Orphaned Land
Interview zu "All Is One"
Interview
Mit ORPHANED LAND meldet sich die wichtigste und einflussreichste Oriental-Metal-Band überhaupt zurück. Mit „All Is One“ haben die Israelis wieder einmal ein nicht nur überragendes Musikalbum voll erstklassigem, originellen Progressive Folk Metal von allerhöchstem Niveau, sondern auch eine Friedensbotschaft im Gepäck. Denn bei ORPHANED LAND geht es weit mehr als „nur“ um Musik, vielmehr steckt eine ernsthaft gelebte Philosophie in der Band, selbst für eine Verständigung im Nahen Osten zu sorgen.
Welche Bedeutung steckt hinter dem Albumtitel „All Is One“? Gibt es da eine Botschaft oder steckt da ein Konzept dahinter?
„All Is One“ ist ein Album mit einer starken und direkten Botschaft. Wir wollten unsere eigene Realität exakt so präsentieren, wie sie ist, rau und geradeaus. Wir möchten, dass die Hörer fühlen und verstehen, was in der Welt gerade vorgeht und warum es wichtig ist, auf diese Geschehen zu achten und zu realisieren – warum versagen wir immer daran zu erkennen, dass alles eins ist? Es ist kein Konzeptalbum, „All Is One“ ist das Thema der Stücke, welche auf dem Album präsentiert werden, auf verschiedene Arten wird die Geschichte erzählt, und hoffentlich werden wir alle verstehenn, dass alles, was wir sind, eins ist.
Letztes Jahr ist euer Gitarrist Matti Svatizky leider ausgestiegen. Was waren die Gründe für seinen Ausstieg aus ORPHANED LAND? Wie habt ihr euch damals gefühlt? Und wie ist die Atmosphäre innerhalb der Band heute?
Der Abgang von Matti war ein wirklich trauriger Moment in der Geschichte von ORPHANED LAND, er war mit uns 20 Jahre lang, wir haben gemeinsam Alben aufgenommen, waren gemeinsam auf Tour, haben zusammen viele Erfahrungen gesammelt. Er fühlte sich vom Musikerleben ermüdet und wollte sich auf seine Karriere und Familie konzentrieren. Wir respektieren seine Entscheidungen und werden ihn immer als unseren Bruder lieben. Das Ganze hat dazu geführt, dass Chen Balbus den Platz von Matti eingenommen hat. Wir sind glücklich darüber, dass Chen ein neues Mitglied in der ORPHANED LAND-Familie ist.
Es ist sehr interessant, wie euer neues Album „All Is One“ aufgenommen wurde. Mehr als 40 Leute haben daran teilgenommen. Wie habt ihr das alles bewerkstelligt?
Exakt, über 40 Musiker leisteten ihren Beitrag dafür, um „All Is One“ zum besten ORPHANED LAND-Album jemals zu machen. Von den Musikern, welche auf dem Album spielen, sind die moisten unsere Freunde und einige der Musiker kontaktierten wir online und wurden uns von unseren Freunden vorgeschlagen. Was zum Beispiel den Chor anbelangt, waren das ungefähr 20 Sänger, welche Chen und Kobi über Onlinevideos gefunden haben, die Aufnahmen entstanden in Israel innerhalb von nur wenigen Stunden. Oder das Orchester, welches uns ein Freund aus der Türkei empfahl, dort auch aufzunehmen, unter der Berücksichtigung, dass es sich um das beste Studio für Streicher handelt. Dank der Technologie, welche uns heute zur Verfügung steht und mit der man jeden kontaktieren kann, ist alles möglich und es geht sehr schnell.
Wie groß war der Einfluss und die Leistung der Musiker, welche nicht Teil von ORPHANED LAND sind, aber wir auf den Aufnahmen hören können? Habt ihr ihnen genau vorgegeben, was und wie sie spielen und singen sollen, oder gab es noch Freiraum für Improvisationen oder sogar eigene Ideen?
Wir unterstützen immer Freiheit für jeden. Es gab Teile, in welchen wir spezifische Dinge benötigten, hier haben wir die Musiker geführt und begleitet, um genau das Resultat zu erreichen, welches wir gespielt haben wollten. Aber in den meisten Fällen gaben wir ihnen Raum, um sich innerhalb der Songs zu entfalten und ihre eigenen Ideen zu präsentieren. Zuerst haben wir die Teile fertiggestellt, an welchen wir uns sicher waren, dass wir dies und das benötigen, und dann kam die kreative Methode um zu sehen, wie manche Ideen in die Songs passen.
