Morphide
„Wir sind froh, dass wir es geschafft haben“
Interview
Dass osteuropäische Metal-Bands nicht den schlechtesten Ruf innehaben, ist ein offenes Geheimnis. Auch diverse Female-Fronted-Acts wie JINJER, INFECTED RAIN, IMPERIAL AGE oder SCARLET AURA stellen da keine Ausnahme dar. Aus dem beschaulichen Lettland stammt die 2019 ins Leben gerufene Band MORPHIDE, die ihren Lebensmittelpunkt nach Dänemark verlegt hat. Offiziell besteht die Band aus Sängerin/Songwriterin Elizabeth „Eissa“ Zhovnerchuk und Kristians „Chris“ Konovalovs (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Songwriting). Nach zahlreichen separaten Veröffentlichungen inklusive Coverversionen stellt das Duo am 9. September seinen Debüt-Longplayer „Anhedonia“ mit eigenem Songmaterial in die Regale.
Aus diesem Anlass bot sich natürlich ein Pre-Release-Interview an – wenn auch aus organisatorischen Gründen „nur“ per E-Mail. Dennoch war der Dialog nicht nur aufschlussreich, sondern fand unter diesen Umständen auch in vertrauensvoller Atmosphäre statt.
Hallo Eissa, hallo Chris,
vielen Dank für die Gelegenheit, ein Interview mit Euch führen zu können.
Das Vergnügen ist ganz unsererseits!
Wie geht es Euch gesundheitlich? Wir hoffen, dass Ihr bisher von Corona verschont geblieben seid. Inwiefern hat das Virus Eure musikalische Arbeit beeinflusst?
Leider sind wir beide irgendwann an Corona erkrankt und haben, wie viele andere auch, die Folgen noch geraume Zeit gespürt, auch nachdem die meisten Symptome abgeklungen waren. Die Stimme wollte einfach nicht gehorchen, ständige Müdigkeit wurde wochenlang unser Begleiter. In Bezug auf unsere musikalische Arbeit blieb die Pandemie für uns nicht unbemerkt. Keine Shows, keine Proben, keine Flüge. Die Dreharbeiten zu unseren Musikvideos wurden drei Tage zuvor wegen eines unerwartet gestrichenen Fluges und der obligatorischen Quarantäne abgesagt. Wir beobachteten, dass viele Musiker ihre Projekte verließen und dass sich viele Bands auflösten. Daher sind wir wirklich froh, dass wir es geschafft haben, unsere musikalische Arbeit fortzusetzen.
Viele kennen Euch vielleicht noch nicht. Wer genau seid Ihr und warum lohnt es sich, Eure Musik zu kaufen?
Wir sind miteinander verheiratet und haben beide eine große Leidenschaft für Musik. Wir proben ständig, probieren neue Dinge aus, entwickeln uns weiter und arbeiten an neuen Fähigkeiten. Es macht uns Spaß, uns selbst dabei zu beobachten, kleine Schritte zu machen in Richtung unseres Ziels, professionelle Musiker zu werden. Es könnte auch eine Inspiration für diejenigen sein, die Gesang oder Screams erlernen, eine Band gründen oder ihr erstes Cover aufnehmen wollen. Wir ermutigen alle, nicht aufzugeben und die Herausforderung anzunehmen.
Ihr seid noch eine junge Band. Wann und warum habt Ihr Euch entschieden, Musik zu machen?
Das ist unsere größte Leidenschaft. Musik bereitet uns wirklich Freude. Sie ist aufregend und gleichzeitig eine entspannende Tätigkeit für uns. Wir haben bei uns zu Hause eine Gesangskabine gebaut, die im Grunde genommen ein schalldichtes Studio ist. Eissa kann dort jederzeit singen und es ist buchstäblich ihr sicherer Ort. Wenn sie gestresst oder gelangweilt ist, geht sie einfach hinein und singt stundenlang. Keine Musik zu machen wäre schwierig für uns, es würde sich sehr unnatürlich anfühlen, so als würde etwas Wichtiges fehlen.
Ihr kommt ursprünglich aus Lettland. Was waren die Gründe, nach Dänemark zu gehen? Habt Ihr dort Verwandte oder hatte das rein musikalische Gründe?
Alle unsere Verwandten leben in Lettland. Wir waren sehr jung, als wir uns entschlossen, nach Dänemark zu ziehen. Musik ist ein teures Hobby, und man benötigt Ressourcen, um sich eine anständige Ausrüstung zu besorgen, Songs zu produzieren, zu mischen, zu mastern und Musikvideos zu drehen. Diese Mittel hatten wir nicht, also sind wir nach Dänemark gegangen, um Bildung und Jobs zu bekommen, damit wir unsere Ambitionen in die Tat umsetzen konnten.
Wer sind Eure musikalischen Einflüsse und wie würdet Ihr Eure Musik selbst beschreiben?
