My Dying Bride
"Es war mir völlig gleichgültig, was mit der Band passierte."
Interview
Wenn es eine Musik gibt, um harte, traurige Zeiten, die eine Person durchstehen musste zu vertonen, dann ist das wohl Doom Metal. Konntest Du „The Ghost Of Orion“ ein wenig zur Selbsttherapie nutzen? Wie viel persönliches von Dir ist vor allem in die Texte eingeflossen?
Es wird immer persönliche Dinge auf Alben zu finden geben, da Du über das schreibst, worüber Du etwas weißt, was Du durchgemacht hast und über Deine Erfahrungen. Wenn Du älter wirst, hast Du mehr Dinge erlebt und solltest daher auch wirklich mehr Dinge haben, über die Du schreiben kannst. Also ja, offensichtlich wird ein Teil der harten Zeiten, durch die ich gegangen bin, auf dem Album auftauchen. Ich meine, wie könnten sie nicht? Es war so ein harter Einschnitt in meinem Leben. Keine dieser Erfahrungen auf dem Album zu haben, wäre in der Tat eigenartig. Aber gerade weil es so eine große Sache war, wollte ich nicht das gesamte Album damit füllen, das wäre lächerlich. Aber, da es eben eine große Sache war, ist immer noch viel davon in meinem Kopf und auch auf dem nächsten Album werden noch Teile dieser Zeit auftauchen, auch auf dem Album danach und vermutlich sogar auf dem Album danach. Es ist eine Erfahrung und je mehr ich darüber rede und je mehr ich darüber schreibe, desto besser fühle ich mich, da es so ist, als würde ich Dampf ablassen. Wenn Dir so viel unter den Nägeln brennt und Du kannst es nicht raus lassen, dann wirst Du verrückt. Es ist also gut darüber zu reden, es ist gut es aus Deinem System zu bekommen und es ist auch gut, es aufzuschreiben, da Du es dort wahrhaftig sehen kannst, auf Papier. Das bedeutet etwas, es nimmt ein klein wenig von dem Stress in Deinem Kopf auf und packt es wo anders hin. Man braucht so etwas manchmal.
Also ja, es gibt Momente auf dem Album, die sehr stark mit meiner Auszeit zu tun haben und dann gibt es diese anderen Momente, die man einfach von MY DYING BRIDE erwartet. Es geht um Liebe, Religion, Hass und Trauer. All diese typischen Themen, die die Menschen erwarten und auch wollen, das ist einfach worüber ich schreibe. Ich mag das, da ich ein altmodischer Poet bin und altmodische Poeten liebten all diese tiefen, starken, düsteren, emotionalen Momente, da sie Dich zum Nachdenken bringen. Ich kann keine Rock‘n‘Roll-Texte schreiben, also schreibe ich melancholische Texte.
Auch wenn Du schon erwähnt hast, dass „The Ghost Of Orion“ kein Konzeptalbum ist, beginnt Ihr mit „Your Broken Shore“, bevor sich der Kreis am Ende mit „Your Woven Shore“ wieder schließt. Für mich klingt das, als ob das, was vorher zerbrochen war, nun zumindest weitgehend wieder zusammengefügt wurde. Kannst Du mir etwas zu diesem Hintergrund erzählen, da das ja vermutlich kein Zufall ist?
Ja, da hast Du Recht, das ist kein Zufall. Das Album startet genau wie Du erwähnt hast, es ist dunkel und alles scheint auseinanderzubrechen. Du bist an einem seltsamen, unbehaglichen Ort und fragst Dich, ob Dein Leben in unterschiedliche Richtungen treibt. Du bist Dir nicht wirklich sicher, worauf Du Dich konzentrieren sollst. Aber es ist kein Konzept. Das Album nimmt Dich mit auf eine mysteriöse Reise, wenn Du so willst. Es gibt Höhen und Tiefen, gute und schlechte Dinge. Es gibt eine schöne kleine Erholung in der Mitte. Es ist fast so als ob Du zu einer furchtbaren Seereise aufbrichst und plötzlich ist da eine einsame Insel, auf der Du die Beine ausstrecken und ein wenig entspannen kannst, bevor Du mit Deiner Reise weiter machst. Letztendlich gelangst Du zu „Your Woven Shore“, das verdeutlichen soll, dass die Dinge wieder zusammen gekommen sind. Du hast hart gearbeitet, Du hast Dein Leben wieder fokussiert, Du startest neu und kannst Dein Leben hoffentlich ein bisschen mehr genießen.
