Night Demon
"Ich kann mir unsere ersten Alben nicht mehr anhören."
Interview
Es gibt wieder ein neues Live-Album. Und zur allgemeinen Überraschung stammt es nicht von IRON MAIDEN und Konsorten, sondern von einem waschechten Newcomer: NIGHT DEMON, die eine EP und zwei Studioalben vorzuweisen haben. Das hat uns so neugierig gemacht, dass wir den Bassisten und Sänger Jarvis Leatherby zu „Live Darkness“ befragt haben.
Live-Alben haben heutzutage nicht mehr so einen Stellenwert, wie in den Achtzigern und werden heutzutage hauptsächlich von großen Bands wie IRON MAIDEN veröffentlicht. Ihr seid dagegen ein Newcomer mit zwei Longplayern. Wie kamt ihr auf die Idee, ein Live-Album zu machen?
Ich war immer ein großer Fan von Live-Alben. Bevor das Internet aufkam, kaufte ich mir immer Konzertfilme auf DVD, weil ich sehen wollte, wie die Bands ihre Konzerte spielen. NIGHT DEMON sind bekannt für ihre Live-Qualitäten, also wollten wir das richtig festhalten. Eine Menge Leute sagen, dass es zu früh sei. Ich denke, dass sie es weniger feststellen, als vielmehr es fragen. Aber wir haben eine EP, die zwei Jahre vor unserem Debüt herauskam und wir spielen diese Songs immer noch live, also sind es für mich drei Veröffentlichungen. Es sind 92 Minuten Musik und wir spielten fast alle unsere Songs. Das heißt, dass wir einen Konzertabend mit unseren Songs füllen können.
Ich konnte es kaum abwarten, den aktuellen Stand der Band festzuhalten. Wenn man das Live-Album später macht, hat man weniger Songs von den frühen Alben. Zu dem Zeitpunkt ist man eine andere Band. Unser Ziel war es, die Band zum jetzigen Zeitpunkt einzufangen.
Ich bin stolz darauf, mehr als auf unsere Studioalben. Die Energie und das Gefühl ist da. Man fühlt sich so, als ob man da wäre. Wir haben wirklich hart daran gearbeitet, die Mikrofone über dem Publikum zu platzieren. Als Fan von Live-Alben habe ich eine gute Vorstellung davon, wie es klingen sollte.
Andere Bands können eine ganze Tour aufnehmen und dann die beste Show veröffentlichen. Wir hatten nur einen Take, also haben wir vorher eine ganze Menge geprobt, um sicherzustellen, dass wir gut spielen.
Wo du jetzt gerade davon sprichst, dass ihr nur einen Take für die Show hattet, muss ich natürlich noch nachhaken, ob ihr das Album im Studio nachbearbeitet habt.
Um ehrlich zu sein, wir haben es versucht, aber es hat nicht funktioniert. Da waren einige Fehler, die wir im Mix ausbessern wollten. Aber wir hatten unsere Mikrophone mitten im Raum. Man konnte die Fehler also immer noch über die Publikumsmikrofone hören, wenn wir das aus dem Mix raus genommen haben. Bei jedem Album, das man macht, sind Dinge drauf, bei denen man sich denkt: „Das kann ich besser.“ Aber das ist nicht so dramatisch.
Warum habt ihr euch für ein Doppelalbum mit einer Länge von 90 Minuten entschieden, in dem ihr fast alle eure Lieder spielt, anstatt ein Album mit einer „normalen“ Länge von 40 Minuten zu produzieren?
Das hätte man auch machen können, aber wir spielen Sets mit einer Länge von mindestens 75 Minuten und wir haben ein besonderes Publikum in Cleveland und da dachten wir uns: „Hey, lasst uns doch alle Songs spielen, die wir rausgebracht haben.“ Wir haben auf der Show sogar noch ‚Wasted Years‘ am Ende gespielt, aber dann haben wir uns dafür entschieden, keinen MAIDEN-Track auf das Album zu packen. Wir wollten unser eigenes Ding machen und nicht MAIDEN als Verkaufsargument benutzen. Um zur Frage zurückzukommen: Es war der ursprüngliche Plan ein Oldschool-Live-Album zu machen, das auch die Länge eines vollen Konzertes hat. Als Band wollten wir auch keinen auslassen. Wir denken, dass es das perfekte Set ist.
