My Dying Bride
"Es war mir völlig gleichgültig, was mit der Band passierte."
Interview
Die Krebserkrankung von Aaron Stainhorpes kleiner Tochter, der kommentarlose erneute Ausstieg von Gründungsmitglied Calvin Robertshaw – es liegen turbulente fünf Jahre hinter den Death-Doom-Urgesteinen MY DYING BRIDE. Dennoch haben sie sich, nachdem es Aarons Tochter glücklicherweise wieder besser geht, mit zwei Neuzugängen wieder zusammengerauft und wollen nun mit dem neuen Album „The Ghost Of Orion“ und neuem Label mindestens zu alter Stärke zurück finden. Im Interview erzählt Aaron, wie das Album letztlich entstanden ist, wie schwierig die letzten Jahre tatsächlich waren und wie die Zukunft der Band aussehen könnte.
Hallo Aaron! Mein Kollege Eckart schrieb im Review zur letzten Platte „Feel The Misery“, dass die Songs nicht immer gut zusammen passen, der Fluss des Album manchmal ins Stocken kommt und man vielleicht lieber einige Songs einzeln anwählen sollte, obwohl er das Material für sich genommen durchaus sehr gut fand. Das finde ich spannend, da mir mit als erstes auf „The Ghost Of Orion“ genau das Gegenteil aufgefallen ist. Trotz der durchaus vorhandenen Abwechslung, bilden die Songs eine unheimlich dichte Einheit, das Album schreit geradezu danach, am Stück gehört zu werden. Dafür gibt es vielleicht nicht unbedingt DEN herausstechenden Hit. Wie siehst Du „Feel The Misery“ mit einigen Jahren Abstand? Habt Ihr dieses Mal besonderen Wert auf das Album als zusammenhängendes Gesamtwerk gelegt?
Ich bin sehr stolz auf „Feel The Misery“. Jede Platte ist so gut, wie Du sie zu dieser Zeit in Deinem Leben machen kannst und Du hoffst, dass die Rezensionen wohlwollend ausfallen. Für dieses Album haben wir die besten Reviews bekommen, die wir jemals in unserer Karriere hatten. Das erste Mal überhaupt, denke ich, haben wir in den Magazinen einige „10 von 10“ bekommen, viele „9 von 10“ und ich glaube die schlechteste Bewertung war eine „8 von 10“. Nach dieser Art von Rezensionen denkst Du: „Das ist großartig, MY DYING BRIDE haben immer noch eine gewisse Relevanz nach all diesen Jahren.“ Wir haben offenbar immer noch etwas, das die Leute mögen, was echt schön ist. Tatsächlich habe ich die Scheibe seit einer Weile nicht mehr gehört, nur ein paar Songs, da wir angefangen haben für Live Shows zu proben, aber es ist ein cooles Album. Es ist jetzt fünf Jahre alt, was eine ziemlich lange Zeit ist, aber das ist einfach was wir dieses Mal brauchten.
Für „The Ghost Of Orion“ wurde jeder Song komplett unabhängig von allen anderen geschrieben. Viele Leute fragen mich, ob es ein Konzept auf diesem Album gibt – eigentlich fragen sie mich das bei jedem Album (lacht). Ich denke, eines Tages werde ich ein Konzeptalbum mit einem Thema, das sich durch das ganze Ding zieht, schreiben. Aber diese Kompositionen sind komplett für sich selbst geschrieben und sogar unterschiedlich aufgenommen worden. Die Aufnahmen zu diesem Album brauchten ein ganzes Jahr, aufgrund verschiedener Probleme und außerdem hatten wir keine Deadline vom Plattenlabel, was bedeutet, wir konnten uns so viel Zeit nehmen, wie wir wollten, was echt toll war. Also nahmen wir uns diese Zeit auch.
