Nachtgeschrei
Interview mit Nik zu "Aus schwärzester Nacht"
Interview
Mittelalter-Rock Fans aufgepasst! NACHTGESCHREI sind nach diversen Negativereignissen am 22.03.2013 mit ihrem neuen Album „Aus schwärzester Nacht“ zurück. Mit einem neuen Sänger im Gepäck und einigen Neuerungen im Sound machen sich die Frankfurter mit ihrem Werk auf, ein wenig frischen Wind ins Genre zu bringen. Sackpfeifen- und Schalmeispieler Dominik „Nik“ Stephan plauderte vorab mit metal.de über den Weggang des früheren Sängers, Bandentwicklung und Artworks.
Hey Pascal, alles klar? Musste leider meinen Rechner noch einmal neu starten.
Hey! Gut, dann beginnen wir mal. Wie gehts? Stell dich unseren Lesern doch mal vor.
Nik von der Band Nachtgeschrei hier. Mir geht es prächtig, wir zählen hier die Tage bis zum Release unserer neuen Platte „Aus schwärzester Nacht“ am 22.03. – ich bin schon wahnsinnig gespannt …
Damit nimmst du mir die folgende Frage quasi schon vorweg. Wie fühlt sich das an? Immer noch genauso aufregend wie zu Zeiten des Debüts?
Ganz ähnlich, würde ich sagen … Mit unserem neuen Sänger Martin und nach beinahe einem Jahr Zwangspause ist das für uns auch ein kleines Comeback. Seit Martin an Bord ist, haben wir wieder richtig Power und Ideen und können es kaum erwarten wieder loszulegen …
Stimmt. 2011 hat euch euer damaliger Sänger Hotti verlassen. Da im Promotext auf eine kleine Erläuterung des Erfolgs mit „Ardeo“ und der Tour mit SUBWAY TO SALLY ein „Einem wird das Ganze zu viel“ folgt, will ich dort garnicht weiter nachhaken, aber an dem Punkt einsteigen, an dem ihr Martin LeMar für euch gewinnen konntet. Wie lief dessen Einstieg ab? Gab‘ es mehrere Kandidaten, wieso habt ihr euch gerade für ihn entschieden und wie hat er sich bisher eingefügt?
Wir haben lange und ausgiebig mit vielen Kandidaten geprobt, uns Demos angehört und Aufnahmen gemacht. Das war keinesfalls eine einfache Zeit, auch weil niemand genau wusste wie es weiter gehen sollte. Aber wie es so ist – Manchmal sieht man das Naheliegende nicht: Erik, unser Tontechniker, spielt mit Martin zusammen bei MEKONG DELTA. Er hat uns auf Martin aufmerksam gemacht – dann ging alles ganz schnell: Demoaufnahme, Songwriting, Probe – persönlich und musikalisch war uns quasi sofort klar – der ist es! Martin hat sich auch beim Songwriting sofort eingebracht: Lieder wie „Der Ruf“ oder die Orchesterversion von „In die Schwärze der Nacht“ tragen ganz klar seinen Stempel.
Erfreulich zu hören! Ich habe in meiner Rezension davon gesprochen, dass es auch böse Zungen gab, die von einer Auflösung sprachen. Stand das jemals im Raum?
Das hätte niemand so ausgesprochen, aber als drohender Schatten saß es uns doch irgendwie im Nacken … Aber eigentlich war klar: Das kann noch nicht alles gewesen sein. Im Sommer 2012 gab es zwar außerhalb der Band entsprechende Gerüchte – Allerdings waren wir da schon mit Martin eifrig am Liederschreiben.
Mit Erfolg, wie ich finde und du sicher auch schon gelesen hast. Ich bin von der Platte bis auf Kleinigkeiten äußerst angetan. Wie sind denn bisher die allgemeinen Reaktionen darauf?
Sehr gut – bisher haben wir nur gute Kritiken bekommen. Das ist sogar deutlich positiver als zu den alten Alben. Wir haben uns schon halb im Scherz gefragt, was wir falschgemacht haben …
Ihr seid in der Vergangenheit wahrlich nicht glimpflich davon gekommen. Ihr steht nach wie vor auch ein wenig im Schatten diverser Szenegrößen, deren Nennung es jetzt keiner Notwendigkeit bedarf. Wie ich übrigens finde, zu Unrecht. Ihr habt durchaus euren völlig eigenen Stil, der sich mitunter auch durch Schwermütigkeit und eine deutlich metallischere Grundausrichtung definiert. Immerhin muss man euch Fans dieser Musikrichtung mittlerweile auch nicht mehr vorstellen! Wie seht ihr euch innerhalb der „Szene“, oder interessieren euch solche Dinge überhaupt nicht? Wie betrachtest du eure Entwicklung?
Ach, die Szene für Mittelalter-Folk-Gothic-Hippie-Metaler ist so groß und bunt, da passen wir schon irgendwie dazu … Ich denke, wir bringen da unseren eigenen Farbtupfer mit rein.
