Nevermore
Nevermore
Interview
Mit dem neuen NEVERMORE Longplayer "This Godless Endeavor" wurde ein Meisterwerk auf die Menschheit losgelassen, auf das die Musikwelt knappe zwei Jahre gespannt wartete. Und das Warten hat sich gelohnt! NEVERMORE knüpfen nicht nur an das beängstigend hohen Niveau der letzten beiden Alben an, sondern sie schaffen es noch einen draufzusetzen. Herausgekommen ist eines der besten und komplexesten Metal-Alben der letzten Jahre und ein Referenzwerk, über das man noch lange sprechen wird. Klar, das Gitarrist Jeff Loomis mit so einem starken Album im Rücken entspannt und gut gelaunt nach den ersten überstandenen Festivals bei mir durchklingelt.
Das Verrückte ist, dass NEVERMORE sich mit jedem Album verändern. Die Songs scheinen vielschichtiger zu sein, so wie wir mit der Zeit auch zu besseren Songwritern gereift sind. Wir planen ja nie wirklich wie eine Platte im Vergleich zu den Vorgängern klingen wird. Das ist halt irgendwie Herzenssache. Ich denke, dass die neue Scheibe definitiv sehr aggressiv, auch im Vergleich zu den Vorgängern ist. Natürlich war die Zusammenarbeit mit Andy Sneap mal wieder traumhaft, mit ihm laufen die Sachen einfach. Es war alles irgendwie wie „Dead Heart In A Dead World“ Part 2. Ich denke das Songwriting auf der neuen Platte ist sehr cool. Viele eingängige Refrains, viel facettenreicher. Facettenreich, weil wir einige Sachen geändert haben. Früher schrieb ich die Musik oft im Alleingang, während sich Warrel um die Texte gekümmert hat. Diesmal hat die gesamte Band beim Songwriting mitgewirkt. Ich habe sechs Songs geschrieben, Steve (Smyth, g -rk) hat drei Songs geschrieben und Jim (Sheppard, b -rk) hat einen Song geschrieben. Das macht die Platte so vielschichtig anzuhören.
Wie kann man sich den Prozess des Songwritings im Hause Nevermore denn vorstellen? Fällt dir die Ausrichtung eines Songs schon während dem Schreiben auf oder erst wenn er als Ganzes steht?
Weißt du, NEVRMORE hatten immer eine bestimmte Formel, nach der wir unsere Musik schreiben. Normalerweise befinde ich mich in meinem Kellerstudio und fange mit der Grundidee an. Nach einer gewissen Zeit, wenn die Ideen ausgereift sind, präsentiere ich Warrel den ganzen Song. Normalerweise, wenn er den Song mag, fängt er an den Text dafür zu schreiben. Manchmal gibt es Probleme mit den Arrangements. Wenn der gesamte Song mitsamt seiner Struktur dann einmal steht, kommt er mit in den Proberaum, wo wir ihn dann als Band jammen. Und wenn der Song sich dann gut anfühlt, dann behalten wir ihn. Und wenn nicht, dann schmeißen wir ihn weg und probieren etwas anderes. Es kommt im Endeffekt darauf an, ob sich ein Song in unseren Ohren gut anhört und uns gefällt. Entweder er gefällt uns oder wir werfen ihn weg. So einfach ist das. (lacht)
Was beeinflusst dich, wenn du Songs schreibst? Lässt du dich von alltäglichen Sachen wie beispielsweise deinem Gemütszustand oder den Nachrichten beeinflussen? Beeinflussen dich Bandkollegen oder Bands mit denen ihr auf Tour ward?
Da ist sicher für jeden in der Band unterschiedlich. Bei mir persönlich hat es manchmal, wie du schon gesagt hast, mit dem Wetter oder wie ich mich gerade fühle, wenn ich aufgestanden bin zu tun. Generell versuche ich keine andere Musik zu hören, während ich an Songs für ein Album schreibe. Ich packe dann alle meine CDs weg und versuche mich darauf zu konzentrieren, was ich zu dieser Zeit fühle. Ich möchte ja nicht wie irgendjemand anderes klingen, ich versuche immer so ursprünglich wie möglich zu sein. Wenn ich mir heftigeres Zeug wie etwa MESHUGGAH reinziehe, beeinflusst das natürlich schon ein bisschen. Aber es ist für mich eher eine Inspiration als eine Beeinflussung. Eine Inspiration mich hinzusetzen und Gitarre zu spielen. So wie ich mich an diesem bestimmten Tag fühle, so hört sich auch die Musik an, die dabei herauskommt. Eines Tages fühlte ich mich wegen irgendwas nicht gut und ich schrieb „Sentient 6“. Ich setzte mich hin und schrieb den Song am Klavier, was ich noch nie zuvor gemacht hatte. Da war es wirklich meine Stimmung, die bestimmte wie sich der Song jetzt anhört.
