Opeth
Interview mit Martin "Axe" Axenrot zu "Heritage"

Interview

Opeth

OPETH sind nach drei Jahren zurück und haben ein Album im Gepäck, das wohl die wenigsten erwartet oder aber herbeigesehnt haben: „Heritage“ ist am ehesten Progressive Rock, während nahezu alle Death-Metal-Einflüsse verschwunden sind. Ein Grund zur Panik? Nein, beschwichtigt OPETH-Drummer Martin „Axe“ Axenrot, denn eigentlich hätten OPETH schon immer Progressive-Rock-Elemente in ihrer Musik verwendet. Dass es aber bei den Aufnahmen tatsächlich Neuerungen gab und welche es bei den kommenden Liveauftritten geben könnte, berichtet der Schlagzeuger im Folgenden selbst.


Warum ist „Heritage“ diesmal so sehr im Progressive Rock der Siebziger angesiedelt?

Wir haben nach „Watershed“ sehr lange und intensiv getourt, und als Band lebten wir sehr eng aufeinander. Wir haben uns also zusammen sehr viele neue Sachen angehört und diskutiert. Es war also eher ein natürlicher Prozess, wie wir beim Stil des neuen Albums gelandet sind. OPETH verwendeten ja schon immer diese Progressive-Rock-Elemente in ihrer Musik. Insofern fühlt es sich diesmal sehr natürlich an. Eine andere Sache ist, dass, wenn du dir die Vergangenheit der Band anguckst, du feststellen wirst, dass sich OPETH nie wiederholt haben. Insofern wäre es eher eine Überraschung gewesen, wenn wir „Watershed 2“ aufgenommen hätten.

Aber es hat auch einen schönen Nebeneffekt: Vielleicht entdecken die Hörer dadurch auch einige Bands aus den Siebzigern, die man sonst vielleicht nicht auf dem Schirm hat. Vieles ist ja nach wie vor nur auf Vinyl erhältlich und nicht auf Spotify oder als Download verfügbar. Aber es gibt noch ein bisschen mehr… (lacht)

Ihr geht aber auch ein wenig in die eigene Vergangenheit zurück: Der Opener „Heritage“ erinnert mich ein wenig an „Silhouette“ vom „Orchid“-Album.

Stimmt, und beides ist beeinflusst von schwedischer Folkmusik. Da gibt es eine Verbindung zum großartigen schwedischen Klavierspieler Jan Johansson (1931-1968; Anm. Red.), der auf seinem Album „Jazz på svenska“ schwedische Volkslieder in Jazzfassungen interpretierte.

Warum sollten OPETH-Fans das neue Album mögen?

Sie brauchen nicht! (lacht) Aber selbst wenn sie die Musik nicht mögen, werden sie unser Bemühen anerkennen. Einerseits können wir den Leuten natürlich nicht unsere Musik aufzwingen, andererseits sollten Musiker immer die Musik machen, hinter der sie auch wirklich stehen. Wenn die Fans das dann gut finden, ist das umso schöner.

Einverstanden! Ich fand es aber trotzdem etwas schwer, den Zugang zum Album zu finden. Es gibt keinen Song, der sich als wie auch immer geartete Hitsingle anbieten würde…

Nein, offensichtlich nicht. Und auch wenn die Songs diesmal alle etwas kürzer sind, muss man sich das Album doch ein paarmal anhören. Am eingängigsten ist sicherlich der Song „Slither“, der den Drive eines RAINBOW-Songs aus den Siebzigern hat.

Dieses Mal hat Mikael (Åkerfeldt, Sänger und Gitarrist; Anm. Red.) komplett auf Grunzvocals verzichtet. Warum?

Ich denke, das war auch eine sehr natürliche Entwicklung. Ob Mikael bewusst darauf verzichtet hat, kann ich Dir nicht sagen. Ich finde aber, man sollte sowieso nicht Grunzgesang, Doublebassdrums und Gitarrenwände um ihrer selbst willen verwenden. Als man angefangen hat, Death Metal zu spielen, waren das die Mittel, um sich vom Rest der Masse abzusetzen. Aber heute ist ein Album wie „Heritage“ in diesem Sinne mehr Death Metal als alles andere. (lacht)

Ich möchte gerne etwas mehr über die Entstehung des Albums erfahren. Mikael hat auf Heritage“ fast alle Songs geschrieben. Wie ging es dann mit den fertigen Songs weiter?

