Neon Nightmare
"Verwechsel fehlendes Talent nicht mit Künstlicher Intelligenz"

Interview

Wie bist Du denn an den speziellen Gitarrensound gekommen? War das schwer rauszuarbeiten?

Nicht wirklich, ich weiß, dass der Gitarren- und Bassklang von TYPE O NEGATIVE sehr einmalig ist. Und er ist sehr bemerkenswert. Ich mag den Chorus-Effekt, aber ich liebe den Bass- und Gitarrensound nicht unbedingt. Er ist irgendwie dünn. Das haben TYPE O NEGATIVE mit Absicht gemacht, sie wollten Raum lassen für die Keyboards und so, daher waren wir nicht nur darauf fokussiert den Klang nachzustellen. Wir haben nach einem moderneren, schwereren und klobigeren Gitarrensound gesucht. Was wir also gemacht haben ist mit dem Gitarrensound meiner anderen Band zu starten, dann haben wir den etwas optimiert und eine Chorus-Effekt draufgelegt.

Aber der Grund, warum NEON NIGHTMARE das TYPE O NEGATIVE-Jucken kratzen ist, und dessen bin ich mir sehr bewusst, das ist der Songwriting-Ansatz. Jeder kann versuchen den Gitarrensound hinzukriegen, jeder kann mit einer tiefen Bass-Stimme singen, komische und sexy Geräusche dbei machen, aber ich hab noch nicht gehört, dass jemand den Songwriting-Ansatz rausgeknobelt hat. Das ist ja grundsätzlich BLACK SABBATH „Paranoid“ plus THE BEATLES „Sgt. Pepper’s“ plus PINK FLOYD „The Dark Side Of The Moon“. Vielleicht noch ein bisschen New-York-Hardcore für TYPE O, aber daraus ziehe ich nichts.

Ich war also sehr damit beschäftigt, das Songwriting richtig hinzubekommen, mehr als den Gitarren-Sound.

Wenn man eine Platte von TYPE O NEGATIVE als Vergleich zu „Faded Dream“ heranzieht, dann wären das „October Rust“ und „World Coming Down“. Die Songs sind nicht mehr so experimentell wie am Anfang, und sind sehr direkt. Die Essenz dieser beiden Alben steckt auch in „Faded Dream“.

Das ist toll, meine beiden Lieblingsalben von TYPE O sind „October Rust“ und „World Coming Down“. (lacht)

„Faded Dream“ erschließt sich vielleicht besser, wenn man seinen „Gothic-Metal-Kanon“ kennt. Ich höre ein bisschen THE 69 EYES, etwas HIM, ein paar punkigere Einflüsse bisweilen. „They Looked Like Shadows“ kling ein bisschen wie LIFE OF AGONY. Hast du Dir ein bestimmtes Publikum vorgestellt, als Du das Album zusammengestellt hast oder war es nur der Sound, der zu Dir gekommen ist?

Alles davon. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht, bewusst und unbewusst. Ich habe Träume erforscht, das Unterbewusstsein, aber ich habe auch bewusst nachgedacht über bestimmte Strategien. Ich habe versucht es zu durchdenken, aber auch gar nicht drüber nachzudenken. Falls das Sinn ergibt.

Ich wusste, dass es Menschen auf der Welt gibt, die TYPE O NEGATIVE vermissen, genauso wie ich. Und dass dies für diese Menschen wäre. Also die Schlüssel-Demographie für mich hier drüben in den Staaten war: Ausschließlich-Gothic-Fan-Mädchen und schwer tätowierte Straight-Edge-Hardcore-Typen. Ich dache mir: Wenn wir die kriegen, dann ist es gut. Und sie schienen es zu lieben. Also bin ich glücklich.

Wenn Du komplett neu zu dieser Art Musik kommst, gerade fünfzehn, sechzehn Jahre alt, gerade mit Metal anfängst, dann könnte „Faded Dream“ schon so eine Art Türöffner sein. Richtung PARADISE LOST, MY DYING BRIDE und allem was danach kommt…

Es gibt ja eine Menge Bands über die man das sagen kann. Im Death Metal, wenn Du eine Band wie BOLT THROWER nimmst, die ja nicht mehr aktiv sind, dann haben wir jetzt FROZEN SOUL, die den Kids diesen Sound zeigen können und dann BOLT THROWER entdecken und von da weiter gehen. Ich finde das cool.

