Nocte Obducta
Interview mit Marcel zur Rückkehr der Band
Interview
NOCTE OBDUCTA sind zurück und nach fünf Jahren Pause sichtlich heiß darauf, wieder anzugreifen und den Jungspunden des deutschen Black Metals zu zeigen, wie man die Ananas knackt. Wir haben, aus Freude und alter Verbundenheit, die Fühler ausgestreckt und bei Marcel nachgehorcht, was da auf uns zukommen wird.
Tja, Marcel… ungefähr fünf Jahre hast Du es ausgehalten, die deutsche Black Metal-Szene nicht mit NOCTE OBDUCTA zu behelligen. Warum war es unumgänglich, wieder zurückzukommen?
Wir wollten einfach wieder die Menschen erreichen. Modebewusste, schöne, junge Menschen – von den Augenbrauen abwärts vollrasiert und mit einem Faible für süße Mischgetränke mit Fusel drin. Eigentlich wollten wir das Album deshalb auch ausschließlich als Smartphone, Kondom und Like-Button rausbringen, aber da hat dann das Label leider nicht mitgespielt.
Die Meinungen zu Eurer Rückkehr sind geteilt. Da gibt’s die, die sich wie kleine Kinder freuen; dann die, denen das egal ist, die Euch aber Kalkül vorwerfen und glauben, Ihr würdet damit nur das große Geld machen wollen (was lustig ist!); und zuletzt die, die das offen zum Weglaufen finden und der Meinung sind, Ihr hättet sowieso, wenn überhaupt jemals, seit zehn Jahren nichts Brauchbares mehr gemacht. Was hast Du da zu entgegnen?
Nun, wer da Kalkül oder Kommerz sieht, der ist ja wegen seiner hoffnungslos romantischen Sicht auf das Musikgeschäft oder aufgrund seiner unverschämt guten Erfahrungen wirklich zu beneiden. Oder aber er lebt in Narnia, Mittelerde oder sonst einem ersponnenen Fantasy-Universum. Stelle ich mir aber auch lustig vor. Wir haben durch die Verkäufe von NOCTE-Album bis heute null Euro verdient, das ist in Ziffern eine „0“ oder „000“. Es gibt also keinen Grund, wegen Geld weiter zu machen. Die Sache mit dem Geld wäre nur ein Grund, alles zu beenden.
Wer eh nur die frühen Alben mag … nun, da kann ich nichts Schlechtes dran finden, ich höre mir bei verdammt vielen Bands auch am liebsten oder ausschließlich die frühen Scheiben an. Gibt aber auch immer mal Überraschungen. GRAVE z.B. hatte ich völlig aus den Augen verloren, fand den Kram mit den Jahren auch immer langweiliger, der frühe Schwedentod ist einfach besser. Aber die „Burial Ground“ von 2010 hat mich dann völlig umgehauen, auch wenn natürlich „Into the Grave“ nie mehr getoppt wird. Ähnlich ist es bei DARKTHRONEs „Dark Thrones and Black Flags“ gewesen. Vielleicht gefällt also auch „Verderbnis“ den Leuten von früher wieder besser, es ist auch einiges an älteren Kompositionen drauf.
Wer uns net mag, sollte uns einfach ignorieren. Ich finde auch fast alles beschissen, also ignoriere ich auch fast alles.
Was aber die Schweineficker angeht, die sich bei uns damals gerne zum Pöbeln ins Publikum gestellt haben, anstatt einfach an der Theke zu warten, bis was kommt, was ihnen wieder gefällt, oder aber die armen Säcke, die in Foren ihre Zeit darauf verschwenden, Beiträge zu einer Band zu schreiben, die sie eigentlich net ausstehen können… nun, haben die echt so gottverreckt viel Freizeit, Langeweile und Geltungsdrang? Wie kann man denn so seine Zeit verbringen? Vor allem immer so „fundiert“. Ist natürlich auch drollig, wenn man durch seine bloße öffentliche Existenz Leute mit Profilneurosen zu solch erbärmlichem Handeln treiben kann, aber begreifen muss ich sowas ja trotzdem nicht. Ein extrem armer Haufen Scheiße zu sein, das ist einfach nicht meine Welt, ich bin mehr so der sympathische Losertyp von nebenan.
