Ne Obliviscaris
Interview mit Tim Charles

Interview

Ne Obliviscaris

Mit „Citadel“ erscheint am 11. November der mindestens ebenbürtigen Nachfolger zum 2012er-Meisterwerk „Portal Of I“ der australischen Progressive Death Metal-Band NE OBLIVISCARIS. Wir haben mit Tim Charles, seines Zeichens Geiger der Truppe, über den Druck nach dem abgefeierten Debüt, Geigen im Metal und australische Klischees gesprochen.

Ne Obliviscaris

Zwischen eurem ersten Lebenszeichen „The Aurora Veil“ und dem ersten Studioalbum „Portal of I“ lagen ganze fünf Jahre. Nun seid ihr nach nur zwei Jahren zurück mit „Citadel“. Wie kommt es, dass ihr diesmal so schnell wart?

Als wir unsere erste Demo „The Aurora Veil“ aufgenommen haben, hatten wir ursprünglich vor, unser Debütalbum circa ein Jahr später folgen zu lassen. Dann passierten aber eine Menge Dinge, die die fünf Jahre Verzögerung verursachten. Wir verloren unseren Lead-Gitarristen und verbrachten fast ein Jahr damit, nach einem Ersatz zu suchen. Schließlich kam Benji aus Frankreich herüber um sich der Band anzuschließen. Es dauerte außerdem länger als geplant, das Geld zusammenzubekommen, damit wir das Album machen konnten, dass uns vorschwebte. Benji blieb zwischendurch aufgrund von Visa-Problemen 15 Monate in Frankreich stecken – es gab ein Problem nach dem anderen. Als „Portal of I“ dann endlich kurz vor der Veröffentlichung stand, waren wir alle etwas desillusioniert. Die Band hatte sich 2003 gegründet und wir hatten neun Jahre gebracht, ein einziges Album herauszubringen. Die Aussicht auf ein zweites Album schien uns zunächst sehr beängstigend.

Als „Portal of I“ dann aber auf den Markt kam, änderte sich alles. Die Rezeption des Albums war fantastisch und es war, als würde der Band neues Leben eingehaucht. Wir wollten plötzlich weitermachen und in den Zeiten, in denen wir nicht auf Tour waren, schrieben wir dauernd an neuer Musik, bis wir irgendwann genug Material hatten. Im Gegensatz zu früher gab es dieses Mal keine Rückschläge und es war uns möglich, das Ding zu schreiben, aufzunehmen und der Welt zu präsentieren. Wir sind sehr stolz auf das, was „Citadel“ am Ende geworden ist.

„Portal of I“ hat einige starke Rezensionen abgeräumt und euch eine Menge Aufmerksamkeit eingebracht. Hattet ihr das Gefühl, dieses Mal etwas besser machen zu müssen?

Am Anfang war das auf jeden Fall eine Sache, die uns beschäftigt hat. Wenn es Fans oder Journalisten gibt, die dein Album als Release des Jahres 2012 oder sogar als eines ihrer Lieblingsalben überhaupt handeln, ist die Idee etwas zu schreiben, was diese Leute noch mehr mögen, schon etwas überwältigend. Aber als wir dann begannen, die Musik tatsächlich zu schreiben, fielen diese Überlegungen einfach von uns ab.

Als wir begannen das Album zu schreiben, gab es zunächst keine Meetings in denen wir die Richtung der neuen Songs besprochen hätten. Wir haben einfach getan, was wir immer getan haben: So lange an der Musik schreiben, bis wir selbst damit glücklich sind. Wir waren damals auch sehr stolz auf „Portal of I“ und haben die Songs geliebt. Wir dachten uns auch diesmal: Wenn wir die neuen Songs lieben, werden Fans und Kritiker sie auch genießen können.

Wenn wir uns die Songtitel angucken fällt auf, dass ihr euch diesmal an einem Kapitel-System und langen, kryptischen Titeln versucht habt, wie man sie auch aus dem Progressive Rock kennt, während die Songs auf „Portal of I“ mehr oder weniger konventionell betitelt waren. Hängen die Songs auf „Citadel“ thematisch noch mehr zusammen?

Beim Schreiben des Albums fiel uns auf, dass einige der Ideen musikalisch sehr gut zusammenpassen und wir haben uns dazu entschieden, die Songs bewusst mehr zu verknüpfen und ineinander übergehen zu lassen. Darauf haben wir dann auch die Texte und Titel aufgebaut. Im Ganzen hängen die Songs auf „Citadel“ also definitiv mehr zusammen.

Hast du einen Lieblingssong auf dem neuen Album?

Ich kann mich nicht ganz entscheiden, welcher mein Lieblingssong ist, aber ich bin sehr stolz auf „Painters of the Tempest“. Ich finde, dass diese 23 Minuten einfach alles auffahren, was NE OBLIVISCARIS ausmacht. Es hat sehr lange gedauert, dieses Stück zu komponieren und ich bin gespannt darauf, was die Leute sagen, wenn sie es erstmal in voller Länge gehört haben.

Ist jedes Bandmitglied bei NE OBLIVISCARIS Teil des Songwriting-Prozesses?

