Night Demon
"Wir wollen nicht wie AC/DC sein"
Interview
Stillstand ist für NIGHT DEMON keine Option. Das US-amerikanische Trio möchte mit jedem Release etwas neues, etwas anderes machen. „Outsider“ stellt mit dynamischen Songs und einem übergeordneten Konzept trotzdem den bislang größten Einschnitt im musikalischen Schaffen der Band dar. Frontmann Jarvis Leatherby erzählt im Interview, wie aus einem Filmdrehbuch ein Album wurde und warum kurze Songs genau das richtige für NIGHT DEMON sind.
Natürliche Entiwcklung
Hey Jarvis, mit „Outsider“ habt ihr ein neues NIGHT DEMON-Album am Start, auf das ihr wahrlich stolz sein könnt.
Dir gefällt es, was?
Ja, ich mag es sehr.
Das sagst du jetzt nicht nur, weil wir von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen, oder?
Nein, ich meine das ernst. Aber ich muss zugeben, dass ich länger gebraucht habe als bei euren vorherigen Alben, um einen Zugang zu „Outsider“ zu finden. Es ist zwar immer noch Heavy Metal, aber musikalisch doch etwas anders. Kam das mit dem Konzept oder wolltet ihr einfach etwas anderes machen?
Beides. Wenn man sich unsere erste EP, anschließend „Curse Of The Damned“, dann „Darkness Remains“ und schlussendlich die Singles aus dem Jahr 2020 anhört, bemerkt man eine durchgehende Evolution. Doch wenn es um klassischen Heavy Metal geht, haben wir alles abgedeckt. Ich glaube es gibt keine Art von Riff, Intro, Outro, Refrain, Drumbeat oder Solo, das traditionellem Metal folgt, das wir nicht gemacht haben. Darauf sind wir sehr stolz. Wir wollen uns nicht verändern oder eine andere Band werden. Aber als wir begannen, Songs für „Outsider“ zu schreiben, haben wir genau darauf geachtet, uns nicht zu wiederholen und auch mal zu sagen „Stopp, das hatten wir schon.“
Wir wollen nicht wie AC/DC sein, die 20 Alben haben, die alle gleich klingen. Ich denke auch nicht, dass unsere früheren Alben gleich klingen. Aber wir würden keine neue Musik mehr machen, wenn wir keine neue Richtung mehr für uns entdecken würden. In so einem Fall wären wir lieber eine reine Liveband und würden keine Alben mehr veröffentlichen. Die Veränderung war aber keine Entscheidung im Sinne von „Okay, wir ändern unser Image und lassen uns die Haare“ schneiden. So war es nicht.
NIGHT DEMON machen endlich ein Konzeptalbum
Neben der musikalischen Weiterentwicklung ist es auch euer erstes Konzeptalbum mit einer durchgehenden Handlung. Wieso habt ihr euch für diesen Weg entschieden?
Das wollten wir schon immer mal machen. „Curse Of The Damned“ begann als Konzeptalbum. „Darkness Remains“ begann ebenfalls als Konzeptalbum. Bei „Curse Of The Damned“ blieb es bei zwei Songs, auf „Darkness Remains“ hatten wir eine Song-Trilogie. Diesmal wollten wir es durchziehen. In meiner Freizeit schreibe ich gerne. Meine größte Leidenschaft abseits der Musik sind Filme. Ich hatte ein Drehbuch für die Geschichte geschrieben. Dann dachte ich mir: „Ich habe keine Erfahrung damit, Filme zu drehen, aber ich habe Erfahrung darin, Alben zu machen.“ Also haben wir es versucht und diesmal bis zum Ende durchgezogen.
Kannst du dir vorstellen, aus dem Drehbuch eines Tages noch einen Film zu machen?
Absolut. Das fände ich fantastisch. Aber für einen gut gemachten Low-Budget-Film braucht man etwa eine Viertelmillionen US-Dollar und ein professionelles Team auf diesem Feld. Nichts ist unmöglich und ich würde das immer noch gerne machen. Ich habe auch schon mit einigen Regisseuren gesprochen, deren Filme ich sehr schätze und die Idee mit ihnen geteilt. Aber wir leben heute in einer Welt, in der alle ihre eigenen Ideen haben. Viele Regisseure entwickeln ihre eigenen Konzepte und haben eine Liste von Dingen, an denen sie arbeiten. Große Filmstudios wiederum wollen kein Geld für Filme ausgeben, die außerhalb von Franchises wie dem Marvel-Universum liegen.
Es gibt eine große Lücke zwischen den Filmen, die 200.000 und 200 Millionen US-Dollar kosten. Ich denke, große Filmfirmen wollen keine künstlerischen Risiken mehr eingehen, sondern setzen auf das, was Geld macht. Darum setzen sie auf bestehende Marken und Franchises oder Remakes. Sie suchen nicht originellen Ideen. Würde „Outsider“ jemals ein Film werden, werde ich das wohl selbst angehen müssen. Es ist immer noch im Bereich des Möglichen, ich brauche nur die Zeit, es zu machen.