Das würde ich aber auch mal behaupten. Aber wie geht ihr mit Kritik um? Man muss ja zwischen sachlicher und völlig unsachlicher Kritik unterscheiden, die dort stellenweise gefallen ist. Gerade wenn ich jetzt daran denke, dass euch hier und da auch eine gewisse Daseinsberechtigung abgesprochen wird, weil angeblich schon genügend Acts in diesem Bereich unterwegs sind.
Kritik ist ein schwieriges Feld: Einerseits ist sie notwendig, weil dir als Musiker einfach der Blick von außen aufs Ganze fehlt, andererseits ist sie natürlich immer sehr subjektiv. Ich kann dir aber versichern: Wir lesen sie alle. Über manche freut man sich, manche ärgert einen, manchmal lacht man drüber… Zum Glück war bei „Aus schwärzester Nacht“ da bisher nur Grund zur Freude dabei. Und, mal ehrlich: Würde man seine Band grundlegend umstricken oder in die Tonne treten bloß weil irgendwer eine schlechte Rezension schreibt? Das wäre doch ganz schön arm …
Ich schätze, dass es einen solchen Fall bisher noch nie gab. Glücklicherweise natürlich, auch wenn es Bands gibt, die durchaus mal das Wort ergreifen und stellenweise sogar beleidigend werden, wenn ihnen die Kritik nicht in den Kragen passt. Die Frage ging vielleicht etwas unter. Wie siehst du die Entwicklung als Band, mal abgesehen von dem Sängerwechsel?
Ich glaube mit der „Aus schwärzester Nacht“ haben wir doch einen deutlichen Schritt nach der eher introvertierten „Ardeo“ gemacht. Die Platte klingt frisch, rockig und wurde für die Bühne geschrieben. Wir haben einen neuen, etwas offeneren Sound, der die Rockband noch stärker als gleichberechtigten Sparringspartner der Folkinstrumente emanzipiert und erlauben uns ein paar kleine Spielereien wie Tonart oder Taktwechsel, die in unserem Genre eher ungewöhnlich sind.
„Aus schwärzester Nacht“ ist für mich eine kämpferische „Jetzt erst recht“-Platte. Ausserdem ist sie mit 14 Liedern schon in der Standardversion ziemlich lang. Die limitierte Digipack-Edition ist mit über 70 Minuten randvoll – und hoffentlich trotzdem nicht eintönig. Mir geht es so, dass jedes Stück ein anderes Bild im Kopf malt – hoffentlich sehen das die Fans dann ähnlich. Ausserdem haben wir einen großartigen Sänger durch einen fantastischen ersetzt. Martin ist wahnsinnig ausdruckstark und variabel. Ganz großes Hörkino.
An dieser Stelle hatte ich ja die Kritik, dass drei bis vier Songs nicht ganz meine Aufmerksamkeit halten konnten, auch wenn sie nicht gänzlich abgefallen sind. Das Album entwickelt mit der Zeit ein gewisses Potenzial, noch wachsen zu können. Im Gesamtsound kann man auf jeden Fall einige Änderungen/Verbesserungen erkennen. Euer Debüt wirkte mir stellenweise noch etwas zu verkopft, „Ardeo“ hat dann einen riesigen Sprung gemacht, vor allem im Bereich der altertümlichen Instrumentierung, für die du ja u.A. mitverantwortlich bist. Wie siehst du deinen persönlichen Fortschritt seit der Bandgründung?
Ich lerne mit jeder Platte etwas Neues – ohne Scherz: Auch wenn man beim Hören vielleicht den Eindruck hat, als hätten wir Dudelsack und Drehleier vom Thron gestoßen, was wir spielen ist immer komplexer geworden.
Ansonsten habe ich einige der großartigsten Momente meines Lebens mit der Band verbracht. Das kann man gar nicht in Worte fassen. Ich muss hier auch einmal meine Bandkollegen hervorheben, die allesamt großartige Typen sind. Wir haben viele Fans und Freunde gefunden und wahnsinnig viel Spaß gehabt. Es ist eine geile Zeit mit euch!
Das ist nachvollziehbar! Wie lernst du dazu? Kommt das einfach so, oder hörst du dir auch mal genrefremde Künstler an, beziehst Tipps von solchen oder wie pflegst du es da, voranzukommen? Baust du deine Sackpfeifen eigentlich selbst, oder macht das jemand anderes für dich?
Ich höre – wie eigentlich jeder beim Nachtgeschrei – natürlich wahnsinnig viel Musik, die so gar nichts „mittelalterliches“ hat. Es ist aber auch nicht so, dass sich auf den großen Festivals die Musiker über irgendwelche Spieltechniken austauschen – eher schon über Bier, Partys oder welche Band jetzt bei welchem Label …
Ob man daraus jetzt was lernt? Keine Ahnung. Ansonsten kann ich jedem empfehlen, Musik zu machen. Einfach tun, dadurch lernt man am meisten. Instrumente bauen kann ich leider überhaupt nicht, deswegen lasse ich da liebe Profis ran. Auch für Dudelsäcke oder Flöten gibt es herausragende Instrumentenbauer.
