My Dying Bride
Fast perfektes Timing! - Interview mit Aaron Stainthorpe zu "Feel the Misery"
Interview
Punktgenau zum 25-jährigen Jubiläum haben die britischen Düstermetaller MY DYING BRIDE ein nagelneues Album rausgehauen, das manchen an selige „Turn Loose The Swans“-Zeiten erinnert. Ob „Feel The Misery“ tatsächlich dessen Klasse besitzt, wird die Zeit zeigen, einen Schritt in Richtung Vergangenheit hat die Band hingegen durch den Wiedereinstieg von Gitarrist Calvin Robertshaw gemacht. Genügend Gesprächsstoff also, weswegen wir Sänger Aaron Stainthorpe zum Telefontermin baten.
Nach drei Jahren gibt es mit „Feel The Misery“ endlich wiedere in neues Album von MY DYING BRIDE. Was kannst Du über den Entstehungsprozess erzählen?
Nun, die ersten Ideen dafür hatten wir vor zwei Jahren. Wir haben uns aber die Zeit gelassen, da wir wussten, dass es etwas Besonderes werden sollte. Wir haben es uns selbst erlaubt, einen Song fertigzustellen.
Inwiefern?
Wir haben die Songs mit nach Hause genommen, in Ruhe noch ein paarmal angehört und überlegt, wie wir ihn verbessern könnten. Und dann haben wir uns noch einmal an den Song gesetzt, etwas, was wir in der Vergangenheit nicht sehr oft gemacht haben. Da haben wir einen Song geschrieben, und wenn jeder damit zufrieden war, haben wir uns direkt an das nächste Lied gesetzt. Diesmal haben wir uns bewusst gestoppt und geschaut, ob wir den Song nicht doch noch verbessern könnten. Das hat natürlich seine Zeit gedauert.
Es gibt in den Songs ein paar neue Details, wie beispielsweise die Orchestrierung bei „A Cold New Curse“.
Auf „Feel The Misery“ haben wir besonderes Augenmerk auf die Produktion gelegt. Das letzte Album „A Map Of All Our Failures“ war eher roh gehalten, wir haben es fast in einer Livesituation im Studio aufgenommen, sehr old school. Diesmal wollten wir eine große, fette Produktion, weswegen auch diese Orchestrierung zum Zuge kommt, um das Album bombastischer klingen zu lassen.
Der Albumtitel „Feel The Misery“ ist sehr plakativ, obwohl jeder MY DYING BRIDE-Fan weiß, worum es bei Eurer Musik geht. Warum diese Direktheit?
Der Titel ist sehr ungewöhnlich. Er stammt diesmal von Andrew (Craighan, Gitarre), der insgesamt sehr hart am Album gearbeitet und ungefähr fünfundneunzig Prozent der Musik geschrieben hat. Wir waren ja gerade in dieser Übergangsphase, wo Hamish gegangen war und Calvin wieder zur Band gestoßen ist, weshalb die ganze Arbeit an Andrew hängenblieb. Wir hatten den Song „Feel The Misery“ bereits geschrieben und er meinte, dass er den Titel sehr gerne auch als Albumtitel verwenden wolle. Ich dachte zunächst, dass es zu den bisherigen Veröffentlichungen von MY DYING BRIDE nicht passen würde; als derjenige, der die Texte schreibt, habe ich ja eher einen Hang dazu, Dinge in Worte zu hüllen und hochtrabend zu verpacken. Je länger ich aber darüber nachdachte, umso sicherer fühlte ich mich, dass wir es mit diesem Titel versuchen sollten. Es hatte wohl am meisten mit Andrews Enthusiasmus und der Tatsache zu tun, dass wir noch nie einen solch direkten Albumtitel hatten.
Sind die Lyrics auf „Feel The Misery“ eher autobiografisch oder fiktiv?
Beides. Es gibt ein schönes Sprichwort, das besagt, dass man darüber schreiben soll, was man kennt. Aber ich liebe es genauso, Geschichten mit fiktivem Inhalt zu erzählen. Manchmal mische ich beide Anteile im gleichen Lied, was ein wenig verwirrend sein kann. Aber so funktioniert die Poesie bei mir, manchmal ist sie ein wenig übertrieben. Selbst wenn ich persönliche Aspekte verwende, sind sie nicht immer erkennbar. Vieles kann man nur zwischen den Zeilen lesen, da ich es nicht offen darlegen möchte. Das hat auch damit zu tun, dass man allzu persönliche Dinge nicht direkt aussprechen kann, sondern in eine Schutzschicht aus kunstvoll ausgeschmückten Worten kleiden muss.
Der Text zu „And My Father Left Forever“ ist aber autobiografisch?
Er ist es, jetzt – durch eine sonderbare Drehung des Schicksals. Ich habe den Text im Dezember geschrieben, und mein Vater ist im Januar gestorben. Ganz ehrlich, es war schrecklich, er war nicht einmal krank. Ich weiß nicht mehr, was ich gedacht habe, als ich den Text geschrieben hatte. Meine Mutter ist vor einer ganzen Weile gestorben, und das kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich Texte schreibe, das kann ich nicht ändern.
