Nonexistence
Interview mit Philip Santoll zu "Antarctica"
Interview
Mit der sehr stimmigen Mischung aus melodischem Black, Gothic und Doom Metal begeistern NONEXISTENCE auch mit ihrem zweiten Album „Antarctica“. Wurde das Debütalbum „Nihil“ noch von Philip Santoll alleine eingespielt und produziert, stand ihm nun Tuomas Saukkonen (BLACK SUN AEON, BEFORE THE DAWN) tatkräftig zur Seite. Abwechslungsreichtum, starke Gitarrenarbeit, fesselnde elegische Melodien du düstere Atmosphären sind die Säulen von „Antarctica“. Was so alles dahintersteckt, klärten wir im Interview mit Philip.
Der Stil von NONEXISTENCE wird als Cosmic Doom Black Metal bezeichnet. Bitte erkläre uns diesen Begriff doch mal etwas genauer!
NONEXISTENCE vereint in stilistischer Hinsicht Stimmungen und Elemente des Doom Metal mit jenen des Black Metal, was eben durch die Stilbezeichnung „Cosmic Doom Black Metal“ zum Ausdruck bringt. Das Wort „Cosmic“ weist hierbei auf den thematischen Schwerpunkt des textlichen Konzepts hin und umschreibt ¬zugleich auch die atmosphärischen Keyboard-Arrangements. Die Musik von NONEXISTENCE bewegt sich stilistisch von schwermütig-dramatischen Doom Metal Passagen bis hin zu massiven symphonischen Black Metal Stürmen, alles sehr Moll-betont und elegisch. Hier wird richtig düsterer, kalter Metal geboten: Treibende Drums und Grooves, tief gestimmte Gitarrenwände, opulente aber dennoch unaufdringliche Keyboards sowie die volle Bandbreite an extremen Vocals! Es klingt eben so, wie ich harten melancholischen Metal am liebsten hören möchte: Düster und energetisch!
Ich schließe aus dieser Stilbezeichnung, dass du dich für Kosmologie interessierst, richtig? Woher kommt dein Interesse?
Ja, das ist durchaus der Fall. Ich war schon als Kind sehr vom Weltraum fasziniert und finde es äußerst spannend, was jenseits unserer Erde und des menschlichen Zeithorizonts so alles abgeht! Die räumlichen und zeitlichen Dimensionen der kosmologischen Perspektive sind unvorstellbar gewaltig und führen zu einem völlig neuen Verständnis dessen, was eigentlich langfristig und im Großen so geschieht. Das bewirkt dann letztlich auch einen interessanten Blick zurück auf einen selbst inmitten all dieses ewigen Unendlichen. Kosmologie ist zwar nicht der einzige Inhalt meiner Texte, doch dreht es sich in meinen Songs schon sehr häufig um die Natur der Dinge und um existenzielle Grenzfragen. Ich finde das passt ganz gut zur Stimmung meiner Songs, daher enthalten meine Liedtexte oftmals verschiedenste Bezüge und Verweise auf den Weltraum. Der Kosmos ist ja ohnehin ein ausgesprochen Black Metal adäquates Thema, schließlich wird er den genretypischen Ansprüchen an Finsternis, Kälte, Leere sowie generell dem Extremen mehr als nur gerecht!
Warum hast du dich für diesen ganz besonderen Stil, oder besser gesagt diese Mixtur verschiedener Stile, entschieden? Wo ist für dich eher dein musikalisches zu Hause, im Doom oder im Black Metal? Welcher Stil liegt dir mehr am Herzen?
Ich habe bereits zuvor Doom und Black Metal unabhängig voneinander in einigen Bands gespielt, somit ist dieser Stil letztlich das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses. Als ich mit NONEXISTENCE begonnen habe, haben mein damaliges Gitarrenspiel und die Kreischvocals den Liedern gleich mal eine ordentlich schwarzmetallische Schlagseite verpasst. Und als später noch die Keyboards dazu kamen, war der Stil von NONEXISTENCE schließlich gefunden. Ich fühle mich zu beiden Stilen sehr hingezogen und finde, dass sie oftmals recht ähnliche Stimmungen mit eben jeweils unterschiedlichen Stilmitteln transportieren. Mich faszinieren die Energie und Intensität des Black Metal ebenso sehr wie die Melancholie und Dramatik des Doom Metal, daher war mein Ziel, mit NONEXISTENCE all das zu einem stilistisch Ganzen zusammen zu führen. Ich würde auf keinen der beiden Stile verzichten wollen.
