Nightfall
Interview mit Efthimis Karadimas zum neuen Werk "Cassiopeia"

Interview

Nightfall

Sie lassen nicht locker: Die griechischen Düstermetallikonen NIGHTFALL veröffentlichen dieser Tage mit „Cassiopeia“ ihr zweites Album seit ihrer Reunion und können auch damit überzeugen. Kein Wunder, dass sich Frontmann Efthimis Karadimas nicht einmal von der Verunsicherung angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Krise anstecken lässt – vielmehr verarbeitet er den Zustand seines Heimatlandes und der EU indirekt in seinen Texten, wenn er den Bogen zur griechischen Mythologie und zu grundsätzlichen menschlichen Charakterzügen spannt. Aber auch sonst schlägt er ziemlich selbstbewusste Töne an. Dann mal los:

Wir fühlen uns alle großartig mit „Cassiopeia“. Das Album ist wirklich stark und kraftvoll geworden, und die Balance zwischen Melodie und Brutalität ist einzigartig.

Für einen Musiker ist das Endergebnis, also das fertige Album, letztlich nur eine Stufe im gesamten kreativen Prozess. Es gibt einige Musiker, die ihre Alben nicht mögen, weil sie immer Details finden, die sie noch nicht perfekt finden oder hinterher noch ändern möchten. Oder sie sind mehr m kreativen Prozess interessiert als am Endergebnis, also daran, ein Album zu erschaffen und zu formen. Wie siehst Du das?

Ich kenne einige Leute, die genau so denken, wie Du das beschrieben hast. Sie stecken jahrelang hinter dem Mischpult, und wenn sie es endlich schaffen, etwas fertigzustellen, jammern sie bloß, was sie noch alles machen oder nicht machen müssen. Wir sind das genaue Gegenteil. Wir vertrauen im höchsten Maße auf unsere Fertigkeiten, und wenn wir etwas einspielen, sind wir dabei sehr natürlich, ohne jemandem imponieren zu wollen. Eigentlich ist es unsere einzige Absicht, die Scheiße in uns auszudrücken und mit anderen zu teilen, die dasselbe fühlen wie wir.

Selbstbewusste Worte, keine Frage. In unserem letzten Interview vor zweieinhalb Jahren hast Du mir erzählt, dass ein neues Album für Dich wie ein Neugeborenes ist, das man füttern und um das man sich kümmern muss, damit es im Entstehungsprozess weiter wächst. Heißt das auch, dass Du eine Art Beschützerinstinkt für das Album entwickelt hast, wenn es denn veröffentlicht wird? Kümmerst Du Dich um die Meinungen anderer Leute über Deine Alben?

Wenn man in der Öffentlichkeit steht, hörst und liest du allen möglichen Kram über dich und dein Werk. Das ist kein Problem, solange sich jemand damit auseinandersetzt und seine Kritik konstruktiv ist. Ich meine, Metal – egal wie populär er heutzutage auch sein mag – ist eine Subkultur, wo jeder jeden kennt und man sich eigentlich untereinander versteht. Auf dieser Basis ist Kritik gut. Auf der anderen Seite haben die Leute aber immer weniger Zeit, und durch die Tonnen an neuem Stoff, der veröffentlicht wird, sind die Leute gestresst, wenn sie über ein Album schreiben sollen. Wenn dann noch eine Deadline hinzu kommt, haben die Leute oft keine Zeit, sich dein Album häufiger als einmal anzuhören. Das ist lächerlich und dem Künstler gegenüber auch nicht respektvoll, wie ich finde.

Das ist sicherlich richtig, und gerade „Cassiopeia“ ist ja vergleichsweise komplex, in der Hinsicht dass es neben der musikalischen auch eine anspruchsvolle textliche Seite gibt. Wie würdest Du jemandem das Album beschreiben, wenn Du die textliche Seite mal außen vor lässt?

Als brutalen Heavy Metal! Das ist genau das, was mir beim Hören des Albums einfällt. Natürlich gibt es Leute, die Experten darin sind, Stile und Genres zu analysieren, aber das bin ich nicht. Brutal Heavy Metal passt für mich ganz wunderbar.

Die textliche Seite von „Cassiopeia“ ist einmal mehr interessant, da es ein Konzeptalbum ist, das von der „Arroganz als maßgeblichem Charakteristikum der Menschlichen Rasse“ handelt, wie es in der Ankündigung heißt. Das bezieht sich ja erst einmal auf eine menschliche Eigenschaft, die ihren Ausdruck aber auch in politischen Themen findet. Wenn man das so betrachtet – inwieweit ist NIGHTFALL dann eine politische Band?