Natürlich bekommst Du immer verschiedene Meinungen über Deine Platten. Einige Menschen sehen sie als individuelle Tracks, während andere Menschen sagen: „Für mich klingt das wie ein gigantischer Song, es ist perfekt so und man sollte wirklich das ganze Ding von Anfang bis Ende hören, statt an verschiedenen Stellen ein- und auszusteigen.“ Für mich ist das schwer zu sagen. Ich sehe das anders, da ich geholfen habe es zu kreieren, also sehe ich es nicht wie andere Leute. METALLICA werden ihre Alben nicht so sehen wie wir sie sehen und SLAYER werden ihre Alben nicht so sehen wie wir sie sehen. Wir lieben sie für das, was sie sind, sie lieben sie wahrscheinlich aufgrund der Art, wie sie sie erschaffen haben. So ist das bei uns auch. Es liegt also bei den Fans zu entscheiden, ob es ein großes Ganzes oder eine Kollektion einzelner Dinge ist. Aber es gibt definitiv kein Konzept. Das einzige, das die Songs verbindet, ist vermutlich die Melancholie, die durch das ganze Album fließt. Aber das ist ja sowieso typisch MY DYING BRIDE.
Vor kurzem musstest Du privat durch eine schwere Zeit gehen, da Deine Tochter schwer erkrankte. Gott sei Dank geht es ihr mittlerweile wieder besser. In Deinem Statement zu Eurer „Auszeit“ aus dem September 2018 schriebst Du, dass Deine Bandkollegen bereits ohne Dich begonnen haben, am neuen Album zu arbeiten, Du aber bald hinzustoßen und Deinen Teil beitragen wirst. Die Ideen der Songs stammen, wie Du schon vorab verraten hast, alle von Andrew Craighan (Gitarre). Hast Du im späteren Verlauf der Entstehung noch Einfluss auf die Musik nehmen können, bzw. hattest Du überhaupt Interesse daran?
Nein, ich war überhaupt nicht daran interessiert. Ich weiß, das klingt komisch, aber mein Fokus lag komplett auf meiner Tochter und das ging so weit, dass mich nicht einmal interessierte, ob ich mich MY DYING BRIDE überhaupt wieder anschließen würde. Das kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Nichts bedeutete noch irgend etwas, außer dieser einen Sache. Es war mir völlig gleichgültig, was mit der Band passierte. Erst, als es meiner Tochter langsam besser und besser ging, realisierte ich: „Ok, was habe ich getan, bevor es ihr schlecht ging? Richtig, ich war in einer Band. Ich muss also wieder Kontakt mit dieser Band aufnehmen, herausfinden was gerade passiert und wieder mit den Leuten in Kontakt kommen, die mich über eine so lange Zeit unterstützt haben.“ Aber das dauerte eine lange Zeit, denn obwohl ich mir einiges von dem Material anhörte, interessierte es mich nicht so sehr. Ich wusste, es ist gut, da es einfach toll klang, aber ich fühlte keine wirkliche Verbindung dazu und wusste, dass ich an irgend einem Punkt Texte schreiben und dazu singen muss. Vermutlich erneut weil es keine Deadline von Nuclear Blast gab, dachte ich mir: „Ich bin jetzt noch nicht bereit, ich versuche es nächste Woche.“ Und als die nächste Woche da war, dachte ich: „Ok, ich bin immer noch nicht bereit, ich versuche es nächste Woche.“ Also hat es wirklich lang gedauert.
Dann begannen irgendwann die Aufnahmen. Der Großteil des Albums war komplett aufgenommen und ich hatte noch nicht ein einziges Wort geschrieben. Also realisierte ich: „Ok, ich muss JETZT etwas tun, auch wenn es keine Deadline gibt. Wir steuern ganz klar auf das Ende zu und ich muss mich einbringen.“ Da es meiner Tochter aber besser und besser ging, fühlte ich auch das Verlangen, mich mehr einzubringen. Ich sprach mit dem Toningenieur Mark (Mynett, Anmerk. des Verf.), ich sprach mit Andrew und wir diskutierten worüber wir nachdachten und was wir vor uns hatten. Irgendwann schrieb ich endlich ein paar Texte, nahm zu Hause ein paar Demos auf und ging ins Studio. Es brauchte ein Jahr den Gesang fertigzustellen, ein ganzes Jahr.