Das Konzert in Cleveland war das erste in der Geschichte von NIGHT DEMON mit einem offiziellen Gastauftritt. Warum habt ihr mit ‚Evil Like A Knife‘ ausgerechnet einen MIDNIGHT-Track gespielt?
Ich bin ein großer Fan der Band. Wenn ich mir ihre Songs anhöre, frage ich mich oft, wie sie mit cleanem Gesang klingen würden. Wie der Song klingt, wenn wir ihn als NIGHT DEMON covern würden. Und als wir das Live-Album planten, haben wir diese Überlegungen weiter verfolgt. Cleveland ist die Heimatstadt von MIDNIGHT und daher schien es perfekt. Da hatten wir die Idee: Hey, lasst uns doch die Strophen aufteilen und das hat es wirklich interessant gemacht.
Ich höre mir eine Menge None-Clean-Singing-Bands an, die wirklich gute Musik haben. Wenn ich sie mir in meinem Auto anhöre, singe ich die Songs nicht, wie sie es tun. Aber ich glaube, dass da ein Konzept hinter steckt. Bei MIDNIGHT, da gibt es eine Menge cooler Rock ‚N‘ Roll-Riffs und das ist stilistisch völlig offen. Es war ein erfolgreiches Experiment und die Tatsache, dass es ein Live-Track ist, macht es cooler. (lacht)
„Alive!“ und „Made IN JAPAN“ bedeutete für die jeweiligen Bands ihren Durchbruch. Denkt ihr, dass euch dasselbe mit „Live Darkness“ geschehen kann?
Es ist lustig, wir haben darüber gesprochen. Wir hoffen, dass es das sein könnte, aber ich denke, dass es uns die Zeit zeigen wird. Aber das Hauptziel ist es, unsere bestehenden Fans zu versorgen und nicht eine größere Band zu werden. Wir haben 2014 mit dem Touren angefangen. Seitdem haben wir über 600 Shows gespielt. Die Leute erzählen uns, dass sie uns live lieben. Und für diese Leute ist das Album. Und es für den jetzigen NIGHT DEMON-Fan, dass soll DIE Veröffentlichung sein, die er sich zuhause anhört. Denn auf dem Album spielen wir die Songs mit der Energie, mit der wir sie im Kopf hatten, die wir um Studio allerdings nicht einfangen konnten. Ich kann mir „Curse Of The Damned“ und die EP nicht mehr anhören, weil es nicht mehr dieses Tempo und diese Energie hat. Die Alben haben ihre Daseinsberechtigung und fangen den damaligen Stand der Band ein, aber so spielen wir die Songs live nicht, was ein guter Grund für ein Live-Album ist.
Es geht uns bei dieser Platte nicht darum, groß herauszukommen, sondern die NIGHT DEMON-Fans zu bedienen. Natürlich wollen wir mehr Fans, aber wir haben eine Menge Möglichkeiten, das zu tun. Wir geben unser Bestes und das funktioniert auch. Aber das Beste ist, wenn du auftauchst und jemand ein NIGHT DEMON-Shirt bei einer Show trägt. In Amerika ist es eine unausgesprochene Regel, dass man nicht das Shirt einer Band trägt, die man sich angucken wird, was idiotisch ist. Aber hier in Deutschland macht man es und es wirkt so, als ob man Teil einer Gang wäre. Auf Festivals spielen wir mit einem Haufen Bands wie den DEAD DAISIES oder wen auch immer und mit den Shirts drücken die Leute aus: „Nein, scheiß auf diese Bands. Wir sind Teil der NIGHT-DEMON-Gang und hier, um sie zu supporten“ Das ist richtig cool für uns. Das bedeutet uns mehr als in die Stratosphäre zu kommen und ein paar Gelgenheits-Musik-Hörer für uns gewinnen zu können.
In den letzten Jahren gab es verstärkt gute Heavy-Metal-Newcomer aus den Vereinigten Staaten. Wie denkst du darüber, wenn jemand NIGHT DEMON als Anführer einer New Wave Of American Heavy Metal-Bewegung bezeichnen würde?