Ich mag es nicht, direkte oder versteckte politische Botschaften in Kunst zu verpacken. Ich mag das vor allem deshalb nicht, weil diese Botschaften auch auf junge Leute treffen können, die in ihren Meinungen noch nicht gefestigt sind und die sozusagen die Parameter noch nicht kennen, um solche politischen Botschaften richtig einschätzen zu können.

Dann lass uns mal ganz unverblümt auf das Konzept hinter „Cassiopeia“ zu sprechen kommen…

Nun, „Cassiopeia“ ist verbunden mit der Konstellation und des mythischen Charakters von Andromedas Mutter und bezieht sich auf Arroganz als das führende Merkmal der menschlichen Rasse. Arroganz steht immer hinter den Tragödien des Lebens. In diesen Tagen sehen wir die verdammte Europäische Union mehr denn je zittern, und die Stimmen, die ihre Auflösung fordern, werden lauter. Diese Leute oder Mannschaften oder sogar Nationen werden morgen in arroganter Weise handeln, einfach weil ebenjene Union ins Leben gerufen wurde, um die Regionen von kontinuierlichen Kriegen zu beschützen, die bis in die jüngste Vergangenheit stattgefunden haben. Dieselben „Anschuldigungen“, sozusagen, werden bei einfachen Leuten und jenen angebracht, die nicht verstehen wollen, dass die fröhlichen Tage der Vergangenheit hauptsächlich auf das billige Geld und die Kreditpolitik der westlichen Gesellschaft zurückzuführen sind, mit dem Ziel der Entwicklung und des friedlichen Zusammenlebens. Das ganze wurde aber künstlich aufgebläht und konnte einfach nicht ewig so weiter gehen. Soll ich weitermachen, haha?!

Warum nicht?

Ich möchte nur noch kurz die Politiker erwähnen, die dachten, dass man dauerhaft eine freudig-produktive Welt erschaffen kann, wenn man sie mit Geld überschwemmt. Das war eben auch ein arroganter Ansatz, wenngleich er gerecht und verheißungsvoll erschien. Wir alle wollten Gott spielen, und jetzt wurden wir bestraft.

Was war der Anfangspunkt des neuen Albums?

Nun, das erste, was mir in den Sinn kam und mit dem neuen Album in Verbindung gebracht werden kann, war der Name Cassiopeia. 2010 oder 2011 war ich auf Korfu und besuchte eine Region mit eben diesem Namen. Es hat in mir gearbeitet und sich als Idee in meinem Kopf festgesetzt. Du weißt, das menschliche Gehirn arbeitet in sehr merkwürdigen Bahnen.

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Ihr habt einen neuen Gitarristen mit Namen Constantine in der Band. Irgendwo habe ich gelesen, dass er in erster Linie ein Back-Up für Evan Hensley sein soll?

Constantine spielt ja auch bei Deinen Landsleuten PRIMAL FEAR, und tatsächlich haben wir ihn in erster Linie als Livegitarristen in die Band geholt. Auf „Cassiopeia“ spielt er aber auch ein paar Soli. Mit Evan wiederum habe ich diesmal alle Songs zusammen komponiert. Das war in der Tat eine großartige Erfahrung.

Die einzelnen Bandmitglieder leben in Griechenland, Deutschland und in den USA. Inwieweit ist ein Bandleben im klassischen Sinne wichtig für NIGHTFALL?

Wir konzentrieren uns auf die positiven Aspekte, die eine Band diesen Typs genießt, und verschwenden keine Zeit uns zu fragen, wie es denn anders laufen könnte. Die Wahrheit ist, dass ich an eine solche Situation seit dem allerersten Tag in der Band gewöhnt bin und lernen musste, damit umzugehen Einer der wichtigsten und auch schwierigsten Aspekte – die Außenseiter häufig gar nicht sehen – ist die Kommunikation innerhalb der Band. Dinge, die in einem Kulturkreis als lustig angesehen werden, gelten in einem anderen anstößig. Solche Dinge erfordern sehr viel Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen und Verständnis, um sie zu überbrücken. Dieser Prozess macht einen verständnisvoller, weil man verpflichtet ist, Hindernisse zu überwinden, wenn man in der gemeinsamen Sache weiterkommen will. Diese kreative Anstrengung spiegelt sich in unserer Musik wider, und das ist einfach großartig. Aus den positiven Aspekten dieser Konstellation ziehen wir alle einen Nutzen.

Ein Musiker, der professionell in einer Band spielt und Platten veröffentlicht, muss ja viele verschiedene Rollen ausfüllen, sei es als Instrumentalist, Komponist, Poet, Arrangeur, Produzent, Bandleader, Künstler… Wie würdest Du Deine Profession beschreiben – und hat sich die über die Jahre hinweg verändert?