Weißt Du, wenn Du vom Fahrrad fällst, steigst Du wieder auf und es ist leicht. Ich konnte mich aber einfach nicht mehr auf den Gesang einlassen. Es war so schwierig, als ob ich komplett vergessen hatte, was ich tun muss. Ich brauchte die Hilfe von Andrew und Mark. Wir haben zum ersten Mal mit Mark zusammen gearbeitet. Er wollte einige interessante neue Ideen bezüglich des Gesangs ausprobieren. Double-tracking, Triple-tracking, Quadruple-tracking, so dass der Gesang wie ein Chor klingt und andere wunderbare Ideen. Für mich fühlte sich das aber alles seltsam an und ich war mir nicht sicher ob ich noch ein Teil von MY DYING BRIDE sein sollte. Meine Gedanken waren komplett zerstreut, ich konnte einfach keine Verbindung finden. Ich arbeitete mich also durch und war nicht glücklich mit einigen der Songs, aber ich machte einfach weiter und dachte: „Schauen wir mal, wohin das führt.“ Schließlich fing ich endlich an ein Gefühl dafür zu entwickeln, ich begann es zu genießen. Am letzten Tag der Aufnahmen war ich einfach überglücklich, dass es vorbei war. Es war so eine schwierige Zeit für mich, es war so hart die Vocals aufzunehmen und das war vorher noch nie der Fall. Normalerweise kann ich ins Studio gehen und bin innerhalb von zehn Tagen fertig, aber ein Jahr für den Gesang zu benötigen zeigt, wie schwer es war, wie viele Fehler ich gemacht habe und wie sehr ich die Hilfe anderer Menschen brauchte. Wenn Andrew und Mark nicht da gewesen wären, würde das Album nicht so klingen und ich wäre vermutlich nicht einmal darauf zu hören. Ihre Hilfe war wirklich außerordentlich gewollt, gebraucht und geschätzt.
Wenn es eine Musik gibt, um harte, traurige Zeiten, die eine Person durchstehen musste zu vertonen, dann ist das wohl Doom Metal. Konntest Du „The Ghost Of Orion“ ein wenig zur Selbsttherapie nutzen? Wie viel persönliches von Dir ist vor allem in die Texte eingeflossen?
Es wird immer persönliche Dinge auf Alben zu finden geben, da Du über das schreibst, worüber Du etwas weißt, was Du durchgemacht hast und über Deine Erfahrungen. Wenn Du älter wirst, hast Du mehr Dinge erlebt und solltest daher auch wirklich mehr Dinge haben, über die Du schreiben kannst. Also ja, offensichtlich wird ein Teil der harten Zeiten, durch die ich gegangen bin, auf dem Album auftauchen. Ich meine, wie könnten sie nicht? Es war so ein harter Einschnitt in meinem Leben. Keine dieser Erfahrungen auf dem Album zu haben, wäre in der Tat eigenartig. Aber gerade weil es so eine große Sache war, wollte ich nicht das gesamte Album damit füllen, das wäre lächerlich. Aber, da es eben eine große Sache war, ist immer noch viel davon in meinem Kopf und auch auf dem nächsten Album werden noch Teile dieser Zeit auftauchen, auch auf dem Album danach und vermutlich sogar auf dem Album danach. Es ist eine Erfahrung und je mehr ich darüber rede und je mehr ich darüber schreibe, desto besser fühle ich mich, da es so ist, als würde ich Dampf ablassen. Wenn Dir so viel unter den Nägeln brennt und Du kannst es nicht raus lassen, dann wirst Du verrückt. Es ist also gut darüber zu reden, es ist gut es aus Deinem System zu bekommen und es ist auch gut, es aufzuschreiben, da Du es dort wahrhaftig sehen kannst, auf Papier. Das bedeutet etwas, es nimmt ein klein wenig von dem Stress in Deinem Kopf auf und packt es wo anders hin. Man braucht so etwas manchmal.
Also ja, es gibt Momente auf dem Album, die sehr stark mit meiner Auszeit zu tun haben und dann gibt es diese anderen Momente, die man einfach von MY DYING BRIDE erwartet. Es geht um Liebe, Religion, Hass und Trauer. All diese typischen Themen, die die Menschen erwarten und auch wollen, das ist einfach worüber ich schreibe. Ich mag das, da ich ein altmodischer Poet bin und altmodische Poeten liebten all diese tiefen, starken, düsteren, emotionalen Momente, da sie Dich zum Nachdenken bringen. Ich kann keine Rock‘n‘Roll-Texte schreiben, also schreibe ich melancholische Texte.