Im November gibt es ein neues Album von Euch zu kaufen, das ursprünglich nur ein einmaliges, abschließendes und vielleicht ein bisschen nostalgisches Projekt sein sollte. Wie ist dieses Album entstanden und warum ist es letztlich doch mehr geworden, als es sein sollte?
Für mich persönlich war immer klar, dass ich auch weiter dunklen Metal spielen würde, er sollte aber nicht mehr im Mittelpunkt der Proben und der Auftritte stehen, zumindest für ein paar Jahre nicht, unter anderem daher ja auch die Pause und der Namenswechsel. Ich habe dann für mich letztlich an zwei Alben aus dieser Ecke parallel gearbeitet, das vorliegende hat dann irgendwann hinsichtlich der Tracklist eine recht konkrete Form angenommen. Matze sollte trommeln, Stefan hatte ursprünglich auch mit an dem Material arbeiten wollen und sollte dann auf jeden Fall in die Umsetzung eingebunden werden, unter anderem am Mikro. Als Verstärkung am Mikro hatten wir Alex im Visier, der ja nicht nur auf der „Lethe“ viel zu hören ist, sondern auch nach seinem Ausstieg noch bei „Taverne“ und vor allem „Galgendämmerung“ als Gast viele Vox beigesteuert hat.
Es war dann Flange, der sinngemäß meinte: „Ist aber irgendwie auch albern, wenn der Breuer ein BM-Album aufnimmt, auf dem wirklich alle beteiligten Musiker bei NOCTE eine wesentliche Rolle gespielt haben, und dann gibt man der Sache einfach einen anderen Namen, nur weil man Schiss hat, dass die Leute die Nase rümpfen wegen einer dubiosen Reunion“.
Ich war zwar nicht sofort überzeugt, aber irgendwann beschlossen wir, so viele Ex-Members wie organisatorisch möglich und dem Lauf der Dinge angemessen mit an Bord zu holen und dem ganzen den Charakter eines kleinen Familienfests zu geben.
Der Arbeitstitel war „Schwarzmetall II“, weil wir in fast allen Punkten wieder wesentlich roher und spontaner zu Werke gehen wollten. Das betrifft natürlich auch die Kompositionen als solche, vor allem aber die Arbeit am Album. Es war klar, dass es anders klingen würde als „Schwarzmetall“ und auch die Songs oft einen anderen Charakter hatten, der Kram ist ja im Schnitt deutlich langsamer und düsterer. Dennoch sind die Strukturen einfacher als die der Vorgängeralben, desweiteren haben wir so oft es vertretbar war First Takes genommen, was natürlich Unsauberkeiten etc. mit sich bringt, die allesamt auch auf dem Album geblieben sind. Ich für meinen Teil habe außerdem Gitarren, Bass und Keys ausnahmslos angetrunken bis sternhagelvoll eingespielt (eine Art symbolischer Akt), und was den Tag angeht, an dem wir die Vox gemacht haben, da müssen wir gar nicht drüber sprechen. Stefan, der keinen Alkohol anrührt, und an diesem Tag den Mammutteil der Aufnahmeleitung übernehmen durfte, musste einiges durchmachen, als wir noch vor zehn Uhr morgens anfingen, uns gezielt und rücksichtslos zuzulöten.
Aber ich schweife wie immer ab… es deutete sich schon während der Aufnahmen an, aber beim Mix merkten wir dann, wieviel Liebe wir dann doch ins Detail gesteckt hatten, allein mit sechs Vokalisten kann man natürlich ziemlich viel an Interpretation rausholen. Und so haben wir es dann zwar sehr ursprünglich und rotzig produziert und natürlich keine Korrekturen vorgenommen, aber letztlich ist „Verderbnis“ bei weitem nicht so roh und ruppig wie „Schwarzmetall“, das hätte wohl auch zu gewollt geklungen. Der Entstehungsprozess war ja auch ein anderer. Und Dinge schlechter drehen als sie sind, das ist in meinen Augen auch Beschiss.