Hat jeder innerhalb der Band am Songwriting teilgenommen?
Ja, in ORPHANED LAND gibt es keinen Vordenker, der alle Musik komponiert und die Texte fertig schreibt. Wir nehmen alle an diesen Prozessen teil, arrangieren Stücke, gehen zusammen in die Vorproduktion, bis alles bereit ist für das Studio. Natürlich hat jeder von uns seinen eigenen, speziellen Beitrag, den er zur Verfügung stellt und hilft, dass die Songs noch fantastischer werden, in perfekter Harmonie und Chemie.
Wie bereits angesprochen habt ihr in der Türkei, in Israel, aber auch in Schweden aufgenommen. Weshalb hattet ihr euch dazu entschieden, in drei verschiedenen Ländern in die Studios zu gehen? Was habt ihr wo aufgenommen?
Wir wollten das beste Resultat für jedes Instrument, welches für das Album aufgenommen wurde, erreichen, in Anbetracht der Einschränkungen, welche so etwas mit sich führt. Wir haben mit unseren Gästen, welche wir nicht mit nach Schweden nehmen konnten, im besten Studio Israels aufgenommen. In Israel entstanden die Aufnahmen der meisten Akustikinstrumente, Perkussions, Flöten, Piano, Chöre und noch mehr. In der Türkei nahmen wir ein achtköpfiges türkisches Streichorchester auf, welche einen hervorragenden Job hinlegten in einem Studio, welches für Streicher spezialisiert ist. Letztendlich landeten wir in Schweden im Fascination Street Studio von Jens Bogren, hier nahmen wir die Gitarren, Gesang, Bass, Schlagzeug und mehr auf, um den bestmöglichen, klarsten Klang zu erhalten, welcher im Metal heutzutage möglich ist.
Sami Bachar, euer Schlagzeuger auf „Sahara“ und „El Norra Alila“, hat zwei Riffs für das Album geschrieben und eines davon auch aufgenommen. Wie kam es zu dieser Idee und wie hat sich das angefühlt?
Sami Bachar war immer ein Teil der Band, auch wenn er kein vollwertiges Mitglied ist. Er hat immer brilliante Riffs für vorherige Alben geschrieben, und nun auch für „All Is One“. Dieses Mal kam es zu der Idee, dass er es auch gleich aufnehmen kann, denn wenn er auch kein Gitarrenspieler ist, hat er doch einen interessanten Ansatz an der Gitarre und ein einzigartiges Gefühl, welches wir im Song haben wollten. Es hat sich angefühlt, als ob wir 20 Jahre zurückversetzt wären, es war toll, ihn auf diese Weise wieder an Bord zu haben.
Ich finde, dass „All Is One“ ist das bisher vielleicht musikalisch reichste Album eurer bisherigen Karriere. Die orientalischen Töne und Skalen sind noch starker vertreten, und im Gesamten klingt für mich „All Is One“ etwas softer und direkter, mit deutlich weniger Growls. Worin siehst du selbst die Unterschiede?
Nun, wie jedes andere ORPHANED LAND-Album, klingt auch dieses nicht gleich wie ein anderes. Wir versuchen uns immer wieder an neuen Elementen und musikalischen Ideen innerhalb der Songs. Es gibt immer eine Weiterentwicklung von ORPHANED LAND mit jedem Album. Mit „All Is One“ wollten wir erreichen, dass es einfacher zum Anhören ist, zugänglicher, direkter in Sachen Botschaft und auch Songstrukturen. Wirklich zeigen, wie orientalischer Metal vermutlich am besten klingt.
Kommen wir zu den Texten. Bitte erzähle uns etwas mehr über sie. „Let The Truce Be Known“ scheint eine Verbindung zum sogenannten Weihnachtsfrieden 1914 des ersten Weltkriegs zu haben, richtig?
Ja, das Stück ist von dieser berühmten Geschichte aus dem ersten Weltkrieg inspiriert. Wir waren absolut fasziniert von der Geschichte und fanden, dass sie gut zum Konzept von „All Is One“ passt, da wir in einer Realität von Kriegen und Hass inmitten Religionen leben, aber es gibt dennoch viele, welche sich um den Frieden bemühen, auch wenn unsere Politiker oder die Medien versuchen, uns alle gegeneinander aufzuwiegeln. Die Textzeile „The Enemies Now Turned To Brothers“ aus diesem Stück beschreibt genau das, was passiert, einige von uns sind erleuchtet und sehen, dass wir letzten Endes alle eins sind.