Auch wenn Du schon erwähnt hast, dass „The Ghost Of Orion“ kein Konzeptalbum ist, beginnt Ihr mit „Your Broken Shore“, bevor sich der Kreis am Ende mit „Your Woven Shore“ wieder schließt. Für mich klingt das, als ob das, was vorher zerbrochen war, nun zumindest weitgehend wieder zusammengefügt wurde. Kannst Du mir etwas zu diesem Hintergrund erzählen, da das ja vermutlich kein Zufall ist?
Ja, da hast Du Recht, das ist kein Zufall. Das Album startet genau wie Du erwähnt hast, es ist dunkel und alles scheint auseinanderzubrechen. Du bist an einem seltsamen, unbehaglichen Ort und fragst Dich, ob Dein Leben in unterschiedliche Richtungen treibt. Du bist Dir nicht wirklich sicher, worauf Du Dich konzentrieren sollst. Aber es ist kein Konzept. Das Album nimmt Dich mit auf eine mysteriöse Reise, wenn Du so willst. Es gibt Höhen und Tiefen, gute und schlechte Dinge. Es gibt eine schöne kleine Erholung in der Mitte. Es ist fast so als ob Du zu einer furchtbaren Seereise aufbrichst und plötzlich ist da eine einsame Insel, auf der Du die Beine ausstrecken und ein wenig entspannen kannst, bevor Du mit Deiner Reise weiter machst. Letztendlich gelangst Du zu „Your Woven Shore“, das verdeutlichen soll, dass die Dinge wieder zusammen gekommen sind. Du hast hart gearbeitet, Du hast Dein Leben wieder fokussiert, Du startest neu und kannst Dein Leben hoffentlich ein bisschen mehr genießen.
Also ja, es ist ein wenig wie ein Kreis, der sich am Ende schließt und mir ist klar, warum die Leute denken könnten, dass ein Konzept dahintersteckt. Es war einfach schön, das Album mittels zweier Küsten („Shores“, Anmerk. d. Verf.) einzurahmen, einer zerbrochenen und einer gewebten, denn – wie Du richtigerweise sagst – es beginnt zerbrochen und zum Glück endet es, indem alles wieder zusammen kommt. Es ist also doch nicht alles Doom bei MY DYING BRIDE (lacht).
Auch wenn Ihr schon lange Violinen in Eurer Musik verwendet, ist auf dem neuen Album eine klare Folk-Schlagseite auszumachen, die durch die Gast-Vocals von Lindy-Fay Hella (WARDRUNA) noch verstärkt wird. Aber auch Dein Gesang erinnert öfters an klassischen Folk. Wolltet Ihr bewusst in Richtung Folk gehen und wie ist die Idee dazu entstanden?
In der Vergangenheit haben wir nicht viel Musik über die Gegend aus der wir kommen erschaffen. Viele, viele Bands, ganz besonders die skandinavischen, sind wahnsinnig stolz darauf, wo sie her kommen. Sie singen davon im Norden zu sein und über all die Folklore und Geschichte dort oben und das völlig zu Recht. Ich habe mit Andrew darüber gesprochen, nachdem wir „The Barghest o‘ Whitby“ (EP von 2011, Anmerk. des Verf.) gemacht hatten – eine Geschichte die offensichtlich nicht weit weg von dem Ort spielt, an dem wir leben. Wir entschieden uns, dass wir mehr Dinge tun müssen, die den Ort von dem wir kommen mit einbeziehen, denn Yorkshire ist nicht unbedingt vergleichbar mit anderen Orten, wie Skandinavien. Es gibt Seen, Wälder und Hügel und es ist echt schön hier. Ohne wirklich Songs über bestimmte Orte zu schreiben, ist der Einfluss der Gegend, der Geschichte und der Folklore natürlich immer noch in uns. Kleine Teile davon schleichen sich also in verschiedene Teile der Songs ein, ohne dass wir es unbedingt bemerken. Leute wie Du werden es hören, aber wir fügen es unterbewusst ein, da wir hier leben. Wenn wir es also tun, merken wir gar nicht, dass wir es tun.
