Night in Gales
Interview mit Gitarrist Jens Basten zum neuen Album
Interview
Nach 10 Jahren Pause hatten viele schon gar nicht mehr mit einer Rückkehr der Melodic-Deather NIGHT IN GALES gerechnet. Doch mit dem neuen Album “Five Scars“, welches via Lifeforce Records veröffentlicht wurde, zeigen die Jungs vom Niederrhein, dass sie wieder Bock haben, durchzustarten. Wir nahmen das Ganze zum Anlass, uns mit Gitarrist Jens Basten zu unterhalten und etwas über die Hintergründe zu erfahren.
Hi, wie geht es dir?
Hi, alles super. Ich hänge zwar gerade mit dem Laptop auf dem Schoß in irgendeinem Hotel in Bayern ab, aber habe hier endlich mal wieder genügend Zeit, ein paar der aufgelaufenen Interviews zu machen! Das Weizen ist im Glas, es kann losgehen.
Euer neues Album “Five Scars“ ist gerade erschienen. Erst mal herzlichen Glückwunsch dazu, mir gefällt die Platte wirklich sehr. Wie sind bisher die Reaktionen von Presse und Fans darauf und wie seid ihr selbst mit der Scheibe zufrieden?
Danke, cool dass Dir die Scheibe gefällt. Wir sind zu 100% zufrieden und davon überzeugt, mit “Five Scars“ unsere beste und wichtigste Platte überhaupt hingelegt zu haben. Es stimmt alles, Songwriting, Stilistischer Fokus, Einklang von Lyrik und Cover-Konzept, die Produktion usw… Die Reviews sind bislang ebenfalls sehr gut bis euphorisch! So einen Schwall von geilen Reviews hatten wir bisher noch mit keiner Scheibe, auch mit keiner anderen Band in dem Maße erlebt. Auch an dieser Stelle Tausend Dank in die komplette Szene für den tollen Support! Er ist erstaunlich, wie gut die Platte aufgenommen und vor allem verstanden wird. Es freut mich, dass selbst die Presse nun nicht mehr länger bloß versucht, uns mit anderen Bands zu vergleichen. In den letzten 10 Jahren ist unter dem Banner „Melodic Death Metal“ eine Menge uninspirierter Schrott herausgekommen. Damit meine ich neben der ganzen Modern-Metal Abteilung mit Stinktierfrisur, die sich an AT THE GATES-Riffs abkrampft, ebenso die ganzen neueren Scandinavischen Acts, die meinen wenn sie klingen wie poppige IN FLAMES oder neue DARK TRANQUILLITY könnten Sie auf einmal durchstarten. Meiner Meinung nach müsste hier der der Metal-Lehrer mit „Thema verfehlt, setzen, Sechs“ urteilen. Aber den gibt’s ja leider nicht, statt dessen eine aufgeblähte Metal-Industrie, die im Fließband-Akkordtempo den Markt mit kurzlebigen Releases überschwemmt. So, genug aufgeregt, wollte doch eigentlich was Positives erzählen, haha, Prost.
“Five Scars“ ist der erste Longplayer von euch seit 10 Jahren. Warum die lange Pause und was hat euch den Anstoß dazu gegeben, jetzt doch noch mal durch zu starten?