(überlegt) Als ich im Januar ins Studio gehen wollte, um den Gesang aufzunehmen, starb dann plötzlich mein Vater, was letztlich alles verzögert hat. Die anderen haben mir gesagt, dass wir den Titel auch ändern können, da er jetzt ja eine tiefere Bedeutung für mich bekommen hatte, aber ich habe darauf bestanden. Ich habe den Text geschrieben und mit diesem Titel versehen, weil der Song diesen Titel benötigt, und egal wie schmerzhaft es ist, ich möchte ihn beibehalten.
Insofern hat der Titel autobiografische Züge, wenn auch nur durch Zufall. Zum Glück war das Album im Januar bereits geschrieben, weil ich es sonst vielleicht nicht hätte beenden können.
Schreiben ist für Dich auch Therapie?
Auf jeden Fall! Ich erzähle das den Leuten auch immer, dass sie sich ihre Sorgen und Depressionen von der Seele schreiben sollen, anstatt sich damit aufzuhalten und sie immer schlimmer werden zu lassen. Versuche lieber diese Emotionen kreativ auszudrücken! Ich selbst habe mit dem Schreiben und dem Malen zwei Kanäle, um meinen Verstand von negativen Gedanken zu reinigen. Ich versuche, diese Dunkelheit in ein anderes Format, in ein anderes Medium zu bringen. Ich weiß aber auch, dass einige Menschen gerade das nicht können, so sehr sie es auch wollten, aber ihre Gedanken sind noch finsterer.
Für mich funktioniert Schreiben aber als Therapie – mir geht es gut, ich habe eine internationale Rockband! Aber selbst wenn man solche Voraussetzungen nicht hat, sollte man Schreiben als Therapie versuchen. Es reinigt dich!
Wie ist es dazu gekommen, dass Calvin nach Hamishs Ausstieg wieder in die Band zurückgekommen ist?
Nun, es war Andrew, der mit Calvin (Robertshaw, Gitarre) in Kontakt stand, denn Calvin ist Teil von Andrews erweiterter Familie geworden. Sie haben sich also immer auf Geburtstagen und zu Weihnachten gesehen, ich selbst hatte aber den Kontakt zu Calvin komplett verloren. Als es erste Anzeichen dafür gab, dass Hamish (Glencross, Gitarre) die Band verlassen könnte, hat Andrew ihn einfach gefragt – und Calvin war sofort Feuer und Flamme. Als uns Hamish später mitgeteilt hat, dass er aufhören würde, um mit VALLENFYRE weiterzumachen und eine Familie zu gründen, stand Calvin also bereit.
Anfangs war Calvin natürlich supernervös, da er so lange nicht mehr vor Publikum aufgetreten ist. Er war aber auch nervös, vor Shaun (MacGowan, Keyboards & Geige), Lena (Abé, Bass) und Dan (Mullins, Schlagzeug) zu spielen, genauso wie sie nervös waren, vor einem Gründungsmitglied zu spielen. Es hat aber wunderbar geklappt, selbst wenn er sich vor dem ersten Auftritt in die Hose geschissen hat.
Er hat MY DYING BRIDE vermisst?
Ja, wenngleich das nach seinem Ausstieg noch nicht der Fall war. Er hatte uns damals ja verlassen, um eine Familie zu gründen. Das liegt jetzt aber 17 Jahre zurück, so dass seine Familie mittlerweile erwachsen ist. Er konnte nicht mehr stillsitzen und hat in den letzten zwei Jahren wieder Gitarre gespielt – wenngleich erstmal für sich selbst. Aber als Andrew mit ihm über MY DYING BRIDE sprach, wurde die Möglichkeit, wieder einzusteigen, sehr real. Das Timing war also perfekt… wobei, eigentlich ja nicht so ganz: Als Calvin eingestiegen ist, hatte Andrew fast das komplette Album im Alleingang fertig geschrieben. Calvin konnte also nur noch ein paar wenige Riffs und Gitarrenharmonien beisteuern. Wer also mehr von Calvin hören möchte, muss sich bis zur nächsten EP gedulden.
Vorher spielt Ihr aber auf dem Hammer Of Doom Festival, wo Ihr hauptsächlich alte Stücke spielen werdet, wie Ihr auf Eurer Facebook-Seite schreibt… was hat es damit auf sich?
Nun, wir sind uns dessen nicht ganz bewusst. Das hat der Promoter des Festivals angefragt – er wollte ein Old-School-Set. Eigentlich mögen wir die Idee nicht, dass uns jemand sagt, was wir spielen sollen. Dann haben wir uns aber unser geplantes Set angeschaut und mussten eigentlich nur ein paar Songs austauschen. Es spielt sicherlich auch die Tatsache mit rein, dass Calvin wieder in die Band zurückgekehrt ist – er liebt es, die alten Songs zu spielen. Verglichen mit unserer letzten Show Anfang September in Helsinki haben wir aber nur zwei alte Songs zusätzlich in die Setlist aufgenommen, und das war’s.
Danke für das Interview!
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Stile | Death Metal, Death-Doom Metal, Doom Metal |
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