Nocte Obducta
Ach, Nocte und Pläne...
Interview
NOCTE OBDUCTA haben dieses Jahr wieder zugeschlagen. Der neue Streich nennt sich „Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)“ und fährt deutlich schwarzmetallischere Töne auf als noch der Vorgänger „Totholz (Ein Raunen aus dem Klammwald)“ und reiht sich damit eher in die Riege der härteren Werke aus dem Federkiel der Mainzer ein. Natürlich geht ein seltsames Jahr wie dieses auch nicht spurlos an NOCTE OBDUCTA vorbei, was zu einer Verschiebung der Veröffentlichung nach hinten in den November hinein führte. Wir schnappten uns Bandkopf Marcel Breuer für ein paar Fragen zum Album, das wie für viele Bands in einem beispiellosen Jahr erschienen ist.
Hallo Marcel, erstmal Gratulation zum Release eures neuen Albums „Irrlicht“. Wie geht es euch?
Ich kann da nur für mich sprechen. Es ging schon deutlich besser, aber es ging definitiv auch schon deutlich schlechter. Und das dürfte wohl bedeuten, dass nicht der richtige Zeitpunkt ist, jetzt undankbar zu sein.
Ihr musstet die Veröffentlichung bekanntermaßen verschieben. Wie hat sich das für euch angefühlt, auch angesichts eines Jahres wie diesem?
Nun ja, ärgerlich war das natürlich schon, insbesondere die sehr kleinteiligen Verschiebungen der letzten Wochen, aber das war halt nicht zu ändern und betrifft ja derzeit sehr, sehr viele Bands, insbesondere im Falle von Vinyl und Dingen, die wie im Falle unserer Holzbox auf Bestellung in kleinen Werkstätten hergestellt werden.
Wie haben sich die Arbeiten an „Irrlicht“ gestaltet? Hattet ihr das schon weitestgehend fertig als die Pandemie richtig ins Rollen kam, oder musstet ihr euch ebenfalls dieser ungewöhnlichen Situation anpassen?
Nein, die Arbeiten am Album waren davon zum Glück nicht berührt, wir haben den Mix im Januar abgeschlossen. Durch den Abbruch von Proben, die zu erwartenden Verzögerungen bei der Produktion der Tonträger und das generelle Fehlen von Gigs und privaten Treffen ist das Album aber gefühlt trotzdem ein wenig eingeschlafen und irgendwie in die Ferne gerückt bzw. zurück in einen Schatten getreten. So habe ich es diesmal versäumt, das Booklet Korrektur lesen zu lassen, so dass nun bei den Credits die Vox von Stefan fehlen.
Im Pressetext ist von euren immer wieder selbstreflektierenden Lyrics die Rede. Und im Opener ladet ihr eure Hörer buchstäblich ein zu eurer Vorstellung. Ist „Irrlicht“ entsprechend so etwas wie ein selbstreflexiver Begriff für euch? Oder steckt etwas anderes dahinter?
Selbstreflexion und Selbstreferenzen sind bei NOCTE OBDUCTA zwar immer ein gewisses Thema, aber abgesehen davon, dass diese Bezüge nicht bedeuten, dass sie Selbstzweck sind und „normale“ Themen verdrängen, ist dieser Aspekt gerade bei „Irrlicht“ verschwindend gering. Der Opener bildet da tatsächlich eine Ausnahme, da er sich ganz offensichtlich auf den Opener unseres Debüts bezieht. Dementsprechend spielt er leicht augenzwinkernd mit recht schwülstigen Bildern, wie sie in den mittleren 90ern (auch von uns) gerne benutzt wurden, aber alle anderen Lieder haben keinerlei gezielten inhaltlichen Bezug zu irgendeinem anderen unserer bisherigen Alben.
Der Rest des Albums beschäftigt sich ausschließlich mit dem Verlust von Glauben an Dinge wie Zukunft, Geborgenheit und andere Menschen. Die altbekannten Kameraden Enttäuschung, Verfall, Lähmung und Resignation sind die zentralen Themen, um die es geht. Und in diesem Kontext ist ein Irrlicht ein trügerisches Licht, eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt.