Was ist denn mit Bands, mit denen ihr auf Tour gewesen seid? In der Vergangenheit ward ihr lange mit SOILWORK oder ARCH ENEMY unterwegs, in naher Zukunft werden es unter anderem DREAM THEATER und MEGADETH sein. Wird man da als Songwriter nicht beeinflusst, wenn man mit großartigen Musikern und Songwritern viel Zeit miteinander verbringt?
Ja, das tut es wirklich. Wen du mit Mike Amott oder seinem Bruder Christopher unterwegs bist, verbringst du jede Menge Zeit miteinander. Du kannst dich dann mit der anderen Person hinsetzen und von ihm jede Menge Sachen lernen. Das ist wirklich fantastisch! Die von dir angesprochene Gigantour wird der absolute Killer! Ich habe mich vor ein paar Wochen mit John Petrucci und Dave Mustaine in New York getroffen und wir haben darüber gesprochen, wie geil es werden wird von den anderen Jungs zu lernen. Das wird bestimmt eine sehr coole Lernerfahrung. Vielleicht lerne ich ein paar Licks oder ein paar neue Techniken von den anderen. Wenn du mit solchen Typen auf Tour bist, dann fließt die Inspiration meistens und du hast immer die Möglichkeit Neues zu lernen.
Du freust dich richtig auf die Tour, oder? (Es werden neben NEVERMORE, DREAM THEATER und MEGADETH noch FEAR FACTORY, THE DILLINGER ESCAPE PLAN, LIFE OF AGONY, ANTHRAX u.a. auftreten)
Ja, sehr sogar. Die Tour beginnt am 21. Juli, also sehr bald (Das Telefonat fand zwei Tage vor Tourstart statt – rk) und geht bis Mitte September. Wir spielen in jeder größeren Stadt in den Staaten. Das richtig coole an der ganzen Sache ist, dass NEVERMORE in den Staaten zum ersten Mal die Chance bekommt vor größerem Publikum, in den großem Arenen zu spielen. Bislang haben wir nur Clubshows vor maximal 1000 Leuten gespielt. Die Tour könnte uns die Chance geben in den Staaten noch eine Nummer größer zu werden.
Lass uns über Steve Smyth, den neuen Gitarristen reden. Auf den letzten Alben hast du alle Gitarren alleine eingespielt, diese Aufnahmen waren die ersten mit Steve. Erzähl mir ein bisschen über die Person, den Bandkollegen und den Gitarristen Steve Smyth. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
In der Vergangenheit fragten uns viele Leute, warum wir immer so viele verschiedene Gitarristen hatten. Manche dachten, es wäre eine festgeschriebene Regel den Gitarristen zu wechseln, oder sie dachten, dass ich eine Bedrohung für die anderen Gitarristen wäre. (lacht)
Aber das ist nicht wahr. Wir konnten einfach nie den richtigen Mann für die Band finden. Steve ist ein langjähriger Freund von uns. Es gab einige Probleme zwischen ihm und TESTAMENT. Er hatte früher schon angemerkt, dass es cool wäre eines Tages vielleicht mit mir in einer Band zu spielen. Eigentlich rief ich ihn nur an, fragte ob er denn bei uns einsteigen möchte, und er sagte ja. Wir genießen es wirklich ihn in der Band zu haben und mit ihm zu arbeiten. Wir ergänzen uns wirklich gut. Und zu alledem ist er eine sehr coole Person, sowohl privat als auch auf Tour. Und er hatte innerhalb der Band bezüglich der neuen Platte wirklich was zu sagen. Er ist wirklich in allen Belangen ein toller Typ und ich bin echt froh ihn als festes Mitglied in der Band zu haben.
Was sind denn die Vor- und Nachteile alleine oder im Team zu arbeiten?
Nun, wenn man alleine arbeitet, kann es sein, dass du dich beim Songwriting in eine Sackgasse manövrierst. Sachen können anfangen sich zu ähneln, wenn du Song nach Song schreibst. Manchmal sagt Warrel zu mir: „Mann Jeff, dieser Song hört sich genauso wie der letzte an, den du geschrieben hast“. Wenn du mit einem zweiten Gitarristen zusammenarbeitest, ist es so, als ob ein neuer Maler mit an deinem Gemälde arbeitet. Alles hört sich sehr verschieden und vielfältig an – das ist wohl der größte Vorteil mit einem anderen Gitarristen zusammenzuarbeiten. Das bringt einfach mehr Farbe und Abwechslung in da Album.
Ihr habt erst kürzlich das Video zu „The Final Product“ abgedreht. Was dürfen wir erwarten?
Ja, wir haben das vor etwa zwei Wochen in Los Angeles gedreht. Es wird jede Menge cooler, visueller Effekte zu sehen geben. Wir hatten sogar einen alten Schauspieler mit dabei, der wie Boris Karloff aussah. Ich kann nicht so viel über die Effekte erzählen, nur so viel, dass eine Bedeutung dahintersteckt, vor allem in Bezug auf den Text. Es gibt also die Effekte, aber der Rest, so etwa 70 Prozent werden Bandperformance und Nahaufnahmen ausfüllen.
