Nailed To Obscurity
"Stumpfes Durchbrüllen hätte einfach nicht funktioniert"
Interview
Das neue Album „Black Frost“ der Melodic Deather NAILED TO OBSCURITY aus Niedersachsen steht in den Startlöchern. Bereits die letzten beiden Scheiben konnten viele positive Kritiken einheimsen, weshalb die Band im Sommer 2018 auch einen Vertrag mit dem Branchenprimus Nuclear Blast abschließen konnte. Wir unterhielten uns mit Gitarrist Jan-Ole Lamberti und Sänger Raimund Ennenga über den Labelwechsel, die Entstehung von „Black Frost“ und die Entwicklung des Melo Death.
Hallo Ole, hallo Raimund! Erst einmal, wenn auch etwas verspätet, herzlichen Glückwunsch zu Eurem Deal mit Nuclear Blast. Könnt Ihr vielleicht direkt einmal erzählen, wie es dazu gekommen ist?
Ole: Vielen Dank! So ganz genau sagen, wie es abgelaufen ist, können wir gar nicht, da wir selbst nicht so sehr involviert waren. Mit dem Release von „King Delusion“, was ja noch bei Apostasy Records erschienen ist, haben wir bemerkt, dass etwas passiert und wir mit dem Album einen Schritt gemacht haben, den wir auch machen wollten, aber in dem Ausmaß nicht unbedingt erwartet hatten. Also dachten wir: „Ok, jetzt ist es vielleicht an der Zeit, auch mal größere Labels anzugehen.“ Tomasz (DAWN OF DISEASE, Inhaber von Apostasy Records – Anm. d. Red.) sah das aber selber auch so, dass er eigentlich nicht mehr für uns tun kann, und wir einen größeren Deal haben sollten, um unser Momentum auch nutzen zu können. Er hat uns diesen Deal dann letztlich sogar verschafft. Wir haben zwar auch Gespräche mit anderen Labels geführt, aber sein erklärtes Ziel war tatsächlich Nuclear Blast. Er bleibt aber weiterhin unser Manager, was wir sehr cool finden, da wir schon so lange mit ihm zusammenarbeiten.
Daher fühlt sich dieses Release, trotz Labelwechsel, eigentlich gar nicht so viel anders an, als bisher. Was wir natürlich merken ist, dass jetzt mehr Leute involviert sind und einfach ein viel größerer Apparat dahinter steht. So etwas merkt man aber meist erst, wenn die Promotion zu einem Album startet, man Interviews gibt, usw. Natürlich habe ich vorab schon etwas Kontakt zum Label gehabt, z.B. als es um die Anlieferung der Master ging. Aber da sich unser Team letztlich kaum verändert hat, war es für uns schon fast ein Running Gag: „Ach stimmt, wir sind ja jetzt bei Nuclear Blast.“
Schön, dass das so harmonisch abgelaufen ist und jetzt nicht z.B. das kleine Label enttäuscht zurück bleibt…
Ole: Genau, das ist bei uns eben nicht so und wir sind bislang auch immer sehr gut damit gefahren, dass wir den Leuten gegenüber, die uns über die Jahre geholfen haben, sehr loyal bleiben. Auch wenn wir beispielsweise einen Booking Agenten gewechselt haben, sind wir eigentlich immer im Guten auseinander gegangen. So sind wir auch mit diesen Leuten bis heute in Kontakt und sie kommen als Kumpels zu Festivals und zu unseren Konzerten. Das ist uns schon sehr wichtig.
Raimund: Schlussendlich wissen wir auch, was wir solchen Leuten zu verdanken haben. Das führen wir uns immer wieder vor Augen und das macht es einfach angenehmer, dass man diese Menschen weiter als Freunde in seinem Umfeld haben darf. Da steckt auch kein Kalkül dahinter, es funktioniert auf dieser Ebene einfach wunderbar.
