Nocte Obducta
Nocte Obducta
Interview
Die neben LUNAR AURORA und SECRETS OF THE MOON größte und vor allem ergiebigste Konstante im deutschen Black Metal sind NOCTE OBDUCTA: 11 Jahre Bandexistenz, unzählige Line-Ups und fast ein Dutzend Veröffentlichungen, von denen die bisher ambitioniertesten die beiden „Nektar“-Alben sind. Obschon chronische Arbeitsüberlastung der true Alarm des Todes ist, wie El Cheffe Marcel Va. Traumschänder gern zu sagen pflegt, war doch noch die eine oder andere Frage offen, die ich nicht ungestellt lassen konnte. Mit blutunterlaufenen Augen, aber voller Geduld antwortete jener – zwar erst nach zwei Monden, aber die Arroganz darf man sich als Black-Metal-Musiker sicherlich rausnehmen. Nektar statt Einheitsbrei.
Meine Lieblingsfrage. Habe ich erst eine Million mal beantwortet, was ein Glück werden wir nie Rockstars, und so bleibt es bei der einen Million.
Nein es handelt sich ganz klar um zwei Alben, auch wenn die Veröffentlichung als Box natürlich schöner gewesen wäre.
Der Zusammenhang ist mehr oder minder konstruiert, was nicht heißen soll, dass man so lange gedreht hat, bis es passte, sondern dass es sich nicht um eine fortlaufende Geschichte handelt. Was hier im Sinne eines Konzeptes im weitesten Sinne zum Tragen kommt, ist die Perspektive: Teil 1 besteht aus Material, das meistenteils seinen Ursprung in den Jahren 1994 bis 1996 hat und für mich immer schon die Quintessenz der „alten“ NOCTE OBDUCTA war, wie man sie mit den Alben „Lethe“ und „Taverne“ kennengelernt hat. Zusammengehalten werden die Songs durch den Rahmen der vier Jahreszeiten, und gemeinsam haben diese Lieder Jahre darauf gewartet, endlich mal überarbeitet und aufgenommen zu werden. Der zweite Teil wurde in erster Linie deshalb gleichzeitig mit aufgenommen, weil wir schlichtweg Tonnen von Material hatten, das unbedingt veröffentlicht werden wollte, der Gedanke eines Zweiteilers ist also wesentlich jünger als das Material von „Nektar 1“. „Nektar 2“ beschäftigt sich in seiner ersten Hälfte rückblickend mit der Zeit, in der der erste Teil entstand, und zwar auf eine in erster Linie wehmütige und fast schon als naiv und einseitig zu bezeichnende Art und Weise, während die zweite Hälfte der Arschtritt für den Blick in die Zukunft darstellt, da man die Ideale der Vergangenheit (zumindest meine Ideale) dadurch tötet, dass man sich an eben diese Vergangenheit klammert. Man bremst sich selber aus, man kerkert sich ein, man erwürgt seine eigene Initiative, seine eigene Innovationsfähigkeit, seine eigene Freiheit.
Die Veröffentlichung des Albums hat sich erheblich verzögert. Kannst Du die Gründe dafür nennen? Glaubst Du, es hat dem Album eher geschadet oder eher genützt?
Über die Gründe will ich an dieser Stelle einfach mal nichts sagen, und ob es geschadet oder genutzt hat, das vermag ich nicht zu beurteilen.
„Nektar I: Zwölf Monde, eine Hand voll Träume“ hatte die bisher wahrscheinlich größte Bandbreite an musikalischen Einflüssen in der Geschichte von NOCTE OBDUCTA aufzuweisen, von Death Metal bis kurz vor Jazz. Hat man sich in den Medien oder seitens der Fans daran gestoßen?
Eigentlich nicht, denn auch wenn es logischer Weise unter den Fans auch solche gibt, die die alten Alben wesentlicher lieber mögen, so habe ich zumindest nicht mitbekommen, dass sich jemand über die musikalische Bandbreite beschwert hätte. Natürlich gibt es einen ganzen Haufen Leute, die NOCTE beschissen finden, viele davon sicherlich aus Prinzip, aber dass man uns konkret eine große stilistische Varianz zu Lasten legt, das habe ich bislang noch nicht gehört. Wobei natürlich unsere selbsternannten „Feinde“ aus dem Lager der wahren Krieger indirekt diesen Facettenreichtum ablehnen, weil Abwechslung und Innovation im BM eine Todsünde darstellen.
