Odetosun
Interview mit Benny Stuchly zum Debütalbum "Gods Forgotten Orbit"

Interview

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ODETOSUN, Ode an die Sonne – an lyrischer Eingebung mangelt es dem Augsburger Trio um die Brüder Luke und Benny Stuchly gewiss nicht. Ihr Debütalbum „Gods Forgotten Orbit“ kann mit seinem progressiven Death Metal aber auch musikalisch überzeugen, wie schon bei ihrem früheren Projekt ODENS RAVEN. Warum aber die nordische Mythologie den unendlichen Weiten des Weltalls weichen musste, erzählt uns Gitarrist, Bassist, Keyboarder und Songwriter Benny Stuchly im Folgenden selbst.

Ihr wart bislang als ODENS RAVEN in Erscheinung getreten, jetzt macht Ihr weiter als ODETOSUN. Was hat den Ausschlag für die Umbenennung gegeben?

Das Wort Umbenennung trifft es nun nicht ganz. ODENS RAVEN wurde im Jahr 2008 auf Projektbasis gegründet und verfolgte seinerzeit die Darbietung einer in der nordischen Mythologie angesiedelten Erzählung. Durch die Vortragsweise in Hörbuchform mit progressiven Elementen und Songstrukturen wollten wir einen Baum der Weiterentwicklung in der teilweise doch recht konservativen und ausgetrockneten Landschaft des Viking/Pagan-Metals pflanzen. Trotz guter Resonanz war ODENS RAVEN von Beginn an als Einzelstück ausgelegt.

Mit ODETOSUN widmen wir uns lyrisch und musikalisch nun einer anderer Thematik. Ich würde daher nicht von einer Umbenennung, sondern vielmehr von einem neuen Projekt sprechen, mit dem wir die schwermetallische Basis von ODENS RAVEN in die Weiten des Weltalls heben und den progressiven Faden weiterführen.

Steckt hinter dem Bandnamen ODETOSUN – gerade für Euch – eine tiefere Bedeutung – oder klingt der Name einfach nur gut?

Ode an die Sonne. Das klingt zum einen mal verdammt gut! Die Namenswahl lässt uns zudem einen gewissen kreativen Spielraum und die Freiheit, auch zukünftig weite musikalische Felder zu beschreiten. Dem Wort ODETOSUN kann ein kräftiges Metal-Gewitter innewohnen und gleichzeitig einen Minnesänger bezeichnen, der liebliches Liedgut vorträgt.

Entsprechend verhält es sich auch mit unserem Zentralgestirn. Die Sonne ist einerseits Quell des Lebens. Menschen und Tiere frönen dem Frühling, sobald sich die ersten Sonnenstrahlen nach einem harten Winter zeigen. Bäume und Pflanzen betreiben Photosynthese und so weiter. Gleichermaßen geht von der Sonne aber auch Unberechenbarkeit und Zerstörung aus. Das kann der Sonnenbrand auf der Haut oder ein heftiger Sonnensturm mit weitreichenden Folgen sein. Diese Vielfältigkeit und Gegensätzlichkeit, das gefällt mir an dem Namen. Wir legen uns dadurch auf keine bestimmte musikalische Richtung fest.

Lass uns mal auf ein paar Titel eingehen: Calypso ist ein 1980 entdeckter Saturn-Mond. Leviathan der Name eines historischen Spiegelteleskops in Irland. Klingt fast wie eine Zeitreise durch die Geschichte der Astronomie…

„Cracking Shell Of Calypso“ war der erste Song, den ich für das Album geschrieben habe. Er brachte den Stein ins Rollen. Die lyrische Idee dahinter ist die einfache Erkenntnis, dass alles einem ständigem Wandel unterzogen ist. Seien es die persönlichen Erfahrungen des eigenen Daseins oder die Beobachtung unserer Umwelt. Alles ändert sich – und das ständig. Ob zum Guten oder Schlechten, vermag man oftmals erst rückwirkend zu beurteilen.

Im großen Maßstab betrachtet entwickelt sich auch das Universum fortan weiter. In einigen Milliarden Jahren wird beispielsweise die Sonne ihren Brennstoff aufbrauchen und sich langsam ausdehnen. In der Folge verschiebt sich die habitable Lebenszone unseres Sonnensystems und macht die Erde unbewohnbar. Vielleicht werden dann andere Planeten oder Monde zumindest kurzzeitig für uns interessant. Es könnte sich auch unabhängig neues, vielleicht primitives Leben auf Eismonden wie Calypso oder Europa bilden. Der Saturnmond Calypso dient in dem Song sozusagen als Metapher für das eigene Leben und den großen unbekannten Herausforderungen der Zukunft.