Nun, und da trotz der diversen Pausen zwischen den einzelnen Arbeitsblöcken die ganze Sache so rund und befriedigend verlief, dachten wir, hey, da ist wieder das Unverkrampfte, das eine ganze Weile gefehlt hatte, Material ist auch da, neue Ideen ebenfalls, also weiter.
Auf Eurer Website sprecht Ihr davon, zunächst nur mit einer wechselnd ergänzten Kernbesetzung zu spielen. Wer ist Teil dieser Kernbesetzung, wer ergänzt sie? Inwiefern ist die Arbeitsweise anders als früher?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, ich würde aber mal sagen, dass der Kern neben mir an Gitarren, Bass, Mikro und Keys aus Matze an den Drums und Stefan an Gitarren und Vox besteht. Es gehört aber auch Heidig am Bass zum Kern, er hat allerdings auf „Verderbnis“ nicht mitgespielt, die Organisation und die Pläne waren bei Aufnahmebeginn noch komplett anders als jetzt. Heidig ist aber seit 2006 Basser bei DINNER AUF URANOS gewesen, das wäre also die Besetzung, die die (wirre) Idee von NOCTE OBDUCTA weiter verfolgt hat, während der Rest ausgestiegen ist.
Auch Flange an Keys und Mikro ist in soweit Kern, als dass er nicht nur am Album mitgeschrieben hat, er bringt sich auch in Orga etc. viel ein, ist allerdings nach seinem Ausstieg Ende 2006 erst in Verbindung mit „Verderbnis“ wieder bei der Band in Erscheinung getreten. Wenn man mit „Kern“ also eine Mischung aus klassischer Band, wie man sie auch für die Bühne benötigt, und einer Gruppe von Leuten, die sich um den Kram organisatorisch kümmern, bezeichnen will, dann wären das wohl die fünf.
Dazu kämen Alex und Torsten, die sich auf dem vorliegenden Album circa 60% der Vocals geteilt haben, und Thomas, der früher zwar eine der beiden Gitarren bedient hat, sich diesmal (und sicher nicht das letzte Mal) aber nur für Kreischparts verantwortlich zeigt. Nicht zu vergessen Kesa, ehemals Basser, der zwar bei uns kein Instrument im klassischen Sinne mehr spielt, aber an der Produktion beteiligt ist und hier auch kreativ ins Endprodukt eingreift. Desweiteren wäre er wohl der geeignete Mann für den Live-Mix.
Der Unterschied in der Arbeitsweise ist einfach der, dass es nicht zwingend nötig ist, alle Leute auf jeder Platte dabei zu haben. Es wäre auch albern, aus Prinzip diese oder jene Stimme zu bringen, wenn sie einem Lied nicht dient. Wir werden wohl auch öfter Dinge, die wir früher mit Keys gelöst haben, mit Gitarren umsetzen und auf der Bühne gegebenenfalls umarrangieren. Ja, und auch live ist man flexibler, aber ich sehe, das ist dann wohl die nächste Frage.
Du hast mir gegenüber erwähnt, dass Ihr im Sommer 2012 plant, einige wenige, „schöne“ Konzerte spielen zu wollen. Gibt es dafür konkrete Pläne oder Wünsche? Würdest Du heute Konzerte anders angehen als früher?
Nun, „schön“ sagt man so, wir würden nach all den Jahren gerne mal wieder auf die Bühne, und Konzerte, wie man sie gerne hätte… das ist wohl kaum organisierbar. Anders angehen würde ich Konzerte nicht unbedingt. Ein wirklicher Unterschied käme wohl nur durch die Besetzung. Ich denke, wir könnten mittlerweile ohne weiteres einen Keyboarder kompensieren, auch wäre es kein Weltuntergang, wenn Torsten wegen eines AGRYPNIE-Termins fehlen würde, die Vox werden sich ohnehin wie in den Anfangstagen auch auf der Bühne wieder stärker auf die Band verteilen. Wie das im einzelnen abläuft, kann ich Dir aber beim besten Willen nicht sagen. Ich z.B. habe zwar auf den Alben immer einiges an Vox beigesteuert und auf den ersten vieren auch viel geschrien, aber auf der Bühne hab ich das immer massiv reduziert und dann ganz gelassen, ich kann da keinen Löwenanteil übernehmen, sonst bin ich nach zehn Minuten tot. Aber wer weiß.
