Morgoth
Oldschool Death Metal Punks - Interview mit Sänger Marc Grewe
Interview
Nach anderthalb Jahren Touren zum „Cursed“-Jubiläum ist wieder Schluss – noch drei Shows, dann werden sich MORGOTH erstmal wieder in den Ruhestand verabschieden. Oder doch nicht so ganz? Wir haben beim Summer Breeze im August die Gelegenheit beim Schopfe gegriffen und Frontmann Marc Grewe nochmal die dringendsten Fragen gestellt. Hier sind seine Antworten.
Wenn Du das Jahr seit der Reunion Revue passieren lässt, was waren für Dich die Highlights?
Alles hat etwas für sich. Ganz ehrlich: Ich spiele gerne in kleinen Clubs, weil es intimer ist. Der Oldschool-Death Metal, den ich mit meinen 40 Jahren verkörpere, ist nicht dafür gemacht, auf Stadionbühnen aufgeführt zu werden. Death Metal kommt aus dem Punk – zumindest interpretiere ich das so. Wir sind früher in den kleinsten Jugendclubs der Republik aufgetreten, und insofern brauche ich den Kontakt zum Publikum. Es ist schwierig, auf einer großen Bühne das zu reproduzieren, was man rüberbringen will.
Ich habe Euch auf dem Rockharz auf der Headlinerbühne gesehen, wo die Stimmung im Publikum eher verhalten war. Wie hast Du den Gig in Erinnerung?
Das Rockharz war eines der schlechtesten Festivals für uns – vielleicht kannten uns die Leute nicht oder es war kein Death Metal-Publikum dort. Wir sind ganz gut angekommen, aber es war bestimmt kein Highlight. Ehrlich gesagt habe ich den Auftritt auch schon wieder vergessen. (lacht)
Ein Kollege hat mir vorhin mit leuchtenden Augen von Eurem Auftritt auf dem Rock Hard Festival 1991 erzählt. Was sind die Unterschiede zu den Festivals heute?
Es war wilder, aber das ist auch natürlich. Früher waren die Leute jünger und vor allen Dingen ausgehungerter. Es gab keine Festivals. Das Rock Hard Festival 1991 war das erste Metalfestival überhaupt in Deutschland – ich kann mich jedenfalls an kein anderes Festival davor in diesem extremen Bereich erinnern. Heute sind die Leute beeinflusst von YouTube, und so viele Veröffentlichungen gab es damals einfach nicht. Es gab pro Monat Veröffentlichungen von drei, vier Bands, die man kaufen musste, heute gibt es zehn, fünfzehn Veröffentlichungen, die man kaufen könnte, die alle einen hohen Standard haben, alle top sind, aber… man merkt einfach, dass das Publikum übersättigt ist.
Aber was ich auch merke, ist, dass das Oldschool Death Metal-Publikum langsam zurückkommt, es sind auch junge Leute dabei, die das für sich entdecken und die Qualität dessen entdecken, woraus vieles heute entstanden ist: Metalcore, Deathcore oder Sludgecore oder was auch immer.
Denkst Du, dass Ihr auch ein jüngeres Publikum ansprecht?
Das kann ich gar nicht genau sagen. Ich beobachte, dass viele jüngere Leute in unserem Publikum sind, die den Namen wahrscheinlich mal gehört haben und gehört haben, dass MORGOTH zur Gründerszene des Death Metal gehört. Ich finde es aber auch sehr schön, dass die Musik immer noch einen gewissen Stellenwert hat.
Als wir damals angefangen hatten, mit 16 oder 17 Jahren Musik zu machen, haben wir das gemacht, weil Aggressionen rausmussten und man die Musik nicht kaufen konnte, die man selbst gut fand. Es gab kein Internet und außer dem Rock Hard keine Zeitschrift, die man lesen konnte. Und wenn man heute 22-jährige sieht, die sagen: „MORGOTH, unglaublich, dass man euch nochmal zu sehen bekommt“, dann ist das einfach toll. Man fühlt sich dadurch natürlich auch ein bisschen alt – was wir ja auch wirklich sind – aber so ist es halt! Außerdem hat gute Musik ja nichts mit Alter zu tun, sondern vielmehr mit Herzblut und ob man etwas bewegen will.
Jetzt spielen ja auf einem Festival wie dem Summer Breeze viele verschiedene Bands, die viele verschiedene Stilrichtungen abdecken. Demnach ist das Publikum auch sehr gemischt. Wie stehst Du zu dieser Art Vollversorger-Festival?
Ich habe mich früher selber gern überraschen lassen, und genauso hoffe ich, dass die Leute es nett finden, selbst wenn sie betrunken sind und einen nur zufällig sehen. Sie werden ja nicht ausgeschlossen. Ich denke schon, dass wir unser Stammpublikum haben und MORGOTH in gewisseer Weise von seinem Kultfaktor lebt, aber ich bin offen gegenüber jedem und honoriere jeden, der kommt.
Auch wenn es heute mehr denn je ein Spektakel ist? Ich meine, heute kommt doch kein Konzert mehr ohne Wall Of Death aus…
Ja…
Im Grunde genommen hat das aber auch angefangen mit Stagediven…
Stagediving gibt es ja heutzutage gar nicht mehr. Das, was ich immer unter Death und Thrash Metal verstanden habe, war, die Bühne entern, aber dann schnell wieder ins Publikum springen – und nicht sich eine Minute feiern lassen und dann mit so einem Pussyjump ins Publikum zurückspringen, sondern wenn, dann musste auch eine richtige Rolle vom Fünfmeterturm kommen und nicht so ein Rumgeeiere, wie das heute üblich ist. Das Publikum ist… nicht mehr so hart wie früher… sagen wir mal so. Die Härte ist definitiv zurückgegangen, was aber daran liegt, dass die Masse größer geworden ist. Und das richtig harte Publikum gibt es auf diesen Veranstaltungen nicht mehr.