In diesem Zusammenhang würde mich auch sehr interessieren, wie du überhaupt zum Metal gekommen bist, was die für dich damals und im Laufe der Zeit prägenden Bands sind und waren?
Zum Metal gekommen bin ich 1989 durch OZZY, der für mich einfach der legendärste Metaller überhaupt ist, und BLACK SABBATH! Als ich „The Ultimate Sin“ gehört habe, war mir sofort klar, dass das die Musik ist, nach der ich immer gesucht hatte. Ich habe seither hunderte geniale Bands aus den unterschiedlichsten Metal Genres gehört, da bleibt natürlich von recht vielen verschiedenen Seiten etwas an Einfluss hängen. Aber wirklich bedeutend sind für mich definitiv PARADISE LOST. „Shades Of God“ war mein erster Kontakt mit derart harschen Vocals und melancholischen Songs und Lyrics, das hat mich damals immens beeindruckt und mir die weitere Richtung für mein eigenes musikalisches Schaffen offenbart. DIMMU BORGIR und LIMBONIC ART („Moon In The Scorpio“) weckten später dann mein Interesse für symphonischen Black Metal. Aber auch abseits des Metal gefallen mir ziemlich viele Bands, etwa PORCUPINE TREE, DEAD CAN DANCE oder THE BLACK SEEDS. Am liebsten aber habe ich fette, tief gestimmte Gitarren und einen ordentlichen Groove, daher laufen bei mir oft BLACK LABEL SOCIETY oder STATIC-X.
Du hattest dich bereits mit dem letzten Album „Nihil“ auf die Antarktis bezogen, und das neue Werk wurde danach auch betitelt. Was hat es damit auf sich? Was fasziniert dich an der Antarktis?
„Antarctica“ steht für einen symbolischen Ort, der die in der Musik von NONEXISTENCE transportierten Stimmungen repräsentiert. Der Titel weckt Assoziationen zu Abgeschiedenheit, Finsternis und Kälte, also zu Themen, die auch in den Liedtexten zentrale Elemente sind, neben den unmittelbar kosmologischen Bezügen. Ich habe diesen Ort daher zur Heimat von NONEXISTENCE erkoren. Der neue Albumtitel betont das noch mal und stimmt zugleich den Hörer auf die Songs ein.
Um was geht es in den Texten, und in welchem Zusammenhang steht der Albumtitel „Antarctica“ dazu?
Für den Albumtitel habe ich mich erst nach den Aufnahmen entschieden. Beim Schreiben der Texte hatte ich aber keine Absicht, ein Konzeptalbum über die Antarktis zu schreiben. Doch im Nachhinein betrachtet stimmt es schon, das neue Album könnte sich durchaus dort abspielen. Die zentrale Stimmung des Albums beschreibt tatsächlich jemanden, der sich in der kalten finsteren Weite der Antarktis aufhält, einsam, über sich das verlöschende Universum. In den Texten geht es um einen Rückzug in Abgeschiedenheit, Dunkelheit und Kälte, um Schmerz und Existenzkrisen, um Kontemplation und Erkenntnis, ja generell um grundlegende existenzielle Aspekte, sowohl des gesamten Universums als auch des einzelnen Individuums, wobei all diese Bereiche zumeist in mehrdeutigen Formulierungen ineinanderfließen. Eine Grundmelancholie ist dabei natürlich stets präsent, schließlich handelt es sich ja auch um extrem moll-lastige Kompositionen, was sich textlich ebenso widerspiegeln soll. Die Texte sind daher ziemlich freudlos, passend zur Musik.
Du hast dieses Mal nicht alles im Alleingang aufgenommen, sondern hattest Hilfe von Tuomas Saukkonen (BLACK SUN AEON, BEFORE THE DAWN), welcher den Bass und das Schlagzeug eingespielt sowie produziert hat. Wie kamst du auf ihn bzw. wie kam der Kontakt zustande?
Für die Aufnahmen von „Antarctica“ wollte ich einen für mich bislang völlig neuen Ansatz versuchen und auf den Rat und die Unterstützung eines außenstehenden Produzenten zurückgreifen. Tuomas Saukkonen war sofort mein Wunschproduzent, nachdem ich herausgefunden hatte, dass er bei BLACK SUN AEON die Lieder alleine schreibt und alle Instrumente selbst einspielt. Das Debut „Darkness Walks Beside Me“ hat mich zutiefst berührt und beindruckt wie schon lange kein Album mehr. Und nach dem Erscheinen des zweiten Albums „Routa“ habe ich Tuomas dann einfach mal angeschrieben und gefragt, ob er denn vielleicht mein neues Album produzieren möchte. Tuomas war von meinen Demos begeistert und hat sofort zugesagt! Weiters hat er gleich noch von sich aus angeboten, Schlagzeug und Bass selbst einzuspielen. Unglaublich! Nun konnte ich mit einem von mir sehr geschätzten Musiker und seinem bewährten Team zusammenarbeiten, einfach großartig!
Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Tuomas? Hast du ihm alles vorgegeben, was er spielen soll, oder konnte er sich selbst einbringen? Welchen Einfluss hatte er auf „Antarctica“?
Die Zusammenarbeit mit Tuomas war außerordentlich produktiv und entspannt. Er ist ein wahnsinnig netter Kerl und großartiger Musiker, der dem Album genau das gegeben hat, was es noch gebraucht hat. Ich hatte mir vor Beginn der Zusammenarbeit vorgenommen, seinen Rat weitest möglich anzunehmen, somit waren meist keine langen Diskussionen erforderlich, wenn Mr. Producer sagte, wo es lang geht. Wir haben uns vor Beginn der Aufnahmen per Email abgestimmt und auch einmal persönlich getroffen, wobei gleich klar war, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Die Gitarren und den Gesang haben wir dann gemeinsam bei Tuomas im Studio in Finnland aufgenommen, wobei er hinsichtlich Equipment, Sound und Spielweise der Gitarren unglaublich wertvollen Input geliefert und dafür gesorgt hat, dass ich meine Parts so richtig tight und direkt performe. Schlagzeug und Bass hat Tuomas danach alleine eingespielt und mir mp3s der Songs geschickt. Einige kleinere Details der Drums sowie der Sounds und Mischverhältnisse haben wir schließlich per Email abgestimmt. Da die Demos bereits ziemlich genau ausgearbeitet waren, war die grobe Linie der Drums zwar schon vorgegeben, doch hat Tuomas beim Einspielen häufig seine eigenen Interpretationen der Parts gespielt. Ich habe seine Performances und damit die fast schon finalen Versionen der Songs selber erst während des Abmischens zum ersten Mal gehört, was jedes Mal enorm spannend war, wenn wieder ein neuer Rohmix per mp3 eingelangt ist! Was den Bass anbelangt muss ich allerdings gestehen, dass ich echt keine Ahnung habe, was Tuomas eigentlich so gespielt hat, jedenfalls fettet es die Songs massiv auf!
Worin siehst du selbst die Unterschiede zwischen „Antarctica“ und „Nihil“?
„Antarctica“ ist viel direkter und organischer, sowohl was Sound und Performance betrifft als auch hinsichtlich des Songwritings. Auf „Nihil“ hatte sich das Schreiben eines Liedes meist über mehrere Monate erstreckt, die Songs von „Antarctica“ hingegen sind jeweils an nur einem einzigen Wochenende entstanden, was ihrer jeweiligen Stimmung sehr zugute kommt und diese besser fokussiert. Ich habe beim Songwriting viel intuitiver gearbeitet, etliche spontane Ideen haben sofort gezogen, ohne dass ich damit noch lange damit herumexperimentiert oder etliche verschiedene Versionen ausprobiert hätte. Erleichternd war diesmal natürlich, dass der Grundsound von NONEXISTENCE nicht nochmals neu erfunden werden musste und ich daher beim Songwriting von Anfang an viel zielgerichteter vorgehen konnte. Klanglich gewaltiger Druck kommt natürlich von den diesmal echten Drums und dem Bass, sowie von Tuomas‘ Performance und stilistischem Einfluss in dieser Hinsicht. Doch auch die Gitarren sind diesmal mehr rifforientiert und nochmals etwas tiefer gestimmt, wodurch sie den Songs gleich viel mehr Schub und Groove verleihen. Der Gesang ist diesmal quasi live eingesungen und kommt dadurch viel direkter und authentischer rüber, was daran liegt, dass wir zumeist gleich den ersten Take verwendet haben. Zudem habe ich die Keyboards etwas orchestraler arrangiert und die stilistische Bandbreite von NONEXISTENCE um einige Blast Beats erweitert. Ich finde, dass „Antarctica“ durch all das mit generell viel mehr Druck und Drama aufwarten kann.
Hast du für „Antarctica“ ausschließlich neue Songs verwendet, oder hast du auch auf ältere Ideen zurückgegriffen?
