Napalm Death
Interview mit Barney zum Album "Apex Predator - Easy Meat"
Interview
„Apex Predator – Easy Meat“, so heißt die neue Platte, die uns die Grindcore-Legende NAPALM DEATH gleich zu Jahresbeginn vor den Latz knallt. Schon im vergangenen Dezember baten wir Sänger Barney zum Telefoninterview und wollten natürlich zuerst wissen, was es mit dem Albumtitel auf sich hat.
Bist du Apex Predator oder doch eher Easy Meat?
„Der ‚Apex Predator‘ ist ein übergeordneter Gegner, die Firmenbosse, die von oben versuchen alles zu regeln und mehr und mehr Geld zu machen. Sie sehen Menschen nur als Humankapital. Das ‚Easy Meat‘ hingegen symbolisiert die Menschen unten, die den Mist mitmachen müssen, die gezwungen sind an dem Spiel teilzunehmen und sich zu unterwerfen, weil ihnen praktisch keine andere Chance bleibt. Sie sind abhängig von Firmen, von ihren Chefs oder auch ganz banal von ihren Vermietern. Inspiriert dazu hat mich die einstürzende Textilfabrik in Bangladesch. Das ist nichts anderes als moderne Sklavenarbeit und der Vorfall brachte mich dazu, mich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen.“ Das spiegelt auch das lose Konzept der Platte wider, welches mit einem bedrohlichem Intro startet. Inspiriert wurden NAPALM DEATH dazu von der Band SWANS und deren Album „Holy Money“, welches uns auch bei dieser Gelegenheit wärmstens empfohlen wurde.
NAPALM DEATH klingen auf „Apex Predator-Easy Meat“ wuchtig wie bisher. Eine Notwenigkeit sich jetzt speziell von Album zu Album zu ändern, sieht Barney nicht. Denn, wie ein Blick auf die umfangreiche Bandhistorie zeigt, verändert sich die Band eh stetig. „Wir waren immer experimentell. Es wäre für uns und die Fans auch sehr langweilig, wenn wir immer das Gleiche machen müssten. Es kommen so oft Fans mit der Frage auf uns zu, ob wir nicht ein zweites XY-Album machen können. Nein! Wie langweilig wäre das bitte und darüber hinaus würde damit die komplette Kreativität flöten gehen.“ Grundsätzlich sieht es der Sänger aber eher als schwer an, ein Album so kurz nach der Entstehung einzuordnen oder zu kategorisieren.
Das Cover zu „Apex Predator- Easy Meat“ sollte diesmal konkreter sein und die Band suchte dafür nach einem einzigen aussagekräftigen Symbol. „Essen ist doch etwas Essentielles. Es ist das erste Grundbedürfnis etwas zu Essen zu haben, satt zu sein“. Die Industrie verkaufe uns heutzutage unser täglich Brot leider getarnt unter Soße und Gewürzen und überblendet von einer schönen Werbebotschaft. „Essen ist eigentlich etwas Schönes und sollte nichts Abstoßendes in einer Plastikbox sein, oder?“ stellt Barney das System in Frage.
Viele Köche verderben den Brei?
Vielseitigkeit resultiert bei NAPALM DEATH auch daraus, dass viele Bandmitglieder Material beisteuern. „Beyond The Pale“ stammt aus der Feder von Mitch, der quasi mit dem fertigen Song ankam. Das sind die Vorteile eines stabilen Line-up, man vertraut sich im Hause NAPALM DEATH: „Er kam schon mit der ganzen Idee. Hier vertrauen wir immer auf den jeweils anderen. Wir mussten nicht großartig daran rumpuzzeln. Er kam schon mit diesem Intro, in dem wir uns gegenseitig abwechseln und unsere Gesangsvariationen vermischen.“ „How The Years Condemn“ hingegen wurde von Bassist Shane geschrieben, während er sich in einer kleinen Sinnkrise befand. „Er befand sich in einer schwierigen Zeit, wurde Vater und hat mit diesem Song sein bisheriges Leben reflektiert. Sicher einer der persönlichsten Songs, die wir je geschrieben haben.“ Sänger Barney kümmert sich um die Lyrics. Angst, dass ihm die Themen ausgehen, hat er aber nicht. Andersrum wird ein Schuh draus. „Nein, davor fürchte ich mich überhaupt nicht. Die Menschheit, die Welt , das ist eine unerschöpfliche Enzyklopädie. Im Gegenteil, mir gehen nie die Themen aus, ich weiß eher nicht, wo ich anfangen soll.“
Das Tourleben an sich sieht Barney allerdings weniger dramatisch. Es kommt eben immer darauf an, was man daraus macht und NAPALM DEATH gönnen sich mittlerweile auch immer ausreichend Pausen. „Man kann abends nach oder vor der Show etwas trinken, wenn man das möchte – klar warum nicht? Aber man kann auch nur zwei Gläser trinken oder eben auch 20, es liegt an dir was du aus der Tour machst und welche Prioritäten du setzt. Wenn du jeden Abend die bestmögliche Show abliefern willst – und das sollte die Priorität sein – dann geh früh schlafen. Ja, ich weiß, das hört sich langweilig an, aber es ist so.“ Den Fans kommt diese Einstellung zugute, denn gerade der NAPALM DEATH-Sänger ist auf der Bühne sehr agil, läuft auf und ab wie ein wildes Tier und scheint in seinen Songs komplett zu versinken. Wie sieht das eigentlich im Studio aus, wenn meist nur ein kleiner Raum zur Verfügung steht, um die Vocals aufzunehmen? Fühlt sich der Freigeist da nicht eingeengt? „Ja, aber ich liebe das sogar. Ich mag es, in dieser Situation eingeschlossen zu sein und fände es ganz furchtbar, wenn ich einen großen Platz um mich herum hätte. Der Produzent ist immer am Verzweifeln und fragt, ob alles in Ordnung sei, weil ich in der Box hin und her renne.“ Damit dürfte auch geklärt sein, warum sich die NAPALM DEATH-Platten so aufgekratzt und wütend anhören.
