Mosaic
Mit offenen Augen und mit offenem Geist durch die Welt gehen
Interview
Martin van Valkenstijn (u. a. auch SUN OF THE SLEEPLESS, THE VISION BLEAK, SEREMONI, YSENGRIN, ZWISCHENLICHTEN, KOSMOVOROUS) beschert uns mit „Heimatspuk“ ein neues Album von MOSAIC, das dort ansetzt, wo „Secret Ambrosian Fire“ aufhörte. Wir sprachen mit Martin im Interview über das neue Werk.
Künstler haben zu ihren Werken natürlich immer eine besondere, innige Beziehung. Du hast die Stücke für „Heimatspuk“ komplett geschrieben und aufgenommen in deinem House Of Inkantation. Gastauftritte gab es dieses Mal nicht. Fühlst du dich deinem neuesten Werk damit noch enger verbunden? Gibt es da überhaupt für dich Unterschiede?
Im Entstehungsprozess dachte ich mir, dass ich einen konkreten Gegenentwurf zum Vorgänger-Album „Secret Ambrosian Fire“ schaffen wollte. Da es lyrisch stark beeinflusst von meiner „Ur-“ Heimat – dem Thüringer Schiefergebirge – ist, fühlte es sich auch einfach konsequent an, dies so umzusetzen, denn damals hatte ich nicht wirklich viele Weggefährten oder Gleichgesinnte im Ort. Somit ist das Album auch bewusst minimalistisch und primitiv gehalten und stellt eine Reminiszenz an die damalige Zeit dar.
Das Stück „Heilstatt“ entstand in seiner Originalversion zwischen 2005 und 2006. Inwiefern unterscheidet sich die Originalfassung von der Version auf „Heimatspuk“? In welchem Zeitraum entstanden die anderen Stücke? Hast du dafür auch auf ältere Ideen zurückgegriffen und wie haben sich die Stücke im Lauf der Zeit entwickelt?
Tatsächlich ist „Heilstatt“ der älteste MOSAIC Song überhaupt. Er entstand noch im alten Proberaum in der Bergstadt Lehesten. Von der Urfassung gibt es nur noch ein sehr krachiges Rehearsal und ich hatte ihn nahezu aus Augen und Ohren verloren. Als sich jedoch die Ausrichtung des Albums herauskristallisierte, dachte ich, es wäre eine gute Idee, diesen Song endlich mal ordentlich aufzunehmen und zu vollenden. Das alte Rehearsal bestand nur aus Schlagzeug, einer Gitarre und Gesang. Somit ist die Album-Version natürlich deutlich umfänglicher, mit Bass und Lead Gitarren sowie komplett neuen Text. Zudem wurde die Struktur minimal verändert und zwei Riffs mit einem anderen Drumming versehen, ansonsten ist er eigentlich noch sehr nahe an der Originalfassung, außer der Text, der wurde komplett überarbeitet, beinhaltet aber noch Motive und Verse aus dem Ursprungstext.
Begonnen hatte ich das Album mit dem Song „Unterhulz Zoubar“, welches ich im Dezember 2020 aufgenommen hatte. Der letzte Song, der für das Album entstand, war der „Nordwald Rauch“ im August 2021. Also entstand der Kern des Albums innerhalb eines halben Jahres.
Die Akustik und Ambient Lieder gehen teilweise auf Ideen bis 2019 zurück. Gerade Songs wie „Die alte Straße“ und „Hullefraansnacht“ bekamen für das Album nochmal eine dezente Aufarbeitung und wurden mit zusätzlichen Gesängen, Feldaufnahmen und Gitarren versehen.
Danijel Zambo (WALDEN, SKOGNATT) hat dich bei den Aufnahmen zu „Heimatspuk“ assistiert. Welchen Anteil hatte er am Album?
Danijel ist ein langjähriger Freund und steuert immer mal etwas zu MOSAIC bei und hilft mir, wenn ich Fragen zur Umsetzung im Mixing benötige. Für Heimatspuk hat er mir vor allem geholfen, das Fundament der Songs zu schaffen.
Du hattest in unserem letzten Interview gesagt, dass das impulsiv geschriebene „Secret Ambrosian Fire“ die Essenz aller bis dahin erschienenen Werke von MOSAIC darstellt. Wie ordnest du dahingehend „Heimatspuk“ ein?
„Heimatspuk“ ist im Grunde ähnlich gerichtet und impulsiv geschrieben worden, jedoch auf einem eher traditionellen Pfad und nicht so experimentell wie die „Secret Ambrosian Fire“. Ich könnte mir vorstellen, dass es für viele das ist, was sie von MOSAIC gerne hören würden.
