Omnium Gatherum
Interview mit Jukka Pelkonen zu "Beyond"

Interview

Omnium Gatherum

„Beyond“ hat mir bereits das Jahresende versüßt und ist eines jener Alben, die es regelmäßig in die Stereoanlage schaffen – nicht nur für mich eines der ganz großen, ersten Highlights in diesem Jahr und ein heißer Anwärter auf einen zeitlosen Klassiker. Aber was ist das Besondere an „Beyond“? Und was ist ausschlaggebend dafür, dass gerade dieses Album der Finnen polarisiert? Sänger Jukka Pelkonen hat eine Theorie.

 

Meinen Glückwunsch, Jukka, zu diesem hervorragenden Album! „Beyond“ ist zweifelsohne eines der ersten ganz großen Highlights in diesem Jahr. Allerdings wird das Album nicht von jedem so abgefeiert wie es sollte, denn einigen stößt der leicht veränderte Stil der Band ein wenig auf. Dabei habt ihr bis jetzt mit jedem neuen Album ein Stück weit Innovation mit in eure Musik eingebracht. Warum polarisiert „Beyond“ deiner Meinung nach in diesem Sinne ganz besonders?

Erst einmal vielen Dank für das Lob! Wir sind natürlich sehr zufrieden und extrem glücklich über soviel positives Feedback. Uns ist klar, dass das Album und der jetzige Stil von OMNIUM GATHERUM nicht jedem gefallen kann, denn so ist das nunmal mit allem was man macht. Nicht alles kann jedem gefallen; man kann es schlichtweg nicht immer und allen Recht machen. Aber das ist völlig OK. Wie du schon erwähnt hast, haben wir mit OMNIUM GATHERUM immer experimentiert und viele verschiedene Einflüsse in unserer Musik verarbeitet. Das hört man den ersten Alben auch ganz deutlich an. Unser Stil hat sich mit jedem Album ein Stück weit neu definiert. Doch das erste Album, dem wir bewusst einen Stempel aufgedrückt haben, ist eindeutig das 2008 erschienene „The Redshift“. Seltsamerweise hat man uns ab diesem Zeitpunkt vorgeworfen alles zu verraten wofür OMNIUM GATHERUM steht. Das ist aber völliger Blödsinn. Denn wir haben uns nie limitiert und standen den Dingen immer aufgeschlossen gegenüber. Wir sind bisher ausnahmslos unseren Weg gegangen und haben die Musik gespielt, die wir mögen. 2011 haben wir mit „New World Shadows“ angefangen unseren Stil zu festigen und zu verfeinern, und ich bin davon überzeugt, dass dieses Album genau die Elemente enthält, die OMNIUM GATHERUM nicht nur zu diesem Zeitpunkt definierten, sondern auch Allgemeingültigkeit besitzen: Aggressivität trifft auf einen melodischen Kern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige Leute die Entwicklung von OMNIUM GATHERUM nicht nachvollziehen und verstehen können, einfach aus dem Grund, weil diese Leute festgefahren sind und ihre vorgefertigte Meinung haben, auf die sie stur beharren. Diesen Leuten ist bereits die kleinste Abweichung vom Kurs ein Dorn im Auge, und mit „Beyond“ sind wir jetzt noch einen Schritt weitergegangen. Obwohl dieses Album viele melodische Seiten offenbart, verarbeiten wir immer noch brutale Elemente und integrieren leicht progressive Ansätze in unserer Musik, Elemente, die OMNIUM GATHERUM zu jedem Zeitpunkt definierten. Und so beisst sich die Schlange in den eigenen Schwanz…

Mal angenommen jemand hat noch nie etwas von OMNIUM GATHERUM gehört, wie würdest du dieser Person das aktuelle Album beschreiben?

„Beyond“ ist ein Album, das die Grenzen von Metal und populärer Musik neu definiert. Als Zuhörer sollte man ohne Scheuklappen und aufgeschlossen an unsere Musik und ganz speziell an dieses Album herangehen, vor allem dann, wenn man sich normalerweise außerhalb der Metal-Szene bewegt. Abschließend kann ich sagen, dass „Beyond“ schlichtweg Metal ist, aber auch noch sehr viel mehr.

