Nevermore
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Interview

Das Warten hat ein Ende: NEVERMORE veröffentlichen Ende Mai ihr neues Album "The Obsidian Conspiracy". Metal.de führte einen kleinen Plausch mit Sänger Warrel Dane, brachte Details über einige seiner Texte in Erfahrung – aber auch seine Ansichten zu der Tatsache, dass scheinbar nicht die gesamte Journalistenschar in Euphorie verfällt.

NevermoreWarrel (auf Deutsch): Hallo, kann ich sprechen mit Heiko?

Ja, ich bin am Telefon. Hallo, Warrel, ich hoffe, es geht dir gut.

Es geht mir sehr gut, Danke.

Fünf Jahre sind vergangen, endlich hat das Warten ein Ende. Hast du schon ein paar Reaktionen zu „The Obsidian Conspiracy“ erhalten? Wie sind sie ausgefallen?

Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Die Leute finden die Scheibe entweder scheiße oder großartig (lacht). Ich kann da nicht objektiv sein, deswegen bin ich mir nicht sicher.

Ich bin auf der Seite derer, die sie toll finden.

Ok, gut (lacht).

Ich finde, es ist ein großartiges Album geworden. Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, stand gerade die Veröffentlichung deines Soloalbums an. Du sagtest damals, dass dir deine Erfahrungen dort definitiv bei der neuen NEVERMORE-Scheibe helfen würden. Das scheint sich bewahrheitet zu haben. Bei „This Godless Endeavor“ musstest du noch gegen große Gitarrenwände ansingen, gegen die sich deine Stimme manchmal nur schwer durchsetzen konnten. Das ist diesmal anders.

Da hast du Recht. Es war Jeffs Idee, Songs zu schreiben, die ein bisschen simpler sind und einfacher für mich zu singen. Es ist also alles seine Schuld. Vielleicht muss ich beim nächsten Mal ja wieder gegen die Gitarrenwand kämpfen, das ist diesmal ein wenig anders, das stimmt.

Manche Leute vergleichen das neue Album mit deiner Solo-Scheibe.

Wirklich?

Ja, sie sagen, die neuen NEVERMORE-Songs seien eindeutig davon beeinflusst. Peter Wichers hat ja auch die neue Scheibe produziert.

Ah, vielleicht sagen sie das deshalb (lacht).

Andy Sneap hat sich diesmal um den Mix gekümmert richtig?

Ganz genau.

Ich hatte beim ersten Hören sofort dein Eindruck, dass die Songs immer noch eine deutliche Andy Sneap-Handschrift tragen.

Das ist immer so, wenn Andy Sneap involviert ist. Die Scheibe klingt dann automatisch nach ihm.

Welche Rolle hat Peter denn bei den Aufnahmen gespielt?

Nun, wir sind schon lange mit Peter Wichers befreundet. SOILWORK haben uns auf einer unserer Tourneen begleitet, und wir wurden wirklich gute Freunde von ihnen, von der ganzen Band. Es besteht also schon seit langen eine gute Verbindung zwischen uns und ihm. Als ich mich entschieden habe, eine Soloscheibe zu machen, habe ich mit ihm gesprochen und habe gesagt: „Ich verehre dein Songwriting, lass uns doch mal was zusammen machen.“ Er hat damals ja gesagt und von daher wusste ich, wie es ist, mit ihm zu arbeiten, und wusste auch, dass er ein guter Produzent für NEVERMORE sein würde.
Einfluss aufs Songwriting und dergleichen hatte er jedoch nicht.

Trotz der vordergründig vorhandenen Eingängigkeit der neuen Songs haben die Nummern immer noch viele versteckte Melodien und Strukturen, die man erst beim dritten oder vierten Durchlauf entdeckt.

Das ist aber nicht absichtlich passiert. Der Fokus war schon eher auf die Eingängigkeit ausgerichtet. Das ist bei NEVERMORE aber immer so. Manchmal fühlt es sich so an, als könnten wir überhaupt nicht kontrollieren, was da für Songs entstehen. Mir ist das selbst manchmal unheimlich, haha.
Aber eines glaube ich schon, nämlich, dass wir uns nie wiederholt haben. Wir haben kein Album zweimal gemacht. Manche Leute haben damit offenbar ein Problem. Wiederum andere hätten eines damit, wenn wir uns nicht verändern würden. Ist das nicht verrückt? (lacht)

„This Godless Endeavor“ hatte trotz seines hervorragenden Gesamteindrucks einige Highlights. „Born“ zum Beispiel oder den Titelsong…

„Born“ ist für uns vielleicht der beste Live-Song, den wir je geschrieben haben. Die Leute gehen vollkommen steil auf die Nummer. Hast du das Wacken-Video zu „Born“ gesehen?

