Napalm Death
Interview mit Shane Embury zu "Utilitarian"
Interview
Jeder in der Metalszene ist sicherlich schon einmal mit NAPALM DEATH in Berührung gekommen. An den Grindcore-Ikonen kommt man nicht mehr vorbei, wenn es um extreme Musik mit politischer Ausrichtung geht. Mit „Utilitarian“ steht ihr neues Bolzwerk in den Läden und was lag näher, als mit Mr. Gemütlich, Bassist Shane Embury, ein Pläuschchen zu halten. Wie immer zeigt sich das Grind-Schwergewicht auskunftfreudig und sympathisch. Here we go…
Hi Shane, erstmal Glückwunsch zum neuen Album „Utilitarian“.
Ihr habt ja der Öffentlichkeit bereits im Vorfeld einige Infos geliefert. Es gibt Videos auf YouTube, in denen sich Barney zum Albumkonzept und den Songs äußert. War das lediglich ein Hungrigmachen oder doch ein wohl überlegter Schachzug, um haufenweise (Interview-)Anfragen zum Albumkonzept vorzubeugen?
Das Konzept des Albums ist recht komplex und ich denke, es war die beste Art und Weise, so viele Fragen wie möglich im Vorfeld zu klären und zu beantworten.
Die Songstrukturen und -parts sind wieder mehr im Hardcore verwurzelt als im Metal, würde ich sagen. Klar gibt es auch Metal-Elemente zu hören aber irgendwie steckt da dieses Mal mehr Hardcore und Grind drin, was mir persönlich übrigens sehr zusagt. War das eure Absicht nach dem eher Metal-lastigen fetten Brecher „Time Waits For No Slave„?
Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nie nachgedacht. Wir schreiben einfach das, was wir fühlen und arbeiten mit unserem Freund und Produzenten Russ Russel genau die Musik aus, die den aktuellen Stand der Band am besten repräsentiert.
Ihr habt jedenfalls absolut nicht verlernt, wie man saftige Backpfeifen verteilt. „Think Tank Trails“ und „Opposites Repellent“ zum Beispiel sind absolute Grind Killer. Ist es für euch ein Muss, derartige Blast-Hammer auf einem Album zu haben oder könnt ihr euch auch vorstellen, auf zukünftigen Veröffentlichungen mal wieder etwas experimenteller zu werden, wie es etwa bei „Words From The Exit Wound“ der Fall war?
Es ist sehr wichtig für uns Dynamik auf einem Album zu haben und das Neue hat eine Menge davon. Es ist auch immer gut, einige heavy Riffs am Start zu haben, ebenso wie Blast- und Noise-Stücke.
Heutzutage sind NAPALM DEATH ein Garant für abwechslungsreiche, extreme Musik. Wie siehts denn aus mit purem auf-die-Fresse-Grind? Sind mittlerweile LOCK UP und VENOMOUS CONCEPT sowie diverse weitere Projekte deine Spielwiesen für kompromisslosen Grindcore?
Nicht wirklich. Sie sind eher eine gute Möglichkeit, verschiedene Seiten von mir auszudrücken und ich glaube, es gibt Millionen musikalische Seiten in mir. Diese Bands stehen alle für sich. Für mich ist es zudem sehr ausfüllend, mit anderen Musikern zu jammen.
Wer ist denn verantwortlich für den klasse Sound und die Produktion von „Utilitarian“? Braucht ihr eigentlich immer noch einen Mann hinter den Reglern oder dreht ihr die Knöpfe mittlerweile lieber selbst?
Wie immer ist es Russ Russell. Ohne ihn läuft gar nix.
OK, ich würde gern die Gelegenheit nutzen, ein paar Fragen zur Vergangenheit und zur Entwicklung von NAPALM DEATH zu klären.
Würdest du mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass ihr einen starken Bruch in eurem Stil Anfang der 90er hattet und dann nach einigen Experimenten, wie „Inside The Torn Apart“ und „Words From The Exit Wound“, euren definitiven Sound gefunden habt?
Mitte der 90er starteten wir unsere experimentelle Phase mit „Fear, Emptiness, Despair“ (1994), die bis „Words From The Exit Wound“ (1998) ging. Alle Alben aus dieser Zeit halfen uns dabei, die Stile mixen zu können und „Enemy Of The Music Business“ zu erschaffen. Mittlerweile ist alles zu einer Verschmelzung aus Grind, Alternative, Noise etc. geworden, die wir mit jedem neuen Album weiter verbessern wollen.
Die Band ist Ende der 80er, Anfang der 90er fast auseinander gebrochen, als Lee (Dorrian, Gesang), Bill (Steer, Gitarre) und zu guter Letzt Mick (Harris, Schlagzeug) ausgestiegen sind. Barney (Greenway), Jesse (Pintado) und Mitch (Harris, übrigens nicht verwandt mit Mick) nahmen ihre Plätze ein und du, Shane, bist mittlerweile das Band-Mitglied mit der längsten NAPALM-DEATH-Erfahrung. Würdest du sagen, dass sich der Sound von NAPALM DEATH mit jedem neuen Mitglied verändert hat oder war es immer ein komplexer Prozess, der von allen gleichermaßen getragen wurde?