Außerdem haben wir natürlich einen Violinisten, der auch einige Cello-Parts geschrieben hat. Außerdem konnten wir Jo Quail für uns gewinnen, die die Teile eingespielt hat, die wir für sie geschrieben haben, aber auch fragte, ob sie ein wenig eigene Musik schreiben könnte, die sich in unsere einfügt. Natürlich sagten wir: „Ja, das ist toll, pack Dein Cello da rein.“ (lacht) Andrew kontaktierte Lindy-Fay, die ganz begeistert war, dass wir sie fragten. Das Stück, das Andrew für sie geschrieben hat, besteht nur aus ihm und ihr. Er spielt all diese aufwendigen Gitarren und dann ist da nur noch ihre Stimme. Einfach nur zwei Menschen, die ein wundervolles Stück Musik kreieren. Es ist toll, es direkt in der Mitte des Albums zu haben, ich denke es passt perfekt dort hin.
Ich denke, wir könnten auch etwas noch folkloristischeres schreiben, aufgrund unserer Herkunft. Die Geschichte rund um Yorkshire ist riesig und geht hunderte, wenn nicht tausende Jahre zurück. Ich denke, an irgend einem Punkt in der Zukunft werden wir uns mehr mit der Geschichte dieser Region beschäftigen. Ob das dann folkig wird oder nicht, weiß ich noch nicht. „The Barghest o‘ Whitby“ war ein Volksmärchen, aber wir haben es sicher nicht auf eine folkloristische Art eingespielt. Es war komplett Doom Death Metal. Aber wir werden sehen. Es ist auf jeden Fall eine nette Idee, vielleicht gibt es ein bisschen Folk in Zukunft.
Ja, das dachte ich mir schon. Natürlich singt Lindy-Fay auch für WARDRUNA, die für mich doch ziemlich norwegisch klingen. Aber Eure Version ist ziemlich Britisch, sogar bis zum Cover Artwork. Das passt alles sehr gut zusammen.
Ja, ich finde auch, dass es super zusammen passt, das Artwork auch. Eliran Kantor (Cover Artist, verantwortlich für das Cover von „The Ghost Of Orion“, Anmerk. des Verf.) schrieb mir eine E-Mail zu der Zeit als meine Tochter krank wurde. Damals antwortete ich: „Ich kann mich damit gerade nicht beschäftigen. Ich mag Deine Arbeit, aber ich bin im Moment raus. Schreib mir in ein paar Jahren nochmal.“ Ich sagte ihm aber nicht warum. Er muss gedacht haben: „Ok, was ist denn bei denen los?“ Erfreulicherweise schrieb er mir tatsächlich nach ein paar Jahren erneut, meiner Tochter ging es zu der Zeit schon wieder besser und wir arbeiteten am neuen Album. Ich gab ihm also die Texte und den Albumtitel und er dachte sich dieses wunderbare Bild aus. Es ist wirklich ziemlich auffällig, da nicht viele Death-Doom-Metal-Alben so aussehen. Es sticht ziemlich hervor, aber ich denke es funktioniert perfekt. Es ist elegant, es ist anspruchsvoll, es ist erwachsen. Ich habe eine Version davon an meiner Wand, in einem schönen Rahmen, ohne MY DYING BRIDE-Logo und ohne Albumtitel. Es funktioniert einfach als schönes Bild. Ich denke, er hat ein tolles Stück Kunst erschaffen und es passt sehr gut zu unserer Musik.
Lass uns ein wenig über die „administrative Seite“ sprechen. Als letzte Band der „Peaceville Three“ habt Ihr nach langer Zeit Euer Stammlabel verlassen. Was war der Hintergrund dafür? Mit Nuclear Blast habt Ihr Euch ja praktisch für den „Branchenriesen“ entschieden.
Der Vertrag mit Peaceville ist ausgelaufen. Wir hatten viele Verträge mit Peaceville und sie sagten uns immer: „Wir wissen, dass Ihr Euch nach anderen Labels umschaut. Lasst uns deren Verträge sehen und wir versuchen sie zu schlagen.“ Und das haben wir immer so gemacht. Der Vertrag ist ausgelaufen, wir bekamen eine Menge Angebote von anderen, wir suchten die besten heraus, zeigten sie Peaceville und sie machten ein besseres Angebot. Daher blieben wir sehr lange dort.