„Beyond“ ist definitiv OMNIUM GATHERUM. Und meiner Meinung nach klingt diesmal alles auch noch sehr viel homogener als zuvor. Denkst du, dass ihr jetzt /den/ Sound der Band gefunden habt, oder werdet ihr auch weiterhin experimentieren und neue Stilelemente in eurer Musik verarbeiten?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg sind mit OMNIUM GATHERUM weiterhin fantastische Musik zu machen. „Beyond“ ist die logische Fortsetzung von vielen Jahren harter Arbeit, fortwährend unseren eigenen Stil zu verfeinern. „Beyond“ lotet für uns neue Grenzen aus, und ich denke ich kann hier für die Band sprechen, dass wir mit dieser Entwicklung sehr zufrieden sind und uns freuen erneut dort anzusetzen, wo wir jetzt angekommen sind. Ich kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen was uns beim nächsten Mal antreiben wird, aber ich kann hiermit versichern, dass der Sound, die Gefühle und die Atmosphäre von „Beyond“ definitiv nicht hinter uns gelassen werden. Das nächste Album wird irgendwo dort ansetzen und ich bin mir sicher, dass wir auch weiterhin experimentieren werden. Unser Sound und unser Stil hat sich mehr zu einem subtileren entwickelt, und das ermöglicht uns viel mehr Raum einige interessante Hooks und Wendungen in den Songs zu schaffen. Das ist eine gute Sache. Diese Entwicklung ermöglicht uns die Dinge unverbraucht zu handhaben und frische Ideen zu verarbeiten.

Du hast in der Vergangenheit schon einige Male mit Klargesang überrascht, aber ein Song wie „Who Could Say“ vom aktuellen Album hinterlässt bei mir unwillkürlich Gänsehaut. Kannst du dir vorstellen in der Zukunft häufiger mit Klargesangpassagen zu arbeiten, oder wird OMNIUM GATHERUM diesbezüglich auf dem jetzigen Level verharren und Growls mit gelegentlichem Einsatz von Klargesang präsentieren?

Danke dir. Ich mag diesen Song auch sehr. Er unterscheidet sich schon etwas von dem restlichen Material, fügt sich aber im Verlauf des Albums unheimlich gut ein und erfüllt damit seinen Zweck. Für OMNIUM GATHERUM ist es immer etwas ganz besonderes, wenn Klargesang zu hören ist. Das hat auch hauptsächlich mit unserem Stil zu tun, oder ganz speziell mit der Wirkung, die ein Song erzielen soll. Klarer Gesang stärkt das Gefühl eines Songs ganz enorm. Aber wir haben die Atmosphäre eines Songs noch niemals erzwungen. Entweder es ergibt sich Klargesang von allein, oder eben nicht. Um ein bestmöglichstes Ergebnis zu erzielen, analysieren wir für gewöhnlich einen Song und reagieren entsprechend. Diese Art von Vorgehensweise beim Komponieren wird auch in Zukunft eine unserer wichtigsten Methoden sein. Wir behalten uns dabei aber immer im Hinterkopf, dass OMNIUM GATHERUM eine melodische /Death-Metal-Band/ ist und bleiben wird.

Wie singst du persönlich denn bevorzugt? Magst du eher die Growls oder magst du Klargesang genau so gern?

Für mich sind beide Arten zu singen eine wundervolle Art sich auszudrücken. Ich mag sowohl Growls als auch Klargesang. Ich arbeite sehr viel mit Klargesang in meinen anderen Musikprojekten, in denen ich neben OMNIUM GATHERUM singe. Meiner Meinung nach ist es auch sehr schwierig diese beiden Gesangsstile miteinander zu vergleichen. Erst einmal ist Klargesang natürlich sehr viel populärer, und zweitens sollte man an Growls gewöhnt sein, um die Nuancen dieser Art des Gesangs überhaupt verstehen zu können. Diese beiden Tatsachen allein stellen bereits eine große Herausforderung für jemanden dar, der versucht diese Gesangsarten zu verstehen und miteinander zu vergleichen. Gesang basiert außerdem auf der Stimmung, in der man sich gerade befindet, oder auf der Atmosphäre, die ein Song erzeugt. Wenn ich ganz traditionell singen möchte, und ich meine jetzt nicht irgendwelche Volksweisen (lacht), dann singe ich so, und wenn ich mich in einer aggressiven Stimmung befinde, dann verwende ich Growls. Gesang, obwohl er den Himmel erreicht, auch wenn man in die Tiefen der Hölle hinabsteigt, ist am Ende immer eine persönliche Sache, die man mit anderen teilen kann.