Als Coverversion habt ihr euch dieses Mal Ozzys „Revelation – Mother Earth“ ausgesucht. Nach welchen Gesichtspunkten sucht ihr denn einen solchen Song aus? Mögt ihr den Song, wollt ihr ihm huldigen oder ihm gar neues Leben einhauchen?
Wir haben „Revelation – Mother Earth“ eigentlich so nah wie möglich am Original aufgenommen. Wir haben nichts verändert, so wie wir es in der Vergangenheit mit dem Simon&Garfunkel-Song getan haben. Man kann es nicht mit Randy Rhoads aufnehmen, er ist einfach ein Gott! Wir sind mit der Soundqualität dem Original so nahe gekommen, dass es uns fast schon Angst gemacht hat. Und das wollten wir auch genau so. Der Song wird allerdings vorerst nur als Bonustrack auf der Japan-Edition zu hören sein.
Was sind denn eure Pläne für den Rest des Jahres?
Wie schon erwähnt sind wir von Juli bis September auf der Gigantour unterwegs. Wir werden drei verschiedene Sets spielen, die eigentlich nur als eine sehr ausführliche Probe dienen, bevor wir dann nach fünf Tagen Pause für eine Headlinertour nach Europa kommen werden.
Die letzten Wochenenden ward ihr auf den Festivalbühnen Europas unterwegs.
Letztes Wochenende waren wir auf dem Graspop, davor auf dem Bang your head. Das war beides sehr cool. In Balingen gab es ja einige Probleme mit dem Wetter. Es gab einen Mini-Tornado. Es regnete golfballgroße Hagelkörner. Das hat irgendwie die PA ruiniert und alle Bands am nächsten Tag wurde der Set gekürzt. Wir spielten nur etwa 20 Minuten. Wir mussten auf die Bühne, der Typ kündigte uns schon an, und meine Gitarre funktionierte noch nicht. Ich kam auf die Bühne und musste irgendwie improvisieren. Das sind Sachen, die passieren halt. Danach ging es besser und wir konnten unsere fünf Songs spielen und hatten eine gute Zeit und jede Menge Spaß.
Wie sieht es denn mit der schon lange geplanten DVD aus?
Wir hatten das schon vor einem Jahr geplant. Jetzt haben wir eine Kerl eingestellt, der viel von dem Scheiß filmt, den wir jetzt gerade machen. Erst der Videodreh und er wird uns auch auf Tour begleiten. Wir haben noch viel Material von Konzerten, müssen das nur noch zusammenstellen. Ich hoffe auf eine Veröffentlichung in den nächsten sechs bis sieben Monaten.
Und wie sieht es mit deiner Soloscheibe aus?
Das wollte ich schon immer mal machen. Ich war mit NEVERMORE einfach zu beschäftigt, es ist kaum möglich beide Sachen unter einen Hut zu bringen. Viel von der Musik habe ich schon geschrieben. Es ist hauptsächlich ein typisches Instrumental-Gitarrenalbum. Viele Fans wollen so etwas hören und ich wollte das schon meine Leben lang tun. Ich brauche nur die Freiheit dazu, hoffentlich habe ich die im nächsten Jahr.
Über die Inhalte der Texte kannst du mir wahrscheinlich nicht viel erzählen.
Nein, nicht wirklich. Aber manchmal ist es lustig, ich bekomme die Texte erstmals zu hören, wenn wir im Studio sind. Warrel schreibt seine Texte auch oft im Studio, er erfährt dort einfach Inspiration. Es ist unglaublich wie dieser Typ manche Sachen erfassen kann und sie dann auf einen Punkt bringt.
Das Cover ha dieses Mal Hugh Syme entworfen. Inwieweit ward ihr involviert?
Gar nicht. Warrel surfte durchs Internet und stieß auf die Seite von Hugh. Er wusste, dass Hugh bereits fantastische Arbeiten für RUSH oder MEGADETH abgeliefert hat. Das kleine Mädchen auf dem Cover ist übrigens seine eigene Tochter! Hinter dem Cover steckt aber keine tiefere Bedeutung. Aber es passt gut zu der Dunkelheit der Musik auf dem Album. Viele Leute dachten, wir hätten das Cover wegen seiner Ähnlichkeit zu dem „Into The Mirror Black“ Album gewählt. Und tatsächlich, wenn man die beiden nebeneinander legt, fällt einem die Ähnlichkeit auf. Probiert das mal zu Hause aus.
Alles klar. Wünsche dir eine erfolgreiche Tour, eine gute Zeit und bedanke mich recht herzlich für das Gespräch.
Kein Problem, wir sehen uns auf Tour.