NEON NIGHTMARE

Du hast „Higher Calling“ an den Anfang der Platte gepackt. Es stellt ein vibrierendes Mobiltelefon dar, ziemlich nervig, aber passend zu „Skip It“ von der „World Coming Down“. Das ist ziemlich verstörend.

(lacht) Das stimmt. Wenn TYPE O NEGATIVE 2024 existieren würden, wie würden sie dann einen dieser Fake-Intro-Tracks machen? Ich habe einen Film geschaut und in dem Film hat ein Mobiltelefon vibriert und ich habe sofort nach meiner Tasche gegriffen. Da habe ich begriffen, dass wir alle einer Gehirnwäsche unterzogen sind. Wir sind alle krank, alle süchtig. Schön, dass das klappt. Es hat eine Menge Leute hereingelegt, die das Album gehört haben und ich liebe das. Ich verstehe, warum das TYPE O NEGATIVE so gekickt hat.

Du hast eine Single zu „Lost Silver“ rausgebracht. Warum hast Du dich für diesen Titel entschieden? Weil er typisch für das Album ist oder weil man den Song visualisieren kann?

Da sind einige Gründe. Ja, er repräsentiert das Album ziemlich gut. Und wir haben eine Strategie, welche Song zuerst veröffentlicht werden sollten. Und wir dachten, dass wir die extremsten Reaktionen bekommen, wenn wir die Songs zuerst bringen, die möglichst stark nach TYPE O NEGATIVE klingen. Wir haben richtig positive, aber auch richtig negative Reaktionen erhalten – genau das wollten wir. Wenn man sich aber das ganze Album anhört, dann sind die beiden für mich das größte Ripp-Off von TYPE O NEGATIVE. Aber wenn du das ganze Album hörst, dann erkennt man, dass es doch ein eigenes Ding ist. Aber wir wollten die größtmögliche Reaktion, positiv und negativ.

In negativen Kommentaren wurde ja besonders bemängelt, es sei „nur“ Kopie. Wie siehst Du das?

Ja, aber ich würde fragen: Nenne mir deine 10 Lieblingsbands und ich kann Dir sagen, wo sie sich bedient haben und warum sie nicht einzigartig oder originell sind. TYPE O NEGATIVE waren etwas originell, aber nur weil sie drei bestehende Elemente neu zusammengefügt haben. Sie haben BLACK SABBATH, THE BEATLES und PINK FLOYD mit ein paar anderen Sachen zusammengenommen. Es gibt so etwas wie „wahrhaft originell“ also nicht.

Gibt es ein übergreifendes, lyrisches Konzept auf „Faded Dream“? Ich habe da etwas gelesen von „wehmütige Sehnsucht nach der Vergangenheit, die von jugendlicher Aufregung und Staunen erfüllt war“…

(lacht) Ja, ich glaube, dass hat das Plattenlabel geschrieben. Also das ist schon passend. Also um eine sehr, sehr lange Geschichte kurz zu erzählen: Ich glaube das Grundthema ist, wie deine Träume verblassen. Ob dies nun persönliche Träume sind oder der amerikanische Traum, der Traum von einem friedlichen Planeten scheint zu verschwinden, die Hoffnung für die Menschheit scheint zu verblassen. Aber ich wollte es nicht deprimierend machen, ich wollte es lustig machen. Ich habe gerade „Die Sopranos“ gesehen. Ich habe das schonmal ganz durchgeguckt, als es rauskam, aber ich habe es nochmal angeschaut – und es ist eine Komödie. „Die Sopranos“ ist eine Komödie, weil das Leben eine Komödie ist. Der Tod kann lustig sein, die Sinnlosigkeit, wie blödsinnig wir mit schrecklichen und tragischen Dingen umgehen. Für mich ist das Leben eine tragische Komödie – und das ist, was das Album ist.

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Quelle: Interview mit Neon Nightmare am 09.10.2024
28.10.2024

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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