Okay. Also eher ein natürlicher Fortschritt. Wo wir gerade beim Thema Instrumente sind: So komisch es auch klingt, aber das Akkordeon ist ein Instrument, welches im Mittelalter Rock/Metal Genre kaum Verwendung (außer bei SCHANDMAUL) findet, dadurch und zu eurem Vorteil aber zu einem eurer Markenzeichen avanciert ist. Haben andere Bands zu viel Angst davor, als Schlager abgetan zu werden, oder rührt das woanders her?
Jaja, das Schifferklavier … Martin nennt es nur „IdG“, für „Instrument des Grauens“. Meine Theorie ist, dass es andere mit dem „Mittelalter“ ernster nehmen als wir. Und die Quetschkommode ist im eigentlichen kein mittelalterliches Instrument. Bei uns kommt das aus unserer Folk-Vergangenheit: Joe und ich haben vor dem Nachtgeschrei in einer Irish-Rock-Band gespielt. Die Quetsche bringt nochmal eine andere Klangfarbe, zwischen Kosakentanz und Matrosenkneipe mit rein. Wir mögen sowas – manchmal zumindest …
Was heißt manchmal? Oder anders gefragt: Gibt’s Tage in der Songwriting- bzw. Aufnahmephase, an denen ihr sagt „Ne Joe, pack die Quetschkommode weg, das geht grad‘ überhaupt nicht“?
Hör mir auf … Joe hat gerade seine Leier zur Durchsicht gegeben, ehe die Konzerte losgehen. So lange die weg ist, spielt er in der Probe alles auf der Quetsche. Und dann fängt er natürlich an: „Klingt doch auch ganz gut so!“ – Ich ahne schon, wo das hinführen soll …
Klingt äußerst amüsant. Ja, das Instrument kann gelinde gesagt auch mal anstrengend sein, erschließt auf „Aus schwärzester Nacht“ aber auch einige sehr interessante Momente, die ich diesem Instrument gar nicht zugetraut hätte. Und wenn wir schon bei den Konzerten sind: Seid ihr schon aufgeregt? Es ist ja quasi das Debüt für Martin. Wie geht ihr damit als Band um, hat er schon „Lampenfieber“ oder geht er damit als erfahrener Mann eher souverän um?
Klar sind wir aufgeregt. Aber die gute Art von aufgeregt. Es ist allerhöchste Zeit, dass es wieder los geht!
Kommen noch ’n paar Festivaldates dazu, oder kannst du dazu noch keine genaueren Angaben machen?
Doch, wir haben noch ein paar in der Hinterhand. Da sind noch ein paar wirklich schöne dabei. Aber du weißt ja, wie es ist: Meistens will der Veranstalter der erste sein, der eine neue Band ankündigt. Wir müssen dann erstmal die Füße still halten, auch wenn wir es natürlich gerne allen weiter erzählen würden … Aber es gibt schon bald neue Termine, versprochen …
Na dann hoff‘ ich einfach mal auf einen Gig beim diesjährigen Summer Breeze, auch wenn ich euch womöglich schon beim Schlosshof Festival begegnen werde. Gut, dann ist mein Repertoire an Fragen auch langsam erschöpft, eins schwirrt mir da aber noch im Kopf rum. Wir hatten vorab schon ein kleines Gespräch, in dem wir auch auf folgendes Thema gekommen sind: Eure Artworks. Jenes von „Aus schwärzester Nacht“ wurde abermals von Travis Smith (OPETH, AMORPHIS, KATATONIA, etc.) realisiert, ihr seid laut eigener Aussage große Fans von ihm. Wie kam es bei „Am Rande der Welt“ denn überhaupt zu der Kooperation mit ihm und steht ihr seitdem häufiger in Kontakt?
Mit Travis zusammenzuarbeiten war von Anfang an ein Wunschtraum für uns – ganz naiv, wie man sich das halt so denkt: „Und dann machen wir ein Album, und Travis Smith macht das Cover!“ Bei unserer zweiten Platte „Am Rande der Welt“ haben wir uns dann ein Herz gefasst und mal in Kalifornien angefragt. Seit dem läuft das Ganze … Travis ist ein wahnsinnig cooler Typ und ein großartiger Künstler. Wir sind alle große Fans seiner extrem stimmungsvollen Artworks und ihn an Bord zu haben ist wirklich ein kleiner wahrgewordener Traum.
Ein würdiger Abschluss für dieses Interview. Mir hat’s sehr viel Spaß gemacht, was natürlich auch am äußerst angenehmen Gesprächspartner lag. Die letzten Worte sollen dir gehören! Ich bedanke mich auf jeden Fall schonmal!
Danke für das Gespräch Pascal! Wir sehen uns hoffentlich im April auf einem unserer Konzerte. Bis dahin: Schaut einmal auf www.nachtgeschrei.de vorbei und hört in unsere neue Platte rein. Wir hoffen, sie gefällt euch so gut wie uns. Bis dahin – Rock on + Cheers!