Wenn Du die Gelegenheit nutzen möchtest, stelle doch bitte kurz die einzelnen Titel des Albums und sein Konzept vor.
Ein inhaltliches Konzept gibt es nicht. Die Lieder stammen aus den Jahren 1998 bis 2010, aber vieles wurde überarbeitet. Der ursprünglich für „Taverne“ geschriebene Titeltrack und ein weiteres Lied sind am nächsten an ihrem eigenen Original dran. Wichtig für das Album als Gesamtwerk war, dass alles möglichst ungeschliffen und direkt aufgenommen und gemischt wird. Die Lieder sollten eine Ecke langsamer und in ihrer Spielweise und im Sound der einzelnen Instrumente rockiger sein als auf „Schwarzmetall“, aber dennoch insgesamt negativer und bedrückender. Stefan hat es in etwa so formuliert: „Schwarzmetall“ hatte halt noch so eine coole und lässige Schlagseite, „Verderbnis“ macht echt schlechte Laune. Das trifft es recht gut, das Album ist wirklich düster und unschön geworden, bleibt aber atmosphärisch. Und es steckt wirklich verdammt viel Herzblut und wenig Ablenkung drin. Wir wollten einfach befreit von Zwängen ein wirklich negatives und für unsere Verhältnisse rohes und kompaktes BM-Album machen, ohne uns selbst zu verleugnen.
Ich werde nur kurz auf die einzelnen Leider eingehen, die Special Edition des Albums wird sehr ausführliche LinerNotes zu jedem Lied bieten, das will ich hier nicht vorweg nehmen. Das würde erstens die besagte Edition abwerten und zweitens bin ich wirklich zu faul.
- „Tiefrote Rufe“: Der Opener bietet wohl einen guten Querschnitt des Albums und bricht mit dem Vorhaben, keinesfalls mit Keys in das Album einsteigen zu wollen. Ich habe das Lied mit Flange zusammen geschrieben und halte es für eines der besten von NOCTE. Heiße Sommernächte, Durst, Blut, Klischees und ganz viel Hall da hinten bei den Hügeln.
- „Schlachtenflieder“: Ein recht klassischer NOCTE-Song, in anderer Version mal für „Galgendämmerung“ geschrieben, in den ewigen Wirren dann aber wie so vieles von der Liste geflogen.
- „Schweißnebel“: Ein für dieses Album recht experimentelles Lied und das mit den meisten Spuren. Vielleicht eines der negativsten Lieder auf dem Album.
- „Niemals gelebt“: Quasi der Gegenpart zum Vorgänger. Das kürzeste und einfachste Lied. Eine mies gelaunte Punkband aus MOTÖRHEAD-Fans, die einen BM-Song der frühen Neunziger spielt.
- „El Chukks Taverne“: Trotz des offenkundigen Scherzes im Titel der ausgestreckte Mittelfinger des Albums.
- „Obsidian zu Pechstein“: Das längste Lied des Albums und unterlegener Kandidat für den Titeltrack. Wir kotzen uns hier in düsteren Szenarien ein wenig über die so genannte BM-Szene aus. Bei den Keys war ich so besoffen, dass es ein Wunder ist, dass ich die Tasten getroffen habe, zumal ich das Zeug in eben diesem Zustand grad erst geschrieben hatte. Und wir haben die Spuren auch exakt so belassen. Das ist glaub ich evil. Nunja. BURZUM-Keyboards mit ein bissl mehr Liebe zu Analog-Sounds sind natürlich auch net unbedingt eine große Herausforderung.
- „Wenn ihr die Sterne seht“: Das einzige Lied mit Blastbeat und trotzdem die Ballade des Albums, immerhin geht es um auch um Schnee und Landschaft und Schönheit und so. Der Song hat aber auch die meisten Keyboards, eine echte Powerballade also, die die SCORPIONS bei ihrer Reunion ganz sicher covern werden.
- „Verderbnis“: Das älteste Lied des Albums und ein für diese Scheibe vergleichsweise Riff-orientiertes. Ich hatte deshalb anfangs Bedenken, es fügt sich aber ganz hervorragend ins Gesamtbild. Das Thema ist sehr komplex, unglaublich gewagt und noch nie da gewesen: Es handelt von der Pest.