Oh, ich bin froh, dass ich solche Dinge nicht auf eine Visenkarte drucken muss. Das würde so ausehen würde, wie: „Ich bin für jeden Scheiß zuständig“, was ich aber so niemals sagen würde. Lass es mich mal so formulieren: Ich bin der Kapitän oder der Trainer. Wenn Du dieses Traineretikett wählst, möchte ich noch das Folgende hinzufügen: Ich zermartere mir gern das Hirn, wie ich jeden Einzelnen aus dem Team dazu bringe, das Beste aus sich herauszuholen, damit wir als Team vorankommen.

Ihr habt gerade einen Deal bei einer Bookingagentur unterzeichnet. Heißt das, dass Ihr jetzt mehr touren wollt oder wie sind da Eure Pläne?

Stimmt, wir sind offen für coole Angebote. Ich bin allerdings nicht so sehr über Details informiert, weil sich Stathis Kassios, unser Keyboarder, um diesen Aufgabenbereich kümmert. Entschuldige bitte meine knappe Antwort, aber ich beschäftige mich eigentlich ausschließlich mit dem künstlerischen Teil, haha!

Neben ROTTING CHRIST und SEPTICFLESH werdet Ihr als einer der drei Pylonen der griechischen Düstermetallszene angesehen. Eine Konstellation, die an die britische Szene mit PARADISE LOST, MY DYING BRIDE und ANATHEMA erinnert. Auch wenn sie musikalisch sehr auseinandergedriftet sind, sind diese drei Bands vor ein paar Jahren zusammen auf Tour gegangen. Wie sieht das mit NIGHTFALL, ROTTING CHRIST und SEPTICFLESH aus – gibt es da auch so ein Zusammengehörigkeitsgefühl, und was würdet Ihr von einer gemeinsamen Tour halten?

Das ist eine großartige Idee, und wenn ein Promoter das mal ansprechen sollte, werden wir das auf jeden Fall ernsthaft in Erwägung ziehen. Wir drei, die heilige Dreieinigkeit der griechischen Szene, wie viele sie nennen, haben ja buchstäblich das gegründet, was heute gemeinhin als griechische Metalszene bekannt ist. Weißt du, der Wendepunkt, wie ich es heute Jahre später sehe, war doch, dass wir den Mangel an vernünftigen Instrumenten, Studios und ganz allgemein guter Ausstattung durch Vorstellungskraft und unsere ganz eigene musikalische Ausdrucksweise überwunden haben. Wir haben uns nicht großartig an Vorbildern orientiert, sondern haben mit den bescheidenen Mitteln, die uns zur Verfügung standen, unser Ding durchgezogen, ohne groß rumzujammern. Diese Einstellung ist allerdings nicht von allen Bands übernommen worden, weil es durch den Euro und das billige Geld einfacher war, sich ihren Sound zu kaufen anstatt ihn von Grund auf zu erschaffen.

Eine Frage habe ich noch: Ich habe auf Eurer Facebook-Seite gelesen, dass Ihr ein Cover eines BLACK SABBATH-Stückes aufgenommen habt. Selbst wenn Du an dieser Stelle nicht sagen möchtest, welcher Song es ist – ich tippe mal auf ein Stück vom „Sabotage“-Album…

Natürlich ist es nicht vom „Sabotage“-Album! BLACK SABBATH ist schließlich eine lebende Legende mit zahllosen Songs. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum Metalheads, die ja eigentlich nicht auf Marketingmaschen hereinfallen sollten, nicht ein wenig weiterforschen?! Unser Cover ist von einem absolut unterbewerteten Song, haha!

Hmm, welches ist denn Dein Lieblingsalbum von BLACK SABBATH?

Keine Frage, das ist „Heaven And Hell“.

Was hältst Du von dieser ganzen Reuniongeschichte von BLACK SABBATH, jetzt wo Bill Ward nun doch nicht mit dabei ist?

Darüber kann ich nichts sagen, ehrlich. Line-Up-Geschichten sind in meiner Welt absolut nebensächlich. Was für mich zählt, ist, was am Ende dabei herauskommt.

Alles klar, danke Dir für das Interview!

Galerie mit 25 Bildern: Nightfall - Eindhoven Metal Meeting 2022
11.02.2013

- Dreaming in Red -

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2 Kommentare zu Nightfall - Interview mit Efthimis Karadimas zum neuen Werk "Cassiopeia"

  1. Bone C sagt:

    Super Interiew, muss ich echt sagen. Ist menschlicher und „wärmer“ als all die Standart-Interview-Kost die man sonstwo findet.
    Danke dafür

  2. Brandy sagt:

    hm, mal abgesehen, dass das interview tatsächlich gut ist, erkenne ich aber nichts was daran außerordentlich anders geschweige denn wärmer und menschlicher ist. mal nicht übertreiben…