Wäre das Album in diesem Fall der Filmsoundtrack?
Das würde ich ehrlich gesagt nicht machen. Ich würde das Album davon trennen. Vielleicht würde ich den Titeltrack verwenden. Die Songs ergeben einen Flow. „Prelude“ ist wie der Anfang eines Films, in dem etwas krasses passiert, danach erst kommen die Opening-Credits und „Outsider“ ist so etwas wie der Theme-Song dafür. Ich könnte mir auch vorstellen, dass er im Abspann läuft. Aber ich würde einen komplett anderen Score machen.
Vielleicht mehr etwas in die Synth-Richtung?
Ja, genau! Vielleicht aber auch etwas Orchestrales. Es wäre kein Heavy-Metal-Film wie „Ragman“ oder „Black Roses“, bei denen Hardrock ein integraler Bestandteil ist. Da passt es nicht rein.
Gibt es denn spezielle Geschichten, die dich beim Schreiben der Handlung von „Outsider“ beeinflusst haben?
Ich glaube nicht. Wenn man eine Geschichte schreibt, hat man meistens einen klaren Anfang und ein klares Ende im Kopf. Dann ist da der Mittelteil und man muss sich überlegen, wie man dem einen Punkt zum anderen kommt. Wenn man mit dem Schreiben anfängt und Charaktere entwickelt, starke Charaktere, über die man viel weiß, erzählen sie einem, wie die Geschichte laufen muss. An Tagen, an denen ich nicht weiter wusste und keine Inspiration hatte, habe ich einfach überlegt, was bestimmte Charaktere wohl als nächstes tun würden. Dann kommt man irgendwann ans angedachte Ende und merkt, dass es keinen Sinn mehr ergibt. Man muss einsehen, wenn es nicht mehr funktioniert und in den Müll werfen. Basierend auf dem, was passiert ist, gibt es ein passendes Ende und das ist alternativlos. Als ich fertig war, erinnerte mich die Geschichte ein wenig an „Zurück in die Zukunft“, gemixt mit „Ist das Leben nicht schön?“. Hast du den gesehen?
Stets offen für konstruktive Kritik
Ich kenne „Zurück in die Zukunft“, aber „Ist das Leben nicht schön?“ habe ich nicht gesehen.
Es ist ein Film aus den 40ern mit James Stewart und handelt von einem Typen, der sein Leben als selbstverständlich nimmt. Ein Engel zeigt ihm, wie das Leben wäre, würde er nicht existieren und am Ende bekommt er sein Leben zurück. Ich denke, es ist also ein Mix aus diesem Film und „Zurück in die Zukunft“. Aber es hat noch sehr viel mehr Science-Fiction-Anleihen.
Die Geschichte ist zwar fiktiv, aber wurde sie eventuell auch von Ereignissen aus deinem Leben beeinflusst?
Ich denke, es ist unmöglich, eine Geschichte wie diese zu schreiben, ohne eigene Erfahrungen einfließen zu lassen. Aber es ist nicht autobiografisch, das war nicht meine Intention. Vielleicht hat die Beziehung zwischen dem Hauptcharakter und seinem Vater etwas Ähnlichkeit zu meinem Leben. Aber grundsätzlich gibt es da keine bewussten Einflüsse. Aber ich bin immer so mit meinen Texten. Ich bin niemand, der sie allzu sehr an sich selbst festmacht. Ich sage nicht „Das sind die Lyrics und das ist ihre Bedeutung.“ Ich bin immer offen für konstruktive Kritik oder die Interpretationen anderer Leute. Wenn man alles nur für sich selbst macht, vor allem, wenn man Geschichten schreibt, ist es wichtig zu schauen, wie andere Menschen das sehen. Ich würde also nicht sagen, dass es sonderlich persönlich ist.
Ich fragte das nur, weil der Hauptcharakter im Laufe der Handlung in eine Parallelwelt gezogen wird. Denn jetzt, da alles wieder seinen normalen Gang geht, fühlt sich die Zeit der Corona-Pandemie manchmal wie eine Parallelwelt an, in der wir zwei Jahre lang gefangen waren und ich dachte, das Schattenreich sei vielleicht eine Metapher dafür.
Das ist eine gute Parallele. Das zeigt, dass dieses Album eine Menge enthält, zu dem jeder auf einer eigenen Ebene Bezug finden kann. Die Lyrics sind bewusst sehr metaphorisch, anstatt nur die Geschichte nachzuerzählen. Etwa sechs Monate, nachdem das Album fertig war, ich hatte es zu diesem Zeitpunkt länger nicht gehört, machte ich eine Menge verrückten Scheiß in meinem Privatleben durch. Ich hörte es mir nochmal an, vergaß die Story, weil ich soviel in meinem Kopf hatte und merkte, dass die Texte mehr zu meiner persönlichen Situation in diesem Moment passten, als zur Zeit, in der sie entstanden sind.
