Omnium Gatherum
"Ich würde das niemals ändern. Auch, wenn es manchmal schwierig ist."
Interview
Ende August kam mit „The Burning Cold“ das mittlerweile achte Studioalbum von OMNIUM GATHERUM auf den Markt. Beim Summer Breeze 2018 setzten wir uns mit Bandkopf und Gitarrist Markus Vanhala und Sänger Jukka Pelkonen zusammen, um ein wenig mehr über das Album zu erfahren. Bei aller Ernsthaftigkeit des Albums konnten die beiden sich aber auch den ein oder anderen Witz nicht verkneifen.
Hi Markus, hi Jukka! Bei unserem letzten OMNIUM GATHERUM-Interview warst du, Markus, ja nicht dabei, aber du, Jukka. Das Interview war eher eines der lustigen Sorte, denn es ging um finnische Klischees. Dieses Mal geht es aber um das neue Album „The Burning Cold“.
Markus: Das ist aber auch lustig.
Na dann tut euch keinen Zwang an, lustig zu sein.
Jukka: Das ist aber gar nicht so einfach.
Markus: Weil Finnen immer traurig sind, das ist eben so eine Sache.
Jukka: Genau, wir sind innerlich immer am Weinen. Aber legen wir mal los.
Beginnen wir mal bei den Album- und Songtiteln. Der erste Song ist „The Burning“, der letzte Song ist „Cold“ und der Albumtitel ist „The Burning Cold“. Dafür muss es ja einen Grund geben und für mich sieht das nach einer Art Henne-Ei-Problem aus.
Jukka: Darüber haben wir uns eigentlich gar nicht so viele Gedanken gemacht, aber da kann schon was dran sein. Die Lyrics in „The Cold“ beinhalten ja auch „the beginning“ und „the end“. Eigentlich kam das aber über die Musik. Der letzte Song, „The Cold“, kam zuerst.
Markus: Das Ende am Anfang.
Jukka: Die beiden sind quasi Schwestersongs. So was haben wir damals auch auf „Beyond“ gemacht.
Markus: Das hat auch mit dem gleichen Thema angefangen und geendet. Wir haben also unsere eigene Idee geklaut. Und es ist natürlich besser, mit „The Burning“ anzufangen, denn es setzt das Album in Brand!
Im Infotext, der mit dem Album kam, steht, dass es auf „The Burning Cold“ zwei inhaltliche Konzepte gibt. Einmal menschliche Tragödien wie Kriege etc., und einmal die Emotionen des menschlichen Daseins. Habt ihr euch aufgrund tatsächlicher Erlebnisse dazu entschieden, oder ist das mehr ein theoretisches Konzept?
Jukka: Es ist auf jeden Fall ein theoretisches Konzept. Ich habe zum Glück noch keinen Krieg miterlebt. Wenn man sich die Geschichte der Menschheit anschaut, ist das eine Inspiration. Krieg ist etwas, das ein Teil von uns ist und wir tragen diesen Kontext in uns. Du musst den Krieg, der in dir tobt, kontrollieren, um in der Lage zu sein, den Krieg, der außen tobt, zu kontrollieren. Wie man sehen kann, gibt es viele Menschen, die das gar nicht erst versuchen. Das ist ziemlich traurig.
Wir versuchen, das aus vielen verschiedenen Gesichtspunkten zu behandeln. Es gibt einige Songs, die ganz klar den äußeren Krieg behandeln. Zum Beispiel „The Frontline“. Dann gibt es Songs, die innere Konflikt beschreiben und in denen es darum geht, wie man an den Punkt kommt, nicht mehr zwischen zwei Seiten hin- und hergerissen zu sein. Nicht mehr wie ein Pendel hin und her zu schwingen, sondern die Mitte zu finden.
Gibt es auf diesem OMNIUM GATHERUM-Album Songs, die euch persönlich besonders wichtig sind? Und wenn ja, warum?