Ihr habt das erste Mal ein Album selbst produziert – warum das, und wo siehst Du Vor- und Nachteile gegenüber einer Studioproduktion? Werdet Ihr das in Zukunft weiterhin so handhaben?
Da gibt es viele Gründe. Zum Beispiel das Geld, wenn man selber der Ton-Ingenieur ist, dann muss man den schonmal nicht bezahlen. Man kann außerdem weitaus flexibler arbeiten, wenn man weniger an ein Studio gebunden ist. Equipment haben wir mittlerweile genügend, Erfahrung kommt mit den Jahren natürlich auch, sofern man sich dafür interessiert. Es gibt immer Sachen, die nicht umsetzbar sind, weil man neben dem bisweilen auftretenden Mangel an Fachwissen irgendwo auch an seine materiellen Grenzen stößt oder aber mal die Distanz verliert, aber letztlich war es ein sehr produktives Arbeiten und ein weiterer Lernprozess. Wir werden das in jedem Fall weiter verfolgen, es ist aber nicht gesagt, dass es der ausschließliche Weg sein wird.
Du bist, solange ich Dich kenne, immer ein überdurchschnittlich kreativer Mensch gewesen, der nie mit nur einer Band aktiv gewesen ist. Ich erinnere mich an fast ein Dutzend Projekte, von denen die meisten aber nie in Erscheinung getreten sind. Woran arbeitest Du aktuell, und woher nimmst Du die Zeit und die Kreativität für diese Bands und Projekte?
Nachdem sich EXEKUTIONSROMANZE im März 2006 in VARIETÉ No. 12 umbenannt und dann aufgelöst haben, gibt es gar nicht mehr so unheimlich viel. EXRO/VARIETÉ-Material gibt es zwar massig, aber es dient „nur“ noch als Pool für die übrigen Projekte. Ein Lied landete auf dem DINNER-Album, eines ist für eine zukünftige NOCTE fest eingeplant. Ein ehemaliges BM-Projekt wurde kürzlich ebenso von NOCTE gefressen wie DINNER. Neben NOCTE OBDUCTA gibt es jetzt für mich nur noch CÜÜHN, das ich aber aus Zeitgründen zurückstelle, obwohl es massig Rohversionen gibt. Zu beschreiben wäre es wohl als eine sanftere und experimentellere „Version“ von DINNER. Mit Flange sitze ich immer mal wieder an THÂLSPERRE, wir haben es tatsächlich geschafft, Versionen einiger Leider bis zu einem bestimmten Punkt zumindest in Rohversionen aufzunehmen und dann einfach aufzuhören… wir lassen halt gerne alles schleifen… vielleicht geht es aber irgendwann weiter, wenn uns jemand Geld und vor allem Zeit schickt.
Die jüngst erschienene KAMERA OBSKUR ist aber ein Baby von Cons (ex-LUNAR AURORA). Da habe ich zwar auch wirklich intensiv dran gearbeitet, aber er zieht da die Fäden.
Derzeit steht NOCTE musikalisch im Mittelpunkt, diese Sache mit den tausend Projekten klappt einfach nicht, wenn man das nur nebenher macht. Ich hoffe aber, das auch die beiden anderen Projekte eines Tages ein Lebenszeichen von sich geben, immerhin habe ich radikal gekürzt.
Vor gut einem Jahr habt Ihr mit DINNER AUF URANOS ein Album veröffentlicht und sogar erwähnt, dass ein weiteres bereits aufgenommen sei. DINNER AUF URANOS galten als Nachfolger von NOCTE OBDUCTA. Was geschieht jetzt mit der Band, wo der Vorgänger wieder zurück ist?
Nun, aufgenommen war das Album nicht, es gab lediglich aufgenommene Skizzen, Rohversionen und Vorproduktionen. Mit dem Namen DINNER AUF URANOS ist es ein wenig arg unglücklich gelaufen, und da wir immer betont haben, dass die Bands quasi identisch sind, ist die Situation nun auch ein wenig absurd geworden.