Der zweite Teil atmet wieder mehr den Flair von „Taverne“, „Galgendämmerung“ und vor allem „Lethe“, tendenziell kompaktere Songs, zumindest im ersten Teil weniger Experimente, und vor allem größeren Anteil am Black Metal der vergangenen Jahre. Trotzdem sind die Kritiken, soweit ich das überblicken kann, verhaltener.
Sie gehen auseinander. Mir persönlich sind zum zweiten Teil wesentlich überschwenglichere Kritiken bekannt, es kommt wohl immer darauf an, was man liest. Auch sehe ich den von Dir angestellten Vergleich mit den älteren Alben exakt gegenteilig, Teil 1 ist für mich ganz klar der Bezug zur alten Schule, aber es gibt Leute, die nennen „Nektar 1“ eine härtere Fortsetzung der „Stille“. Andere wiederum nennen es die Quintessenz der ersten fünf Alben, und wiederum andere sehen darin ein klassischen Frühneunziger BM-Album in „modernerem“ Gewand.
Auch wenn man von NOCTE OBDUCTA kein wirklich lange konstantes Line-Up gewöhnt ist, haben die vergangenen Monate der Instabilität in der Band die Krone aufgesetzt. Was war passiert, was waren die Konsequenzen? Und was wirst Du tun, wenn eines Tages alle Musiker im Umkreis von 200 km um Mainz schon bei NOCTE gespielt haben – umziehen?
Die Gründe waren meist schlichtweg mangelnder Einsatz oder zu wenig Zeit für die Band, was weitere Details angeht, wollen wir da keine schmutzige Wäsche waschen, mit einem Gutteil der Ex-Members sind wir nämlich weiterhin sehr gut befreundet. Und was ich mache, wenn die Region abgegrast ist, weiß ich nicht, hoffen wir einfach mal wieder, dass es hält.
Trotz dieser Probleme habt Ihr im ersten Halbjahr 2005 so viele Konzerte gespielt wie lange nicht mehr. Wie macht sich das neue Line-Up, siehst Du eventuell sogar Verbesserungen in Eurer Live-Darbietung? Wie stellst Du Dir diese idealerweise vor?
Haben wir das? Naja, wenn Du meinst… Spielerisch sind wir derzeit tatsächlich den vorangegangenen Line-Ups weit überlegen, jetzt müssen wir nur mal sehen, wie lange es hält, aber ich bin sehr zuversichtlich… andererseits war ich schon des öfteren mal zuversichtlich. Und wie ich mir eine Live-Darbietung idealerweise vorstelle? Ich muss mit meiner eigenen Leistung zumindest grob zufrieden sein. Das gelingt mir in ungefähr 10% aller Fälle. Ich muss mit dem Zusammenspiel und der Stimmung auf der Bühne zufrieden sein. Das gelingt wesentlich öfter, zumindest das letzte halbe Jahr, allerdings macht es einem der viel zu oft katastrophale Bühnensound praktisch unmöglich, diesen Zustand mit dieser Musik ohne großartige Gehirnverrenkungen und Bauchschmerzen zu erreichen, eine löbliche Ausnahme war hier in letzter Zeit der Gig in Volkach und auch das Summerbreeze (auch wenn ich da mit meiner eigenen Leistung unzufrieden war), da hat man doch tatsächlich mal die Güte besessen, zum Beispiel die Drums auch auf der Bühne ordentlich hörbar zu machen, und die Vox haben einen auch nicht weggeblasen.