Aber an diesem Punkt wollten wir mehr. Wie fühlten, dass MY DYING BRIDE ein größeres Stück vom Kuchen haben wollten. Wir dachten, wir haben immer noch mehr anzubieten, mehr das wir der Welt zeigen wollen. Peaceville konnte uns aber nicht mehr weiter bringen. Wir haben die Power von Peaceville ausgeschöpft. Wir haben immer wieder ähnliche Dinge getan, immer und immer wieder. Wir dachten, das ist nicht gut genug, wir müssen nach vorne und nach oben schauen. Peaceville schaut praktisch nur horizontal, wir möchten nach oben schauen.
Wir sahen uns also wieder nach verschiedenen Plattenlabels um und das Angebot von Nuclear Blast überstieg die der anderen Labels bei weitem. Ich glaube, wir bemühten uns gar nicht, es Peaceville zu zeigen, da wir wussten, dass es keine Möglichkeit gibt, dass sie sich damit messen können. Außerdem mussten wir weiter kommen. Wir brauchten ein Label, das in die Zukunft schaut, neue Bereiche für eine Band eröffnen kann. Das ist was wir wollten. Um ehrlich zu sein, selbst wenn Peaceville hätte gleichziehen können, hätten wir vermutlich trotzdem nicht unterschrieben, da es dasselbe Label ist, das dieselben Dinge tut. Wir brauchten etwas neues. Es war einfach Zeit.
Wir zogen also weiter. Wir haben einen neuen Drummer, einen neuen Gitarristen, einen neuen Toningenieur, ein neues Album, ein neues Label. Es fühlt sich wieder frisch an. Andrew und ich fühlen uns wieder wie junge Männer. Es ist, als ob MY DYING BRIDE eine zweite Chance bekommen haben, etwas aus unserer Karriere zu machen, also werden wir sie ergreifen. Wir hätten einfach ein typisches MY DYING BRIDE Album schreiben können. Stattdessen verbrachten wir viel Zeit damit, hart daran zu arbeiten, um es so aufwendig, großartig und einfach schön werden zu lassen, wie wir nur konnten. Es ist wie ein erneutes Debüt-Album. Für ein Debüt-Album braucht man eine große Wirkung und ich hoffe das ist es, was wir gemacht haben.
Du hast gerade die beiden neuen in der Band erwähnt. Nach dem Ausstieg von Calvin und Shaun habt Ihr nun mit Neil und Jeff zwei Neuzugänge an Bord. Ist Jeff bereits auf „The Ghost Of Orion“ zu hören und hatte er evtl. sogar einen Einfluss auf die Entstehung? Wird Neil Euch nur live unterstützen, oder soll er auch an künftigen Releases beteiligt sein?
Jeff ist auf dem Album zu hören, er hat alle Drums eingespielt, aber Neil ist erst eingestiegen, als das Album so gut wie fertig war. Neil ist also nicht zu hören. Er spielt auch in einer lokalen Band namens VALAFAR und hilft uns vor allem live aus. Er war auch im neuen Video dabei und war sehr glücklich darüber, dort mitzuwirken, denn ich bin nicht sicher, ob VALAFAR jemals Videos gedreht haben. Ok, das haben sie bestimmt, aber vermutlich nicht in dem Umfang von MY DYING BRIDE. Er war also sehr begeistert, am Video beteiligt zu sein. Und ja, die beiden Jungs fahren auch mit uns auf Tour. Ob Neil Teile zum nächsten Album beiträgt oder nicht, weiß ich nicht. Wir wollen ihn VALAFAR nicht stehlen, da sie Freunde von uns sind. Wir sagten ihnen: „Wir leihen Neil aus, wir nehmen ihn Euch nicht weg, keine Sorge.“ Wenn Du einfach hingehst und jemanden aus einer jüngeren Band heraus nimmst, werden sie Dich dafür hassen, daher wollen wir so etwas nicht tun. Neil ist ziemlich glücklich damit, in beiden Bands zu spielen und das ist gut so. Ich denke, Andrew wird vermutlich weiterhin die Musik schreiben. Er hat alle Musik für „Feel The Misery“ geschrieben und alle Musik für „The Ghost Of Orion“ und beide Platten sind verdammt geil. Ich denke also, er braucht niemand anders, der ihm in die Quere kommt.