Ole: Ich glaube, es liegt aber auch daran, dass wir schon vorab sehr genau auf die persönliche Seite schauen. Bevor wir uns wirklich festlegen und sagen, dass wir mit dem jetzt das und das machen, wissen wir schon: „Mit dem Typen kommen wir aus.“ Der erste Grundstein, der gelegt werden muss ist einfach, dass wir uns persönlich sehr gut verstehen.
Man hofft ja immer, dass es gerade in der Metalszene so familiär abläuft. Daher ist es schön zu hören, dass es bei Euch auch tatsächlich so ist.
Kommen wir dann auch direkt zum neuen Album „Black Frost“. Für mich wirkte der Vorgänger „King Delusion“ ein wenig wie eine Perfektionierung dessen, was Ihr mit „Opaque“ angefangen hattet, mit besserem Sound und ausgefeilterem Songwriting. Dieses Mal gibt es in Eurem Gesamtsound wieder stärkere Veränderungen. Hattet Ihr da in erster Linie im Sinn, Euch nicht zu wiederholen?
Ole: Das bringst Du eigentlich ganz gut auf den Punkt. Ich mag „Opaque“ total gerne, aber danach hatten wir das Gefühl, dass wir unseren Sound, den wir gerne machen wollen, gefunden haben, aber da durchaus noch mehr geht. Gerade auch mit einem gewissen Abstand zu der Platte. Wir hatten dann einen etwas besseren Plan, wie wir ans nächste Album herangehen wollen, was wir besser ausarbeiten möchten. Vieles ist aber auch einfach so passiert, da man ja doch nicht alles von vorne bis hinten durchplant. Dabei ist dann letztlich „King Delusion“ entstanden. Ich bin damit immer noch hundertprozentig zufrieden und ich denke, das trifft auf jeden in der Band zu. Daher ist „King Delusion“ auch das erste Album, bei dem wir hinterher dachten: „Da braucht man eigentlich nichts anders machen, das ist einfach geil so.“
In der ersten Songwritingphase schreiben Volker (Dieken, zweite Gitarre, – Anm. d. Red.) und ich die Grundgerüste der Songs immer zu zweit. Die nehmen wir mit in den Proberaum, wo dann das eigentliche Songwriting mit der ganzen Band stattfindet. In dieser ersten Phase ist uns selber aufgefallen, dass wir immer wieder „King Delusion“ als Maßstab genommen und uns so sehr daran orientiert haben, dass wir dazu neigten, ähnliche Songs nochmal zu machen. Wir haben uns dann gesagt, dass wir so ein Album natürlich nochmal machen können, es aber maximal eine Kopie sein wird und Kopien eben meistens schlechter als das Original sind.
Da wir das eigentlich vorher auch noch nie gemacht hatten und aus meiner Sicht jedes Album seinen eigenen Charakter hat, nahmen wir uns dann vor, „King Delusion“ einfach komplett auszublenden. Unser Ziel war dann, etwas eigenständiges zu machen, den Sound weiterzuentwickeln, die düsteren Anteile von „King Delusion“ aufzugreifen und daraus eine atmosphärischere Platte zu schreiben. Ich denke genau das ist es dann auch geworden.
Um bezüglich Veränderungen im Gesamtsound noch etwas mehr ins Detail zu gehen: Was natürlich sofort auffällt ist, dass der Klargesang mehr Raum einnimmt als bisher. Aus meiner Sicht hat er sich aber auch grundsätzlich verändert. Gerade z.B. zu Beginn von „Tears Of The Eyeless“ fühlte ich mich doch stark an neuere KATATONIA erinnert.
Raimund: Auf der einen Seite war es zwar durchaus gewollt, dass vielleicht etwas mehr Klargesang zum Einsatz kommt, auf der anderen Seite folgt der Gesang als solches aber natürlich auch immer der Dynamik der Songs. Das war mir schon immer wichtig, und entsprechend auch bereits auf „Opaque“ und „King Delusion“ so. Dass wir auf diesem Album aber, wie Ole gerade schon erwähnt hat, mehr denn je auf Atmosphäre gesetzt haben und viel flächigere Gitarren da waren, hat nicht unbedingt dazu geführt, dass Growls an allen Stellen immer gut passten. In einigen Passagen musste stimmlich irgendwie mehr passieren, der Gesang einfach dynamischer werden.