Nun, das waren so die ganz banalen Grundvoraussetzungen… was dann noch fehlt, ist ein Publikum, das nicht schläft und schön bzw. angebracht wäre endlich mal ordentliches, auf die Lieder zugeschnittenes Licht. Es muss kein großer Aufwand sein, obwohl erst das natürlich „ideal“ wäre, aber ein Licht, das zu NOCTE passt, sowie ein eigener Mischer, der sowohl die Songs als auch die Technik kennt, wären schon sehr angenehm. Aber das kostet Geld, und die Veranstalter sind ja schon angepisst, wenn sie Spritkosten, etwaige Busmiete und paar Cent oder gar Euro für die Bandkasse zahlen müssen, von daher stellt sich die Frage, ob wir irgendwann mal unter den gewünschten Voraussetzungen werden spielen können… naja, wir werden sehen, vielleicht klappt es irgendwann mal, jedenfalls sind die Tage, in denen man NOCTE OBDUCTA für eine Scheibe Brot mieten konnte, ein für allemal gezählt.
Würdest Du Dich eher als Studio- oder als Livemusiker bezeichnen? Was liegt Dir näher und warum, was geben Dir diese beiden Seiten einer Band?
Das ist schwer zu beantworten. Ich sage mal, Musik, die im weitesten Sinne vom Rock’n Roll oder Blues kommt, sollte man live spielen, aber ich bin weit davon entfernt, die Bühne dem Studio vorzuziehen. Das liegt aber auch an den oben aufgeführten Gründen. Das Studio hat sicher auch seine Fallen, zumal hier das Material sozusagen sehr starr festgehalten wird, der Song wird immer so klingen, wie Du ihn an dem Tag eingespielt hast, andererseits ist es auch ein wirkliches, greifbares Fixieren von Träumen. Ich will mich da nicht festlegen.
Was muss geschehen, damit Du NOCTE zu Grabe trägst oder aufhörst, Musik zu machen? Ist es Dir wichtiger, unter diesem Namen Musik zu veröffentlichen, oder generell Musik zu veröffentlichen? Es gab ja in den vergangenen Jahren einige Pläne zu weiteren Bands und Projekten…
Es geht nicht um den Namen, es geht um die Musik. Was passieren muss, damit ich NOCTE beende, weiß ich nicht, aber es muss sehr, sehr, sehr viel sein. Sonst würde es uns schon seit Ewigkeiten nicht mehr geben.
Deine Texte werden immer persönlicher, je unpersönlicher die Welt um uns herum wird – zumindest meinem Empfinden nach. Lässt es sich für Dich ertragen, dass Menschen über Deine Musik und Deine Texte urteilen, die Dich nicht kennen und Dich nicht verstehen? Oder auch nur, dass jemand Deine Texte singt, der anders fühlt als Du?
Es ist dann unangenehm, wenn man merkt, dass die Leute über die Texte urteilen, ohne sie zu verstehen oder ohne sich mit ihnen befasst zu haben. Ansonsten ist es natürlich zu ertragen, sonst würde ich den Kram nicht veröffentlichen. Was die Frage nach dem Vokalisten angeht: Da kann ich fast nicht drauf antworten. In der Tat ist es seltsam, weil man es selber sicher anders machen würde, vor allem subjektiv besser, denn man selber fühlt die Texte ja exakt so, wie sie gemeint sind, ein anderer muss das von außen nachempfinden oder aber einfach „nur“ auf die Musik umsetzen… keine Ahnung, mittlerweile versuche ich auch mehr und mehr zu sagen, wie ich den Gesang gerne hätte.
Wie hoch schätzt Du Verlusterfahrungen und Sentimentalität auf der einen, Innovationswille und die Notwendigkeit, weitermachen zu müssen, für Deine Kreativität ein?
Sehr hoch, aber es darf ein gewisses Level nicht überschreiten. Oder sagen wir: Nicht dauerhaft überschreiten. Das kann sonst ganz schnell zu Lethargie führen. Und ich schätze es außerdem, wenn es mir gut geht. Eine Grundunzufriedenheit ist sowieso da, einen Hang zur Träumerei und zu Rückblicken habe ich auch ganz massiv, von daher ist der Grundstein also schon gelegt. Alles weitere ist natürlich Wasser auf den Rädern unserer Art von Musik, aber ich bin doch froh, wenn die Dinge so laufen, dass es mir gut geht. Was zum Beispiel in der Zeit zwischen den „Galgendämmerung“-Aufnahmen und den Aufnahmen zur „Stille“ angeht, so ist das Resultat in Form des Albums „Stille“ ja ganz klar zu verstehen, aber ich muss diese Zeit nicht noch einmal wiederholen.
