Nothgard
Dom im Interview: "Da brechen Heizkörper ab."

Interview

Da ist das NOTHGARD-Interview aber ein bisschen ausführlicher geworden … Bei alldem, was bei der just bestrittenen Death Unleashed Tour 2017 so alles schiefgegangen (und dann letztendlich doch gut gegangen) ist, gab es aber auch reichlich zu erzählen. Es geht aber erstmal um die Musik – genau genommen darum, wie das ist, wenn man damit aufwächst und dabei in sie hineinwächst. Hat man das dann hinter sich, befindet man sich später womöglich in der Position, auf einer Tour zu spielen, die man auch noch komplett durchorganisieren muss und bei der dann der Frontmann des Headliners ausfällt. Wie sich das Blatt doch noch zum Guten gewendet hat, erzählt uns der durch Höhen und Tiefen gegangene NOTHGARD-Fronter Dom R. Crey vor dem Berliner Konzert im Interview. An dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank für das angenehme und sehr aufschlussreiche Gespräch!

Hi Dom! Also, wir haben hier auf metal.de tatsächlich noch kein NOTHGARD-Interview. Heißt, ich kann auch die doofen Fragen stellen. Zum Beispiel: Was bedeutet denn der Name NOTHGARD?

Dom: Wir haben ja ursprünglich mit mehr Pagan Metal-Einschlag angefangen, Ende 2008/Anfang 2009. NOTHGARD ist eigentlich ein altdeutsches Wort – „Not-Garde“ spricht man das aus – und das ist eine Kampftechnik beim Schwertkampf. Über die Jahre hat sich unser eigener musikalischer Geschmack natürlich etwas verändert. Dazu stehen wir auch, denn es ist absolut wichtig, dass eine Band das macht, was sie für richtig hält. Aber ja, soviel zum Namen.

Du hast es ja gerade schon angesprochen. Stilistisch haben NOTHGARD schon einen ziemlichen Wandel gemacht, eben vom Pagan Metal zum Epic Melodic Death Metal. Hat sich das so entwickelt oder war das eine Entscheidung?

Dom: Also, das war keine bewusste Entscheidung. Wir haben nicht gesagt, „hey, wir haben jetzt keinen Bock mehr auf Pagan Metal“. Zwischen dem ersten und dem zweiten Album lagen drei Jahre. Und dazu muss man wissen, dass ich Teile des ersten Albums noch vor 2008 geschrieben habe, also mit 15. Über die Zeit – da lagen teilweise sieben Jahre dazwischen – hat sich mein musikalischer Geschmack einfach verändert. Wir haben ja jetzt nicht von Pagan Metal zu Hardcore gewechselt, sondern klar, das Ganze hat sich eben etwas gewandelt, aber jetzt auch nicht zu krass. Aber daher kam das, dass so viel Zeit zwischen den ersten Songs und den darauffolgenden war.

Nothgard - The Sinner's Sake (Artwork)

Nothgard – The Sinner’s Sake (Artwork)

Also du nimmst irgendwie gerade immer schon meine Fragen vorweg. Die Nächste wäre nämlich: Ihr, oder vor allem du als einzig Übriger von der Originalbesetzung, wart ja damals noch recht jung. Inwieweit ist so eine Entwicklung eine Frage des Alters? Wie hast du das erlebt?

Dom: Als sehr schön, natürlich, aber auch immer mal als stressig. Mit dem Alter lernt man dann natürlich auch Sachen dazu. Die eigenen kompositorischen Fähigkeiten verändern sich. Es wird immer Fans geben, die sagen „das erste Album!“ – das ist ja fast bei jeder Band so. Aber im Prinzip weiß ich halt jetzt genau, was ich komponieren möchte. Es hat sich so ein eigener Stil entwickelt. Am Anfang, wenn du keine Ahnung hast, lebst du auch in so einer gewissen Blase. Mit 15, 16, 17 war diese ganze Metalszene für uns unfassbar groß, und Bands wie zum Beispiel ENSIFERUM oder so waren unerreichbar. Da hat man schon geguckt und gesagt „hey, das ist cool“, und jetzt versucht man einfach, das zu machen, worauf man Lust hat. Und das natürlich schon in ein Gewand zu packen, das zur Band und zum Image passt. Das ist mittlerweile viel einfacher, weil sich über die Jahre eben der Stil entwickelt hat, in dem ich schreibe.

Wenn ich einen guten Tag habe, kann es auch sein, dass ein Song an einem Tag steht. Es gibt natürlich auch Songs, die dauern Wochen und Monate. Aber das liegt eben daran, dass man genau weiß, wohin die Reise gehen soll, und nicht mehr so ins Blaue hereinschreibt, wie damals. Wenn ich mir heute das erste Album anhöre, dann höre ich auch, wann ungefähr ein Song entstanden ist, weil eben auch noch sehr krass unterschiedliche Einflüsse drin sind. Zum Beispiel ein Akkordeon, dann zum anderen schon auch dieses Orchestrale, was erst kurz vor dem Release 2010/2011 dazu kam. Davor war es wirklich eher Folk. Beim neuen Album kommen dann natürlich ein paar neue Elemente dazu. Wir werden es etwas moderner machen, um unseren aktuellen Zeitgeist mit einzubringen.

