Nocte Obducta
Interview mit Marcel zur Rückkehr der Band
Interview
NOCTE OBDUCTA sind zurück und nach fünf Jahren Pause sichtlich heiß darauf, wieder anzugreifen und den Jungspunden des deutschen Black Metals zu zeigen, wie man die Ananas knackt. Wir haben, aus Freude und alter Verbundenheit, die Fühler ausgestreckt und bei Marcel nachgehorcht, was da auf uns zukommen wird.
Tja, Marcel… ungefähr fünf Jahre hast Du es ausgehalten, die deutsche Black Metal-Szene nicht mit NOCTE OBDUCTA zu behelligen. Warum war es unumgänglich, wieder zurückzukommen?
Wir wollten einfach wieder die Menschen erreichen. Modebewusste, schöne, junge Menschen – von den Augenbrauen abwärts vollrasiert und mit einem Faible für süße Mischgetränke mit Fusel drin. Eigentlich wollten wir das Album deshalb auch ausschließlich als Smartphone, Kondom und Like-Button rausbringen, aber da hat dann das Label leider nicht mitgespielt.
Die Meinungen zu Eurer Rückkehr sind geteilt. Da gibt’s die, die sich wie kleine Kinder freuen; dann die, denen das egal ist, die Euch aber Kalkül vorwerfen und glauben, Ihr würdet damit nur das große Geld machen wollen (was lustig ist!); und zuletzt die, die das offen zum Weglaufen finden und der Meinung sind, Ihr hättet sowieso, wenn überhaupt jemals, seit zehn Jahren nichts Brauchbares mehr gemacht. Was hast Du da zu entgegnen?
Nun, wer da Kalkül oder Kommerz sieht, der ist ja wegen seiner hoffnungslos romantischen Sicht auf das Musikgeschäft oder aufgrund seiner unverschämt guten Erfahrungen wirklich zu beneiden. Oder aber er lebt in Narnia, Mittelerde oder sonst einem ersponnenen Fantasy-Universum. Stelle ich mir aber auch lustig vor. Wir haben durch die Verkäufe von NOCTE-Album bis heute null Euro verdient, das ist in Ziffern eine „0“ oder „000“. Es gibt also keinen Grund, wegen Geld weiter zu machen. Die Sache mit dem Geld wäre nur ein Grund, alles zu beenden.
Wer eh nur die frühen Alben mag … nun, da kann ich nichts Schlechtes dran finden, ich höre mir bei verdammt vielen Bands auch am liebsten oder ausschließlich die frühen Scheiben an. Gibt aber auch immer mal Überraschungen. GRAVE z.B. hatte ich völlig aus den Augen verloren, fand den Kram mit den Jahren auch immer langweiliger, der frühe Schwedentod ist einfach besser. Aber die „Burial Ground“ von 2010 hat mich dann völlig umgehauen, auch wenn natürlich „Into the Grave“ nie mehr getoppt wird. Ähnlich ist es bei DARKTHRONEs „Dark Thrones and Black Flags“ gewesen. Vielleicht gefällt also auch „Verderbnis“ den Leuten von früher wieder besser, es ist auch einiges an älteren Kompositionen drauf.
Wer uns net mag, sollte uns einfach ignorieren. Ich finde auch fast alles beschissen, also ignoriere ich auch fast alles.
Was aber die Schweineficker angeht, die sich bei uns damals gerne zum Pöbeln ins Publikum gestellt haben, anstatt einfach an der Theke zu warten, bis was kommt, was ihnen wieder gefällt, oder aber die armen Säcke, die in Foren ihre Zeit darauf verschwenden, Beiträge zu einer Band zu schreiben, die sie eigentlich net ausstehen können… nun, haben die echt so gottverreckt viel Freizeit, Langeweile und Geltungsdrang? Wie kann man denn so seine Zeit verbringen? Vor allem immer so „fundiert“. Ist natürlich auch drollig, wenn man durch seine bloße öffentliche Existenz Leute mit Profilneurosen zu solch erbärmlichem Handeln treiben kann, aber begreifen muss ich sowas ja trotzdem nicht. Ein extrem armer Haufen Scheiße zu sein, das ist einfach nicht meine Welt, ich bin mehr so der sympathische Losertyp von nebenan.