Markus: Eigentlich gar nicht so sehr auf persönlicher Ebene. Mal davon abgesehen, dass sie eine Inspiration für einen selbst oder für das Album sein können. „Gods Go First“ zum Beispiel. Das war der zweite Song, den wir für das Album hatten und er hat auf eine Art und Weise den Weg für die weiteren Songs bestimmt. Eine etwas andere Richtung, was die Musik betrifft. „Refining Fire“ ist ein etwas älterer Song, der aber nie wirklich fertig war. Er hat etwas Zeit gebraucht, zur Perfektion zu reifen. Und jetzt ist er hier, fünf Jahre später. Wir hatten ihn schon zwei Mal wieder aufgegeben, und jetzt haben wir sogar ein Video dazu gemacht.
Jukka: Für mich geht es eher darum, welche meine Lieblingssongs sind. Wenn ich welche aussuchen müsste, wären das „Over The Battlefields“ und „The Frontline“. Ich persönlich könnte nur schwer sagen, welche mir textlich am wichtigsten sind. In jedem Song gibt es Textpassagen, die mir aus bestimmten Gründen persönlich mehr bedeuten als andere. Es ist wirklich schwierig, das 1:1 aufzuzählen, so funktioniert das für mich nicht. Es kommt auch immer auf meine Stimmung an. Nicht die Tagesform, aber über einen längeren Zeitraum. Das ändert sich so, wie sich mein Gemütszustand ändert. Womit wir auch schon wieder beim Thema wären.
Markus: Es gibt auch immer Songs, die die Entwicklung der Alben vorantreiben. Ich nenne sie gerne „Pathway-Songs“. Etwas, das du so noch nie gemacht hast und das bestimmt, wie das nächste Album klingen wird. Davon gibt es welche auf jedem Album.
Dazu muss ich sagen, dass es einen Song auf „The Burning Cold“ gibt, der mir wirklich aufgefallen ist. Ich meine „Driven By Conflict“. Der ist sehr heavy verglichen mit dem aktuellen Stil von OMNIUM GATHERUM. Dann kommt er auch noch direkt nach dem sehr melodischen „Be The Sky“. Ist das vielleicht so ein Pathway-Song, oder gibt es sonst etwas Spezielles daran?
Markus: Ja, gibt es. Dieser Song stammt hauptsächlich vom Thrasher in OMNIUM GATHERUM, Joonas.
Jukka: Er passt aber wirklich gut zum Feeling des Albums. Mir gefällt der Kontrast unheimlich gut. Wenn man sich das Ende von „Be The Sky“ anhört, das langsam abebbt, und dann kommt plötzlich das.
Galerie mit 18 Bildern: Omnium Gatherum - Summer Breeze Open Air 2018Mal ein anderes Thema. Das Video zu „Refining Fire“ ist ein wenig, äh, merkwürdig…
Markus (lacht): Als ich es das erste Mal gesehen habe, hatte ich den gleichen Eindruck.
Es nimmt aber die Thematik des Albumcovers wieder auf. Das zeigt Schädel in einem Flusslauf. Im Video liegst du (Jukka) scheinbar tot in einem Flusslauf. Also, was habt ihr euch dabei gedacht?
Markus: Ich habe dem Regisseur des Videos sogar gesagt, dass es eine Art Liebeslied ist.
Jukka: Das ist seine Vision. Wir haben ihm da freie Hand gegeben, damit er sich vom Song inspirieren lassen konnte. Die Art und Weise, wie es gedreht ist, erinnert mich ziemlich an Lars von Trier. Das war wirklich sein Ding. Also haben wir gesagt, OK, machen wir doch einen Death-Metal-Song aus einem neuen Blickwinkel. Der ganze Feuer-und-Wasser-Kontrast macht schon Sinn, wenn man darüber nachdenkt.