Das Artwork, das mich leicht an klassischen Impressionismus erinnert, passt dazu wunderbar. Könnt ihr euch vorstellen, künftig mit vergleichbaren Designs weiter zu arbeiten?
Vorstellen auf jeden Fall, mal sehen, was wir dann wirklich machen. Ich habe früher viel gezeichnet und gemalt, Ende der 90er aber mehr oder minder damit aufgehört. Die beiden Cover von „Irrlicht“ waren so ziemlich das erste, was ich nach sehr vielen Jahren wieder ernsthaft gemacht habe, nach den Zeichnungen im Booklet der „Schwarzmetall“, für die ich dann recht spät nochmal zum Stift gegriffen hatte, habe ich damit irgendwie aufgehört.
Ich habe auch vor, mich dieser Sache wieder mehr zu widmen. Wenn sich das befriedigend entwickelt und am Ende außerdem brauchbar und passend ist, würde sich das natürlich gut fügen. Musik, Texte und Artwork aus einer Hand ergeben auf jeden Fall ein schlüssiges Werk, aber erklärtes Ziel ist das sicherlich nicht.
Das Cover insbesondere des Digibooks ist übrigens die Wiederaufnahme eines Motivs, das ich 1994 in mehreren Version gemalt habe, als ich gerade das erste Mal mit Aquarell herumprobierte und wir mit Desîhra gerade sehr deutlich auf das zusteuerten, was heute NOCTE OBDUCTA ist.
Als ich mich dann im Herbst 2019 parallel zum Recording von „Irrlicht“ nach so langer Zeit endlich wieder ernsthaft mit dem Dartsellenden beschäftigte, fand ich einen Rückgriff auf das Motiv angemessen, schwülstiges Sujét hin oder her, die Umsetzung ist ja nun mal unbestreitbar angemessen rotzig. Hier hätten wir dann wohl den tatsächlichen Rückgriff, der findet also eher auf optischer denn auf lyrischer bzw. textlich-inhaltlicher Ebene statt.
Kam der Wunsch, wieder roher und schwarzmetallischer zu klingen, aus einer reinen Laune heraus oder war das von langer Hand geplant?
Ach, NOCTE OBDUCTA und Pläne … es gibt oder gab so viele verschiedene geplante Alben, das Wort „Plan“ sollte man bei uns besser nur im Zusammenhang mit eher kurzen Zeiträumen benutzen. Rohes und auch deutlich roheres Material war und ist immer vorhanden, und das eigentlich nach „Totholz“ angedachte Album wäre wohl deutlich aggressiver geworden, hätte ich mich nicht im Winter 2017/18 aufgrund der privaten Situation zu dem Thema Resignation und Glaubensverlust entschlossen. Der vergleichsweise schroffe und altmodische Sound war eine Wahl , die unabhängig von den Songs getroffen wurde.
Und ich denke, das werden wir auch so beibehalten. Er passt auch zu ruhigeren und verspielten Momenten. Und zu dem Weg, den wir gerade gehen und Stand heute mit der nächsten Platte weiter und tiefer in diese Richtung beschreiten werden, passt er allemal. Mit einer modernen und ganz derbe ballernden, sehr breiten Produktion könnte ich mich nicht identifizieren. Der Drumsound sollte beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder mehr Biss bekommen, aber ansonsten bin ich ganz bei der sehr analogen, eher mittigen, nicht breiten, dafür aber tiefen, schroffen und bei den erste Durchläufen unbequemen Klangwelt.
Es erschwert in jedem Fall den Zugang, keine Frage, aber wer einen bewegungsarmen Breitwandsound sucht, der einen kristallin und auf allen Frequenzen ballernd wegfönt, kann ja zeitgemäße Produktionen hören, das ist für mich kein Metal und auch kein Rock. Ist halt Geschmackssache.
In einem früheren Interview auf unserer Seite ist unter anderem auch der Begriff Nostalgie gefallen. Hat Nostalgie diese Entscheidung möglicherweise mitbeeinflusst?