„Kunst ist der Versuch des kreativen Menschen, dem Tod zu entgehen.“ Was sagst Du dazu?
Hört sich gut an, lässt sich auch gut begründen, wie so viele schlaue Sätze, aber ich halte es im Normalfall für ausgemachten Blödsinn.
Was ist für Dich „alter Glanz“, und was gefällt Dir am besten: gestern, heute oder morgen? Immer oder niemals?
Der alte Glanz… da beziehst Du Dich auf „Desîhras Tagebuch“. Dazu ist zu sagen, dass dieser Dreiteiler einen naiven, verklärten Einschlag hat, der sehr bewusst gewählt wurde. Will heißen, man spricht rückblickend vieles heilig. Auch dann noch, wenn man dahinter gekommen ist, dass sich eine Zeit oft erst im Rückblick als derart intensiv entpuppt, es kann also sein, dass auch das Heute in ein paar Jahren als große Zeit betrachtet wird, mir ist das nun schon des öfteren so gegangen, wenngleich niemals über einen so großen Zeitraum wie die im Desîhra-Dreiteiler beschriebenen Zeit.
Und sicherlich gefällt mir das Gestern ein Stückchen besser als das Heute (über das Morgen wollen wir nicht reden, das war und ist nämlich noch nicht), aber es ist nicht mehr dieses ständig sentimentale, rückwärts gewandte Gefühl, das es einmal war, denn eine derartige Einstellung vermag einem die Gegenwart komplett zu verbauen, weil man ständig alles an Tagen misst, die schon längst vergangen sind und meist auch unter komplett anderen Bedingungen stattfanden. Und damals war es sicherlich vor allem deshalb besser, weil man eben nicht ständig verglichen hat. Der alte Glanz ist hier also einerseits eine ganz konkrete Zeit mit ihren Inhalten, es ist aber auch die Sehnsucht danach, eine gewisse Unbefangenheit wiederzugewinnen. Und die bekommt man ironischer Weise nur dann, wenn man das, was man noch einmal haben will, loslassen kann. Ich konnte das viele Jahre nicht, aber ich kann es jetzt, und man erlebt schönere Zeiten. Zeiten, die das Potenzial haben, später auch mal „persönliche Legenden“ zu werden.
„Nektar Teil 2“ ist das, wenn ich richtig gezählt habe, siebte Album in 8 oder 9 Jahren Bandexistenz. Woher nimmst Du Deine Inspiration dafür, solche Menge an Musik zu schreiben, die nicht nur Musik sondern immer Kunst ist? Fürchtest Du, diese Quellen könnten eines Tages versiegen?
Ich habe schon immer viel geschrieben, und als ich noch kein Instrument spielen konnte, habe ich mir die „Arrangements“ einfach gedacht, das war irgendwie in der fünften Klasse, als ich anfing, „Songs“ zu schreiben, die allerdings rückblickend recht erbärmlich sind, wie man sich wird vorstellen können. Ich habe auch schon immer leidenschaftlich gerne Gedichte und Geschichten geschrieben, schon in der Grundschule, und das schreiben von Musik, Lyrik und Prosa ist etwas, das mir immer Spaß machen wird, etwas, das mir immer helfen wird, Dinge auszudrücken oder zu verarbeiten, ich denke also nicht, dass die Quelle in absehbarer Zeit versiegen wird.
Wie Du mir unlängst schriebst, arbeitest Du bereits an zwei weiteren Alben. Was hat es mit denen auf sich, welche Neuerungen erwarten uns und was wirst Du anders machen als bisher?
