NILE
Nile

Interview

Der Ende Oktober erscheinende neue Kracher "Those Whom The Gods Detest" war ein guter Grund, im Hause NILE einmal wieder nach dem Stand der Dinge zu hören und mit einem unglaublich gut gelaunten und redseligen Karl Sanders zu plaudern.

NILEHallo Karl, wie geht es Dir? Wie ist das Leben in South Carolina?

Danke, mir geht es sehr gut. Ich genieße wirklich schönes Herbstwetter hier in South Carolina: Blauer Himmel, Sonnenschein, angenehme Wärme und nur leichter Wind. Umso schöner, weil ich bald in Polen auf Tour sein werde und mir mein(e) „Arschlocken“ (OT) abfrieren werde (lacht).

Zu aller erst: Glückwünsche für „Those Whom The Gods Detest“. Ich denke, dass es ein sehr gutes Death Metal-Album in einer Zeit ist, wo nicht mehr viele wirklich überzeugende Alben in diesem Genre herauskommen.

Vielen, vielen Dank. Wir haben auch unglaublich hart an diesem Album gearbeitet.

Das Album ist bereits NILEs sechste Full-Length – gab es eine spezielle Absicht oder ein Ziel, das ihr hattet, als ihr das Album geschrieben und aufgenommen habt? Hat es Dinge gegeben, die ihr geändert habt, zum Beispiel vom technischen Herangehen her?

Unser Ziel war es, die zu zerschmettern, die nicht an uns geglaubt haben! Ich denke, dass wir unsere Identität überhaupt nicht geändert haben, klingt dieses Album doch immer noch sehr nach NILE. Aber es gab einige neue Riffing-Versuche und wir hatten vielleicht beim Schreiben einen zuhörerfreundlicheren Gemütszustand, als bei anderen Alben.

Beim Stichwort „zuhörerfreundlicher“ wären wir auch schon bei zwei kleinen Kritikpunkten am neuen Album, die ich trotz des Lobes habe und zu denen ich gerne deine Meinung hören würde: Im Vergleich zu älteren Alben scheint es mir, dass der Gesang etwas von seiner früheren Brutalität verloren hat, ist er doch nicht mehr ganz so tief. Dabei vermisse ich insbesondere oftmals den Grunz-Doppelgesang – lässt Du es also inzwischen ein wenig ruhiger angehen?

Es stimmt schon, dass ich heutzutage etwas weniger singe und Dallas mehr Vocals übernehmen lasse. Das liegt aber daran, dass sein Gegrowle recht gut verständlich ist und man somit auch die Texte besser wahr- und aufnehmen kann. Es gibt einige Passagen auf dem neuen Album, wo ich auch noch singe, aber ich versuche sehr sorgfältig, die passendsten Stellen für mein unterirdisch-bestialisches, verfaultes Mumiengrunzen zu finden (lacht).

Mein zweiter Kritikpunkt ist, dass es nur ein kurzes nichtmetallisches Lied („Yezd Desert Ghul Ritual In The Abandoned Towers Of Silence“) mit den für euch so typischen mittelöstlich/ägyptisch anmutenden Klängen auf dem Album gibt. Das erscheint im Vergleich zum rein instrumentalen Material auf älteren Veröffentlichungen wie „Amongst The Catacombs Of Nephren-Ka“ sehr wenig. War diese Reduzierung eine bewusste Entscheidung?

Ja, ich denke schon. So sehr ich nichtmetallische Instrumentalstücke liebe, so haben wir darauf immer viele eher ablehnende Reaktionen von Teilen der Presse und der Hörer bekommen. Ich weiß, dass es unmöglich ist, jeden in dieser Hinsicht zufriedenzustellen, denn es ist immer eine Frage des Gleichgewichts: Wie viel Nichtmetallisches können wir auf ein Death Metal-Album packen und es dabei noch als Death Metal-Album bezeichnen?
Es könnte ein lustiges Experiment sein, zu sehen, ob wir die Verhältnisse umdrehen könnten: Größtenteils fernöstliche, unmetallische Klänge und dann nur gelegentlich zur Überraschung einen „Slam-Bang-Blast-Away-Blitzkrieg“ (OT). Aber wenn wir wirklich etwas wie das versuchen würden, würden wahrscheinlich sehr wenige Menschen verstehen, was wir tun. Und sie würden auch dann viele Wege finden, uns mit Kritikpunkten anzugehen, die immer auch auf persönlichen Ansichten beruhen.
Alles in allem glaube ich, dass wir gerade die Musik machen, die wir lieben.