Nein, das denke ich eigentlich nicht. Der Sound ist zwar das Ergebnis eines Prozesses einer Rückbesinnung, die bezieht sich aber nicht nur auf NOCTE OBDUCTA, auch nicht nur auf Metal, sondern auf Musikproduktionen allgemein. Insbesondere auch als Konsument und Fan. Nostalgie kommt dann natürlich auch ins Spiel, aber sie ist kein Beweggrund.
Mir ist beim Durchstöbern etwas aufgefallen: Die Untertitel eurer Alben sind manchmal in Klammern gesetzt, manchmal durch Gedankenstriche abgegrenzt. Gibt es dahinter ein System?
Dahinter stecken wohl am ehesten Nachlässigkeit und vielleicht auch typographische und Layout-technische Fragen … vor allem wohl Nachlässigkeit.
Ich habe „Nektar“ aufgegriffen, da es mein Einstiegsalbum in euer Werk gewesen ist. Das geht mir scheinbar nicht allein so. Wie tief fühlt ihr euch damit verbunden? Oder geht es euch auf die Nerven?
Betrachte ich die „Nektar“-Alben völlig alleine für sich bzw. mich, spielen sie möglicherweise eine größere Rolle als das ein oder andere Album, aber eben nicht diese herausragende. Auf die Nerven geht es mir dann aber tatsächlich, wenn ich die Außenwahrnehmung hinzunehme. Das immer und immer wieder zitierte „Pan“ ist ein wichtiges Lied für mich, aber eigentlich nur deshalb, weil es sich um eine sehr unkritische Retrospektive auf eine gute Zeit handelt und musikalisch zurückgeht auf die Zeit unter dem Namen Desîhra von 1993 bis 1995.
Davon abgesehen halte ich es definitiv für kein aus dem dunkelbunten Strauß herausragendes Stück. Diese Gewichtung durch die Außenwelt macht es dann eher zu einem stilistischen Klotz am Bein, der es ohne diesen Effekt gar nicht sein müsste. Ich habe es bis inklusive 2012 ja auch immer kategorisch ausgeschlossen, dieses Lied live zu spielen, obwohl die Frage wirklich bei fast jedem Gespräch mit Fans auf Konzerten aufkam. Nun, ab 2013 haben wir dann ja sehr oft die zweite Hälfte in ein Medley mit „November“ eingebaut.
Rückblickend würde ich mir für beide Teile eine deutlich organischere und vielleicht auch rotzigere Produktion wünschen, denn die emotionale Verbindung zu dem Zweiteiler ist bei allen Kritikpunkten enorm. Sehr viel des Materials geht zurück auf den Übergang der späten Desîhra zu den frühen Nocte, lange vor der Zeit von „Lethe“. Und nicht zuletzt markieren die Aufnahmen im Frühling 2004 die Schlussphase einer sehr, sehr guten Zeit innerhalb der Band, die ein Jahr zuvor begonnen hatte.
Ohne die zumindest kurzfristig absehbare Möglichkeit, live aufzutreten: Was steht für NOCTE OBDUCTA als nächstes an?
Aus dem großzügigen Fundus und vielen neuen Ideen ist die Songauswahl für das nächste Album mehr oder minder abgeschlossen. Es sind natürlich wieder mehr Songs als Spielzeit, denn ich hätte gerne eine für ein ordentliches Vinyl angemessene Spielzeit von zweimal 20 bis 22 Minuten, aber ich habe das Ganze die letzten Tage und Wochen recht klar eingegrenzt.
Hierfür habe ich auch Gitarren, Bass und Keys in einer rohen Version bereits aufgenommen, damit wir alle hören können, wohin die Reise gehen soll. Corona und eine recht langwierige Handverletzung haben das alles extrem verlangsamt, aber es wird schon. Das, was derzeit alle „Rückbesinnung“ nennen, erfährt hier nach derzeitigem Stand auf jeden Fall noch eine ordentliche Steigerung. Oder ist es das Gegenteil von Steigerung, wenn die Schritte zurück in der musikalischen Zeit einen gefühlt so großen Raum einnehmen?
Dann möchte ich mich dafür bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, und überlasse dir die letzten Worte.
Hail Satan.
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Stile | Atmospheric Black Metal, Black Metal, Dark Metal |
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