Die Songs auf „Antarctica“ sind alle erst nach dem Erscheinen von „Nihil“ neu entstanden, da stecken keine älteren Ideen drin. Mir fällt es auch deutlich schwerer, auf alte Ideen zurückzugreifen, als gleich einen ganz neuen Song zu schreiben. Lediglich „Multiverse“ gab es schon zu Beginn der Aufnahmen von „Nihil“, der Song passte aber stilistisch nicht mehr dazu und zeigte mir bereits an, in welche Richtung das nächste Album gehen könnte.
Mit deinem neuen Werk bist du nun bei Candlelight unter Vertrag. Was bedeutet das dir?
Ich finde das großartig! Mit Candlelight Records verbinde ich innovative Bands wie OPETH, EMPEROR und IHSAHN, das Label kann stolz auf eine lange Tradition an qualitativ hochwertigem Extremmetal zurückblicken. Hier nun dazu gehören zu dürfen, ist natürlich eine große Ehre für mich und ich bin ausgesprochen glücklich und stolz darauf, mit Candlelight Records einen so legendären Partner hinter mir zu haben.
Seit wie lange arbeitest du eigentlich an NONEXISTENCE? Wie kam es dazu, dieses Projekt zu starten?
NONEXISTENCE gibt es seit 2002. Ich hatte bis dahin zwar bereits für mehrere Doom Projekte Lieder geschrieben, doch leider hatte es den Bands stets an motivierten Mitstreitern gefehlt. Einige Jahre habe ich mich daher mit ASMODEUS intensiv dem Black Metal gewidmet, doch auf lange Sicht gingen mir die doomigen Sachen schon sehr ab. Schließlich bin ich 2002 ausgestiegen und habe begonnen, die alten Doom Songs neu zu überarbeiten. Durch ein kleines Homestudio war es mir nun endlich möglich, auch ohne andere Bandmitglieder weiter an den Songs zu arbeiten, und bei dieser Arbeitsweise und Bandbesetzung ist es dann geblieben.
Hast du dir schonmal darüber Gedanken gemacht, jemals mit NONEXISTENCE Live zu spielen?
Na sicher! Das hat sich bisher doch nur deshalb noch nicht ergeben, weil nach der zermürbend langen Produktion von „Nihil“ diese Phase für mich damals abgeschlossen war. Ich wollte mich endlich neuen Liedern zuwenden, daher fehlte mir jedwede Motivation, mich weiterhin den alten Liedern bei zahlreichen Bandproben und Auftritten zu widmen. Doch diesmal sieht das zum Glück ganz anders aus! Durch die Auslagerung der Produktion an Tuomas und sein Team klingen die Lieder von „Antarctica“ für mich immer noch total frisch und neu. Ich stehe einfach total auf die neuen Songs und es macht mir riesigen Spaß, die neuen Riffs wieder und wieder zu spielen. Inzwischen habe ich auch ein paar Mitstreiter gefunden um gemeinsam die Lieder live auf die Bühne zu bringen. Die Bandproben laufen mittlerweile schon recht gut und wir wollen bald mal auftreten.
Was steht in nächster Zukunft bei dir an?
Abgesehen von den laufenden Bandproben und hoffentlich einigen Auftritten steht natürlich das Songwriting für ein weiteres Album an. Ich arbeite eigentlich kontinuierlich an neuen Ideen und Songentwürfen und sammle da so einiges zusammen, aber nicht alles kann mich über längere Zeit ausreichend begeistern oder passt stilistisch unbedingt zu NONEXISTENCE. Irgendwann aber werden wieder ausreichend viele Lieder für ein neues Album beisammen sein und dann geht der Feinschliff los: Arrangements ausarbeiten, Texte schreiben, die Aufnahmen planen. Weiters wollte ich auch endlich mal ein Musikvideo fertig stellen, aber das verzögert sich schon eine ganze Weile. Naja, da kommen sie wieder, die kosmologischen Zeitintervalle…
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!
Am Südpol ist derzeit Winter, und wem der Sommer gerade zu heiß ist, der möge sich doch etwas akustische Abkühlung verschaffen und mal in „Antarctica“ reinhören! Ein großes Dankeschön hier an alle, die das schon getan haben und „Antarctica“ bereits erworben haben! Hab vielen Dank für die Unterstützung durch Metal.de und für die Einladung zu diesem Interview! Cheerz!
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Band | |
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Stile | Death Doom Metal, Gothic Metal, Melodic Black Metal |
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