Obscura
"Ich bin Musiker und kein Gitarrenlehrer"
Interview
Weil du gerade David erwähnt hast: Bei ihm ist mir aufgefallen, dass er die hervorstehenden Qualitäten seiner beiden Vorgänger vereint und noch mal auf ein anderes Level hebt bzw. anders umsetzt, was seine beiden Vorgänger ausgezeichnet hat. Wie bist du an ihn geraten?
Wir waren vor einigen Jahren in Kontakt, als unser damaliger Schlagzeuger bei einem Festivalangebot nicht verfügbar war. Wir hatten eine Aushilfe gesucht, ihn hatte ich schon länger auf dem Zettel und ihn kontaktiert. Leider konnten wir das Festival nicht spielen, aber wir blieben in Kontakt. Nachdem wir sehr kurz telefoniert und uns ausgetauscht haben, war er mit an Bord. Wenn man sich die ganzen Videos, die er jetzt seit 10, 15 Jahren fast täglich online stellt, anschaut, stellt man fest, dass er einfach wahnsinnig viel kann. Bei der Musik von OBSCURA geht es nicht nur um den physischen Aspekt, nur schnell und hart spielen reicht nicht. Da kommt es darauf an, zu verstehen, was rhythmisch passiert und das ist eben mehr als 4/4. Und die Balance zu finden auf dem Level ist wirklich schwer, da gibt es sehr wenige, aber David ist einer der besten, die ich kenne.
Der Wechsel Richtung Studio Fredmann war nach außen hin vielleicht etwas überraschend, weil man das Woodshed-Studio immer etwas als euer Stammquartier wahrgenommen hat. Was für Qualitäten haben sich jetzt mit dem neuen Produktionssetting ergeben, die es vorher vielleicht noch nicht gab?
Grundsätzlich war es in erster Linie ein Abenteuer, ein Album nicht in Deutschland zu produzieren. Ich hab noch nie im Ausland irgendetwas aufgenommen und wir sind eine sehr gitarrenlastige Band, die gleichzeitig aber sehr viel Headroom für alle Details braucht. Thema: Akustikgitarren, Vocoder, Keyboard-Flächen und die ganzen Layer mit denen wir regelmäßig arbeiten. Dafür habe ich jemanden gesucht, der zeitlose und lebendige Produktionen heute noch umsetzen kann. Vieles klingt heutzutage steril und fad, weil man gefühlt immer die gleichen Soundsamples am Schlagzeug und die gleichen Presets an den Gitarren hört. Das finde ich ein bisschen langweilig. Ich suche grundsätzlich Leute, die einen eigenen Stil haben, aber das ganze mit dem, was wir anbieten als Band, verbinden können. Fredrik Nordström hat einfach in den Neunzigern unglaubliche Alben produziert, die auch, wenn sie heute noch auf den Markt kommen würden, alles aus den Schuhen blasen würden. Von AT THE GATES über IN FLAMES über DIMMU BORGIR und wahrscheinlich tausend andere.
“Nur schnell und hart spielen reicht nicht.”
Was mich aber tatsächlich überzeugt hat, war eine Produktion für die UK-Band ARCHITECTS, die ich auch sehr schätze. Da hat sich gezeigt, dass Fredrik nicht in den Neunzigern hängen geblieben ist, sondern auch mit anderen Stilen und Themen arbeiten kann. Das Album selbst klingt im direkten Vergleich viel breiter und tiefer. Die Gitarren und Akustikgitarren – alles springt dir wortwörtlich ins Gesicht. Der Schritt war nötig und mit dem Resultat bin ich sehr zufrieden. Egal über welche Anlage oder Kopfhörer ich es höre, ich bin happy.
Es klingt auf alle Fälle organischer als jemals zuvor. Damit harmoniert der Sound schön mit dem Cover, welches zum ersten Mal in Ölfarben gemalt sein dürfte, wenn ich richtig gesehen habe.
Genau. Da sind wir eben beim Gesamteindruck von dem Album. Das muss – egal ob auf Vinyl oder CD – in sich greifen. Wir haben teilweise unseren eigenen Sound auch mitgebracht. Wir haben zum Beispiel einen Amp von Engl nach Schweden schicken lassen, haben ihn dort verwendet, um unseren Sound mit dem Know How und dem Vintage-Equipment von Fredrik zu kombinieren. Das Ziel war, aus dem besten von beiden Welten etwas neues zu erschaffen.
Beim Artwork von Eliran Kantor war es genauso. Ich hab ihm unzähliges Material vorher zugeschickt. Die bisherigen Artworks, die Farbkonzept, das Konzept für die nächsten drei Alben. Ich hab ihm im Prinzip nur Input geliefert. Er hat dann freie Hand darüber, was er zurückgibt. Ein Künstler, der mit Öl malt, hat aber weniger Chancen, etwas nachzubessern oder umzugestalten, als jemand, der mit Photoshop arbeitet. Aber einem gewissen Zeitpunkt muss man dann einfach loslassen.
Die ganze Anordnung reiht sich immer noch eins zu eins in alle Artworks ein, die wir seit der Gründung haben – der symmetrische Hauptteil im Mittelpunkt. Es wirkt auch fast wie ein Planet, obwohl es keiner ist, hat aber einen melancholischen Touch mit diesen zwei Elementen: der Hauptfigur kauernd in der Mitte und der zweiten, die das ganze umarmt. Das wiederum passt perfekt zum Titel, obwohl das ganze “Abschied” heißt.
Ich hatte beim Artwork zunächst auch Assoziationen zu einer Art Uterus. Das passt ja auch zu Abschied, aber auch zu organischen Prozessen. Diese Vieldeutigkeit und Offenheit ist mir auch beim Lesen der Texte aufgefallen.
Das war Absicht. Die ersten vier Alben waren relativ abstrakt gehalten. Bis auf einige Ausnahmen war es vermutlich schwer nachzuvollziehen, worum sich alles dreht. Ich habe jetzt einfach versucht, das ganze offener, man kann auch sagen persönlicher, zu gestalten. Da sind viele Themen mit eingewoben, die direkt betrachtet werden müssen.
Bevor wir noch tiefer ins neue Album eintauchen, würde mich interessieren, wie du jetzt nach drei Jahren “Diluvium” betrachtest.
Es ist ein wahnsinnig anstrengendes und forderndes Album, rhythmisch und technisch am Anschlag. Ich finde es cool, aber es ist stimmungstechnisch leider nicht so vielschichtig, wie ich es mir erhofft hatte. Ich hab das Gefühl, dass die Stimmung nicht sehr oft wechselt und das ist ein bisschen schade. Rückblickend ist das der Grund, weshalb das neue Album viel mehr Stile mit sich bringt. Ich höre mir die alten Alben hin und wieder zur Selbstreflexion an. “Diluvium” war das richtige Album zur richtigen Zeit. Ich denke, wir sind damit erfolgreich gewesen. Wir haben über fast die ganze Welt einen Tourzyklus gespielt.
“Wir müssen bühnentauglich sein.”
Ich möchte mich aber nicht wiederholen und auch nicht noch technischer werden. Ich bin Musiker und kein Gitarrenlehrer. Ich setze mich nicht gern auf einen Schemel und schaue von oben herab. Ich bin Musiker, weil mir das unfassbar viel Spaß macht. Ich verbringe die meiste Zeit mit der Band auf Bühnen. Deswegen müssen wir bühnentauglich sein. Die Songs dürfen nicht nur von technischen Kabinettstückchen leben und ich glaube, bei “Diluvium” haben wir es ein bisschen übertrieben.
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Stile | Progressive Death Metal, Technical Death Metal |
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