Jeder ist zu unterschiedlichem Grad involviert. Den größten Einfluss hatte diesmal wohl unser Lead-Gitarrist Benjamin Baret. Er ist 2008 von Frankreich nach Australien gezogen um der Band beizutreten. Das klingt, als wäre es sehr lange her, aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon ¾ von „Portal of I“ geschrieben. „Citadel“ ist deshalb das erste Album, bei dem er von Anfang an dabei war. Er hat eine Menge zu diesem Album beigetragen und hat definitiv einige neue Ansätze für die Gitarrenriffs und das Schreiben als Ganzes mitgebracht, was unseren Sound noch offener und spannender gemacht hat. Der größte Teil des primären Songwritings geht dieses Mal auf Benji und mich zurück, auch wenn natürlich nichts jemals vollständig klingt, bevor nicht jedes Bandmitglied seinen Stil auf den Song übertragen hat. Dans Drums, Brendans Bassspuren und Xens Vocals verändern den finalen Song noch einmal grundlegend. Wir sind definitiv eine bessere Band, wenn wir alle zusammenarbeiten und jeder seinen Teil beiträgt.

Würdest du sagen, dass die Geige im Rock und Metal öfters Verwendung finden sollte?

Natürlich! Aber ich bin natürlich absolut vorbelastet. Die Geige ist ein sehr vielseitige Instrument, aber viele Neueinsteiger kriegen nur die traditionellen klassischen oder folkigen Spielweisen nähergebracht. Dabei gibt es so viel mehr. Es ist fantastisch in einer Metal-Band zu spielen, die offen genug ist, mir beim Einsatz meines Instrumentes so komplett freie Hand zu lassen.

Hattest du ursprünglich selbst einen klassischen Zugang zu deinem Instrument? Und wie kam es dazu, dass du es dann irgendwann im Bereich des extremen Metal eingesetzt hast?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe klassischen Geigenunterricht genossen, seit ich sechs Jahre alt war. Seit 20 Jahren nehme ich jede Woche Stunden. Ich habe klassische Geige an einer Universität hier in Australien studiert und hatte mir ursprünglich vorgestellt, einmal einem Orchester beizutreten. Irgendwann haben sich diese Pläne dann zugunsten meiner Metal-Karriere gewandelt.

Zum richtigen Metal-Fan bin ich in der Highschool geworden. Damals habe ich aber noch keinen Gedanken daran verschwendet, meine Passionen für den Metal und die Geige miteinander zu verbinden. Das erste Mal haben mir dann APOCALYPTICA in den späten Neunzigern diese Möglichkeit aufgezeigt. Ich war hin und weg. Dann habe ich TRISTANIAs Song „Angina“ gehört, der erste Metal-Song mit einem Geigensolo, den ich jemals gehört habe. Sehr schnell habe ich das Solo nach bloßem Gehör nachgespielt. Ich weiß nicht, wie oft ich es gespielt habe! Irgendwann bin ich dann in einem Forum auf Xen (Vocals) getroffen, der erwähnte, dass er an einem Streichinstrument für seine neue Band interessiert wäre. Der Rest ist Geschichte.

Ist es schwierig für euch, live mit euren verschiedenen, vielseitigen Intrumenten einen gut abgemischten und ausbalancierten Sound hinzubekommen?

Absolut. Am Anfang unserer Karriere hatten wir aus diesem Grund ganz schöne Probleme mit unserem Live-Sound. Wenn wir aber jetzt auf Tour gehen, haben wir immer unseren Soundtechniker Troy McCosker dabei, der auch beide unsere Alben produziert hat. Er kennt unsere Musik wie kein anderer und sorgt jede Nacht für einen super Sound. Das ist fantastisch.

Werdet ihr mit „Citadel“ auch in Europa auf Tour gehen?

Auf jeden Fall! Gerade haben wir angekündigt, dass wir das „Metaldays Festival“ in Slowenien im Juli spielen werden und wir arbeiten noch an vielen anderen Tourterminen. Wir können es kaum erwarten, endlich nach Europa zu kommen und für unsere Fans dort drüben zu spielen.

Im Zusammenhang mit NE OBLIVISCARIS fällt oft auch der Name OPETH. Hatten ihre frühen Alben einen großen Einfluss auf euch?

Den hatten sie in der Tat. Ich habe OPETH zu Zeiten von „Blackwater Park“ entdeckt und dieses Album hat meine Sicht auf den Metal wirklich verändert. Ich hatte auch vorher schon Bands gehört, die leisere, akustische Passagen in ihre Songs integriert haben, aber nie auf so eine interessante Art und Weise. Sie haben mich als Band auf jeden Fall inspiriert, mich an innovativem Songwriting zu versuchen anstatt immer nur dabei zu bleiben, was Leute vielleicht als normal und „akzeptabel“ für Metal ansehen.

Verzeih mir, aber ich muss zum Schluss kurz noch meine Klischees überprüfen: Surft jemand von euch?

Ich glaube nicht. Ich bin eine ganze Zeit viel Skateboard gefahren. Hier in Melbourne ist der nächste Strand zum Surfen eine gute Autostunde entfernt, weshalb es nicht so normal ist, dass hier jeder mit dem Surfbrett unter dem Arm herumläuft. In Sydney, wo die großen Surfstrände sind, sieht es aber schon wieder ganz anders aus.

Wie auch immer: Herzlichen Glückwunsch zu „Citadel“. Ich freue mich darauf, euch hoffentlich bald mal hier in der Nähe live erleben zu können.

Vielen Dank für die Unterstützung!

20.10.2014

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