Nachtblut
Der Tod als letzte Konsequenz

Interview

Mit „Todschick“ veröffentlichen NACHTBLUT ihr erstes neues Album seit 2020. Es ist eines der vielseitigsten Werke der Osnabrücker Dark-Metal-Band geworden. Wir sprachen mit Schlagzeuger Skoll über die lange Pause, die Themen der neuen Platte, Politik und Gesellschaftskritik.

Hi und danke, dass du dir die Zeit nimmst! „Todschick“ erscheint 4,5 Jahre nach „Vanitas“ – die bisher längste Spanne zwischen zwei NACHTBLUT-Alben. Woran liegt das?

Letztendlich ist das der Pandemie geschuldet. Zunächst waren wir, wie vermutlich alle Personen, zuversichtlich, dass bald alles wieder normal vonstattengeht. Nachdem wir unsere Tour zum Album dreimal verschieben mussten, machte sich Frust breit. Nicht über das Album, aber über den Umstand, keine Shows geben zu können. Schließlich ist es für uns essenziell, diese direkte Interaktion und unmittelbares Feedback von Fans zu erhalten. Für uns fühlt es sich auch nicht nach 4,5 Jahren an – eher nach zwei Jahren.

„Todschick“ spielt wieder viel mit diversen Interpretationsmöglichkeiten in seinen Texten: Wieso habt ihr das Stück zum Titeltrack erkoren?

Der Song fußt auf einer Unterhaltung mit jemandem, der nichts mit Metal oder Gothic zu tun hat. Diese Person stellte die Frage, warum wir uns auf der Bühne so kleiden und wieso wir dieses Make-Up tragen – wir sähen wir Leichen aus. Unsere Antwort war eindeutig: Ein Konzert ist etwas Besonderes für uns, wir zelebrieren unsere Songs und bei einem speziellen Anlass macht man sich schick. In unserem Fall dann wohl „todschick“. Es war naheliegend, einen Songtitel für das Album zu nutzen, der die Wertschätzung jener Songs und des Werkes beinhaltet. Zumal „Todschick“ auch eigenständig ein guter Albumtitel ist.

Nachtblut - Todschick

Ist das Thema „Tod“ in all seinen Facetten eine Art Überthema des Albums? Oder stehen die Songs für sich?

Es ist kein Konzeptalbum. Die Songs kann man losgelöst betrachten und verstehen. Sicherlich findet man das Thema Tod als letzte Konsequenz in diversen Songs, aber ich würde es aber nicht als Überthema identifizieren. So geht es beispielsweise in „Manchmal Kommen Sie Wieder“ um Kreation und Zerstörung, in „Stirb Langsam“ um den missbräuchlichen Konsum von Alkohol. In beiden Fällen ist der Tod die letzte Konsequenz, doch das Hauptaugenmerk der Songs liegt woanders.

Ich finde, das Album ist musikalisch sehr divers geworden: Ist NACHTBLUT eine „Alles ist möglich“-Band oder arbeitet ihr mit einem festen Genre-Fundament?

Wir mögen keine Grenzen und Limitierungen. Sicherlich befindet sich NACHTBLUT in einem gewissen Rahmen und hat seine Quintessenz. Aber wir loten diesen Rahmen immer wieder neu aus und wollen uns nicht in unserer Kreativität beschränken. Persönlich fände ich es schrecklich, wenn man sich bei der Entstehung eines Songs nur noch die Frage stellt, ob es in Schublade XY passt und damit Kritiker und Hörer einverstanden sind. Davon halte ich nichts.

„Manchmal Kommen Sie Wieder“ ist ein ziemlich eindeutiges Statement gegen Rechts – genau wie „Multikulturell“ von ein paar Jahren. Sind NACHTBLUT eine politische Band? Wie blickt ihr auf die aktuelle Lage in Deutschland?

Dadurch, wie wir Themen unserer Gesellschaft aufgreifen und in unseren Songs verarbeiten, sind wir sicherlich in gewisser Weise politisch. Vermutlich kann man als Band mit gesellschaftskritischen Texten gar nicht anders. Was „Manchmal Kommen Sie Wieder“ angeht, ist es für mich persönlich ein Statement gegen alle politischen Formen und Diktatoren, die sich für das Nonplusultra halten, ganz gleich in welchem politischen Lager sie sich verorten.

