Nocte Obducta
Interview mit Marcel zur Rückkehr der Band
Interview
Wenn Du die Gelegenheit nutzen möchtest, stelle doch bitte kurz die einzelnen Titel des Albums und sein Konzept vor.
Ein inhaltliches Konzept gibt es nicht. Die Lieder stammen aus den Jahren 1998 bis 2010, aber vieles wurde überarbeitet. Der ursprünglich für „Taverne“ geschriebene Titeltrack und ein weiteres Lied sind am nächsten an ihrem eigenen Original dran. Wichtig für das Album als Gesamtwerk war, dass alles möglichst ungeschliffen und direkt aufgenommen und gemischt wird. Die Lieder sollten eine Ecke langsamer und in ihrer Spielweise und im Sound der einzelnen Instrumente rockiger sein als auf „Schwarzmetall“, aber dennoch insgesamt negativer und bedrückender. Stefan hat es in etwa so formuliert: „Schwarzmetall“ hatte halt noch so eine coole und lässige Schlagseite, „Verderbnis“ macht echt schlechte Laune. Das trifft es recht gut, das Album ist wirklich düster und unschön geworden, bleibt aber atmosphärisch. Und es steckt wirklich verdammt viel Herzblut und wenig Ablenkung drin. Wir wollten einfach befreit von Zwängen ein wirklich negatives und für unsere Verhältnisse rohes und kompaktes BM-Album machen, ohne uns selbst zu verleugnen.
Ich werde nur kurz auf die einzelnen Leider eingehen, die Special Edition des Albums wird sehr ausführliche LinerNotes zu jedem Lied bieten, das will ich hier nicht vorweg nehmen. Das würde erstens die besagte Edition abwerten und zweitens bin ich wirklich zu faul.
- „Tiefrote Rufe“: Der Opener bietet wohl einen guten Querschnitt des Albums und bricht mit dem Vorhaben, keinesfalls mit Keys in das Album einsteigen zu wollen. Ich habe das Lied mit Flange zusammen geschrieben und halte es für eines der besten von NOCTE. Heiße Sommernächte, Durst, Blut, Klischees und ganz viel Hall da hinten bei den Hügeln.
- „Schlachtenflieder“: Ein recht klassischer NOCTE-Song, in anderer Version mal für „Galgendämmerung“ geschrieben, in den ewigen Wirren dann aber wie so vieles von der Liste geflogen.
- „Schweißnebel“: Ein für dieses Album recht experimentelles Lied und das mit den meisten Spuren. Vielleicht eines der negativsten Lieder auf dem Album.
- „Niemals gelebt“: Quasi der Gegenpart zum Vorgänger. Das kürzeste und einfachste Lied. Eine mies gelaunte Punkband aus MOTÖRHEAD-Fans, die einen BM-Song der frühen Neunziger spielt.
- „El Chukks Taverne“: Trotz des offenkundigen Scherzes im Titel der ausgestreckte Mittelfinger des Albums.
- „Obsidian zu Pechstein“: Das längste Lied des Albums und unterlegener Kandidat für den Titeltrack. Wir kotzen uns hier in düsteren Szenarien ein wenig über die so genannte BM-Szene aus. Bei den Keys war ich so besoffen, dass es ein Wunder ist, dass ich die Tasten getroffen habe, zumal ich das Zeug in eben diesem Zustand grad erst geschrieben hatte. Und wir haben die Spuren auch exakt so belassen. Das ist glaub ich evil. Nunja. BURZUM-Keyboards mit ein bissl mehr Liebe zu Analog-Sounds sind natürlich auch net unbedingt eine große Herausforderung.
- „Wenn ihr die Sterne seht“: Das einzige Lied mit Blastbeat und trotzdem die Ballade des Albums, immerhin geht es um auch um Schnee und Landschaft und Schönheit und so. Der Song hat aber auch die meisten Keyboards, eine echte Powerballade also, die die SCORPIONS bei ihrer Reunion ganz sicher covern werden.
- „Verderbnis“: Das älteste Lied des Albums und ein für diese Scheibe vergleichsweise Riff-orientiertes. Ich hatte deshalb anfangs Bedenken, es fügt sich aber ganz hervorragend ins Gesamtbild. Das Thema ist sehr komplex, unglaublich gewagt und noch nie da gewesen: Es handelt von der Pest.
Ihr habt das erste Mal ein Album selbst produziert – warum das, und wo siehst Du Vor- und Nachteile gegenüber einer Studioproduktion? Werdet Ihr das in Zukunft weiterhin so handhaben?
Da gibt es viele Gründe. Zum Beispiel das Geld, wenn man selber der Ton-Ingenieur ist, dann muss man den schonmal nicht bezahlen. Man kann außerdem weitaus flexibler arbeiten, wenn man weniger an ein Studio gebunden ist. Equipment haben wir mittlerweile genügend, Erfahrung kommt mit den Jahren natürlich auch, sofern man sich dafür interessiert. Es gibt immer Sachen, die nicht umsetzbar sind, weil man neben dem bisweilen auftretenden Mangel an Fachwissen irgendwo auch an seine materiellen Grenzen stößt oder aber mal die Distanz verliert, aber letztlich war es ein sehr produktives Arbeiten und ein weiterer Lernprozess. Wir werden das in jedem Fall weiter verfolgen, es ist aber nicht gesagt, dass es der ausschließliche Weg sein wird.
Du bist, solange ich Dich kenne, immer ein überdurchschnittlich kreativer Mensch gewesen, der nie mit nur einer Band aktiv gewesen ist. Ich erinnere mich an fast ein Dutzend Projekte, von denen die meisten aber nie in Erscheinung getreten sind. Woran arbeitest Du aktuell, und woher nimmst Du die Zeit und die Kreativität für diese Bands und Projekte?
Nachdem sich EXEKUTIONSROMANZE im März 2006 in VARIETÉ No. 12 umbenannt und dann aufgelöst haben, gibt es gar nicht mehr so unheimlich viel. EXRO/VARIETÉ-Material gibt es zwar massig, aber es dient „nur“ noch als Pool für die übrigen Projekte. Ein Lied landete auf dem DINNER-Album, eines ist für eine zukünftige NOCTE fest eingeplant. Ein ehemaliges BM-Projekt wurde kürzlich ebenso von NOCTE gefressen wie DINNER. Neben NOCTE OBDUCTA gibt es jetzt für mich nur noch CÜÜHN, das ich aber aus Zeitgründen zurückstelle, obwohl es massig Rohversionen gibt. Zu beschreiben wäre es wohl als eine sanftere und experimentellere „Version“ von DINNER. Mit Flange sitze ich immer mal wieder an THÂLSPERRE, wir haben es tatsächlich geschafft, Versionen einiger Leider bis zu einem bestimmten Punkt zumindest in Rohversionen aufzunehmen und dann einfach aufzuhören… wir lassen halt gerne alles schleifen… vielleicht geht es aber irgendwann weiter, wenn uns jemand Geld und vor allem Zeit schickt.
Die jüngst erschienene KAMERA OBSKUR ist aber ein Baby von Cons (ex-LUNAR AURORA). Da habe ich zwar auch wirklich intensiv dran gearbeitet, aber er zieht da die Fäden.
Derzeit steht NOCTE musikalisch im Mittelpunkt, diese Sache mit den tausend Projekten klappt einfach nicht, wenn man das nur nebenher macht. Ich hoffe aber, das auch die beiden anderen Projekte eines Tages ein Lebenszeichen von sich geben, immerhin habe ich radikal gekürzt.
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