Wir sind eine Female Fronted Modern-Metal-/Alternative-Metal-Band mit Elementen des Progressive Metals. Wir kombinieren gerne klare Vocals mit harten Screams sowie atmosphärische Ambient-Gitarren mit groovigen Riffs und spielen mit diesem Kontrast. Wir lieben es, zu experimentieren, unser Stil ändert sich ständig. Wir fürchten uns auch nicht davor, jedes Mal etwas Neues auszuprobieren. Einige unserer favorisierten Bands sind NORTHLANE, SPIRITBOX, KARNIVOOL und TESSERACT, von denen wir jeweils etwas Unterschiedliches in unsere Musik einfließen lassen. Aber natürlich gibt es so viele weitere großartige Musiker, wir könnten ewig darüber reden.
Habt Ihr eine besondere musikalische Ausbildung? Hatte Eissa Gesangsunterricht?
Keiner von uns hat eine Musikschule besucht, obwohl Eissa seit ihrem achten Lebensjahr Klavier spielt und ihren ersten Gesangsunterricht im Alter von neun Jahren hatte. Seitdem hat sie Dutzende von Gesangslehrern gewechselt und nimmt zeitweise immer noch Gesangsunterricht, um an ihrer Technik zu arbeiten und ihre Möglichkeiten zu erweitern. Chris ist ein völlig autodidaktischer Gitarrist und Bassist. Er hat auch selbstständig gelernt, Schlagzeug zu programmieren und Stimmen für unsere Coverversionen zu mischen, indem er verschiedene Quellen verwendet, die über das Internet verfügbar sind.
Ihr schreibt und produziert Euer eigenes Songmaterial, habt aber auch viele Coverversionen veröffentlicht. Was ist der Hintergrund?
Wir wussten schon lange, dass wir eine Band gründen wollten, aber wir fühlten uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit dazu. Also entschieden wir uns, mit Coverversionen zu beginnen. Unser Hauptziel war es, zu lernen, wie man singt, Musik aufnimmt und abmischt. Es ist einfacher, einen bereits existierenden Song zu verwenden und zu versuchen, ihn zu überarbeiten. Einfacher, als einen komplett neuen Track von Grund auf neu zu produzieren. Also haben wir diese Methode des Lernens und Probens sehr genossen. Dies praktizieren wir immer noch und konzentrieren uns auch auf kleine Details und Nuancen des Tracks, Songwriting-Elemente und Videoqualität. All dies ist sehr nützlich für unser eigenes Projekt.
Welchen Song, den Ihr aufgenommen habt, würdet Ihr jemandem empfehlen, der Euch nicht kennt und warum?
Wir würden empfehlen, sich „Panopticon“ anzuhören. Es ist eine Kombination aus atmosphärischen und melodischen Strophen, Breakdowns und epischem Refrain. Es zeigt die Richtung, in die wir uns als Band bewegen und entwickeln wollen. Es ist auch ein sehr emotionaler Song mit einer Botschaft, auf die sich viele beziehen können. Beschrieben werden die Kämpfe und Bemühungen, aus toxischen Beziehungen auszubrechen.
Euer erstes Album „Anhedonia“ ist für den 9. September angekündigt. Sicher könnt Ihr uns etwas darüber erzählen.
Das primäre Konzept von „Anhedonia“ handelt von der menschlichen Persönlichkeit. Unsere Beobachtungen und persönlichen Erfahrungen werden in diesen neun Songs dargestellt. Einige von ihnen sind sehr persönlich und haben uns geholfen, weiterzumachen. Andere erinnern eher an ein Tagebuch. Oder sie reflektieren etwas, das um uns herum geschieht und das wir versuchen, zu begreifen. Der hauptsächliche Aspekt des Albums ist die Frage, warum wir Menschen oft so unglücklich sind und was uns daran hindert, glücklich und unabhängig zu sein. Und mit welchen Gewohnheiten und Täuschungen wir zu kämpfen haben und warum wir uns daran gewöhnen.
Plant Ihr Konzerte, vielleicht auch in Deutschland?
Wir können es kaum erwarten, wieder auf die Bühne zu gehen! Wir haben viele Tourpläne, die Deutschland und andere europäische Länder umfassen. Wir hoffen natürlich, dass es zukünftig keine Covid-Beschränkungen mehr geben wird.
Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft? Wo seht Ihr Euch in fünf oder zehn Jahren?
Als junge Band haben wir viel Spaß daran, unseren Stil zu formen und weiterzuentwickeln. Das bedeutet, dass wir zahlreiche neue Songs schreiben und neue Horizonte erschließen. Wir wollen uns auf Beständigkeit und Qualität konzentrieren, unsere Kreativität steigern und Vollzeitmusiker werden, die dauerhaft auf der Bühne stehen und neue Musik veröffentlichen. Wir glauben, dass mit einem gewissen Maß an Hingabe und Entschlossenheit all dies möglich ist.
Haben wir eine wichtige Frage vergessen? Wenn ja, dann könnt Ihr jetzt die Gelegenheit nutzen, zu erläutern, was noch wesentlich für Euch ist.
Wir möchten uns für die Gelegenheit bedanken, unsere Gedanken und Gefühle anlässlich des bevorstehenden Releases zu teilen. Auch bei unseren Fans, die an uns glauben und uns unterstützen. Die Reise ist noch nicht vorbei und es wird bald eine Menge großartiger Musik geben!
Vielen Dank für das offene Gespräch. Wir wünschen Euch persönlich und musikalisch viel Erfolg!