Die Person – denn das bin ja nicht ich, sondern es ist eine Figur – symbolisiert das Feuer, das im unendlich fließenden Strom des Wassers ist. Deshalb ist er auch immer wieder anders positioniert. Er genießt die Immensität des Lebens und der Existenz an sich, was auch ein Hauptgedanke des Songs ist. Und es ist ein Liebeslied, weil es um die Liebe zum Leben geht, mit der Liebe, dem Hass und all den anderen Dingen, an die man sich erinnert, wenn man im hohen Alter auf sein Leben zurückblickt.
Markus: Wir wollten auch unbedingt Natur im Video haben. Das Video wurde ein paar Kilometer von da, wo ich wohne, gedreht. Da bin ich als Kind immer hingegangen und habe alles ausgekundschaftet. Das ist also ein wichtiger Ort für mich, und es ist auch eine für Finnland sehr typische Landschaft.
Jukka: Es wäre auch sehr klischeebeladen gewesen, einfach Flammen und so weiter im Video zu haben. Ich finde, es ist viel origineller, eine andere Richtung einzuschlagen.
Markus: Aber die Szenen mit dem bewegungslosen Jukka sind ein wenig merkwürdig.
Jukka: Als hätte ich was fallen lassen, zum Beispiel meine Autoschlüssel. Aber ich bin mit dem Video sehr zufrieden. Ich bin stolz darauf, dass wir uns getraut haben, etwas anderes zu machen.
Markus: Der Regisseur ist übrigens der gleiche Typ, der auch das Coverartwork gemacht hat. Er kennt sich also mit dem Konzept aus.
Jukka: Unsere Hörer sollen auch nicht zu leicht davonkommen, sondern sich so ihre Gedanken machen. Dafür gibt das Video auf jeden Fall einiges her. Das erste Video, „Gods Go First“ ist ein normales Performancevideo. Das „Frontiers“-Video von „Grey Heavens“ ebenfalls, also wollten wir mal was anderes machen.
Markus: Eine Inspiration für mich war bei „The Burning Cold“ auch die Serie „Twin Peaks“, denn die dritte Staffel kam gerade raus, als ich das Album geschrieben habe. Das Video ist auch ein kleines bisschen wie „Twin Peaks“. Man muss den Leuten erklären, was passiert, weil kein Mensch weiß, was eigentlich abgeht. Wir hätten auch einfach in einer Fabrikhalle mit ein paar Pyros spielen können.
Und genau das hätten vielleicht alle bei diesem OMNIUM GATHERUM-Song erwartet.
Markus: Genau, aber das ist nicht unser Ding.
Jukka: Das haben wir alles schon gemacht und werden es auch wieder tun, aber man muss auch mal Abwechslung haben. Das gilt auch für die Musik. Die Musik und auch die Texte von OMNIUM GATHERUM sind immer breit gefächert. Ich finde auch, die Leute verdienen es, diese Tiefe zu haben.
Markus: Ich weiß, dass wir kommerziell viel erfolgreicher sein könnten, wenn wir über finnische Mythologie, finnische Dunkelheit, den finnischen Winter, Wölfe und so was alles singen würden, aber das wäre zu einfach. Es geht nicht nur darum, erfolgreich zu sein. Es geht darum, etwas auf seine eigene Weise zu machen.
Galerie mit 22 Bildern: Omnium Gatherum - The Arctic Circle Alliance - Chapter One in BerlinMit der Albumpromo kam auch folgendes Zitat von dir, Markus, das mir sehr gefallen hat. „OMNIUM GATHERUM is my first love and greatest passion.“ Wie groß ist der Teil, den OMNIUM GATHERUM in eurem Leben einnimmt? Gibt es manchmal Konflikte mit anderen Dingen des Lebens?
Markus: Der Weg, den wir uns da ausgesucht haben, ist natürlich kein einfacher. Es gibt viele Konflikte mit dem täglichen Leben. Wenn man in einer Band spielt, die viel tourt – und vor allem wenn man in zwei Bands spielt, die viel touren – dann verliert man den Kontakt zu vielen Bereichen des normalen Lebens. Normale Freunde zum Beispiel. Plötzlich merkst du, dass all deine Freunde deine Bandkollegen sind, und Leute aus dem Business.