Mikael hatte Demos von den Songs gemacht. Dann haben Mendez (Martin Mendez, Bass; Anm. Red.) und ich die Songs ungefähr einen Monat lang geprobt, nur Bass und Schlagzeug. Wir hatten also genügend Zeit, um uns mit dem Material vertraut zu machen. Mikael meinte zu uns: „Wenn Ihr etwas ändern möchtet, muss es besser als auf dem Demo sein!“ (lacht) Und dann sind Mendez und ich ins Studio gegangen und haben in sieben Tagen unsere Parts eingespielt. Übrigens haben wir Schlagzeug und Bass live im Studio aufgenommen. Das war eine gute Erfahrung. Heutzutage ist es ja so, dass man beispielsweise die Schlagzeugspur für einen Song aus verschiedenen Teilen zusammenschneidet. Wir haben aber immer den ganzen Song eingespielt.

War das eine neue Erfahrung für Dich?

Nein, das habe ich bis vor zehn Jahren immer so gemacht. Heute ist man aus Zeitgründen halt auf die neue Methode umgestiegen. Diesmal waren wir aber mit dem Atlantis Studio in Stockholm in einem eher altmodischen Studio, beispielsweise mit alten Mikrofonen. Janne Hansson, der das Studio betreibt, ist sehr beschlagen in analogen Aufnahmetechniken und nutzt sehr stark den Raumklang des Studios aus. Es war ein gutes Gefühl, sich ohne Zeitdruck auf die Musik konzentrieren zu können.

War der Progressive-Rock-Stil des neuen Albums für Dich ein Schritt in unbekanntes Terrain?

Nein, eigentlich nicht. Wenn du dir meine Bandvergangenheit anschaust, habe ich zwar immer in extremen Bands gespielt, aber eigentlich habe ich mir immer ganz unterschiedliche Musik angehört. Aber natürlich war es eine große Herausforderung für mich. So ein Projekt ist für einen bestimmten Zeitraum der wichtigste Teil meines Lebens, in den ich den Großteil meiner Energie stecke.

Kannst Du dann sagen, wie lange „Heritage“ nun der wichtigste Teil Deines Lebens ist?

Ich würde sagen, dass es für uns alle seit einem halben Jahr der wichtigste Teil unseres Lebens ist. Das Feeling ist also kein neues. Und auf der Platte scheint mir zudem ein zeitloses Feeling vorzuherrschen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mir die Platte auch in zwanzig Jahren noch gerne anhöre.

Was hat es mit dem Titel „Heritage“ auf sich?

Ich denke, der Titel kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Man kann ihn auf die Texte beziehen. Ich beziehe es in erster Linie auf das Erbe der Musik und die kulturellen Bezüge zur Musik. Wir sind vom musikalischen Erbe beeinflusst, von der Musik, mit der wir aufgewachsen sind. Und natürlich beeinflussen wir damit unsere Hörer, die dadurch unsere Wurzeln wahrnehmen. Es ist nicht wie eine Schulstunde, denn jeder wird in unserer Musik etwas anderes sehen, aber jeder wird in unserer Musik etwas Älteres entdecken. Es ist unser Weg, wie wir ältere Musik neu interpretieren, ohne dass es sich anfühlt, als wenn wir alte Sachen einfach covern würden. Vielmehr fühlt es sich neu an.

Und zu den Texten kannst Du mir auch etwas sagen?

Eher wenig. Sie geben einige persönliche Sichtweisen von Mikael wieder, da ist er auf jeden Fall der bessere Ansprechpartner.

 

Okay, dann lass uns mal auf das großartige Coverartwork von Travis Smith zu sprechen kommen: Es ist sehr Seventies-like, farbig, mit dem Baum und den daran hängenden Köpfen von Euch und dem herabfallenden Kopf von Per aber auch selbstironisch.

Genau, es ist persönlich, aber auch selbstironisch. Es ist auf jeden Fall ein gutes Cover, denn man kann es eigentlich genauso vor Augen sehen, wenn man sich nur die Musik anhört. Das Konzept dazu stammt von Mikael, der sich mit Travis darüber ausgetauscht hat. Das Artwork sollte mehr wie ein Gemälde als wie ein Foto aussehen und sehr farbig sein. Ursprünglich sollten am Baum übrigens nur Äpfel zu sehen sein, die symbolisch für uns stehen, aber dann hat Travis doch unsere Köpfe in den Baum gemalt. Und Pers Kopf fällt vom Baum… nicht zu vergessen die Skelette unter dem Baum, die die ehemaligen Bandmitglieder repräsentieren.