Also ja, es ist ein wenig wie ein Kreis, der sich am Ende schließt und mir ist klar, warum die Leute denken könnten, dass ein Konzept dahintersteckt. Es war einfach schön, das Album mittels zweier Küsten („Shores“, Anmerk. d. Verf.) einzurahmen, einer zerbrochenen und einer gewebten, denn – wie Du richtigerweise sagst – es beginnt zerbrochen und zum Glück endet es, indem alles wieder zusammen kommt. Es ist also doch nicht alles Doom bei MY DYING BRIDE (lacht).
Auch wenn Ihr schon lange Violinen in Eurer Musik verwendet, ist auf dem neuen Album eine klare Folk-Schlagseite auszumachen, die durch die Gast-Vocals von Lindy-Fay Hella (WARDRUNA) noch verstärkt wird. Aber auch Dein Gesang erinnert öfters an klassischen Folk. Wolltet Ihr bewusst in Richtung Folk gehen und wie ist die Idee dazu entstanden?
In der Vergangenheit haben wir nicht viel Musik über die Gegend aus der wir kommen erschaffen. Viele, viele Bands, ganz besonders die skandinavischen, sind wahnsinnig stolz darauf, wo sie her kommen. Sie singen davon im Norden zu sein und über all die Folklore und Geschichte dort oben und das völlig zu Recht. Ich habe mit Andrew darüber gesprochen, nachdem wir „The Barghest o‘ Whitby“ (EP von 2011, Anmerk. des Verf.) gemacht hatten – eine Geschichte die offensichtlich nicht weit weg von dem Ort spielt, an dem wir leben. Wir entschieden uns, dass wir mehr Dinge tun müssen, die den Ort von dem wir kommen mit einbeziehen, denn Yorkshire ist nicht unbedingt vergleichbar mit anderen Orten, wie Skandinavien. Es gibt Seen, Wälder und Hügel und es ist echt schön hier. Ohne wirklich Songs über bestimmte Orte zu schreiben, ist der Einfluss der Gegend, der Geschichte und der Folklore natürlich immer noch in uns. Kleine Teile davon schleichen sich also in verschiedene Teile der Songs ein, ohne dass wir es unbedingt bemerken. Leute wie Du werden es hören, aber wir fügen es unterbewusst ein, da wir hier leben. Wenn wir es also tun, merken wir gar nicht, dass wir es tun.
Außerdem haben wir natürlich einen Violinisten, der auch einige Cello-Parts geschrieben hat. Außerdem konnten wir Jo Quail für uns gewinnen, die die Teile eingespielt hat, die wir für sie geschrieben haben, aber auch fragte, ob sie ein wenig eigene Musik schreiben könnte, die sich in unsere einfügt. Natürlich sagten wir: „Ja, das ist toll, pack Dein Cello da rein.“ (lacht) Andrew kontaktierte Lindy-Fay, die ganz begeistert war, dass wir sie fragten. Das Stück, das Andrew für sie geschrieben hat, besteht nur aus ihm und ihr. Er spielt all diese aufwendigen Gitarren und dann ist da nur noch ihre Stimme. Einfach nur zwei Menschen, die ein wundervolles Stück Musik kreieren. Es ist toll, es direkt in der Mitte des Albums zu haben, ich denke es passt perfekt dort hin.