Denkt man da manchmal auch, wenn man sich die alten Sachen anhört, Boah…*Facepalm*?

Dom: Ja, ich denke mir das schon (lacht). Ich weiß, viele werden da jetzt nicht zustimmen. Ich hatte es jetzt gestern wieder in Prag. Das Publikum war absolut genial, aber wir spielen verständlicherweise überwiegend neue Songs. Zwei haben wir im Set, die aus der damaligen Zeit sind. Einer meinte dann, „hey, we want to hear old Pagan songs!“ (Pause) Also, alles würden wir nicht mehr spielen. Da waren ja auch Texte dabei, so über Alkohol, dieses klassische Klischeehafte. Davon hat sich unsere persönliche Meinung einfach zu weit wegentwickelt. Ich möchte über Sachen singen, die mich selbst bewegen und berühren, und da gehört Alkohol nicht dazu (lacht).

Galerie mit 16 Bildern: Nothgard - Death Unleashed Tour 2017 Berlin
Zum Thema „wissen, was man machen will“. Der Metal ist ja extrem ausdifferenziert und es gibt X Subgenres. Empfindest du es so, dass das Spielraum für die Kreativität schafft, oder erhöht es eher den Druck, noch irgendwelche Alleinstellungsmerkmale herzaubern zu müssen?

Dom: Also ich stimme dir da tatsächlich bei beidem zu. Es gibt einem einen gewissen Spielraum, aber es ist tatsächlich so, dass es unfassbar viele Bands und eben Genres gibt. Du kannst das Rad teilweise nicht neu erfinden, musst es aber irgendwie. Du musst irgendwie Elemente finden, Melodien, oder zumindest Melodiegerüste, die kein anderer so verwendet. Oder zumindest nicht exakt so. Es wird immer wieder Leute geben, die sagen „hey, das hört sich so und so an“, weil du da eben nicht raus kannst. Klar, es gibt diverse Tonleitern und Tonarten, die wir immer wieder zu ändern versuchen. Das neue Album hat zum Beispiel sehr viele neoklassische Sachen drin. Das ist was, worauf ich aufbaue, gerade auch mit den orchestralen Sachen im Hintergrund, die es so nicht so oft gibt. Zum Beispiel CHILDREN OF BODOM würden das nie machen – es gibt da hier und da immer den Vergleich. Die haben aber natürlich komplett Keyboards, was wir so in dem Stil überhaupt nicht haben.

Stichwort „das hört sich so und so an“. Sagen wir mal, du hast jetzt eine Melodie im Kopf. Woher weißt du –

Dom: – dass das meine Melodie ist. Das ist eine gute Frage. Das ist schon vorgekommen. Teilweise denkt man echt so „richtig geile Melodie, die ich jetzt da hab“, und dann schreibe ich die auch auf, oder nehme sie direkt auf. So komponieren wir auch, direkt an der Gitarre, am Projekt. Ich mache mich jetzt nicht auf die Suche. Ich habe das früher mal gemacht, zu den Anfängen, dass ich alles Mögliche durchgehört hab – „Hört sich das so oder so an“. Ich habe es dann auch mal meinem Kumpel, der sehr versiert ist, gezeigt. Und da hat sich schon rausgestellt – krasser Scheiß – da war eine Melodie, die fast 1:1 gleich war, und ich kannte die Band nicht mal. Also die Band kannte ich schon, aber ich habe nie SONATA ARCTICA gehört, weil ich nicht so der Power Metal-Typ bin. Aber ja, das war komplett gleich, und das haben wir dann natürlich gestrichen. Aber ich will nicht ausschließen, dass es immer mal wieder vorkommen kann.

Zum Thema NOTHGARD-Lineup. Wir haben es ja schon angesprochen. Du bist der Einzige, der noch von der NOTHGARD-Originalbesetzung übrig ist. Seit Kurzem habt ihr auch keinen festen Drummer mehr, oder ist da wieder einer?

Dom: Ja, das ist auch eine gute Frage. Also, wir haben es bis dato nicht kommuniziert. Felix Indra heißt er. Der ist jetzt aktuell auf der Tour unser Drummer und wird auch alle weiteren, bereits bestätigten Festivals mit uns spielen. Er hatte vor der Tour zwei Shows gespielt und wir wollten ihm und uns jetzt erstmal die Zeit auf Tour gönnen, um herauszufinden, ob er zu uns passt. Ich bin es mittlerweile natürlich auch leid, permanent Lineup-Wechsel zu haben. Ich meine, ich verstehe das natürlich. Leben verändern sich, Leute ziehen weg, Leute haben auf einmal einen Beruf. Wir waren damals alle Studenten, beziehungsweise Schüler, zu den Anfängen.

Ich wohne jetzt nicht mehr in Bayern, sondern in Niedersachsen. Ich kann das machen, denn als Bandleader ginge es ohne mich nicht. Aber wenn jetzt einer wegzieht, wäre es schon wieder schwierig. Man muss ja auch immer runterfahren. Bandprobe machen wir nicht in Niedersachsen, sondern ich komme dann nach Bayern, und das sind 1500 Kilometer. Ja, also wir schauen jetzt. Es sieht alles echt super aus, Felix ist ein klasse Typ und hat sich auf Tour echt bewährt. Und drumtechnisch ist er super, er ist echt eine Maschine.

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15.12.2017

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