Die Pause war so nicht geplant, aber es ist damals einfach eine Menge nicht so gut gelaufen. Unsere Anhängerschaft hat unsere stilistischen Experimente damals nicht verkraftet und wir konnten und wollten die Erwartungshaltung von Presse und Label damals aus vielerlei Gründen irgendwie nicht erfüllen. Als Ur-Drummer Christian dann noch ausstieg, war die Motivation und vor allem die Eile, etwas Neues aufzunehmen, erst mal komplett weggeblasen. Nicht zuletzt auch durch die Betätigung in diversen anderen Bands kamen wir dann immer seltener zusammen. Mit dem Einstieg von Drummer Adriano kam dann wieder frischer Wind in die Band: Wir schrieben neue Songs, brachten diese unter dem Titel “Ten Years of Tragedy“ als Free Download MCD raus und machten neben einigen Shows auch eine Mini-Tour mit FEAR MY THOUGHTS (R.I.P.) und sowas. Trotz dem Promo 2008 ging es zunächst nicht weiter, das damals entstandene Material hätte zwar ein Album gefüllt, war aber stilistisch und qualitativ einfach noch nicht der wahre Stahl. Im Sommer 2009 schließlich hatte ich wohl eine gute Phase und konnte das ganze Material für “Five Scars“ fertig stellen. Die Stärke der Songs war dann eigentlich erst der Marschbefehl für uns, das Album zu machen. Als wir den Vorproduktions-Kram abhörten wurde allen klar, dass dies das Comeback-Album war. Trotzdem dauerte es dann nochmal etwas, bis alles aufgenommen und abgemischt war. Wenn Du kein Label im Rücken hast, hast Du eben auch keine Termine, haha.
Wie hat es sich angefühlt, nach so langer Zeit mal wieder im Studio zu sein und neue Songs einzuprügeln? War es „business as usual“ oder musstet ihr euch an die Situation erst wieder gewöhnen?
Wir waren ja in der zwischenzweit auch mit anderen Bands im Studio. Adriano hatte einige Scheiben mit GRIND INC. aufgenommen, Björn war busy mit THE VERY END, Tobbe mit IN BLACKEST VELVET und ich mit DEADSOIL.
Die Produktion erfordert immer ne professionelle Vorbereitung und Disziplin, man muss sich ran halten, sonst wird man nie fertig. Naja trotzdem und nicht zuletzt war es diesmal natürlich extrem geschmeidig, das “Five Scars“ Material einzuspielen und Stück für Stück wachsen zu sehen. Studio ist immer geil, die Krönung sind die Gesangstakes: Du hast alle Gitarren im Kasten, die Drums stehen, Du kannst Dich also mit Kannen Bier in die Regie-Couch hängen und Deine dummen Kommentare beisteuern, haha, das ist das Beste.
Sind die Songs über den gesamten Zeitraum von 10 Jahren entstanden oder sind sie alle ganz „frisch“? Habt ihr die Tracks unabhängig voneinander geschrieben, oder habt ihr für “Five Scars“ ein thematisches Konzept verfolgt? Wie seid ihr auf den Titel des Albums gekommen, und was hat es damit auf sich?
Die Tracks sind alle noch relativ frisch, sprich die sind alle im Sommer 2009 entstanden, glaube ich. Bis auf “Bloodsong“ der hat 2 Jahre mehr auf dem Buckel, passte aber trotz des Alters noch ausreichend gut zum neuen Material. Es ist unheimlich wichtig für ein gut funktionierendes Album, dass die Songs innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne geschrieben wurden, damit sie sich stilistisch gut zu einem schlüssigen Album zusammenfügen lassen. Das war auch bei “Thunderbeast“ damals der gleiche Fall, wir spielen das ganze Album die gleichen 5 Akkordkombinationen, haha. Die Songs für “Five Scars“ kamen Schlag auf Schlag, meist im Wochenrhythmus immer Sonntags und standen meist innerhalb weniger Stunden. In sofern setzten wir uns schon bewusst musikalische Grenzlinien. Die Lyrics entstanden natürlich etwas später und über einen längeren Zeitraum hinweg. Der Titel kann in vielerlei Hinsicht interpretiert werden: wir sind fünf Musiker, es ist unser fünftes Album, jedes dieser Alben steht für einen Lebensabschnitt für jeden von uns und ist für immer mit vielen schönen, aber ebenso auch schmerzhaften Erinnerungen verbunden: das sind die Narben, die wir auf unseren Seelen tragen. “Five Scars“ ist unsere schwermütigste Scheibe und transportiert durchweg eine unheimlich dichte dunkle und melancholische Atmosphäre. Das ist wiederum auf dem Coverartwork perfekt visualisiert. Ist ja auch kein Wunder da Lyrics und Design vom Björn stammen, alles aus einer Feder eben. Wir haben das alles eigentlich gar nicht mal so geplant, es ist so passiert, was uns natürlich erstmal selbst umgehauen hat.