Ich denke, wir könnten auch etwas noch folkloristischeres schreiben, aufgrund unserer Herkunft. Die Geschichte rund um Yorkshire ist riesig und geht hunderte, wenn nicht tausende Jahre zurück. Ich denke, an irgend einem Punkt in der Zukunft werden wir uns mehr mit der Geschichte dieser Region beschäftigen. Ob das dann folkig wird oder nicht, weiß ich noch nicht. „The Barghest o‘ Whitby“ war ein Volksmärchen, aber wir haben es sicher nicht auf eine folkloristische Art eingespielt. Es war komplett Doom Death Metal. Aber wir werden sehen. Es ist auf jeden Fall eine nette Idee, vielleicht gibt es ein bisschen Folk in Zukunft.
Ja, das dachte ich mir schon. Natürlich singt Lindy-Fay auch für WARDRUNA, die für mich doch ziemlich norwegisch klingen. Aber Eure Version ist ziemlich Britisch, sogar bis zum Cover Artwork. Das passt alles sehr gut zusammen.
Ja, ich finde auch, dass es super zusammen passt, das Artwork auch. Eliran Kantor (Cover Artist, verantwortlich für das Cover von „The Ghost Of Orion“, Anmerk. des Verf.) schrieb mir eine E-Mail zu der Zeit als meine Tochter krank wurde. Damals antwortete ich: „Ich kann mich damit gerade nicht beschäftigen. Ich mag Deine Arbeit, aber ich bin im Moment raus. Schreib mir in ein paar Jahren nochmal.“ Ich sagte ihm aber nicht warum. Er muss gedacht haben: „Ok, was ist denn bei denen los?“ Erfreulicherweise schrieb er mir tatsächlich nach ein paar Jahren erneut, meiner Tochter ging es zu der Zeit schon wieder besser und wir arbeiteten am neuen Album. Ich gab ihm also die Texte und den Albumtitel und er dachte sich dieses wunderbare Bild aus. Es ist wirklich ziemlich auffällig, da nicht viele Death-Doom-Metal-Alben so aussehen. Es sticht ziemlich hervor, aber ich denke es funktioniert perfekt. Es ist elegant, es ist anspruchsvoll, es ist erwachsen. Ich habe eine Version davon an meiner Wand, in einem schönen Rahmen, ohne MY DYING BRIDE-Logo und ohne Albumtitel. Es funktioniert einfach als schönes Bild. Ich denke, er hat ein tolles Stück Kunst erschaffen und es passt sehr gut zu unserer Musik.
Lass uns ein wenig über die „administrative Seite“ sprechen. Als letzte Band der „Peaceville Three“ habt Ihr nach langer Zeit Euer Stammlabel verlassen. Was war der Hintergrund dafür? Mit Nuclear Blast habt Ihr Euch ja praktisch für den „Branchenriesen“ entschieden.
Der Vertrag mit Peaceville ist ausgelaufen. Wir hatten viele Verträge mit Peaceville und sie sagten uns immer: „Wir wissen, dass Ihr Euch nach anderen Labels umschaut. Lasst uns deren Verträge sehen und wir versuchen sie zu schlagen.“ Und das haben wir immer so gemacht. Der Vertrag ist ausgelaufen, wir bekamen eine Menge Angebote von anderen, wir suchten die besten heraus, zeigten sie Peaceville und sie machten ein besseres Angebot. Daher blieben wir sehr lange dort.
Aber an diesem Punkt wollten wir mehr. Wie fühlten, dass MY DYING BRIDE ein größeres Stück vom Kuchen haben wollten. Wir dachten, wir haben immer noch mehr anzubieten, mehr das wir der Welt zeigen wollen. Peaceville konnte uns aber nicht mehr weiter bringen. Wir haben die Power von Peaceville ausgeschöpft. Wir haben immer wieder ähnliche Dinge getan, immer und immer wieder. Wir dachten, das ist nicht gut genug, wir müssen nach vorne und nach oben schauen. Peaceville schaut praktisch nur horizontal, wir möchten nach oben schauen.