Der typische NAPALM DEATH-Fan?
Wenn es nach Barney geht, gibt es den nicht. Das Vorurteil von der hauptsächlich männlichen und aggressiven Fanschar ist definitiv falsch. Zwischen den Songs machen NAPALM DEATH Ansagen und erklären, worum es in den Songs geht und was ihnen wichtig ist. Den erhobenen Zeigefinger lassen die Engländer aber bewusst stecken. Auch wenn Barney davon ausgeht, dass die meisten Fans die Message verstehen, so ist es ihm doch auch egal, wenn Leute nur zum Bashen kommen „Für mich macht es ganz ehrlich keinen Unterschied, ob die Leute wegen der Musik und/oder den Inhalten kommen. Ich schreibe den Leuten nicht vor, was sie an NAPALM DEATH zu mögen haben. Der Anteil der Leute, die nur Krawall machen wollen ist verschwindend gering.“ Grundsätzlich geht der Vegetarier davon aus, dass es keinen Sinn macht Leute zwanghaft von etwas überzeugen zu müssen. Es geht um Aufklärung, um Information und nicht um das Belehren. „Es geht nicht so einfach, dass man mit dem Stock auf die Finger haut und sagt – das ist so aber nicht richtig, mach‘ es anders.“
Er selbst hat sich schon im Alter von 14 Jahren dazu entschlossen, kein Fleisch mehr zu essen. Eine Entscheidung die er fällte, nachdem er einen Film über eine Schlachtung sah. „Das hat mich wirklich sehr erschrocken, ich fand es beschämend wie mit den Tieren umgegangen wurde. Mal ganz abgesehen davon, dass es für die Erde sehr schädlich und ökologisch total unsinnig ist, ist es schlichtweg nicht notwendig Tiere zu essen. Aber auch hier will ich wieder niemanden angreifen oder bekehren, die Leute müssen diese Meinung in ihrem Kopf selbst formen, damit sie sie auch glaubhaft und ehrlich vertreten können“. Dass Barney seine Meinung mit stichfesten Argumenten vertritt, ist bekannt, weshalb er natürlich öfter Anfragen für Werbung oder Bitte nach Unterstützung bekommt. „Manchmal unterstütze ich einzelne Organisationen und auch schon mal PETA. So etwas suche ich mir dann aber ganz genau aus. Ich informiere mich worum es geht, was die Leute genau machen und ob ich das unterstützen möchte. Das ist aber nur unregelmäßig der Fall – mal hier, mal da.“
Auch die Höhen und Tiefen eines Redaktionsalltags kann Barney nachvollziehen, hat er doch früher selbst als Freiberuflicher redaktionell Platten bewertet. Die angesetzten Maßstäbe waren klar definiert. „Für mich war immer das Songwriting das Wichtigste. Ganz egal, ob es Krach ist oder nicht, der Song muss einen Moment haben, der einem im Gedächtnis bleibt, eine besondere Stelle, und das war für mich immer das Ausschlaggebende.“
In den Texten von NAPALM DEATH und auch während des Interviews spricht Barney immer von ‚der Welt‘. So nimmt er seine Umwelt wahr – als die Erde, als einen Planeten, dessen Einzelteile unabdingbar voneinander abhängig sind und den man nicht als gesonderte Segmente betrachten darf. „Ich spreche nicht umsonst immer von ‚der Welt‘ und nicht von Städten oder Ländern. Grenzen sind nur da, um für Unfrieden, Unterschiede und Missgunst zu sorgen, mehr Sinn hat das Ganze nicht. Birmingham ist eine graue, depressive Stadt und so war sie auch in meiner Kindheit.“
NAPALM DEATH werden noch lange bestehen, soviel ist sicher und auch wenn er es selbst schon tausende Male gesagt hat und als abgedroschen ankündigt, so lauten seine Worte an die Leser doch wie folgt: „Ich danke allen Leuten, die uns schon seit Jahren unterstützen! Uns gibt es jetzt schon so lange und die Fans sorgen dafür, dass wir noch relevant sind.“ Und wir danken NAPAM DEATH – einer Band, die seit Jahrzehnten dagegenhält und beweist das Hirn und Faust sehr wohl zusammenpassen!
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