Die Geschichte hinter „New World Shadows“ handelt von inneren und äußeren Existenzen, die sich am Ende stark ähneln und auf ein und das selbe Ergebnis führen. Welches Konzept steckt hinter „Beyond“? Führt ihr hier vielleicht sogar das Konzept von „New World Shadows“ fort, wie es der Titel vielleicht vermuten lässt?

Ja, du bist auf dem besten Weg die lyrische Thematik von „Beyond“ zu verstehen. Tatsächlich handelt es sich hierbei um die Illusion der Dualität und das Verständnis der Einheit „darüberhinaus“ („Beyond“). Es ist wichtig, jeden einzelnen Song auf „Beyond“ als eine atmende Einheit zu betrachten, aber auch daran zu denken, dass zwischen jedem einzelnen dieser Texte – und auch zu den Texten vorheriger Alben – eine Verbindung besteht. Der Beweis dafür ist die Tatsache, dass jeder dieser neuen Songs mit jedem Song der vorherigen Alben gemeinsam auf einem anderen Album koexistieren könnte. Am Ende erkennt man, dass keine Distanz besteht. Verstehst du was ich meine? Zwei für sich getrennt stehende Ereignisse oder Dinge können den gleichen Raum zur gleichen Zeit einnehmen, so dass zwangsläufig eine Verbindung besteht. Am Ende ist Dualismus, egal wie offensichtlich dies sein mag, nichts weiter als eine Illusion. Grundsätzlich gibt es eine Existenz, Illusion, die von Dualismus getragen ist.

Inwiefern reflektiert das Artwork zum Album dieses Konzept?

In gewisser Weise tut es das tatsächlich, obwohl es für sich allein gesehen auch ein individuelles Kunstwerk darstellt. Das Meer ist eine visuelle Darstellung des menschlichen Geistes und der Welt: Meistens ruhig, und an der Oberfläche stets stürmisch. Die Skyline repräsentiert die Tatsache, dass wir uns bereits jenseits des Momentes befinden, an dem wir einen Zusammenhang verstanden haben… Es ist auch ein verstecktes Kotka-Thema auf dem Cover. (lacht)

Welcher Song auf „Beyond“ ist denn dein absoluter Favorit? Und warum?

Es ist wirklich schwer nur einen Song aus so vielen hervorragenden als Favorit herauszupicken. Aber ich mag „Nightwalkers“ sehr, denn das war der erste Song von vielen Demo-Aufnahmen, die wir zunächst gemacht hatten, der mich wirklich bewegt hat. Es hat auch unglaublich viel Spaß gemacht den Text für diesen Song zu schreiben, und ich habe Markus gesagt, den Song musikalisch so zu arrangieren, dass man diesen typisch albtraumhaften Charakter und dieses pulsierende Gefühl spürt. Als ich die lyrische Landschaft für diesen Titel erschuf, wusste ich einfach, dass dieser Song sehr intensiv sein musste. Ich mag auch „Sonic Sign“ sehr – das ist einer jener „keine Gnade, immer mitten in die Fresse rein“-Death-Metal-Songs, bei denen man einfach nicht still sitzen bleiben kann. Dieser Song ist extrem! „Sonic Sign“ ist außerdem /der/ Song, für den unser Gitarrist Joonas einige Teile komponiert hat, und ich habe vorher noch nie irgendwelche Arrangements um seine – und in diesem Fall auch Markus‘ – Visionen herum getroffen. Von daher ist es sehr erfrischend, auch in dieser Art musikalische Beziehungen neu zu knüpfen.

Welche anderen Bands hörst du eigentlich? Hast du vielleicht einen ganz heißen Tipp für uns?