In „Veil of Leviathan“ geht es um die allmächtige Kraft der Natur, angelehnt an den mythologischen Leviathan. Der Mensch stellt sich nach wie vor in einer bemerkenswerten Arroganz an die Spitze der Schöpfungsgeschichte und sieht sich gern als Ebenbild Gottes. Tatsächlich ist er aber doch nur ein Spielball göttlicher Launen. Mit ODENS RAVENs „Tod der Welt“ haben wir damals bereits eine ähnliche Idee thematisiert.

Gliese ist der Name eines deutschen Astronomen. Interessant ist, dass er einen „Katalog naher Sterne“ kompiliert hat und dass nach ihm mehrere Sterne benannt sind. Klingt ziemlich komplex…

Das sehe ich auch so, das Thema erscheint durch das enorme Ausmaß seiner Arbeit ziemlich komplex. Ist ja auch einiges an Material, was Herr Gliese damals aufgerissen hat. Im Bezug auf unsere CD liegen die Dinge allerdings nicht ganz so kompliziert.

Wir brauchten einen thematischen Heimathafen für „Gods forgotten Orbit“, und da sich das bekannteste von Herrn Gliese entdeckte Sternensystem Gliese 581 in interstellarer Nachbarschaft zur Erde befindet, war die Wahl naheliegend. Durch die entdeckten Exoplaneten hält der Name Gliese 581 zudem einiges an Mystik und Entdeckerkraft bereit. Der Klang des Namens ist unverrückbar verbunden mit einem Ziel im Kosmos! Der Drang zu diesem Ziel, der Aufbruch und die Reise in das Mystische und Unbekannte wird mit dem Song „Journey to Gliese“ illustriert.

Woher stammt Dein Interesse am All bzw. der Astronomie?

Ich habe mich eigentlich schon immer für astronomische Themen und das All begeistern können. Egal ob aktuelle wissenschaftliche Studien oder die neuesten Nachrichten-Feeds vom Mars-Rover, der Millionen Kilometer entfernt gerade irgendwelche Staubkörner ausbuddelt und auf Spuren von Leben abcheckt. Bei meinem Bruder Luke ist das ganz ähnlich. Nur hat der obendrein noch ein ziemlich cooles Teleskop am Start, mit dem er sich die näheren Planeten und vor allem den Mond in voller Vergrößerung reinziehen kann.

Mich fasziniert auch der Aspekt, dass sich alte Hochkulturen wie die Ägypter oder die Mayas mit dem All und der Astronomie in einem doch recht erstaunlichen Maß auseinander gesetzt haben. Man hat oft den Eindruck, dass diese alten Völker dem Thema eine weitaus tiefere Bedeutung gegeben haben, als es die Menschen heutzutage tun. Interessant eigentlich, schließlich dürfte uns ein besseres Verständnis des Universums einige wichtige Antworten auf grundlegende Fragen geben. Aber in der Modernen wird das Thema von der Allgemeinheit eher nur beiläufig und abstrakt wahrgenommen. Schaut man sich die täglichen Nachrichten an, liegt unser Interesse wohl eher an Börsendaten und den Fußballergebnisse vom Wochenende. Das Existentielle wird gerne ausgeblendet.

Welche Bedeutung verbirgt sich hinter „Gods Forgotten Orbit“? Und ist die ungewöhnliche Schreibweise einfach nur künstlerische Freiheit?

„Der Götter vergessene Orbit“ – die Schreibweise von „Gods“ ist bewusst im Plural gewählt. Denn hier ist nicht von einem im Sinn der hiesigen Religionen festgelegten einzelnen Gott die Rede. Die Verehrung oder Fixierung eines auf tausenden von Jahren alten Schriften beruhenden Gottes ist aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. In Anbetracht der unermesslichen Größe des Universums sollte man mittlerweile in größeren Maßstäben denken.

Was das fehlende Apostroph angeht: Ich finde die Wirkung der Wörter durch die Reduzierung der Satzzeichen im Kontext der Musik einfach stärker. Aus dem Grund führe ich hier ein Stück weit die künstlerische Freiheit im Sinne der freien Wortschöpfung als Begründung für die Schreibweise ins Feld. Und außerdem: auf ordentlichen Metal-Covern ist nach meiner Meinung kein Platz für ein Apostroph!

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Eindeutig! Was stellt das Covermotiv dar?

Das Covermotiv zu „Gods Forgotten Orbit“ hat mein guter Freund und Illustrator Thomas Höchstädter entworfen. Es beschreibt den Verlust bzw. die Gefangennahme der weiblichen Seite im universellen göttlichen Dualitätsprinzip. Die patriarchalen Strukturen in den großen menschlichen Religionen heben ihr Sein als einzig wahre Existenz in den Vordergrund, wobei die Schöpferkraft gemäß dem Prinzip Gaia in den Tiefen eines vergessenen Orbits verschlossen und eingemauert wurde. Das Grundprinzip der göttlichen Idee wird somit von Menschenhand zerstört und damit auch der Einfluss des wahrhaft Göttlichen zurückgedrängt. Die Fürsten der menschlichen Religionen haben den Thron des Göttlichen erobert.