Es gab eine Menge Verwirrung als Lee und Bill gegangen sind aber Mick und ich haben weitergemacht. Der nächste Schlag kam, als Mick dann ging aber ich hielt die NAPALM-Fahne hoch. Und ja, die Alben haben sich verändert. Ich bin aber nicht sicher, ob es daran lag, dass neue Leute in die Band kamen, weil es immer einen Kern gab, der den Sound vertrat, den man mit NAPALM DEATH identifiziert. Schon bevor „Scum“ veröffentlicht wurde, hat sich die Band verändert und ihren Sound konstant entwickelt, und so läuft es bis heute.
Was ist denn dein Part beim Songwriting-Prozess? Bist du derjenige, der mehr Speed und Blastparts haben will oder eher experimentierfreudig? Old School oder Klangforscher?
Das ist sehr schwer zu sagen. Ich wollte für das neue Album schnelle Stücke schreiben, die mit Misstönen versehen sind, um sie interessanter zu machen. Ich hab aber auch „Collision Course“ und „Analysis Paralysis“ geschrieben, die mehr im Midtempo angesiedelt sind. Mitch und ich füttern uns gegenseitig mit Ideen und wir harmonieren verdammt gut. Wir haben zwar unsere eigenen Stile, beeinflussen uns aber immer gegenseitig. Natürlich bleibt dabei auch immer Zeit, hier und da Old-School-Stoff abzuliefern.
„From Enslavement To Obliteration“ ist das extremste Album, das es meiner Meinung nach gibt. Keine andere Band hat es bislang geschafft, die Intensität dieses Grind-Titans zu toppen. Wie denkst du heute über die Scheibe? Einfach nur zermürbender Krach oder ein Kultalbum?
Nun, das Album ist etwas besonderes für mich und natürlich bin ich sehr stolz darauf aber ich bin auch sehr stolz auf unsere letzten paar Alben, von denen ich sagen würde, dass sie genauso extrem sind. Und ich würde sogar behaupten, dass die Neue noch viel besser ist als „From Enslavement To Obliteration“ aber jeder hat ja seinen eigenen persönlichen Favoriten.
Mein Favorit ist definitiv „Fear, Emptiness, Despair“. Fette Grooves, aggressive Riffs, zermürbende Blastbeats und sowieso insgesamt so brutal wie eine Atombombenexplosion. Es ist vielleicht kein typisches NAPALM-DEATH-Album aber es ist das Beste eurer experimentellen Phase. Wenn du nun zurück schaust und alle Alben vermarktungstechnisch vergleichst, würdest du „Fear, Emptiness, Despair“ als Erfolg bezeichnen oder fehlte die Anerkennung dafür?
Es hat sich damals gut verkauft aber wir hatten seinerzeit eine Menge Probleme in der Band und der Gedanke daran verschreckt uns immer noch ein wenig. Ich habe jedoch mit vielen Leuten gesprochen, die das Album lieben, was einerseits richtig cool ist, mich wegen den unschönen Erinnerungen aber auch irgendwie verwirrt. Aber hey, es ist doch klasse, dass die Leute dieses Album auch lieben.
Was denkst du eigentlich, ist der entscheidende Punkt, warum die Kids auf eure Musik abfahren? Die alte Garde habt ihr auf eurer Seite, keine Frage, aber was ist mit den jüngeren Hörern? Was ist die Magie von NAPALM DEATH?
Keine Ahnung. Wir präsentieren uns ehrlich und als Fans von Musik. Wir geben uns einfach so, wie wir sind und wie wir meinen, dass NAPALM DEATH im Jahre 2012 sein sollte. Wir hoffen, dass die Leute das sehen und anerkennen.
Werdet ihr eines Tages euer zwanzigstes Album veröffentlichen?
Das hoffe ich doch sehr.
Was werden wir speziell von dir als nächstes hören, Shane? LOCK UP, VENOMOUS CONCEPT, INSIDIOUS DISEASE oder oder oder…?
Nun, dieses Wochenende nehmen wir mit NAPALM DEATH Material für ein paar Split-Singles auf, die später in diesem Jahr veröffentlicht werden. Wir werden euch zu gegebener Zeit genauer darüber informieren. Ich habe dann noch ein paar schräge Projekte am laufen mit Russ Russell, unserem Produzenten. Er schreibt dabei auch die Musik mit mir. Ein Projekt davon ist so eine Art Progressive Metal und ein anderes eher heavy und atmosphärisch. Dann gibt es da noch eine kleine Underground Grind Band namens WAR OF THE SECOND DRAGON, die ich mit ein paar alten Freunden aus Birmingham ins Leben gerufen habe und sogar ein Sludge-Projekt mit unserem Tontechniker Chris Paccou, das METASTASIS heißt. Und natürlich werde ich wieder Musik für LOCK UP und VENOMOUS CONCEPT schreiben, ist doch klar!
Langweilig wirds also nicht, sehr gut. Ich danke dir fürs Interview! Wir sehen uns dann on the road. Ihr kommt doch wohl hoffentlich bald rüber und legt die deutschen Bühnen in Schutt und Asche oder was?!
Dessen kannst du dir sicher sein!!!
Alles klar, hau rein, alte Rübe! Cheers!
Dank dir! Cheers!
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