Wer ist „The Simple Man“?
„The Simple Man“ erzählt die Sichtweise von jedem einzelnen von uns, wie wir unser Bestmöglichstes tun, um freudvoll zu sein, positive, ein einfacher Mensch, der nach Frieden strebt und das Beste dafür tut, was er kann. Das ist einer der besten Songs auf dem Album, sehr eingängig, fröhlich, heavy, einer meiner Lieblingssongs, er hat einfach alles. Ein wahrer orientalischer Metalsong.
Dann haben wir noch die schöne Ballade „Brother“. Welche Geschichte erzählt ihr hier?
„Brother“ ist inspiriert von der Geschichte von Isaak und Ismael, Abrahams Söhnen. Es gibt zwei verschiedene Versionen von der Bindung bzw. Opferung auf dem Berg. Die Araber glauben, Abraham habe Ismael mit auf den Berg genommen, während die Juden und Christen daran glauben, dass es sich um Isaak gehandelt habe, welcher geopfert hätte werden sollen. Ein konstanter Krieg durch all die Jahre, während „Brother“ zu erkennen gibt, dass es egal ist, welcher Sohn mit auf den Berg genommen wurde, sie sind Brüder und das ist es, was wirklich zählt!
Eure Fans kommen von überall auf der Welt, und was besonders hervorzuheben ist, dass ihr als israelische Band auch viele Fans in islamischen Ländern habt. Bemerkenswert ist da z. B. auch eine Fanseite aus Syrien! Wie ist das für euch? Wie könnt ihr mit euren Fans aus diesen Ländern in Verbindung bleiben?
Für uns ist es ein wirklich unglaubliches Gefühl und wir fühlen uns verantwortlich gegenüber diesen Fans und Anhängern, welche unsere Botschaft von „All Is One“ unterstützen. Sie motivieren uns, weiter unsere Musik zu machen und zeigen uns, dass das, was wir tun, richtig ist, als israelische Metalband es eher fertigzubringen, die Menschen zu einen, als es jemals ein Politiker geschafft hat. Wir halten die Kraft der Musik, welche uns alle vereint. Einige sagen sogar, dass wir die Botschafter des Friedens sind, für uns ist das mehr als erstaunlich zu erkennen, dass wir wirklich daran Anteil haben, die Welt ein kleines Stück besser zu machen.
Was bedeutet dir Religion?
Die Religion muss die Menschheit viel lehren und hat viele Motive, welche man im täglichen Leben nutzen sollte. Unglücklicherweise sehen die meisten Leute von einer schlechten Perspektive und deuten diese interessanten Geschichten in Regeln und Gesetze um andere zu hassen, während wir glauben, daran zu lernen, wie man ein besserer Mensch werden kann, welcher in perfekter Harmonie lebt, unabhängig davon, was unser Glaube ist.
2012 gab es im Internet einen Aufruf, dass ORPHANED LAND den Friedensnobelpreis für ihre Arbeit bekommen sollten, dass sie der arabischen Welt ihre Musik zugänglich machten, während diese in manchen Ländern verboten ist.
Es ist egal, wie unsere Chancen dafür stehen, diese Petition zeigt uns, dass wir zumindest einen kleinen Wandel einfach mit der stärksten Waffe von allen, der Musik, eingeleitet haben. Das hat uns wirklich motiviert, härter zu arbeiten, weiter Musik zu erschaffen und versuchen, die Herzen von jenen, welche nach Frieden streben, zu einen zwischen all jenen, welche nach Kriegen und Hass trachten. Es ist für uns unbeschreiblich zu sehen, dass unsere Unterstützer daran glauben, dass wir an diesem Weg so stark teilnehmen, dass wir für den höchsten Preis überhaupt, den Friedensnobelpreis, nominiert werden sollten. Für uns ist das schon ein Sieg, dass unsere Anhänger glauben, dass wir hierfür nominiert werden sollen.
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!
Erinnert euch immer daran, dass es nicht zählt, welcher Religion wir angehören, oder woher wir kommen, oder was wir sind, alles was wir sind ist eins. „All Is One“