Musikalisch pendelt „Heimatspuk“ zwischen Dark Folk und Black Metal bis hin zu Ambient und vermittelt zusammen mit der Lyrik eine wunderbar nostalgische Atmosphäre. Wie siehst du deine musikalische Entwicklung und Entfaltung?
Mit diesem Album reflektiere ich meine Kindheit und Jugend. Also meinen ersten Kontakt mit Black Metal damals. Das waren Bands wie AASKEREIAA, NYKTALGIA oder das zweite EMPYRIUM Album – die ich Tage lang auf den Schieferhalden in meinem Heimatort hoch und runter hörte und erste eigene Texte schrieb. Da es leider zu dieser Zeit keine nennenswerten Aufnahmen gab, wollte ich mit „Heimatspuk“ dies nun endlich verwirklichen – und meine damalige Welt einfangen.
Das letzte Album „Secret Ambrosian Fire“ endete damit, dass die Welt im Kohlensud liegt. Wie knüpft „Heimatspuk“ daran an? Kannst du uns bitte einen Einblick in das lyrische Konzept und die behandelten Themen geben?
Wir arbeiten mit MOSAIC ja an einem vier Alben Zyklus. Jede Jahreszeit bekommt ein Album. Dort steht im Endeffekt nur noch der Frühling aus, die anderen wurden schon bedient.
„Secret Ambrosian Fire“ (Sommer)
„Harvest“ (Herbst)
„Old Mans Wyntar“ (Winter)
Ansetzen tut es lyrisch tatsächlich nach dem „Kohlensud“. Die Welt hat sich selbst verzehrt und die Geister beginnen das Land neu zu beleben – also schon ein „Frühlingshafter Moment“.
Das Album bietet viele reflektierende Momente, Lieder wie „Blutnelke“ und „Heilstatt“ – basieren auf Kriegspoesie – welche durch das aktuelle Weltgeschehen erschreckende Aktualität erfahren. Aber auch Szenen alten Brauchtums werden inszeniert; triste, melancholische Klanglandschaften, die das harte Leben vor über 100 Jahren thematisieren.
Enden tut es wieder in der Wilden Jagd, wie es schon auf „Secret Ambrosian Fire“ und „Old Man’s Wyntar“ der Fall war.
Wir finden in deinen Texten Rezitationen und Variationen von Johann Wolfgang von Goethe, Georg Heym, Georg Trakl. Welchen Stellenwert und welchen Einfluss haben diese auf dich?
Sie sind ein wertvolles Stück Kulturgut und ich finde es sehr reizvoll sie in der heutigen Zeit zu inszenieren, interpretieren und zu vertonen. Die genannten Künstler sind ja im Grund schon das konkrete Gegenteil voneinander. Goethe der romantische, verträumte, melancholische Typ. Trakl und Heym – die Entrückten, Morbiden, im Weltschmerz Treibenden. Eine Art Licht und Dunkelheit, für mich sehr inspirierend und reizvoll.
Deine Videos sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von MOSAIC. Hast du, wenn du die Musik komponierst und Texte schreibst schon konkrete Bilder im Kopf, wie du das visuell umsetzen möchtest? Welche Idee und Geschichte steckt hinter den Videos zu „Unterhulz Zoubar“, „Wir sind Geister“ und „Teufelsberg“?
Tatsächlich habe ich oft schon etwaige Motive und Szenen im Kopf und dann überlege ich bereits, wie man es umsetzen könnte und meistens machen wir es dann auch einfach.
Der „Unterhulz Zoubar“ ist ein Mitschnitt von unserem Wintersonnenwend Ritual im Jahr 2020.
Hinter „Wir sind Geister“ stecken alte Aufnahmen aus dem Thüringer und Frankenwald, sie zeigen einen Fastnachtszug sowie den Brauch der Kirchweih.
Bei „Teufelsberg“ sieht man eine archaische, intime Weihungszeremonie – welche von Les Fleurs Du mal Fotografie / Samhain Films eingefangen und inszeniert wurde.
Überhaupt ist die visuelle Komponente wieder einmal sehr gelungen und stilvoll ausgefallen bei „Heimatspuk“. Die Illustrationen stammen von Yannic Aust von Urzeitkraft Illustrationen. Da sehen wir viele Geisterwesen, historische Bilder von Holzarbeitern sowie einem Köhler, dazu diese interessante Schrift, die wie von alten Plakaten wirkt. Dann das schöne Cover von Irrwisch natürlich. Wie passen diese einzelnen Elemente zum Gesamtkonzept und Inhalt des Albums?