Ist das bei einem Festival wie dem Way Of Darkness anders?
Nö. Ich erlebe es auch sehr selten, dass ich wirklich das Gefühl habe, auf einer richtigen Oldschool Thrash- oder Death-Metal-Show zu sein. Das gibt es wirklich nur noch in den kleinen Clubs, wo nicht diese albernen Barrieren sind – die Leute wollen ihren Spaß haben, und dann sollen sie auch auf die Bühne kommen und den Spaß haben. Klar, jeder Club versucht sich abzusichern, und gerade gibt es ja diese LAMB OF GOD-Geschichte. Was in den USA schon vor zehn oder fünfzehn Jahren war, wird jetzt auch in Europa kommen, dass die Leute gar nichts mehr machen dürfen. Das ist doch aber der Sinn der Musik damals gewesen: Dass man seine Aggressionen rauslässt, aber auf eine sehr positive Weise.
Würdest Du das als Essenz von Death Metal ansehen? Und wie würdest Du dann MORGOTH einordnen?
Ich würde schon sagen, dass der Name etabliert ist, aber ich würde MORGOTH anders interpretieren. Für mich könnte es schon mehr abgehen. Ich würde auch viel lieber in kleinen, besetzten Häusern spielen, wo die Leute chaotisch durcheinander springen und Spaß haben. Das ist das, was Death Metal ausmacht, quasi als Weiterführung des Punk auf der Metalschiene. Man lässt seine Aggressionen raus, aber auf eine sehr positive Weise, man hat trotzdem Respekt voreinander. Vielleicht ist es einem damals auch nur wilder vorgekommen.
Du sagst damals. Wofür steht MORGOTH heute?
Für uns in erster Linie für Spaß. Weil wir Bock auf die Musik haben und gemerkt haben, dass die Energie da ist. Die Songs funktionieren auch nach zwanzig Jahren noch. Es ist außerdem schön zu sehen, dass es die Leute ebenfalls gut finden – nicht alle finden es gut, aber das haben sie damals auch schon nicht. Für uns bedeutet die Musik nach wie vor eine gewisse Katharsis, um Aggressionen rauszulassen.
Das heißt, dass Du inhaltlich noch genauso hinter den Texten stehst, die Du damals verfasst hast?
Absolut!
Empfindest Du noch das, was Du damals empfunden hast?
Ja, ich kann das nach wie vor nachvollziehen. Das, was ich damals geschrieben habe, gilt für mich auch heutzutage. Wir haben ja nie Gore-Lyrics verfasst, es war immer sozialkritisch, aber auf eine harsche oder auch brutale Art und Weise. Ich denke, die Texte haben nach wie vor ihre Gültigkeit. Manchmal wundere ich mich aber auch darüber, was ich mit Zwanzig für Texte geschrieben habe – auf eine sehr positive Art.
Ihr habt letztes Jahr angefangen mit den „20 Jahre Cursed“ Shows. Jetzt ist der Set noch oldschooliger geworden, indem Ihr noch mehr Stücke von den EPs eingefügt habt. Warum hat sich das gerade in diese Richtung entwickelt?
(überlegt) Diese Punk-Attitude, dieses „jetzt noch richtig zeigen, was Oldschool Death Metal ist“ einfach. Weil wir Bock drauf haben. Das hat nichts mit Berechnung zu tun. (überlegt) Ich habe mir meine Demos seit zwanzig Jahren nicht mehr angehört, aber neulich habe ich doch nochmal reingehört und gedacht: „Wahnsinn, was man mit 16 oder 17 Jahren für Songs geschrieben hat!“ Und das jetzt mit einem guten Sound wieder mit Leben zu füllen… es ist in gewisser Weise, seine Jugend zurückzuholen, aber auch die Songs neu zu interpretieren oder zu arrangieren.
Wenn Du sagst, die Jugend zurückzuholen, wie sieht es dann mit späteren Phasen in der Bandgeschichte aus? Heißt das, dass Ihr für „Odium“ noch nicht bereit seid?
Wir spielen ja auch Stücke von der „Odium“, aber es ist ja jetzt ein Neuanfang. Vielleicht wird es irgendwann wieder mehr „Odium“ geben. Die „Odium“ ist ja auch ein bisschen progressiver, und momentan haben wir einfach mehr Lust, die Sau rauszulassen. Und „Odium“ ist schon ein bisschen anspruchsvoller… (überlegt) und da müssen wir noch ein bisschen mehr üben (lacht)
Habt Ihr neue Songs fertig?
Wir haben sicherlich ein paar Fragmente und Ideen. Wir werden jetzt noch drei Konzerte spielen, dann ist erstmal Schluss. Aus der ursprünglichen „Cursed“-Anniversary-Geschichte ist jetzt ja auch schon mehr geworden. Wir haben uns alle das nächste Jahr komplett frei genommen, um an Sachen zu arbeiten, aber wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen. Ich bin auch kein Freund von Reunions, wo man bei dem Album dann denkt: Nett, aber na ja. Wenn wir also ein neues Album abliefern sollten, dann eines, das auch hundertprozentig ist. Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir brauchen – und entweder es gibt ein neues Album, oder es gibt keins.
Dann lassen wir uns mal überraschen, ob und wie es mit MORGOTH weitergeht. Danke für das Gespräch!
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