Das habe ich in der Tat. Die Masse an Körpern in der Luft, das ist schon beeindruckend.

Das war atemberaubend.

Hast du einen Lieblingssong von der neuen Scheibe?

Jeder einzelne.

Also geht’s dir wie mir. Du kannst dir keinen Favoriten herauspicken?

Mein Lieblings-NEVERMORE-Song aller Zeiten ist „Dreaming Neon Black.“ Von der neuen, wenn ich mich festlegen müsste, ist es „Moonrise.“ Ich könnte dir jetzt von jedem Album meinen Lieblingssong nennen, haha.

Der Song „And The Maiden Spoke“…

…ha, das ist auch einer meiner Favoriten

….der erinnerte mich ein wenig an „Dreaming Neon Black“, vom Text her.

Ja, das sagt Jeder. Keine schlechte Sache, finde ich.

Worum geht es in dem Song?

Also, während der Aufnahmen zu This Godless Endeavor auf Andy Sneaps Farm in England, haben wir dort in dem Haus gewohnt. Da spukt es. Ich so „ja nee, is klar“. Ich habe dann mit Andys Mutter und mit seiner Freundin gesprochen und beide haben gesagt: „Es stimmt, hier spukt es“. Ich sagte: „Ihr verarscht mich doch“. Helen, Andys Freundin meinte dann, dass man dort manchmal nachts hört. wie sich die Stühle im Untergeschoss, in der Küche bewegen. Ich hab’s natürlich nicht geglaubt. Eines Tages bin ich aber so um drei Uhr morgens aufgewacht und habe es gehört. Ich habe mich dermaßen erschrocken, dass ich runter gerannt bin, um zu schauen, ob da jemand war. Doch da war niemand. Dann bin ich wieder nach Oben. Und es passierte wieder. Da lebt also ein sehr intelligenter Geist, haha.

Es ist also eine Geistergeschichte. Es hat ja auch teilweise diesen geisterhaften Anstrich, den man von NEVERMORE schon kennt.
The Blue Marble And The New Soul erinnert mich ein wenig an die psychedlischen Songs aus den 60ern. War das Absicht?

Nein, das war keine Absicht, ist aber ein großartiges Kompliment für mich.

Du bist ja ein großer Fan dieser Dekade.

Ja, richtig, ich habe manchmal das Gefühl, zu spät geboren worden zu sein. Meine Schwestern sind alle viel älter als ich. Die sind in der Zeit aufgewachsen. Ich war leider zu klein dafür. Sie haben mir diese ganzen Sachen dann vorgespielt, als ich ein wirklich ganz kleiner Junge war. Dadurch habe ich mich auch in SIMON AND GARFUNKEL verliebt. Und in die BEATLES. Und in diese ganze alte Musik.

Es stehen ja jetzt ein paar Festival-Shows an. Wisst ihr schon, welche Songs ihr vom neuen Album spielen werdet?

Auf jeden Fall „Termination Proclamation“, „Moonrise“, „Your Poison Throne“, „And The Maiden Spoke“ und „The Obsidian Conspiracy“. Manchmal werden wir da ein bisschen was austauschen, je nachdem, wie viel Spielzeit wir haben. Die Scheibe wird ja dann bald draußen sein. Außerdem ist die ja eh schon im Internet aufgetaucht.

Das ist schade. Manche nutzen das Vertrauen, dass die Labels in sie stecken ein klein wenig aus.

Daran wird man allerdings nichts ändern können.

In den letzten fünf Jahren ist ja einiges passiert. Einige Ereignisse könnten vielleicht auch euer Songwriting beeinflusst haben. In welchem Zeitraum sind die Songs denn entstanden?

„She Comes In Colors“ haben Jeff und ich schon vor fast zehn Jahren geschrieben. Wir hatten ihn schon beinahe vergessen und er hat mich eines Tages angerufen und mit tiefer, bedrohlicher Stimme gesagt „Wir müssen diesen Song verwenden“. Er klang wie Peter Steele. (lacht).
Der Rest ist im Studio entstanden. Manchmal spare ich mir die Dinge auch auf und weiß oftmals nicht, wie die Songs klingen, bis ich vorm Mikro stehe und es aus mir heraussprudelt. Ich vergesse dann auch schonmal meinen Stift oder mein Notizbuch, was aber gar nichts weiter ausmacht. So haben wir das eigentlich schon immer gemacht.