Ihr seid praktisch so etwas wie lebende Legenden, habt den Doom Metal, vor allem den Death Doom, in seiner heutigen Form entscheidend mit geprägt. Du würdest vermutlich kaum glauben, wie oft andere Bands Euch als ihren Haupteinfluss nennen. Hörst Du selbst überhaupt noch Doom, z.B. von aktuell angesagten Bands? Hast Du Dir schon einmal gedacht: „Ach kommt Jungs, die Stelle habt Ihr nun aber wirklich 1:1 aus einem unserer Songs geklaut?“.
Ja, sowas kommt ganz schön häufig vor (lacht). Ich höre einige der jüngeren Bands und was sie so machen, sie schicken es mir sogar, was ziemlich cool ist. Ich kann MY DYING BRIDE überall darin hören und das bringt mich zum Lächeln. Ich sehe es aber nicht als Kopieren. Es ist einfach schön zu sehen, dass sie die Dinge, die wir tun zur Kenntnis genommen haben und sie die gleiche Art von Sachen machen möchten.
Wir haben selbst schon Cover-Versionen aufgenommen, von einem PORTISHEAD-Song, einem NANCY SINATRA & LEE HAZLEWOOD-Song und einem Song von SWANS. Wir haben sie mehr oder weniger exakt kopiert, weil wir diese Songs lieben. Wir sind also in einem gewissen Umfang ebenfalls schuldig, glaube ich. Es ist nett diese Typen zu sehen, besonders wenn wir auf bestimmten Festivals spielen. Du stehst an der Seite der Bühne, Du schaust sie Dir an und denkst: „Yeah, das ist wie junge MY DYING BRIDE, das ist echt cool.“
Die Menschen fragen uns auch, wer unsere Einflüsse waren. Ich mochte BATHORY, CANDLEMASS, CELTIC FROST und daher wollte ich etwas doom-deathiges machen, in der damaligen Zeit. So ging es auch PARADISE LOST und ANATHEMA. Wir sind alle mit dem selben Zeug aufgewachsen, also machten wir alle eine ähnliche Art von Musik. Es ist nicht so, dass wir uns gegenseitig kopierten. Wir mochten alle dieselbe Musik, die zu der Zeit populär war und daher kopierten wir diese vielleicht ein bisschen.
Ich habe Tom G. Warrior (CELTIC FROST, TRIPTYKON, Anmerk. d. Verf.) auf einem Festival getroffen. Das war erst vor ein paar Jahren und ich hatte ihn nie zuvor getroffen. Als ich ihn sah, rief ich „Oooohhh, ich liebe Dich und alles was Du gemacht hast“ und er rief „Oooohhh, ich liebe Dich und alles was Du gemacht hast“. Dann sagte er zu mir: „Wir lieben alle Eure Riffs. Wir haben viele davon geklaut.“ Ich entgegnete: „Ach, wirklich? Dann habt Ihr Eure eigenen Riffs zurückgestohlen, denn wir haben Eure Riffs auch geklaut.“ Du borgst Dir Dinge, du „stiehlst“ Dinge, Du wirst von Dingen beeinflusst. Das passiert die ganze Zeit und wird auch immer so bleiben.
Ok, dann habe ich nur noch eine Frage übrig, eine ziemlich einfache: Wie sehen die Tourpläne zum neuen Album aus? Ist schon etwas konkretes geplant? Kannst Du möglicherweise schon etwas verraten?
Über unsere eigene Headliner-Tour noch nicht, daran arbeiten wir noch. Wir haben aber schon einige Festival-Shows, die üblichen Festivals, auf denen wir auch früher schon gespielt haben. Ich glaube zumindest, dass wir auf vielen davon schon gespielt haben, daher ist es keine Überraschung, dass wir dort auftauchen. Nur auf einigen haben wir noch nicht gespielt. Die meisten davon sind in Europa, aber wir versuchen, das ein wenig auszudehnen. Und ich denke, bei Nuclear Blast zu sein wird es uns einfacher machen, in Ländern wie Australien oder Japan zu spielen, wo wir bislang noch nie waren.
Wir tun uns also vielleicht mit anderen ihrer Bands zusammen und machen so etwas wie eine „Package-Tour“. Für 2020 sieht es also so aus: Einige große Sommer-Festivals und wir planen eine Tour, da ist aber noch nichts konkret.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, Aaron.
Vielen Dank für Deine Fragen!