An mehr als zweien eigentlich. Das nächste Album wird denke ich noch abwechslungsreicher und vielschichtiger werden als die beiden Nektar-Scheiben; ein weiter fortschreitendes Loslösen von Black Metal Schemata wird uns vielleicht ein paar Fans kosten, aber im Endeffekt war es schon zu „Lethe“-Zeiten absehbar, dass man es hier nicht mit einer klassischen BM-Band zu tun hat, denke ich. Das soll allerdings nicht heißen, dass wir uns von unserem eigenen Stil entfernen, keine Sorge, aber es passiert einfach ein wenig mehr auf dem nächsten Album.
Danach folgt hoffentlich das Konzeptalbum mit dem Arbeitstitel „Operation: Traumreise“, ein Album, das sich in erster Linie auf die erste Hälfte von „Nektar 2“ bezieht, allerdings wird das Thema hier wesentlich intensiver und vor allem kritischer beleuchtet. Stilistisch wird auch hier einiges an Stoff zu erwarten sein, auch wenn ich nicht denke, dass das Ganze an Härte verlieren wird. Für mich ist dieses Konzeptalbum das anspruchsvollste Material bislang, aber wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.
Und dann ist da noch dieses Konzeptalbum, das ich irgendwann 1996 begonnen habe, und das seit Jahren durch diverse Interviews geistert. 2000 hatte ich es endlich textlich fertig, musikalisch stand ein festes Gerüst, schon mit enorm vielen Details an einigen Stellen. Wir haben uns nie an die Umsetzung des Materials gemacht, obwohl wir oft Ideen in Angriff genommen und dann aus verschiedenen Gründen wieder haben fallen lassen, aber es ist ein Herzenswunsch, dieses Ding irgendeines schönen Tages mal ins Studio zu tragen. Thematisch geht es vordergründig um Krieg, eingepackt in eine Story, die ganz klassisch in einer Welt stattfindet, in der Leute auf Pferden reiten und sich mit Metallgegenständen die Schädel einhauen. Hintergründig geht es aber um den Menschen an sich, um die Tatsache, dass es sich bei uns um eine Spezies handelt, die selber ständig den Tod ruft, obwohl wir gleichzeitig Angst vor dem Tod zu haben scheinen, bzw. der Tod immer negativ belegt ist. Es geht um die Frage, wann man zum Täter und wann zum Opfer wird und vor allem soll es eine Fantasystory gegen Fantasystories sein. Dass es nämlich immer schön ist, von Abenteuern in wilden Zeiten zu lesen. Dass es Laune macht oder den verwirrten Geist beglückt, sich mit Kriegerverkleidung auf Feste oder gar ins Kino zu begeben. Dass es aber ganz bitter ist, wenn man plötzlich selber drinsteckt und sich fragen muss, was ist das für ein Leben, wenn Du Dir Deine ganze Zukunft dadurch erkauft hast, dass Du die Zukunft vieler anderer ganz unmittelbar und von Angesicht zu Angesicht binnen Sekunden ausgelöscht hast auf irgendwelchen ruhmgetränkten Schlachtfeldern, auf denen Namen eigentlich niemanden interessieren.
Das war aber an Material noch nicht alles, denn neben den drei beschriebenen Scheiben liegt hier noch Rohmaterial und auch ein wenig sehr konkretes Zeug für noch viel mehr in meinen Schubladen und meinem Gehirn rum. Und mehr kommt, da mehr Ideen kommen und wir außerdem im Proberaum wesentlich stärker zusammenarbeiten, so dass Passagen, die ich auf die Probe trage, sich verselbstständigen.
Ich schätze Dich als einen Menschen ein, der zwar düstere Musik macht, an dem Großteil der Neuerscheinungen in diesem Genre aber keinen Gefallen mehr findet. Gibt es aktuelle Alben oder Bands, die Du selbst sehr schätzt? Ist es für Dich denkbar, auch einmal ein Album fernab des Metalgenres aufzunehmen?