Das war ein echtes Mammutprojekt – und war eigentlich überhaupt nicht so geplant. Ursprünglich wollte ich es sehr Old School und minimal halten, da bin ich aber dann doch im Endprodukt etwas dran vorbeigeschrammt. Der Zufall wollte es, dass ich Yannic kennenlernte auf dem letzten Prophecy Fest und dann kam eins zum anderen und habe ihm sehr zu danken, sein Enthusiasmus und Herzblut den er investiert hat in die unzähligen Illustrationen (nahezu 20 Stück!) haben dem Album noch mehr an Tiefe gegeben. Dazu kam das schöne Artwork von Irrwisch, sowie weitere kleinere Linolschnitte, die er gemacht hatte für das Album. Es war ein sehr schönes Arbeiten mit den beiden, alles war intuitiv, konstruktiv, interaktiv und es ist alles organisch im Konsens gewachsen und zu dem geworden wie es nun ist.
Welche Bedeutung können volkstümliche Erzählungen deiner Meinung nach für die Menschen in der heutigen Zeit haben?
Die Menschen sollten sich diese vielmehr zu Gemüte führen, denn es stecken viele Weisheiten in diesen. Des Weiteren beherbergen die alten Geschichten auch viel Wahres, aber auch magische Momente, aus denen man lernen kann. Zudem kann man sich anhand solcher Erzählungen seine Region kennenlernen, die Heimat verstehen, die guten wie schlechten Aspekte der Vergangenheit und bewusst Geschichte erleben, die um einen herum existiert. Jedes Haus, jede Straße, jeder Landstrich und Baum, hat seine Geschichte zu erzählen und das sollte man einfach reflektieren und mit offenen Augen und mit offenem Geist durch die Welt gehen.
Bands und Musikprojekte gibt es wie Sand am Meer. Was macht deiner Meinung nach eine gute Band, einen guten Künstler aus? Was trennt da die Spreu vom Weizen?
Das ist natürliche eine harte Frage, da ich mir nicht anmaßen möchte da eine allgemeingültige Formel aufzustellen.
Ein gewisses Maß an Selbstreflexion ist unabdingbar. Manchmal denke ich mir, ob die Menschen dahinter ernsthaft darüber nachgedacht haben, was die hier gerade abliefern. Man braucht zudem keinen x-ten Aufguss von Band XY, denn wenn ich das hören will – dann höre ich mir die Originalen an. Man muss auch nicht lyrische Themen die schon tausendmal verarbeitet wurden nochmal verwursten. Tod und Teufel gibt’s nämlich nicht nur in der Bibel, sondern in allen Landstrichen dieser Welt und hinter jeder Ecke.
Für mich persönlich sind vor allem ein gutes lyrisches und visuelles Konzept wichtig, ein einprägsamer Bandname, und dass die Musik ehrlich ist – also nicht kaputt produziert und gezwungen klingt. Die Atmosphäre und das Gesamtwerk müssen einfach stimmen und überzeugen können.
Wie ist der aktuelle Stand deiner zahlreichen anderen musikalischen Bands und Projekte neben MOSAIC und was hast du mit MOSAIC noch in nächster Zukunft alles geplant?
Ja, die Liste ist wie immer relativ lang. Bei MOSAIC arbeiten wir an vielen Sachen simultan, neben einem vollen „Band“ Album, steht auch noch eine sehr lange „Metal“ EP, sowie ein Akustik-Album im Raum – diese Projekte sind schon recht fortgeschritten, sowie eine Fortführung der Zusammenarbeit mit Ulrike Serowy.
Ansonsten arbeiten wir mit ZWISCHENLICHTEN, dem „schönen“ Dark-Folk Zwilling von MOSAIC sozusagen, am ersten Album, welches ebenso nahezu vollendet ist, und erste Ideen für das zweite Album sich auch schon herauskristallisieren. Im Laufe des Jahres werden wir wieder als NORDWALD MUSIK – Duo hier und da auftreten.
Daneben arbeite ich momentan an der Musik für ein Kindertheaterstück, welches Ende Mai Premiere feiern wird. Später im Jahr kommt auch die Musik für ein Winter/Weihnachtstheaterstück hinzu.
Außerdem werde ich wohl unter einem neuen Outlet, ein Post-Punk / Trip-Hop artiges Werk veröffentlichen, welches grob in Richtung „Haus der Stille“ gehen wird.
Weiterhin sind auch Alben für SEREMONI, NEBELGEYST und KOSMOVOROUS im Entstehen, wobei man hier noch von der Alpha-Phase sprechen muss.
Und es stehen natürlich einige Auftritte mit MOSAIC (Solo & Band), sowie SUN OF THE SLEEPLESS an.
HEIMATSPUK WELTWEIT!
Mira Bilitas Naturæ,
Valkenstijn
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Stile | Ambient, Black Metal, Folk, Folk Black Metal, Folk Metal |
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