Die Geschichte des Albums ist für die Fans, nicht für die Gelegenheitshörer. In den physischen Versionen gibt es eine Zusammenfassung, die genau erklärt, welcher Teil der Geschichte in welchem Song abgehandelt wird. Auf der anderen Seite stehen die Lyrics. Wir wollen nicht, dass die Leute die Geschichte selbst herausfinden müssen. Wer sich die Songs einfach so anhört, wird sich aber nicht verloren fühlen. Sie sehen „Ah, der Song heißt ‚Escape From Beyond‘, da kann ich mir etwas drunter vorstellen.“ Es kann darin um alles gehen, was die Menschen wollen.
NIGHT DEMON wollten einen Film drehen
Wir leben in einer Zeit, in der die Leute sich oft nur auf einzelne Songs statt ganze Alben konzentrieren und Streaming ist der wichtigste Weg, Musik zu vertreiben. Wie hat euer Label angesichts dieses Zeitgeists auf die Idee eines Konzeptalbums reagiert?
Zufällig gehört unser Label zu Sony. Das Erste, was ich gemacht habe, war, ihnen von dem Drehbuch für einen Film zu erzählen. Wir treffen uns für Meetings auf dem selben Gelände, auf dem Sony Pictures arbeitet und ich habe gefragt, ob wir nicht vielleicht einen Film mit ihnen machen können. Doch leider arbeiten die beiden Abteilungen komplett eigenständig voneinander. So ist die Unternehmenswelt. Das wurde also schnell abgewürgt. Aber sie liebten die Idee an sich. Zuerst habe ich ihnen das Album nur zum Hören gegeben, ohne die Geschichte. Es gibt ein paar Songs darauf, die kurz und knackig sind, wie man es von NIGHT DEMON kennt. Ich habe es auch ihnen überlassen, die Singles auszuwählen, weil ich die Songs nur in der Albumreihenfolge wahrnehmen kann. Ich kann sie nicht voneinander trennen. Mir geht es vor allem um das Album selbst.
Wir leben in einer Welt der kurzen Aufmerksamkeitsspanne, ich erwarte da von niemandem irgendetwas. Aber das Album ist nicht einmal 40 Minuten lang. Wenn man hört, dass die Lieblingsband ein Konzeptalbum macht, denkt man schnell: „Heilige Scheiße, es wird ein Doppelalbum wie ‚Nostradamus‘. Ich muss erstmal Zeit freiräumen. Sie werden mir die Handlung nicht verraten. Wie viel Zeit muss ich investieren, um das Album zu kapieren? Muss ich in Online-Foren recherchieren?“ Ich mochte es nie, wenn die Bands nicht erzählen, worum es in ihren Songs geht. Wenn sie das nicht verraten wollen, gibt es mir das Gefühl, dass es bei ihren Konzeptalbum keine Geschichte gibt oder sie nicht überzeugend gibt. Auf so einem Album gibt es viele Löcher, die man stopfen muss. Es ist wie ein Puzzle. So funktioniert gutes Geschichtenerzählen.
Bei der Liveshow gehen NIGHT DEMON keine Kompromisse ein
Ich muss zugeben, als ich hörte, dass „Outsider“ ein Konzeptalbum wird, dachte ich ebenfalls, es würde euer erstes 70-Minuten-Album, das länger geht als es sollte. Viele Alben gehen heute nur so lang, weil es machbar ist und nicht, weil sie so lang gehen müssen.
Richtig. Und du hast vorhin gesagt, dass du beim ersten Durchlauf der Platte irritiert warst, weil es etwas anders ist. Mit solchen Reaktionen habe ich gerechnet und das ist okay für mich. Jede Reaktion, ist in meinen Augen gut, egal ob positiv, negativ oder unentschlossen. Ich möchte nur nicht, dass Leute unsere Musik hören und sie ihnen egal ist, weil sie das Gefühl haben, das schonmal gehört zu haben. Aber du hast gesagt, dass dir das Album nach mehreren Durchläufen immer besser gefiel. Würde die Platte 70 oder 80 Minuten gehen, glaube ich nicht, dass du sie dir noch ein zweites Mal angehört hättest. Aber wenn man sich ein Album ein paar Mal anhören und in einer recht kurzen Zeit verdauen kann, dann ist so etwas möglich.
Du hast vorhin gesagt, dass du das Album nur in der Reihenfolge wahrnehmen kannst in der Songs nun eben sind. Wie werdet ihr das live umsetzen?
Wir werden das gesamte Album von vorne bis hinten spielen. Auf jeden Fall. Es sind weniger als 40 Minuten. Wenn wir ein Headliner-Set spielen können wir das ganze Album spielen und den Leuten immer noch zwölf bis 13 NIGHT DEMON-Klassiker geben. Darum machen wir das so. Bei machen meiner Lieblingsbands gehe ich zur Arenashow mit einer großen Bühnenproduktion und in zwei Stunde höre ich 12 Songs. Ich mag kurze Songs. Solange man alles gesagt hat, was man sagen will, lass es gut sein und mach mit etwas anderem weiter.