Zum ersten Teil: Wenn ich Musik höre, die man klassischer Weise dem harten und düsteren Genre zuschreibt, dann ist das praktisch ausschließlich altes Zeug, ich kann mit dem Black Metal von heute, nichts mehr anfangen, er hat alles an Mystik für mich verloren. Man mag dagegen halten, dass dadurch auch die alten Sachen ihren Schleier verloren haben, ihre Tiefe, denn der Black Metal, wie er sich einem heute zeigt, hat all das demaskiert und einen gezwungen, es kritischer zu beleuchten. Ich sehe das aber anders, denn einen kritischeren Ansatz bekommt man so oder so (sofern man Hirn besitzt), und so sind die alten Tage für mich vor allem ein Sinnbild dafür, dass Musik es geschafft hat, sich so anzuhören, wie ich mich gefühlt habe. Alte DARKTHRONE und alte EMPEROR können mich fesseln, aber die ganzen Schwarzweißbärchen in ihrem rohen Gebaren, die gibt es ja mittlerweile häufiger als vor sieben Jahren die Disney-Vampirkiddies mit ihren Cradle-Shirts. Aber wir wollen jetzt nicht wieder anfangen, all das zu hinterfragen, ich habe genug zu tun heute.
Aktuelle Alben, die ich schätze? Alben eines bestimmten Genres oder Alben allgemein? Allgemein waren das die letzten Monate oder Jahre Dinge wie Rabih Abou-Khalil, Aeon Spoke, OSI, Dredg, oder die neue Element Of Crime (wobei ich da sagen muss, dass es sich hier um eines ihrer meiner Meinung nach schwächsten deutschen Alben handelt), aber auch (oh Schande) die im Frühsommer erschienene System Of A Down, auch wenn das sicher verboten ist in düsteren Kreisen.
In eben diesen düsteren Kreisen wäre als letztes / aktuellstes BM-Album, das sich ungebrochener Beliebtheit erfreut, INQUISITIONS „Into the infernal regions of the ancient cult“ von 1999 zu nennen, aber das ist nun auch nicht mehr soooooo jung. Und die letzten OPEHT habe ich mir auch zugelegt, ein wenig Studentenmusik muss ja auch sein… aber wenn ich heute Metal höre, dann ist es doch meist ENTOMBED’s „Left hand path“, und sowieso bin ich dieser Tage meistens irgendwo in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern, sowie bei Stevie Ray Vaughan unterwegs.
Wenn Du Dir anschaust, wie viele oberflächliche, unehrliche Bands derzeit erfolgreich sind und Unterstützung erhalten, wie fühlst Du Dich als Kopf einer Band, die ein größeres Büdget, eine Tour oder einfach breitere Aufmerksamkeit durchaus verdient, aber nie bekommen hat?
Ist schon irgendwie traurig, aber so ist das Leben. Es gibt mir zumindest eine kleine Genugtuung, dass ich den Scheiß nun schon seit Ewigkeiten mache, davon seit elf Jahren unter dem Namen NOCTE OBDUCTA, und in der Zeit haben mir schon mehrere Leute gesagt, bei dem Ärger, den sie bei uns intern und extern immer wieder beobachtet haben, hätten sie die Sache schon tausendmal hingeschmissen. Und wir sind ganz offensichtlich schon seit Jahren in Sachen Anspruch und Individualität vorne mit dabei, ohne dass großartig in uns investiert wird. Und all unsere Feinde hassen uns aus Prinzip, ohne dass wir sie auch nur kennen. Das ist natürlich einerseits ein klasse Feature dieser Szene, dass man seine Energie auf Sachen verschwendet, die man nicht mag oder die man glaubt nicht zu mögen (nicht mögen zu dürfen), aber andererseits zeigt das auch, dass wir berühren. Selbst die, die sich eigentlich gar nicht für uns interessieren sollten, kommen VON SELBER an und nerven mit Geblöke, irgendwie berühren wir wohl was in den Leuten.
Bitte schließe dieses Gespräch mit einem kurzen Zitat, das Dein Empfinden der Welt um Dich herum in diesem Moment am besten ausdrückt. Herzlichen Dank für Deine Zeit.
Muss das sein? Wie wäre es mit Commander Keens „Aliens ate my Babysitter“? Das ist nämlich völlig blödsinnig, genau wie die Welt. Oder aber „Schönes Wetter heute!“, das haben sicher schon verdammt viele Leute gesagt, und es ist tatsächlich ein goldener Herbst, was mich immer zu begeistern weiß und viele Erinnerungen bringt.