Das klingt überzeugend. Mit „4th Arra Of Dagon“ und „Iskander D’hul Karnon“ habt ihr auch wieder einmal zwei Stücke auf dem Album, die weniger schnell als die anderen Nummern sind – man könnte sie als Doom Metal im NILE-Gewand bezeichnen. Deshalb würde es mich interessieren, ob Du privat auch Doom Metal hörst.

Ja, ein wenig zumindest. NOVEMBERS DOOM, alte CANDLEMASS, alte TROUBLE und MORGION sind meine Favoriten in dem Bereich.

Wo Du gerade alte, geschichtsträchtige Bands erwähnst: Lass uns einmal die NILE-Historie betrachten: Welches Album würdest Du – natürlich neben dem aktuellen – als das wichtigste bezeichnen?

Tja, das ist eine Frage, die wir den ganzen Tag diskutieren könnten. Einige Menschen würden für „Catacombs“ argumentieren, andere würden heftig „Black Seeds Of Vengeance“ schreien und wieder andere würden sagen, dass nur „In Their Darkened Shrines“ lohnenswert ist. Ich selbst würde „Amongst The Catacombs Of Nephren-Ka“ nennen, einfach weil es das erste Album war. Hätte es nichts getaugt, wäre das damals schon das Ende von NILE gewesen und alle weiteren Alben hätte es nie gegeben. Aber wir betrachten natürlich jedes Album zum Zeitpunkt der Aufnahmen so, als wäre es das wichtigste für NILE. Denn niemand steht am Morgen auf und sagt sich selbst: „Heute mache ich ein Album, das völlig unwichtig ist.“ Nein, man tut das Beste, was mit den zum jeweiligen Zeitpunkt abrufbaren Fähigkeiten und Erfahrungen möglich ist. Wahrscheinlich trägt auch die seelische Verfassung zum jeweiligen Zeitpunkt des Lebens zu einem gewissen Grad zum künstlerischen Schaffen bei. Vielleicht sollte ich deshalb auch sagen, dass alle NILE-Veröffentlichungen die wichtigsten sind (lacht)!

Du hast ein großes Interesse an ägyptischen Studien. Ist das ein Resultat deines allgemeinen Interesses an alten Kulturen oder wirklich so spezifisch?

Nunja, ganz so extrem ist es nun auch nicht, es ist einfach ein persönliches Interesse, das der Inspiration in der Musik Brennstoff liefert. Wir sind zuerst eine Metal-Band – und erst danach „Freizeit -Ägyptologen“ (lacht).

Hast Du denn jemals daran gedacht, Inspirationen aus anderen Kulturen in den NILE’schen Kosmos zu integrieren? Zum Beispiel römische oder griechische?

Da springt mir sofort das EX-DEO-Projekt in den Kopf, für das ich kürzlich mit Maurizio von KATAKLYSM gearbeitet habe. Das komplette Album ist mit einer römischen Thematik versehen und ich spielte ein Gast-Solo in einem der Songs.
Mit NILE haben wir auch schon gelegentlich einige andere kulturelle Elemente – zum Beispiel gibt es auf „Those Whom The Gods Detest“ iranischen, persischen, ein wenig islamischen Stoff und Hittite-Einflüsse, sowie die übliche Ägyptologie und H.P. Lovecraft-Einflüsse.

Wenn Du eine Zeitmaschine besäßest, du diese aber wirklich nur ein einziges Mal benutzen könntest, in welche Zeit und zu welchem Ort würdest du reisen?

Ich würde es in der Tat sehr interessant finden, für mich selbst schauen zu können, wie diese verfluchten Pyramiden wirklich gebaut wurden. Das wäre ein Spaß.

NILE ist eine US-amerikanische Band. Was fällt Dir ein, wenn Du die Fans in den Vereinigten Staaten mit denen in Europa vergleichst?

