Myrkur
"Alles zeigte auf diesen Moment."
Interview
Auch wenn MYRKUR alias Amalie Bruun mit der Live-EP „Mausoleum“ schon einmal ein rein akustisches Werk vorgelegt hat und Folk schon immer in ihre Musik einfloss, dürfte die Ankündigung eines kompletten Longplayers in diesem Stil für viele überraschend gekommen sein. Wir sprachen mit ihr darüber, wie „Folkesange“ entstand, das Konzept hinter MYRKUR und natürlich auch die aktuelle Situation als Künstlerin in Zeiten der Corona-Krise.
Hi Amalie! Ich hoffe Dir geht es gut – leider keine Selbstverständlichkeit im Moment.
Hi! Da hast Du Recht, wir durchleben gerade schwierige Zeiten. Aber mir geht es gut, danke!
Ok, dann lass uns direkt starten. Auf Deinem ersten Album hast Du Folk-Einflüsse mit recht ursprünglichem Black Metal vermischt, auf „Mareridt“ kam dann Dark Pop dazu und Du hast u.a. auch mit CHELSEA WOLFE zusammengearbeitet. Nun ein reines Akustik-Folk-Album. Ist im MYRKUR-Universum alles erlaubt?
Hmm, ich denke schon. Wir werden sehen. Ich denke eigentlich, dass die drei Alben eine Menge gemeinsam haben, auch wenn sie rein technisch vielleicht verschieden sein mögen. Ich denke also, dass sie gar nicht SO verschieden sind, wenn Du verstehst, was ich meine.
Ja, ich denke ich kann Deinen Standpunkt nachvollziehen. Aber hattest Du jemals das Bedürfnis, Songideen „auszulagern“, weil Sie Deiner Meinung nach nicht in das Konzept von MYRKUR passen?
Ja, ich schreibe eine Menge Songs, die es niemals irgendwohin schaffen. Ich denke aber auch, dass das bei den meisten Künstlern der Fall ist.
Also vermute ich, dass Du auch nicht wirklich darüber nachdenkst, ob die große Stilvielfalt einige Fans verschrecken könnte?
Nein, darüber denke ich wirklich nicht nach (lacht).
Wann war Dir klar, dass Du als nächstes ein reines Folk-Album machen möchtest und wie entstand die Idee dazu? In früheren Interviews hast Du skandinavischen Folk bereits als Inspirationsquelle genannt, also muss man ja fast schon fragen: Warum erst jetzt?
Ich arbeite daran eigentlich schon seit Jahren, wie Du ja schon richtig angedeutet hast. Jetzt fühlte es sich einfach wie die richtige Zeit in meinem Leben an, alles zeigte irgendwie auf diesen Moment. Ich musste als erstes an der Trackliste arbeiten. Ich wählte Songs aus, spielte sie zunächst einmal live, um sie wirklich kennenzulernen. Natürlich schrieb ich auch selbst Musik. Nachdem ich klären konnte, dass es Chris (Christopher Juul von HEILUNG, Anmerk. d. Verf.) sein würde, der das Album produziert, gingen die Dinge ziemlich schnell. Wir sagten uns einfach: „Ok, let‘s do it!“
Du hattest also schon immer die Idee im Kopf, solch ein Album aufzunehmen, sie musste sich aber über die Zeit hinweg entwickeln?
Ja, genau richtig. Einige der besten Dinge entstehen auf diese Weise, wenn Du dir wirklich die Zeit nimmst, darüber nachzudenken oder sie langsam für sich selbst wachsen lässt. Zumindest für mich funktioniert das ziemlich gut.
Wie hat das Muttersein Deine Herangehensweise an das Songwriting beeinflusst? Denkst Du, Du hast jetzt weniger Wut in Dir, verglichen mit den frühen Tagen von MYRKUR?
Das Album war bereits geschrieben, bevor ich mein Baby bekam. Ich kann Dir also nicht wirklich sagen, welchen Einfluss das auf mein Songwriting hat, aber ich werde herausfinden, was es heißt auf der einen Seite MYRKUR zu sein und eine Mutter auf der anderen. Das wird definitiv eine ganz neue Sache, aber ich habe noch nicht herausgefunden, wie die Auswirkungen aussehen werden.
Ich vermute, Du kannst auch noch nicht sagen, in welche Richtung MYRKUR sich auf dem nächsten Album bewegen wird? Vielleicht ein Schritt zurück zum Stil der ersten Veröffentlichungen oder ein weiteres Folk-Album?