Wie würdest du die musikalische Entwicklung von NIGHT IN GALES beschreiben? Was ist heute verglichen mit euren ersten Platten anders?
Wir sind heute ein erstmal ein ganzes Stück erfahrener, vor allem was Songwriting und Studioaufenthalte angeht. Die Instrumente haben wir in der Zwischenzeit natürlich auch nochmal besser im Griff als 1995, obwohl das natürlich nur sehr schwer vorstellbar ist, was? har har..
Nee, jetzt ma in Ernst. Wir starteten als erste deutsche Reaktion auf den Göteborg-Sound und bekamen für unsere ersten Lebenszeichen “Sylphlike“ und “Razor“ enorm viel Zuspruch. Die ersten beiden Nuclear Blast Alben “Towards the Twilight“ und “Thunderbeast“ waren beide noch reinrassiger Melo-Death. Weil wir uns von den ständigen Vergleichen und Plagiatsvorwürfen in einer Sackgasse sahen, ließen wir mehr Experimente zu. Wir wollten unsere Möglichkeiten einfach mal ausloten. Diese Entwicklung kann man auf den Alben “Nailwork“ und “Necrodynamic“ hören. Heute wissen wir ganz genau wo wir hingehören. “Five Scars“ ist die definitive Stilfindung für NIGHT IN GALES. Es wäre damals der logischere und perfekte Nachfolger zu “Thunderbeast“ gewesen.
Es gab seit der letzten Scheibe einen Besetzungswechsel, ihr habt jetzt einen neuen Mann an der Schießbude. Wie hat er sich in die Band eingefügt und in wie fern hat er den Sound von NIGHT IN GALES beeinflusst? War er am Songwriting zur neuen Scheibe beteiligt?
Adriano ist ein absoluter Top-Drummer und ein würdiger Ersatz für Chris. Er ist stark im Florida-Deathmetal zuhause, sein Vorbild ist Alex Marquez (Ex-SOLSTICE, Ex-MALEVOLENT CREATION). Adriano spielt nach wie vor auch bei unseren Kumpels von GRIND INC. Er hat in den letzten Jahren eine spezielle Doublebass Technik perfektioniert, mit der er mühelos extrem schnell und präzise ist. Damit hat er die Songs schon geprägt. Auch einen Song wie “Endtrip“ hätte ich ohne Ricci (das ist übrigens die bandinterne Sprachregelung..) nie geschrieben. Dieses derbe Gedresche beherrscht er einfach so gut, dass ich es auch auf unserer Platte drauf haben wollte. Das wirkliche Geile an der Arbeit mit Ihm ist, daß Du beim Programmieren der Songs keinerlei Rücksicht nehmen musst, was die technische Machbarkeit angeht. Er kann alles anbieten und spielt vor allem alles arschtight auf Klick und Groovt trotzdem und verzieht bei alledem keine Miene, haha. Für “Five Scars“ haben wir mit ihm übrigens nur ein einziges Wochenende geprobt – die Woche drauf hat er das Album dann in 3 Tagen komplett eingeholzt! Menschlich passten wir direkt super zusammen. Er hat einen Hang uns regelmäßig zu verarschen, der Klassiker ist „Jungs, Scheiße! Ich habe den Proberaumschlüssel vergessen, ich muss nochmal eben zurück!“
Die Aufnahmen zu “Five Scars“ fanden im Studio 141 statt. Warum gerade dort?