Die Lage in Deutschland ist schwierig. Meiner Meinung nach ist die Stimmung zu aufgeheizt. Es geht zu sehr um Zugehörigkeiten, als um die Sache selbst oder Argumente. Jeden Tag kommen neue Kampfbegriffe dazu, die dann inflationär über alle Kanäle verbreitet werden und die Debattenkultur weiter vergiften.

„Das Leben Der Anderen“ behandelt die Sucht nach Social Media. Gleichzeitig ist es heutzutage die wichtigste Promoquelle. Kann es einen gesunden Umgang damit geben?

Das ist wohl die entscheidende Frage. Mit Fug und Recht kann man sagen, wenn eine Band oder ein Künstler auf Social Media nicht stattfindet, haben sie es schwer. Der ein oder andere würde sogar behaupten, dieser Künstler oder diese Band sei ab dem Zeitpunkt quasi nicht mehr existent.

Ich würde hier in zwei Kategorien unterteilen: die produktive und die konsumierende. Meinen Fokus im Umgang mit Social Media versuche ich auf erstere zu legen. Ich gehöre auch zu den Vertretern, die Social Media für Bands und Künstler als wichtig ansehen. Sich dort rauszuziehen, würde ich als Fehler werten. Auf der anderen Seite versuche ich Social Media so wenig wie möglich zu konsumieren. Das soll nicht heißen, dass ich nicht mal durch eine Plattform scrolle, aber ich versuche diese Tätigkeit aufs Minimum zu beschränken. Letztendlich macht, wie bei so vielem, die Dosis das Gift.

„Schneller Als Der Tod“ spielt mit Wild-West-Thematik. Woher stammt der Anfang des Stücks (ich komme nicht darauf, wo ich die Melodie schon gehört habe)? Seid ihr Fans des Filmgenres?

So, wie es auf dem Album ist, wirst du es noch nie gehört haben. Es stammt aus unserer Feder. Dass du überlegst, aus welchem Film es stammt, freut mich umso mehr. Denn wir haben genau das erreicht, was wir vorhatten. Wir wollten den Zuhörer genau dieses Bild der berühmten Wild-West-Filme vor Auge haben lassen, wenn er diesen Song hört.

Ich vermute, das Stichwort lautet Ennio Morricone. Er hat alle gängigen und die bekanntesten Wild-West-Soundtracks geschrieben. Wir haben uns sehr stark an ihm orientiert und Kernelemente seiner Kompositionen für uns genutzt. Wie mir scheint, sehr erfolgreich.

In der Box ist wieder eine Bonus-CD dabei. Passten die Stücke nicht zum Konzept des Hauptalbums oder wieso habt ihr euch dazu entschieden, sie exklusiv dort zu veröffentlichen?

Es hätte sich nicht falsch, aber merkwürdig angefühlt die Songs mit auf das Album zu packen. Auch wenn es kein Konzeptalbum ist, so ist das Album in sich geschlossen. Bei den Bonussongs handelt es sich um sieben Freunde der Band, die auf unsere Musik ihren Text und Gesang gelegt haben. Konkret haben wir es spannend gefunden, wie sie die Songs ohne Text, ohne Titel, ohne jegliche Information für sich interpretieren.

Die Idee entspringt unter anderem der häufig auftretenden Unterstellung, dass Personen, die kein Deutsch sprechen, an NACHTBLUT keinen Gefallen finden, da sie die Texte nicht verstehen. Die schnelle Antwort lautet – es gibt den Google-Übersetzer. Die tiefergreifende wäre – ich muss einen Text nicht verstehen, damit ich die Emotion eines Songs aufgreifen kann.

Ich muss kein Isländisch oder „Vonlenska“ sprechen, verstehen, um bei SIGUR RÓS etwas zu empfinden. Genauso bei klassischer Musik. Jeder versteht, ob dem Latein mächtig oder nicht, dass bei Mozarts „Lacrimosa“ es sich um keinen Party-Song handelt. Dieses Experiment, mit einem wunderbaren, schönen Endresultat, hätte einfach nicht auf das Album selbst gepasst.

Danke für die Zeit und die letzten Worte gehören euch!

Bleibt gesund, bleibt euch, uns und metal.de treu. Danke!

Quelle: Mail-Interview mit Nachtblut
15.03.2025

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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