Ich habe dazu noch überhaupt nichts entschieden, das ist richtig. Aber das tue ich nie, bis das Album fast schon fertig ist. Ich habe einfach keine Pläne dafür, im Voraus.
Das Album bietet einen organischen Fluss, die Unterschiede zwischen traditionellen Songs, solchen mit Texten aus der skandinavischen Folklore und kompletten Eigenkreationen von Dir sind kaum spürbar. Selbst die Songs in englischer Sprache wirken keinesfalls wie Fremdkörper. Hast Du darauf einen besonderen Fokus gelegt?
Du meinst, dass sie sich gut integrieren?
Ja, richtig.
Ich habe mich nicht darauf konzentriert, es ist einfach so passiert, da diese traditionellen Songs so integriert sind, in meine Zellen, meinen Körper, meinen Geist. Sie müssen sich einfach auf meine Art, Musik zu schreiben auswirken.
Wie schon von Dir erwähnt, hast Du Dir auf diesem Album für die Produktion Unterstützung von einem Musiker geholt, der ziemlich erfahren im Bereich Folk ist: Christopher von HEILUNG. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Wir sind tatsächlich bereits seit Jahren befreundet. Er und seine Freundin leben in Dänemark, wir kennen uns also aus der Musikszene. Wir haben auch schon vorher zusammengearbeitet, aber natürlich nie so substantiell wie jetzt, für ein komplettes Album. Aber ich wusste immer, dass er ganz offensichtlich der Partner für dieses Album sein müsste, da es mit ihm einfach gut funktioniert und wir auch live zusammen spielen. Er ist Teil meiner Live-Band. Wir liegen ziemlich auf einer Wellenlänge, was Musik betrifft. Es war also quasi ein No-Brainer.
Wie planst Du „Folkesange“ auf der Bühne umzusetzen, falls Du gerade überhaupt Pläne für Live-Shows machst? Soll es eine reine Akustik-Tour werden, oder sollen ältere Songs so gespielt werden, wie sie auch auf dem Album stehen?
Es wird auf jeden Fall eine reine Akustik-Show mit Folk-Musikern werden, wie ich sie auch früher bereits gespielt habe. Wir werden das Album spielen, aber abgesehen davon… Es ist einfach unmöglich irgend etwas zu planen, im Moment. Ich meine wir sollen, wenn es sich vermeiden lässt, nicht mal in den Supermarkt gehen, also versuche ich nicht zu viel bezüglich Live-Aktivitäten zu planen, da sowieso alles abgesagt wird.
Hat sich das Publikum bei Deinen Shows eigentlich geändert? Ich würde vermuten, dass anfangs hauptsächlich Metalheads gekommen sind, mittlerweile sprichst Du ja aber aufgrund der Stilvielfalt sicher auch andere Gruppen an.
Ja, ich denke das Publikum ist mittlerweile deutlich gemischter. Du siehst MAYHEM-Shirts in der Menge, aber eben auch ältere Damen. Es ist also sehr gemischt und ich denke, es ist eine wunderschöne Sache, wenn Deine Musik in der Lage ist, so unterschiedliche Menschen zu erreichen.
Hast Du das Gefühl, dass die Black-Metal-Songs auch von, sagen wir mal, den „älteren Damen“ verstanden werden?
(Lacht) Naja, ich denke ich habe noch keine älteren Damen auf meinen Metal Shows gesehen. Die älteren Personen kamen eher zu meinen Folk-Konzerten. Sie haben vermutlich doch einen etwas anderen Geschmack als das Metal-Publikum.
Lass uns zum Schluss noch über das Cover Artwork sprechen. Es sieht wie ein authentisches skandinavisches Gemälde aus. Ist das tatsächlich so, oder wurde es speziell für das Album angefertigt?
Nein, es ist tatsächlich ein altes Gemälde, dass ich von meiner Großmutter geerbt habe. Es ist ein Werk des norwegischen Malers Hans Dahl.
Auf Deiner Facebook-Seite habe ich gesehen, dass Du es auch bei Dir zu Hause in einem sehr schönen alten Rahmen an der Wand hängen hast.
Ja, das ist der Original-Rahmen. Naja, eigentlich weiß ich nicht, ob es das Original ist, aber es ist der Rahmen meiner Großmutter. Er ist wirklich schön und passt sehr gut zum Bild, wie ich finde.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast. Alles Gute und vor allem: Pass auf Dich auf!
Ja, Du auch. Stay Home!
Titelbild: Shawn Brackbill
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>dürfte die Ankündigung eines kompletten Longplayers in diesem Stil für viele überraschend gekommen sein.<
Nicht wirklich. 😀