Ich bin immer angenehm erfrischt, wenn ich nach Europa komme, weil ich merke, dass die europäischen Zuschauer wirklich die Alben gehört haben und kennen – was ich in Amerika oftmals bezweifele. Hier in Amerika ist alles von irgendwelchen Moden diktiert, von Musikmoden, die sich wie die Kleider einer Frau wirklich jedes Jahr ändern. In Europa hingegen sind die Leute einfach mehr „echter Metal“. Natürlich ist ein jeder, der Metal hört, irgendwo ein Metal Fan, aber wenn du diese trendgeilen Wichtigtuer erleiden müsstest, die hier in den Staaten überall herumlaufen, dann wüsstest du, warum ich da unterscheide.

Ich weiß, was du meinst, das ist hierzulande ja eigentlich auch zu beobachten.

In Ordnung (lacht). Nun, viele Bands schwören ja darauf, dass die Metal Fans in Osteuropa am enthusiastischsten sind, aber ich kann sagen, dass auch die deutschen Fans in den letzten Jahren wirklich energischer und lustiger geworden sind.
Im Laufe des letzten Jahrzehnts sind die Zuschauer in Deutschland netter und netter zu uns geworden, so dass wir uns mittlerweile sehr wohl und heimisch fühlen, wenn wir in Deutschland touren. In allen Städten, die wir in Deutschland bespielen, sehe ich viele Menschen, die jedes Mal bei unseren Shows sind und so sind wir fast schon Freunde geworden. Die letzten paar Berliner Shows sind besonders lustige Nächte gewesen, wo die Menge eine absolute Glut und Begeisterung für den Metal gezeigt hat, wie ich sie selten auf diesem Planeten erlebt habe.

Kannst Du mir, wo wir gerade schon beim Thema sind, einen kurzen Eindruck deiner Ansicht zur Metal-Szene im Allgemeinen und ihrer Entwicklung während des letzten Jahrzehnts geben?

In den letzten zehn Jahren gab es in der Musikszene im Allgemeinen unglaubliche, umfassende Veränderungen .Das Internet hat eine besondere Rolle bei der Entwicklung im Metal bewirkt. Sogar der Weg, wie Bands heutzutage bekannt werden und nach oben kommen, ist völlig anders als noch vor zehn Jahren. Und durch das Herunterladen von Musik haben sich deren Herstellungs- und Distributionsprozesse sowie die Hörgewohnheiten für immer verändert. Es ist eine „Brave New World“, und ich bin sehr neugierig zu sehen, was in den kommenden fünf Jahren noch geschehen wird.

Ihr müsst euch ja da eigentlich keine Sorgen machen, ist NILE doch eine sehr eigenständige Death Metal Band. Gibt es andere Bands in diesem Genre, die Du nennen würdest, wenn es um Eigenständigkeit, um Unverwechselbarkeit geht?

Da kommen mir auf jeden Fall IMMOLATION in den Sinn. Zudem eine Band, die sich ULCERATE nennt und die einen, wie ich finde, sehr eigenen Stil und Sound hat.

Danke für den Tipp, ich werde versuchen, einmal reinzuhören. Kannst Du abschließend noch etwas zur Zukunft von NILE sagen? Es wird eine europäische Tour gegen Ende 2009 geben, existieren darüber hinaus auch schon Pläne für 2010?

Wir haben auch noch eine Tour im Pazifischen Raum – Australien, Neuseeland, Japan, Thailand, Indonesien, Malaysia, Korea, Indien und vielleicht China. Das ist noch in der Planung und ein ziemlicher Berg Arbeit.
2010 werden wir wohl auch in Südamerika touren. Zudem sind Jahre vergangen, seitdem wir die wichtigen europäischen Sommerfestivals – größtenteils wegen der hohen Flugkosten – gespielt haben. Aber es ist für uns wichtig, diese Festivals zu spielen. Ich glaube an sie und liebe es, ein Teil von ihnen zu sein. So werden wir versuchen, alles mitzunehmen, was möglich und für NILE angemessen ist, ohne zu viel Geld zu verlieren. Jawohl!

Schön, ich freue mich darauf, euch hier spielen zu sehen. Vielen Dank für deine Zeit und sei gerne so frei, unseren deutschen Lesern ein paar letzte Worte mit auf den Weg zu geben!

Vielen Dank für das lustige und interessante Interview. Ich bin sehr gespannt darauf, nach Deutschland zurückzukehren, alle meine Freunde zu sehen und zusammen einige geniale Abende mit NILE’schem Metal zu feiern.

Galerie mit 12 Bildern: Nile - Party.San Metal Open Air 2023
23.10.2009

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