Zu ODENS RAVEN gibt es bei ODETOSUN durchaus musikalische Verbindungen, sei es durch die Arrangements oder den Sound. Textlich sind beide Bands aber völlig verschieden. Inwiefern habt Ihr versucht, die Thematik des Weltalls in der Musik von „Gods Forgotten Orbit“ umzusetzen?

Einige Riffs und Songideen für „Gods Forgotten Orbit“ lagen bereits seit einiger Zeit in meinem Riff-Archiv. Ich hatte schon seit längerem den Gedanken, mich musikalisch und thematisch auf das Universum, auf das All zu konzentrieren. Hier liegt für mich ein gewisser Quell an kreativer Substanz, eine Art Heimathafen vielleicht. Als ich dann den Opener „Cracking Shell Of Calypso“ geschrieben habe, war die Richtung klar. Alle Songs entstanden zeitlich in genau der Reihenfolge, wie sie auch auf dem Album auftauchen. Dadurch entwickelte und kristallisierte sich parallel zur musikalischen Schreibphase so langsam auch der thematische Grundgedanke heraus. Das alles war ein ziemlich natürlicher Prozess.

Eure Musik kann man progressiv nennen, aber es geht Euch offensichtlich nicht darum, irgendwelche Fähigkeiten am Instrument zur Schau zu stellen. Was ist Dir als Hauptkomponist beim Komponieren wichtig – oder anders gefragt: Wann ist ein Song in Deinen Augen gut?

Gute Frage. Songdienlichkeit ist hier vermutlich das Stichwort. Ich meine, dass sich ein guter Song nicht durch eine übertriebene Zurschaustellung seiner Fähigkeiten am Instrument auszeichnet, sondern vielmehr durch eine effiziente Umsetzung seiner Möglichkeiten und ein stimmiges Endergebnis. Bezogen auf unsere Kompositionen ist das wichtigste Kriterium, dass mir der Song am Ende selber gefällt. Mit welchen Mitteln ich das schaffe, ob mit 8tel Noten oder 64tel Triolen im 7/8 Takt, versuche ich dem Gefühl für den jeweiligen Song unterzuordnen. Ich feile meist solange am Material herum, bis ich wirklich zufrieden bin. Und das kann meist ein ziemlich intensiver und zäher Prozess sein. Aber der Weg ist ja bekanntlich das Ziel.

Du hast (wie auch schon „Tod der Welt“) alle Saiteninstrumente und Keybordspuren eingespielt, während Dein Bruder Luke für den Gesang zuständig ist. Hat sich das aus Zufall so ergeben, oder habt Ihr einfach eine komplett unterschiedliche musikalische Ausbildung?

Einfach ausgedrückt funktioniert unsere Zusammenarbeit folgendermaßen: Ich schreibe von Zeit zu Zeit ein paar Metal-Songs, und Luke singt dann drüber. Wir sind zwei recht unterschiedliche Charaktere. Luke ist der Lockere und Spontane, ich hingegen eher der Verkopfte und Detailversessene. Wir ergänzen uns recht gut. Luke kommt musikalisch aus der Pagan/Blackmetal-Ecke und spielt auf professioneller Basis Dudelsack bei den „Claymore Pipes and Drums“ in München. Er ist zudem ein wirklich grandioser Metal-Shouter. Nachdem ich als älterer Bruder weisungsbefugt bin, ist er für sämtliche Projekte für den Gesangsposten abonniert.

Meine Wurzeln wiederum liegen im Metal bzw. Deathmetal. Wobei ich mich generell als Musikliebhaber bezeichnen würde. Ich ziehe mir alles mögliche rein, vorzugsweise Prog und Fusion.

Habt Ihr Ambitionen, mit der Band auch mal live zu spielen, oder bleibt ODETOSUN eher ein Studioprojekt?

Momentan ist ODETOSUN ein Studioprojekt. Vorwiegend aus zeitlichen Gründen. Wir haben beide geregelte Jobs und machen in unserer Freizeit Musik. Einerseits bietet uns das eine optimale kreative Freiheit, weil wir unsere Rechnungen nicht mit dem Erlös von Plattenverkäufen oder Liveauftritten bezahlen müssen. Andererseits mangelt es dadurch natürlich manchmal auch an Freiraum, sodass beispielsweise Live-Auftritte zeitlich etwas schwierig zu bewerkstelligen sind. Aber ich denke, dass wir das Ganze irgendwann live bringen werden. Vielleicht beim nächsten Album.

Odetosun

01.10.2013

- Dreaming in Red -

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