Wir haben dort die Drums aufgenommen. Adriano ist vor einiger Zeit zu seiner Andrea ins SUMMER BREEZE-Land gezogen, daher war klar, dass wir Ihm ein Studio in seiner Nähe buchen werden. Die Wahl traf dann auf Rogers 141, da er die besten Referenzen vorweisen konnte. Wir wollten 100%, also sind wir auch in Punkto Sound keine Kompromisse eingegangen. Die Gitarren-DI Spuren sowie den Bass habe ich selbst am Rechner aufgenommen, den Gesang haben wir mit Darius Widera in seinen Synesthesy Studios aufgenommen. Die Cello-Tracks hat wiederum mein Cousin Gunnar bei sich in Osnabrück ebenfalls via Homerecording aufgenommen. Diese Cello-Intros gaben der Scheibe nochmal den letzten Kick.
Für die Produktion konnte man keinen Geringeren als Dan Swanö gewinnen. Wie kommt der Kontakt zustande und wie würdest du die Zusammenarbeit mit ihm beschreiben? Habt ihr überhaupt persönlich mit ihm zu tun gehabt?
Ich mochte seine Arbeit für unsere Kumpels von HARASAI, die neue deutsche Melodic Death Hoffnung aus Essen. Zudem hatten THE VERY END schon ihr Debut Album dort mastern lassen. Der Hauptgrund ist aber eigentlich ein ganz anderer: Wir sind mit EDGE OF SANITY quasi groß geworden, “Unorthodox“ und eine Palette Hansa waren damals die Garantie für eine gelungene Ein-Mann-Party. Die Scheibe ist bis heute unerreicht. Ich persönlich wollte auf jeden Fall einen Gitarristen und Komponisten als Produzenten, der unseren Sound mögen und verstehen würde. Und damit lag ich richtig, denke ich. Die Arbeit mit Dan verlief dann auch sehr geschmeidig, von seinem ersten Sound-Entwurf bis zur finalen Version ging es recht schnell. Er hat den Songs nicht durch eine zu sterile/moderne Überproduktion die Seele genommen. Ich bin super glücklich mit der Produktion, Dan will auch definitiv die nächste Scheibe machen, hat er schon gesagt.
Auf privater Ebene verstehen wir uns auch gut, Dan ist voll auf dem Boden und man hat das Gefühl, dass man sich schon immer kennen würde. Und da seine Freundin in Krefeld wohnt, hat man sich dann auch mal zum Produktionsabschluss zum Essen getroffen oder der Dame mit der ganzen Band beim Umzug geholfen.
OK, werfen wir einen Blick in die Zukunft. Kann man euch in nächster Zeit auch live erleben? Sind Festivalauftritte oder eine Tour geplant? Was kann man von euch sonst noch in näherer Zukunft erwarten? Viele Bands setzen ja auf DVD-Releases….
Die nächste Show steht am 17.12 in Münster im Sputnik Cafe an, das ist die Release Party von MOURNING CARESS, deren neue Scheibe knallt übrigens ebenfalls sehr gut, unbedingt antesten! Im Februar spielen wir auf dem WINTERNACHTSTRAUM FESTIVAL in Arnsberg. Am 12. Mai sind wir bereits für das EVIL HORDE METALFEST in der Essener Zeche Carl bestätigt. Eine Tour steht im Augenblick noch nicht fest, es treffen aber die ersten Angebote ein. Man wird sehen. Und natürlich wird das ein oder andere Sommer-Festival dabei sein. Die Buchungsphasen laufen gerade noch, ich hoffe da geht was. Eine DVD ist nicht geplant. Außer der AT THE GATES-DVD habe ich auch noch kein sinnvolles Teil gesehen. Was definitiv geplant ist, ist eine Hard-to-find & Rare Compilation auf dem kleinen US-Label Divebomb-Records. Zudem suchen wir noch ein Label für die Vinyl-Version von “Five Scars“, das ist auf jeden Fall Pflicht!
Vielen dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Das letzte Wort gehört dir…
Wir haben zu danken! Danke auch an alle, die jetzt wieder aus Ihren Löchern gekrochen kommen und uns wieder supporten.