade sausen die „Blizzard Beasts“ lautstark durch meine Boxen.

Schon 2002 in einem Interview, das Du, Uwe, unserem Magazin damals gegeben hast, sprachst du von einem Gedicht namens „Luzifer“ von Rolf Schilling, das auf Umsetzung dränge. Auf „Greifenherz“ ist es endlich dazu gekommen. Wie lange trägst Du, tragt ihr beide, Ideen mit euch herum, bevor sie verwirklicht werden?

Wenn unsereins etwas richtig begeistert, läßt es einen so schnell nicht wieder los. Aufs letzte Album, das ja ziemlich romantisch war, hätte der herrlich nihilistische Text von „Luzifer“ nicht gepaßt:

LUZIFER

Spürt, bis ins Herz eurer friedlichsten Tage,
Söhne des Staubs meinen knirschenden Schritt,
Wenn ich mit rauschendem Fittich zerschlage
Sanftes Getier, das mich liebend erlitt.

Schöner als Gott und die himmlischen Heere,
Reiten wir, Engel vom Unteren Reich,
Silbernen Hufs durch die steinerne Leere,
Städte, schon morgen dem Erdboden gleich.

Muschelgehäus, das ich lachend zerstöre,
Panzer aus Kalk, meinem Eifer geweiht,
Dorrender Austern arkadische Chöre
Tönen, zum Untergang heiter bereit,

Göttern, die klagend in Sümpfen versanken,
Holdeste Botschaft verkündigend: Stirb!
Beute dem zärtlichen Hieb meiner Pranken,
Krümmt sich ein Engel mit zähem Gezirp.

Falken, die heiligen Werke zu segnen,
Zucken am Himmel, den Blitzen zum Raub,
Feuer wird fallen und Asche wird regnen,
Schlangen, sich sonnende, spielen im Staub.

Nichts, nur der Schutt soll den Tag überdauern.
Dies meine Botschaft – nun geht, und viel Glück!
Fern eurem Traumgelall, fern eurem Trauern
Trägt mich mein Fittich ins Chaos zurück.

Insbesondere von Rolf Schilling, einem ansonsten recht unbekannten Dichter, vertont ihr ja eine ganze Menge. Was findet ihr in seinen Gedichten?

Rolf Schillings Gedichte sind mehr Malerei und Musik als geschriebenes Wort. Dass er recht unbekannt ist, liegt nicht an ihm und seinem Werk, sondern an der Trägheit von Frau Welt, die mit einer Zeitgeist-Schlafmaske den aufregendsten Dichter des 20. Jahrhunderts schlichtweg verpennt. Wir haben mit ihm ein Hörbuch namens „Gesang überm Quell“ (http://www.noltex.de/musikprojekte/noltexliedersammlungen/index.html) produziert. Wer mehr über Rolf Schilling sowie über uns und unsere Kunst erfahren möchte, den lade ich zu einem virtuellen Rundgang auf www.noltex.de ein!

Vielen Dank für dieses Zwiegespräch und schwarzmetallische Grüße an alle Leser von metal.de!

19.11.2008

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