Im November gibt es ein neues Album von Euch zu kaufen, das ursprünglich nur ein einmaliges, abschließendes und vielleicht ein bisschen nostalgisches Projekt sein sollte. Wie ist dieses Album entstanden und warum ist es letztlich doch mehr geworden, als es sein sollte?
Für mich persönlich war immer klar, dass ich auch weiter dunklen Metal spielen würde, er sollte aber nicht mehr im Mittelpunkt der Proben und der Auftritte stehen, zumindest für ein paar Jahre nicht, unter anderem daher ja auch die Pause und der Namenswechsel. Ich habe dann für mich letztlich an zwei Alben aus dieser Ecke parallel gearbeitet, das vorliegende hat dann irgendwann hinsichtlich der Tracklist eine recht konkrete Form angenommen. Matze sollte trommeln, Stefan hatte ursprünglich auch mit an dem Material arbeiten wollen und sollte dann auf jeden Fall in die Umsetzung eingebunden werden, unter anderem am Mikro. Als Verstärkung am Mikro hatten wir Alex im Visier, der ja nicht nur auf der „Lethe“ viel zu hören ist, sondern auch nach seinem Ausstieg noch bei „Taverne“ und vor allem „Galgendämmerung“ als Gast viele Vox beigesteuert hat.
Es war dann Flange, der sinngemäß meinte: „Ist aber irgendwie auch albern, wenn der Breuer ein BM-Album aufnimmt, auf dem wirklich alle beteiligten Musiker bei NOCTE eine wesentliche Rolle gespielt haben, und dann gibt man der Sache einfach einen anderen Namen, nur weil man Schiss hat, dass die Leute die Nase rümpfen wegen einer dubiosen Reunion“.
Ich war zwar nicht sofort überzeugt, aber irgendwann beschlossen wir, so viele Ex-Members wie organisatorisch möglich und dem Lauf der Dinge angemessen mit an Bord zu holen und dem ganzen den Charakter eines kleinen Familienfests zu geben.
Der Arbeitstitel war „Schwarzmetall II“, weil wir in fast allen Punkten wieder wesentlich roher und spontaner zu Werke gehen wollten. Das betrifft natürlich auch die Kompositionen als solche, vor allem aber die Arbeit am Album. Es war klar, dass es anders klingen würde als „Schwarzmetall“ und auch die Songs oft einen anderen Charakter hatten, der Kram ist ja im Schnitt deutlich langsamer und düsterer. Dennoch sind die Strukturen einfacher als die der Vorgängeralben, desweiteren haben wir so oft es vertretbar war First Takes genommen, was natürlich Unsauberkeiten etc. mit sich bringt, die allesamt auch auf dem Album geblieben sind. Ich für meinen Teil habe außerdem Gitarren, Bass und Keys ausnahmslos angetrunken bis sternhagelvoll eingespielt (eine Art symbolischer Akt), und was den Tag angeht, an dem wir die Vox gemacht haben, da müssen wir gar nicht drüber sprechen. Stefan, der keinen Alkohol anrührt, und an diesem Tag den Mammutteil der Aufnahmeleitung übernehmen durfte, musste einiges durchmachen, als wir noch vor zehn Uhr morgens anfingen, uns gezielt und rücksichtslos zuzulöten.
Aber ich schweife wie immer ab… es deutete sich schon während der Aufnahmen an, aber beim Mix merkten wir dann, wieviel Liebe wir dann doch ins Detail gesteckt hatten, allein mit sechs Vokalisten kann man natürlich ziemlich viel an Interpretation rausholen. Und so haben wir es dann zwar sehr ursprünglich und rotzig produziert und natürlich keine Korrekturen vorgenommen, aber letztlich ist „Verderbnis“ bei weitem nicht so roh und ruppig wie „Schwarzmetall“, das hätte wohl auch zu gewollt geklungen. Der Entstehungsprozess war ja auch ein anderer. Und Dinge schlechter drehen als sie sind, das ist in meinen Augen auch Beschiss.
Nun, und da trotz der diversen Pausen zwischen den einzelnen Arbeitsblöcken die ganze Sache so rund und befriedigend verlief, dachten wir, hey, da ist wieder das Unverkrampfte, das eine ganze Weile gefehlt hatte, Material ist auch da, neue Ideen ebenfalls, also weiter.
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