Ich entwerfe die Texte immer erst einmal als grobe Skizzen und Ideen, die ich dann auch bereits den anderen zur Verfügung stelle. Als ich dann aber angefangen habe, diese Skizzen mit den Songs zu kombinieren, zu phrasieren und die Texte weiter auszugestalten, habe ich gemerkt, dass stumpfes „Durchbrüllen“ einfach nicht funktioniert hätte und den Songs auch nicht gerecht geworden wäre. Außerdem entwickelt sich natürlich auch in den Köpfen der anderen Bandmitglieder, wenn sie an den Instrumentals arbeiten, eine Idee, wie der Gesang in etwa funktionieren könnte. Im Dialog kamen dann auch noch weitere Ideen zustande. Manchmal ganz kryptisch à la „es wäre cool wenn Du hier etwas anderes machen könntest“, manchmal wird aber auch ein konkreterer Vorschlag an mich herangetragen. Das versuche ich letztlich natürlich auch alles mit einfließen zu lassen. Am Ende war dann eben das Ergebnis, dass der Cleangesang häufiger eingesetzt wird. Ich würde ihn aber vielleicht eher „Effektgesang“ nennen, da es ja nicht immer auf die gleiche Art und Weise gesungen wird. Du hast ja gerade schon „Tears Of The Eyeless“ als Beispiel herausgepickt, dort ist es eher dieser klassische, weiche Cleangesang. Es gibt aber auch eher etwas „gehauchten“ Klargesang oder Flüstern, was ich sogar auch versucht habe auf verschiedene Weisen umzusetzen. Leicht „angekratzte“ Passagen wirst Du ebenfalls finden.
Diese Dynamik im Gesang ist einfach entstanden, da die Musik es erforderte und weil wir auch ein wenig den Fokus bewusst darauf gesetzt haben. Wir haben das Studio sechs Wochen, bevor wir das Album final aufgenommen haben, schon aufgesucht, um einerseits mit Victor (V. Santura, Produzent des Albums – Anm. d. Red.) zusammen die Songstrukturen als solche noch einmal durchzugehen, aber eben auch um beim Gesang detaillierter herauszuarbeiten, was man an den einzelnen Stellen machen könnte. Dabei entstanden auch die mehrstimmigen Gesänge, die wir bei „Protean“ auf „King Delusion“ schon einmal ausprobiert hatten und jetzt noch weiterentwickeln und verfeinern wollten. Bei „Tears Of The Eyeless“ sind wir in diesem Schritt besonders detailreich vorgegangen, es waren auch Ideen aller Bandmitglieder involviert.
Ole: Den Vergleich mit neueren KATATONIA finde ich übrigens nicht so abwegig, wobei wir uns gar nicht so sehr daran orientieren. Bei dieser Art des melodiösen Cleangesangs sind Volker und ich relativ stark involviert, wenn es um die Melodieentwicklung geht. Wir sind da bezüglich der Melodieführung ein bisschen wählerisch, da die Atmosphäre, die wir mit den Gitarren erzeugt haben dadurch nicht verändert werden soll. Vielmehr möchten wir beides miteinander verschmelzen.
Um aber auf den Vergleich zurück zu kommen: Natürlich geht das harmonisch, gerade durch die melancholische Atmosphäre, in eine sehr ähnliche Richtung, wie das z.B. bei neueren KATATONIA der Fall ist. Dazu kommt, dass auch die Art und Weise, wie Raimund singt, das etwas zurückgenommene, nicht so stark pressende, von frühen OPETH, KATATONIA und ANATHEMA beeinflusst ist. Diese Art von eher getragenem, zerbrechlichen Gesang steht solcher Musik einfach gut, viel eher als sehr gepresste, poppige Vocals. Aus diesem Grund setzen Bands wie KATATONIA das vermutlich ähnlich ein.
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Stile | Doom Metal, Melodic Death Metal |
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