Obscura
"Ich bin Musiker und kein Gitarrenlehrer"
Interview
Stichwort “Devoured Usurper”: ihr hattet bisher auf jedem Album einen Song, der in die schleppendere, traditionellere Death-Metal-Richtung ging, aber alle sind völlig verschieden. Ihr habt eh nie groß Songs gemacht, die untereinander besonders ähnlich sind.
Die langsameren Songs sind stets auch Absicht, weil sie jede Platte besser hörbar machen. “Devoured Usurper” war so konzipiert, dass wir genau das Gegenteil von dem machen, was eine Tech-Death-Band normalerweise machen würde. Das Gegenteil von mehr Sweeps, mehr Blast und wie gesagt haben wir einen D-Beat eingebaut.
Wir haben den Song bewusst als Single ausgewählt, weil uns viele als Shrapnel-Dudel-Band (80er-Label für Gitarrenvirtuosen wie Jason Becker, Marty Friedman, Joey Tafolla und CACOPHONY) abstempeln. Die würden sowas niemals von uns erwarten.
Wie kam denn die Idee zustande, “Orbital Elements” von “Cosmogenesis” (2009) eine Fortsetzung zu spendieren?
Wir waren damals in einer ähnlichen Situation: Wir hatten gerade einen Plattenvertrag unterschrieben, ich hatte ein neues Line-up zusammen, alles hatte eine gewisse Aufbruchsstimmung. Genau das gleiche Feeling hatten wir auch jetzt, weil wir dieses Riesenkapitel des ersten Vier-Alben-Zyklus’ abgeschlossen haben und die Brücke dazu schlagen wollten. Auch eine Tradition: Seit unserem ersten Demo gibt es auf jedem Album ein Instrumental.
Auch dieser Song wurde für die Live-Situation geschrieben. Es gibt vier Soli, die so gespielt werden, wie die Musiker im Booklet gelistet sind. Also erst der Sänger-Gitarrist, dann der Gitarrist, Bassist und Drummer. Auf der Bühne ist das die perfekte gedachte Pause zwischen zwei extremeren Songs, in denen man die Band musikalisch vorstellt und jeder seinen Spot kriegt.
Der geht auch mehr ab, er hat teilweise ein altes MEGADETH-Feeling.
(Pause) Ja. (Pause) Best Of Metal. (Gelächter)
Apropos: In der Metalgeschichte gab es bisher viele “Necromancer”, ich hab aber noch nie von einem “Neuromancer” gehört. Was hat es damit auf sich?
Der “Neuromancer” basiert auf einem wunderbaren Buch und ist relativ gesellschaftlich gehalten. Der Song selbst ist der mit Abstand schwierigste, schnellste und technisch anspruchsvollste auf dem Album. Im Albumkontext nach “Orbital Elements II” verbindet er die Extreme miteinander. Wir achten auch bei der Tracklist auf Dynamik.
“Manche Songs sind unglaublich spontan, manche brauchen einfach länger.”
Tradition ist auch, dass ihr mit einem epischen Song anfangt…
… und aufhört.
Richtig. Die letzten beiden Songs sind zwei weitere Songs, die neue Elemente mit sich bringen. “In Adversity” – ich komm nicht drauf, woran’s es mich erinnert hat. Irgendwann hab ich mir “Böses Kind aus ARCHITECTS und HYPOCRISY” notiert.
Wir mögen beide Bands gern, aber ich hatte eher CHILDREN OF BODOM on steroids im Kopf. Und “Heritage” hab ich in der Woche geschrieben, als Sean Reinert gestorben ist.
Ah klar, ein CYNIC-Einfluss. Das Intro-Arrangement in “Heritage” ist sehr interessant.
Das war ein Song, der auch relativ lang gebraucht hat. Das Skelett des Songs entstand binnen zwei, drei Tagen, aber ich weiß nicht mehr, wie viele Versionen wir am Ende arrangiert haben, bis es dann für alle cool war. Manche Songs sind unglaublich spontan, manche brauchen einfach länger, wie “Forsaken”, der vier Jahre brauchte. Andere Songs wie “Devoured Usurper” – ein Nachmittag.
Krass. Du hast es gerade bei “Neuromancer” erwähnt: Bestimmt hast du insgesamt wieder interessante literarische Einflüsse verarbeitet.
Jein. Es gibt bloß zwei Bücher, die einen direkten Bezug haben. Andere Sachen sind tatsächlich eher rein persönlicher Natur. Nicht nur Corona-bezogen, aber die letzten Jahre sind viele Freunde, Bekannte, Verwandte, Musiker, Familienmitglieder gestorben. Leute, mit denen ich in Bands gespielt habe oder auf Tour war. Sean Reiner, Sean Malone. Alexi Laiho, der sich geradezu niedergerichtet hat. Es gab einfach viele Themen, die mit “A Valediction” – Abschied zusammenpassten.
Bei “Devoured Usurper” geht’s eher um falsche Freundschaft. In “Neuromancer” um gesellschaftliche Sachen. “In Unity” ist ein ganz prekäres Thema, da geht es darum, wie meine Familie und ich vor dem Mauerfall aus der DDR geflohen sind und alles, was wir hatten, zurückgelassen hatten, ohne zu wissen, in welche Zukunft wir da hineinreiten. Es sind schon mitunter sehr persönliche Themen.
2021 war ein Jahr, in dem überraschend viele große, alteingesessene Bands mit starken neuen Alben an den Start gegangen sind. HELLOWEEN, MAIDEN, HYPOCRISY, AT THE GATES… was hat dir dieses Jahr am meisten Freude im Bereich der Neuerscheinungen bereitet?
Ich freu mich wahnsinnig auf die neue HYPOCRISY. Ich empfinde das neue ARCHITECTS-Album als sehr gut und sehe fast wöchentlich in die Release-Pläne und finde überall Bands, die mir gefallen. Die Schwemme ist riesig, aber es gibt immer wieder Perlen, die man findet, zum Beispiel RIVERS OF NIHIL. Großartig, in welche Richtung die gehen. CANNIBAL CORPSE sind immer eine Bank. Aber auch kleinere Bands begeistern mich. Da freue ich mich auf die nächste Tour-Saison.
Tun wir vermutlich alle. Vielen Dank für das Gespräch. Viel Erfolg mit allem.
Einen schönen Abend noch, vielleicht läuft man sich mal über den Weg.
(Anmerkung: Das Gespräch wurde im Dienste der besseren Lesbarkeit geringfügig gekürzt.)
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Stile | Progressive Death Metal, Technical Death Metal |
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