Als wir Juni 2006 verkündeten, dass wir NOCTE OBDUCTA auf Eis legen würden, da hatten wir uns gerade nach längerer interner Diskussion darauf geeinigt, irgendwann im Laufe des Jahres den Namen zu ändern. Wir hatten nämlich vor, nach einer Ruhepause, in der wir uns im Proberaum verkriechen wollten, auf der Bühne die ersten acht Alben größtenteils zu ignorieren, wir wollten einfach die Freiheit, den neuen Kram wirklich ausleben zu können. Unter altem Namen hätte man da den Leuten wohl arg vor den Kopf gestoßen, ich als Fan mag es selber nicht, wenn Bands von heute auf morgen eine Vollbremsung hinlegen. Dass es auch wieder härter werden würde, war eh immer klar gewesen, und da hätte man den alten Kram wunderbar wieder auspacken können.
Nun, wie jeder mitbekommen haben dürfte, waren wir aber nicht ein einziges Mal auf der Bühne und auch das erschienene Album spiegelt mitnichten den ganzen Soundkosmos von DINNER AUF URANOS wieder, ohnehin war es nur ein Album (bzw. zwei EPs) in fünf Jahren. Zwei Hauptgründe für die Umbenennung waren also leider passé. Da hätten wir auch einfach unter altem Namen für ein halbes Jahrzehnt komplett im Proberaum bleiben können, denn musikalisch lief es da durchaus nach unseren Vorstellungen weiter. Dann wäre man zurück gekommen mit weiterhin sehr unterschiedlichen Alben, wie es bei uns eh schon immer der Fall war. Natürlich war die Umbenennung auch eine Befreiung in der damaligen Situation. Aber wenn man dann aus welchen Gründen auch immer nichts wirklich Zählbares macht, dann kann man den neuen Namen eigentlich auch sein lassen, denn die fünf Jahre, für die er so wichtig war, haben nach außen quasi nicht stattgefunden.
Auch für NOCTE OBDUCTA hast Du bereits angekündigt, weitere Alben zu veröffentlichen – eines davon könnte schon zum Jahresende aufgenommen werden. Wie sind da die weiteren Pläne, was erwartet uns auf diesen Alben?
Abgesehen von (mal wieder) tausend vagen bis größenwahnsinnigen Ideen/Konzepten und einzelnen Songs, liegen zwei Alben hier herum, die ziemlich klar umrissen sind, und eines davon wollen wir eigentlich im Winter aufnehmen. Das Material ist deutlich sphärischer, für meine Begriffe auch wesentlich depressiver, aber auch experimenteller und wieder weiter weg vom klassischen Schwarzmetall, auch wenn der nicht außen vor bleibt oder „lediglich“ als Steigerung verwendet wird, wie es bei den „Sequenzen“ der Fall war. Möglicherweise wird es für einige Hörer ein Album sein, das nach „Stille“ und „Nektar“ logischer erscheint als „Sequenzen“ oder „Verderbnis“. Es wird auf jeden Fall extrem viel von dem einfließen, was wir in den letzten Jahren im Proberaum und Heimstudio hinsichtlich Soundalarm und Hallmassaker dazu gelernt haben. Sollte ich Vergleiche zur eigenen Diskographie ziehen müssen, würde ich sagen, es erinnert am ehesten an „Stille“ in dichterer und aufwändigerer Form und die zweite Hälfte von „Nektar 2“ mit einem Schuss „Lethe“ und dem, was DINNER AUF URANOS im stillen Kämmerlein fabriziert haben. Das ist aber eine rein subjektive Sache, und wankelmütig bin ich da auch sehr gerne. Anfühlen tut es sich übrigens irgendwie wie „Taverne 2011“.
Ob es danach sofort wieder hässlicher wird oder etwas anderes passiert, darüber wollen wir mal lieber keine Vermutungen anstellen. Das hat bei NOCTE OBDUCTA nie geklappt, und unter dem Namen DINNER AUF URANOS haben wir das quasi auf die Spitze getrieben. NOCTE waren immer ein wenig unvorhersehbar, und das soll auch so bleiben.