Also sitzt ihr nicht für ein paar Monate da, sprecht über die Songs und geht die Sache dann an.

Nein. Als wir angefangen hatten, ging alles sehr schnell.
(hustet): Es ist eine schlechte Jahreszeit für Allergiker. Die Pollen hier in Deutschland sind sehr unangenehm.

Das Wetter ist ohnehin nicht so dolle. Es ist Mai, die Sonne sollte scheinen, und stattdessen…

…da hast du Recht, aber das Wetter hier in Dortmund ist fast genauso wie in Seattle, wo ich herkomme. Von daher fühle ich mich in Deutschland immer wie zu Hause.

Das hat sicher auch mit den Leuten zu tun, die du hier triffst.

Ich habe so viele Freunde hier. Viele besondere Freunde, die ich seit vielen Jahren kenne. Auch hier bei der Plattenfirma, aber nicht nur da.

Eure Art Musik ist in Deutschland eh viel angesagter als in den USA.

Natürlich. Diese Art Metal ist ein den USA nicht wirklich sehr relevant. Da geht es nur im Metalcore. Schreien halt. Nein, falsch, man muss in den Strophen rumschreien und dann muss man plötzlich gay und fröhlich werden und in den Refrains wird gesungen. Für eine Metalcore-Band wäre es also innovativ, den Spieß mal rumzudrehen, haha.
Ich liebe aber KILLSWITCH ENGAGE. Auch wenn ich das vielleicht nicht zugeben sollte.

Ich mag die auch ganz gerne. Ein paar mehr Gitarrensoli dürften sie haben. Ich liebe so ein Gefiedel, und ich liebe auch das, was Jeff macht.

Davon gibt es im Metal heutzutage eh zu wenig.

Die Texte stammen sicher ausnahmslos von dir.

Das tun sie, ja.

Hat ein Song eine besondere Bedeutung für dich?.

Auf jeden Fall „The New Marble And The New Soul“. Der hat eine starke Bedeutung für mich. Einer meiner Freunde ist kürzlich Vater eines kleinen Jungen geworden. Und als ich diesen Jungen getroffen habe, ist der Text entstanden. Denn er ist etwas Besonderes. Ich kann dir nicht sagen, wessen Kind das war, du würdest ihn sofort kennen, haha.

Du magst also Kinder.

Ja. Natürlich. Wie kann man keine Kinder mögen?

Es gibt durchaus Leute, die keine Kinder mögen, ich kenne einige persönlich.

Furchtbare Menschen müssen das sein. Wir alle waren mal Kinder, wie kann man also keine mögen? Das ist doch schlimm. Der Junge jedenfalls, von dem ich gerade sprach, sein Name ist Leo, er hatte einfach etwas, was mich magisch anzog. Er war gerade erst geboren worden, drei Monate alt glaub ich. Als ich ihn gesehen habe, habe ich den Text zu dem Song komplett geändert.

Wir sind schon fast am Ende. Ich freue mich auf die Live-Shows, auch auf die weiteren Reaktionen zum Album. Was war denn der Hauptkritikpunkt derjenigen, die es nicht so toll fanden?

Einer hat gesagt, es klänge zu sehr nach „Enemies Of Reality“. Oder zu sehr nach Jeff’s Soloalbum, oder auch nach meinem wie du gesagt hast. Die guten Reviews sind großartig, die schlechten sind leider recht vernichtend. Das macht aber nichts. Uns gefällt die Scheibe. Jeff und ich haben uns heute darüber unterhalten. Ihm gehen schlechte Kritiken oft sehr nahe und er sagt dann oft mal „Oh nein“. Man kann es aber nicht jedem Recht machen.

Ich glaube, dass die Alben, die polarisieren, manchmal die besten sind für diejenigen, die sie mögen.

Genau, und das scheint auch der Fall zu sein, also haben wir wohl etwas richtig gemacht.

Vielen Dank, Warrel für das Interview, ich hoffe wir sehen uns bei einem eurer Konzerte.

Gern gesehen. Es war sehr nett mit dir zu sprechen, ich hoffe auch, das wir uns sehen.

14.05.2010

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