Jukka: Dafür reicht bei mir eine Band.
Markus: Trotzdem haben wir noch Ehefrauen, das ist schon komisch.
Jukka: Ja, das ist echt komisch. Aber das ist auch etwas, das man respektieren muss. Wenn man 100 Tage im Jahr weg ist, verlangt das dem Partner einiges ab. Es ist sehr respektvoll von ihnen, dass sie unterstützen, was wir tun. Und wir respektieren sie wiederum dafür. Wir wertschätzen natürlich auch das, was sie tun. Jede Tätigkeit, egal ob in der Musikbranche oder nicht, hat ihren Stellenwert. Hätten wir hier keine Reinigungskräfte, oder Merchverkäufer oder Leute wie dich, die Fragen stellen, würde es nichts von dem hier geben. Das gilt auch in Beziehungen. Mit deinen Bandkollegen oder mit deiner Partnerin.
Markus: Ich hatte gerade meinen ersten Sommerurlaub in ungefähr zehn Jahren. Ich hatte fast einen Monat Konzertpause. Was habe ich also gemacht? Musik geschrieben. Und viele Interviews für das neue OMNIUM GATHERUM-Album gegeben.
Jukka: Ja, ich habe auch ein paar neue Lyrics geschrieben. Das war ganz lustig, wir haben vor einer Weile mal auf WhatsApp geschrieben und ich habe gefragt, was er so macht. Er sagte, „ich schreibe Musik, weil ich bescheuert bin.“ Ich sagte: „Lustig, ich schreibe gerade an neuen Lyrics. Wir sind beide bescheuert.“
Markus: Das ist schon ein riesiger Teil unseres Lebens.
Jukka: Und ich würde daran nichts ändern.
Markus: Ja, ich würde das niemals ändern. Auch, wenn es manchmal schwierig ist.
Eine Frage habe ich noch, doch Jukka holt erst mal ein paar Biere. Wir warten geduldig und Markus unterhält sich derweil mit den KORPIKLAANI-Jungs, die ihre Kabine nebenan haben. Ich verstehe nur „paska“. Markus, der deutsche Wurzeln hat, ist ebenfalls gut mit dem Wort „Scheiße“ vertraut.
Eigentlich hatte ich nur noch eine Frage übrig, und zwar, ob ihr von eurer Seite noch was hinzuzufügen habt. Zum Beispiel, was euer Lieblingsessen ist.
Markus: Also mein Lieblingsbier ist IPA [sprichts, und macht sich eins auf]. Ich bin ein Bier-Nerd und probiere immer neue Biere aus. Wenn man auf Tour ist, entdeckt man immer überall welche. Dieses hier habe ich vorher noch nie probiert.
Bevor wir jetzt weiter über Bier fachsimpeln, habt ihr noch was zum Album zu sagen, oder eine Message an die OMNIUM GATHERUM-Fans?
Jukka: Ihr wisst schon, besorgt euch „The Burning Cold“, das am 31.08.2018 rauskommt. Wir touren bald in Amerika und dann ist Europa dran, mit WOLFHEART und NOTHGARD. Wir sehen uns also auf Tour!
Markus: Es gibt viele deutsche Termine auf dieser Tour. Das wird die Melodic-Death-Metal-Party des Jahres! Vielleicht. Für uns jedenfalls. Heute spielen wir übrigens die einzige Festivalshow des Sommers. Wir haben uns den Sommer freigenommen, aber das Summer Breeze ist mein Lieblingsfestival. Und es ist so nah am Releasedate. Als uns das also angeboten wurde, wäre es doof gewesen, es nicht zu spielen.
Jukka: Gute Atmosphäre, gute Leute, coole Location.
Danke euch für das Interview!
Danke!