In den letzten Jahren haben sich einige bekanntere Black Metal-Bands, gerade aus dem deutschsprachigen Raum, nach und nach aus dem aktiven Musikmachen zurückgezogen. Neben Euch kommen nun zum Beispiel auch LUNAR AURORA, KOROVAKILL und vielleicht die GRABNEBELFÜRSTEN zurück. Was glaubst Du, woher der Wunsch kommt, aufzuhören und dann doch die Füße nicht stillhalten zu können?
Ich denke, man braucht von allem mal eine Pause. Außerdem ist es doch so, dass wir das alle nebenher und ohne Verdienst machen, letztlich kosten die genannten Bands doch allesamt Zeit und oftmals sogar Geld. Das heißt, man hat dazu noch komplett das „normale Leben“. Wenn man dann aber auch andere Musik macht, aus schlichten Zeit- und Organisationsgründen aber eben nur eine Sache wirklich verfolgt, dann wird dieser Wunsch, mal zu pausieren oder einen anderen musikalischen Schwerpunkt auszuloten, intensiver. Wenn ich jeden Tag nur Mucke machen könnte, dann hätten vielleicht all meine Projekte irgendwie aktiv was gemacht und ich wäre ausgelastet gewesen. Aber im wahren Leben ist es nunmal so, dass du Dein Instrument auch mal einige Wochen nicht anfasst und dazu auch echt keine Zeit und keinen Kopf hast, und im Falle von NOCTE OBDUCTA, wo ja auch die Erwartungen von innen und außen nicht eben gering waren, ist das dann einfach irgendwann nur noch Druck gewesen. Natürlich waren die widrigen Umstände damals nicht gerade eine Erleichterung.
Schon vor Jahren hast Du Dich mehr und mehr vom Metal entfernt und Erfahrungen in anderen Musikstilen gesammelt. NOCTE klingen jetzt allerdings doch wieder ziemlich metallisch. Was hat Metal an sich, dass man selbst als gestandener Mann jenseits der 30 immer wieder zu ihm zurück kommt?
Naja, vielleicht hast Du die Antwort grad selber gegeben. Bei der derzeitigen Kernbesetzung im Proberaum (also mit Heidig, aber ohne Flange) bin ich mit meinem 34 Jahren der jüngste, manch einer hat die 40 wirklich schon ekelhaft nah vor der Nase. Wir sind damit sicher noch nicht altes Eisen. Aber wir hören den Kram somit allesamt seit den 80ern, mit sowas hört man ja nicht einfach auf, das ist ja keine blöde Mode, das ist Musik, die einem verdammt viel bedeutet. Ich hab ja auch schon immer anderes Zeug gehört, das hört ebenfalls nicht auf.
Was letztlich die Umsetzung nach außen angeht, so habe ich das ja in der Antwort davor angedeutet. Man würde am liebsten (immer) alles machen (dürfen), aber das geht einfach nicht. Und nunja, man braucht vielleicht auch manchmal Pausen nach außen hin oder einen Ausgleich. Ich habe z.B. die letzten Jahre viel, viel mehr Metal gehört als in der Zeit, in der wir mit „Stille“ und „Nektar“ unterwegs waren, wo der private Konsum von Metal manchmal wochenlang bei null lag. Ich denke aber, wir haben mittlerweile die Ruhe und die Fähigkeit, einen sehr großen Teil dessen, was uns musikalisch umtreibt, auch wirklich unter dem Namen NOCTE OBDUCTA zu vereinen. Einige sehr unterschiedliche Alben, ein Freischwimmen mit Sequenzen, eine nach außen unglücklich umgesetzte Pause mit reiner Konzentration aufs Spielen und eine Rückkehr über die alte Schule sind da sicher keine schlechte Grundlage.
Weil wir bestimmt im November nochmal sprechen wollen, soll’s das mit der Fragerei für heute erstmal gewesen sein. Falls Du trotzdem noch Dinge anmerken oder Dich über das vergangene halbe Jahrzehnt auskotzen willst, ist das hier vorerst die letzte Chance. Vielen Dank für die Zeit.
Ja, hm, war halt fast alles Scheiße, ne? Dass das auch in die Zeit fällt, in der wir nicht NOCTE OBDUCTA hießen, das ist sicher ein Zeichen Gottes, ich bekomme schon lange Zeichen von Toten.