Ich höre jetzt schon ziemlich lange keine bestimmten Bands mehr, sondern lasse mich vielmehr von meiner Stimmung treiben und suche mir dazu passend immer bestimmte Songs heraus. In letzter Zeit habe ich ein paar Songs von den neueren Werken von MEGADETH angehört, von der „The System Has Failed“ zum Beispiel. Das hat Spaß gemacht, denn ich denke diese neuen Alben sind schon richtig fett. Vor einiger Zeit habe ich auch mal wieder „Journey“ von NEVERMORE gehört, eine Band, die aus meiner Welt nicht wegzudenken ist. (lacht) Ansonsten… Ich höre eine ganze Reihe guter Musik. Aber eine bestimmte Band, von der ich behaupten kann, dass ich von ihr alles mag, gibt es eigentlich nicht. Deshalb kann ich dir auch keinen Tipp geben, was du unbedingt mal hören solltest. Ich schlage vor, dass du einfach neue Songs, Bands und Musikrichtungen selbst entdeckst. Denn gute Musik wird niemals verstummen.

Die Produktion von „New World Shadows“ ist in Zusammenarbeit mit Dan Swanö entstanden, und auch für die Produktion von „Beyond“ habt ihr euch für ihn entschieden. Was zeichnet Dan denn aus, dass ihr euch speziell für ihn entschieden habt? Gab es Unterschiede zwischen der Produktion von „New World Shadows“ und der von „Beyond“?

Jaaa. „Dan the Man“. Wir haben ihn erneut gefragt mit uns zu kooperieren, denn wir sind mit seiner Arbeit, die er in der Vergangenheit geleistet hat, zu 100% zufrieden. Deshalb war es auch nur logisch ihn erneut mit der Produktion zu beauftragen. Dan ist ein sehr engagierter und professionell arbeitender Kerl. Er hat die Fähigkeit zuzuhören und Vorschläge zu unterbreiten, wenn diese gerade von einer Person außerhalb der Band vonnöten ist, um die Kommunikation auf einer Ebene zu halten und eine reibungslose Arbeit aller zu gewährleisten. Im Vergleich mit dem Produktionsprozess zu „New World Shadows“ und dem zu „Beyond“ muss ich sagen, gab es kaum Unterschiede. Lediglich in der Vorproduktion haben wir diesmal eine neue Ebene erreicht, und zwar deshalb, weil unser Produzent Teemu Aalto einen wirklich ausgezeichneten Job mit den Aufnahmen erledigt hat.

Wie ermöglicht ihr euch eigentlich eine ausgewogene Balance zwischen euren alltäglichen Jobs und Touring-Aktivitäten?

Im Grunde ist das alles nur eine Sache der Organisation. Manchmal ist das schon eine unbequeme Angelegenheit, aber irgendwie klappt das immer. Ich zum Beispiel arbeite tagsüber so wenig wie möglich, um Zeit dafür zu haben Musik zu komponieren und Texte zu schreiben. In wirtschaftlicher Hinsicht bin ich deshalb bereit Einsparungen zu machen, um eine Balance zwischen diesen beiden Welten zu schaffen. Ich kann die Leute verstehen, denen diese Situation gehörig auf den Sack geht und Schwierigkeiten damit haben einen Konsens zu finden, aber in unserer Band lebt der Geist diese Frage betreffend auf großen Füßen. Wir haben Verständnis für die anderen und treffen gemeinsame Entscheidungen.

Wann werdet ihr wieder auf Tour gehen und „Beyond“ promoten?

Wir sind bereits dabei, „Beyond“ zu promoten. Wir waren im Februar in Japan und haben dort elf coole Shows gespielt, und während wir hier erzählen, befinden wir uns auf einer Tour quer durch Finnland. Danach werden wir einige Festivals spielen und touren möglicherweise zum Ende des Jahres noch einmal quer durch Europa. Wir sind immer heiß darauf auf Tour zu gehen und uns den Arsch abzuspielen. Für uns sind Touren besonders wichtig, denn das ermöglicht uns den direkten Kontakt zu unseren Fans. (grinst)

Vielen Dank für das Interview. Möchtest du vielleicht noch etwas ergänzen?

Seid stark, Freunde. Stay Metal!

16.04.2013
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