Ich würde wohl zustimmen. Es gibt eine Menge großartiger Bands, die schon vor uns da waren. Aber wir zählen uns da nicht zu, weil wir härter arbeiten, als andere Bands. Das ist okay, weil andere nicht mehr geben können oder wollen, weil sie auch noch ein anderes Leben haben. Für uns ist es das pure Überleben. Die Big Four für mich sind MIDNIGHT, HIGH SPIRITS, VISIGOTH und NIGHT DEMON. Das sind die Bands, an die man sich erinnern wird. Es gibt aber auch eine Menge anderer guter Bands, z.B. SAVAGE MASTER und HAUNT mit den Jungs von BEASTMAKER. Ich hoffe, dass mit diesen Big Four was passieren wird. Wir reden gerade darüber, etwas zu machen und es rüber zu bringen.
Kannst du uns einige US-Bands empfehlen, die noch nicht den Sprung nach Europa geschafft haben?
Das ist hart, weil die bereits genannten Bands schon hier waren. Da gibt es eine Band aus der Bay Area: HELLFIRE, die sind ziemlich cool. BLADE KILLER aus L. A., aber die haben schon in Schweden gespielt. SATAN’S HOLLOW, die waren aber schon auf dem Keep It True, aber das ist halt der Punkt.
Im Interview mit dem Deaf Forever hast du gesagt, dass es für NIGHT DEMON einen Zehn-Jahres-Plan gibt und ihr nach Ablauf dieser zehn Jahre guckt, ob ihr euch auflöst. Das klingt für mich so, als ob ihr denkt, dass NIGHT DEMON ein Ablaufdatum haben.
Wann immer wir etwas mit NIGHT DEMON machen, dann machen wir es so, wie wir es von unseren Lieblings-Bands erwarten würden. Wir kritisieren diese Bands oft, natürlich nicht in der Presse, und dabei lernen wir für uns. Wir wollen versuchen perfekt zu sein und aus den Fehlern unserer Helden zu lernen. Als ich mir meine Top-Ten-Bands angeguckt habe, war bei den meisten nach vier, fünf Alben die Luft raus. Und danach ging es abwärts, aus welchen Gründen auch immer. So soll es bei uns nicht laufen. Deswegen haben wir vereinbart, dass wir uns an einer EP und vier Studioalben in dieser Arbeitsintensität versuchen und dann Abstand nehmen und uns dann überlegen, was wir machen werden. Ich will keine 15 Alben machen und dann immer nur die Klassiker und vielleicht zwei Songs von der neuen Platte spielen. Und wenn dann der Nachfolger kommt, hat diese Platte anscheinend nie existiert. Sie mag zwar gut sein, aber niemand interessiert sich für sie. Ich denke, dass viele große Bands nur noch Platten machen, damit sie einen Grund haben, um auf Tour gehen zu können. Wir wollen nicht so eine Band werden. Wir wollen nur neue Musik rausbringen, wenn die Qualität stimmt. Das muss nicht mal ein ganzes Album sein, sondern manchmal nur eine Single, die die Leute hören wollen.
Wenn Bands diese Marke überschreiten, dann war es das. Sie sind große Bands geworden und dann heißt es an dem Punkt: „Scheiße, wir müssen das am Laufen halten.“ Sie haben den Druck, neue Musik machen zu müssen. Vier Alben oder zehn Jahre, siehe IRON MAIDEN. Das ist meine Theorie, ich versuche nur von den Meistern zu lernen.
Manche Leute sagen: „Ich denke, ihr werdet die nächste große Band.“ Und wir denken uns: „Wenn sich das für dich so anfühlt, warum sagt ihr es gerade jetzt?“ Denn jetzt sind wir auf dem Höhepunkt unseres Schaffens. Genieß das jetzt und pack uns nicht auf ein Podest. In zehn Jahren headlinen wir vielleicht ein Festival. Doch jetzt sind wir die beste performende Band auf dem Festival. Wir spielen bessere Shows als die Headliner. Zusammen mit den drei anderen Bands, die ich genannt habe.
Eigentlich ein schönes Schlusswort, dennoch muss noch die Neugier nach dem neuem Album befriedigt werden.
Wir touren bis Anfang November. Dann fahren wir nach Hause und schreiben und nehmen das Album auf und dann sehen wir uns wieder. Ich hoffe, dass der Prozess nicht zu lange dauert, aber wir haben zwei starke Alben und da ist definitiv ein Druck, sich nicht zu wiederholen, sich aber auch nicht zu sehr zu verändern. Wir spüren den Druck.