Wir sahen uns also wieder nach verschiedenen Plattenlabels um und das Angebot von Nuclear Blast überstieg die der anderen Labels bei weitem. Ich glaube, wir bemühten uns gar nicht, es Peaceville zu zeigen, da wir wussten, dass es keine Möglichkeit gibt, dass sie sich damit messen können. Außerdem mussten wir weiter kommen. Wir brauchten ein Label, das in die Zukunft schaut, neue Bereiche für eine Band eröffnen kann. Das ist was wir wollten. Um ehrlich zu sein, selbst wenn Peaceville hätte gleichziehen können, hätten wir vermutlich trotzdem nicht unterschrieben, da es dasselbe Label ist, das dieselben Dinge tut. Wir brauchten etwas neues. Es war einfach Zeit.
Wir zogen also weiter. Wir haben einen neuen Drummer, einen neuen Gitarristen, einen neuen Toningenieur, ein neues Album, ein neues Label. Es fühlt sich wieder frisch an. Andrew und ich fühlen uns wieder wie junge Männer. Es ist, als ob MY DYING BRIDE eine zweite Chance bekommen haben, etwas aus unserer Karriere zu machen, also werden wir sie ergreifen. Wir hätten einfach ein typisches MY DYING BRIDE Album schreiben können. Stattdessen verbrachten wir viel Zeit damit, hart daran zu arbeiten, um es so aufwendig, großartig und einfach schön werden zu lassen, wie wir nur konnten. Es ist wie ein erneutes Debüt-Album. Für ein Debüt-Album braucht man eine große Wirkung und ich hoffe das ist es, was wir gemacht haben.
Mehr zu My Dying Bride
Band | |
---|---|
Stile | Death Doom Metal, Doom Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!
Also ich will zu dem Interview gar nicht so viel sagen, kenne das Album auch noch nicht und es wäre viel zu schade, es mit ausufernden Diskussionen zu entweihen, aber „Horizontal Entwicklung“ ist ab sofort meine Lieblingsdefinition für von Grund auf ehrliche, anspruchvolle Musik, die seinen Wurzeln treu bleibt und alleine aus der Leidenschaft heraus entsteht, Kunst zu erschaffen. 🙂
Ob MDB nun bei NB sind oder nicht, ob die Musik massenkonformer klingt oder nicht, ich schätze die Band sehr und wer so lange dabei ist und die Fans der ersten Stunde erfreut hat, soll letztlich halt auch tun was sie will. Wenn Peaceville MDB nicht nach Tokio bringen kann, ich würde da auch hin wollen, dann sind das eben die Gesetze des Marktes.
Hat er es geschafft, dich einzulullen? Ha!
Entweder er/sie ist zutiefst sardonisch, oder aber ich verstehe gar nichts mehr. All die schönen NB Diskussionen umfuckingsonst!? Lol
Eine Dame, die MdB Aaron verfallen ist? Faszinierend!
Cosplay, japanophil, BM Hardliner versus jedwede Vernunft. Ein Bild zieht vor meinem inneren Auge auf 😂
Wäre jetzt auch nicht gerade sinnvoll die Entwicklung einer Band zu beurteilen, wenn man das Album noch nicht kennt. Dass ich Alben zudem nicht automatisch kritisiere, nur weil sie auf bestimmten Labels erscheinen, hatte ich bereits zurvor ewähnt. Ebenso dass ich MDB so oder so sehr schätze, unabhängig von der Label Zugehörigkeit.
Allein die Tatsache, dass etwas auf Label XY ist, sagt natürlich nichts aus, aber es gibt halt schon Tendenzen. Zwischen den zwei Liedern auf Youtube und älteren MDB-Sachen höre ich durchaus einen Unterschied, der mir nicht gefällt. Klingt technisch eigentlich wie immer, nur der Seele beraubt, was für mich Böses ahnen läßt.
Kann ja jeder (inklusive Band) machen wie er will, aber man kann das dann eben, wie du schon mal gesagt hast, auch kommentieren. Das ist ja jetzt kein Rant gegen NB, sondern es geht um das neue Album von MDB, eigentlich auch eine meiner Lieblingsbands..