Und die Wurzeln des Baumes führen direkt in die Unterwelt?

Ja, vielleicht ist das die Unterwelt der Plattenfirmen… (lacht) Nein, da kann jeder selbst etwas hinein interpretieren.

Wer sind auf dem Cover die Leute, die zum Baum kommen?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht – da gibt es ja im Hintergrund noch eine Stadt, die brennt. Das Coverartwork soll die Leute zum Nachdenken anregen, und da möchten wir den Leuten nicht zu sehr einreden, was sie zu sehen haben.

Einverstanden. Dann lass uns ein letztes Mal zum herabfallenden Apfel kommen: Im April dieses Jahres habt Ihr bekannt gegeben, dass Ihr Euch im beiderseitigen Einvernehmen von Eurem Keyboarder Per Wiberg getrennt habt. Was war der Grund für diese Entscheidung?

Es fühlte sich sehr natürlich an, dass wir uns trennen würden. Als wir die Aufnahmen zu „Heritage“ starteten, war Per irgendwie schon weit weg von der Band. Er wollte wohl eher etwas Eigenes auf die Beine stellen, als mit uns zu spielen. Insofern war es wie in einer Ehe, wo man sich in den Jahren auseinandergelebt hat. Jetzt haben wir mit Svalberg (Joakim Svalberg, spielte bei YNGWIE MALMSTEEN und tourte mit TIAMAT; Anm. Red.) einen neuen Mann an den Tasten, der bereits auf den Festivals mit uns gespielt hat und uns auf der US-Tour und in Europa begleiten wird. Er hat auf „Heritage“ den ersten Song auf dem Flügel eingespielt. Übrigens hat er ungefähr 15 Jahre als professioneller Balletttänzer in Berlin gearbeitet. Vielleicht werden wir das auch live irgendwie einbauen… (lacht) Nein, er ist ein sehr guter Keyboarder und ernster Musiker, und auch persönlich passt er sehr gut zu uns.

Wie wichtig ist das Persönliche für Euch in der Band? Oder andersherum gefragt: Wieviele Tage im Jahr seht Ihr Euch?

Üblicherweise touren wir nach einem Album ungefähr zwei Jahre. Das heißt, man ist in dieser Zeit weit weg von zu Hause und hat sehr engen Kontakt zu seinen Kollegen. Das ist wie ein großer Vogelkäfig. Man hängt für viele Monate mit zehn, zwölf Leuten zusammen in einem Tourbus fest. Ich glaube schon, dass das für viele Leute ein Schock ist, wenn man dieses Leben nicht gewohnt ist.

Wie ist das Leben auf Tour für Dich?

Für mich ist das kein Problem. Ich habe keine Kinder und lebe mit meiner Freundin zusammen und habe eine Katze. Musik ist halt ein zentraler Teil meines Lebens, und ich kann mir vorstellen, dass das noch ein paar Jahre so weiter geht.

Du hast also noch nicht genug vom Touren!?

Nein nein, ich habe gerade erst angefangen! (lacht)

Womit vertreibt Ihr Euch eigentlich die Zeit bis zum nächsten Auftritt, wenn Ihr auf Tour seid?

Wenn es die Zeit erlaubt, gehe ich gerne Fischen. Da hat man ein wenig Zeit für sich selbst. Mikael und ich gehen aber auch gerne Platten kaufen. Ich bin zwar kein ernsthafter Sammler, aber ich mag die Atmosphäre in Plattenläden und die Möglichkeit, Neues zu entdecken. Mikael ist in dieser Hinsicht aber viel ernsthafter bei der Sache: Er kauft sich dann auch schon mal eine Platte für 500 Euro, die er dann liebevoll aufpoliert… (lacht) Das ist halt ein Hobby.

Dann ist ja bald wieder Zeit, dass Ihr Eurem Hobby verstärkt nachgehen könnt, denn Ihr geht bereits in den nächsten Tagen auf US-Tour, und danach kommt Ihr nach Europa. Dafür viel Erfolg – wir sehen uns! Danke für das Interview!

12.09.2011

- Dreaming in Red -

Exit mobile version