Moonspell
Interview mit Fernando Ribeiro zu "Night Eternal"

Interview

Mit „Night Eternal“ haben MOONSPELL ein Album veröffentlicht, das völlig außer Frage ein ultimatives Meisterwerk der Düsternis geworden ist und nahtlos an alte Glanztage anknüpft. Dabei wurde nicht nur der Bombastanteil erhöht, sondern auch schwarzmetallischen Spielereien mehr Raum gelassen. Und mit Anneke van Giersbergen (AGUA DE ANNIQUE, Ex-THE GATHERING) holte sich die Band veritable Unterstützung für gesangliche Kontraste. Fernando Ribeiro, Sänger und Frontmann der Band, bewies sich als leidenschaftlicher Gesprächspartner und brachte Licht in die ewige Nacht…

Das neue Album heißt „Night Eternal“ und ist meiner Meinung nach absolut außergewöhnlich. Es offenbart uns MOONSPELL in einer bisher nie dagewesenen Vielseitigkeit. Welche Bedeutung steckt hinter dem Titel?

Der Titel kann viele Bedeutungen haben. Vor einiger Zeit habe ich in einer Zeitschrift einen bemerkenswerten Artikel gelesen, der wie eine Art Zeichenbrett aufgemacht war und von einem amerikanischen Künstler veröffentlicht wurde. Auf dem Zeichenbrett waren mehrere Szenen des Chaos zu sehen und die Menschheit vernichtet. Das war beeindruckend aber auch sehr erschreckend. „Night Eternal“ ist wie die Nacht, in der wir zu Bett gehen und nie wieder erwachen und der Morgen danach, den wir nie zu Gesicht bekommen. Für uns ist das die Bedeutung dahinter. Etwas wird geschehen, aber auf dem Weg dorthin wird auch vieles verloren gehen, also herrscht eine gewisse Spannung zwischen dem Dasein und dem Nichtvorhandensein.

Das Artwork ist diesmal wirklich atemberaubend, ich liebe es einfach. Wer hatte die Idee für das Cover und wer hat das alles in die Tat umgesetzt?

Auch ich liebe das Artwork und ich denke es ist das Beste, was wir für MOONSPELL jemals hatten. Ich war nie wirklich glücklich mit den bisherigen Artworks, denn die entsprachen nicht immer genau dem was wir erwartet hatten. Keine Frage, die Cover waren alle gut, nicht das wir uns falsch verstehen, aber sie kamen nicht genau auf den Punkt, so wie wir es uns gewünscht haben. Diesmal haben wir meiner Meinung nach jedoch buchstäblich das perfekte Cover, zu dem ich wie immer die Ausgangsidee hatte. Ich habe sehr intensiv nach einem geeigneten Künstler gesucht, der die Idee visuell in die Tat umsetzen konnte, und ich fand ihn in Griechenland: Spiros „Seth“ Antoniou – Sänger und Bassist von SEPTIC FLESH. Er hat das komplette Artwork übernommen und ich denke zwischen uns herrschte eine ganz besondere Chemie, so eine Art außergewöhnliche Verbindung, und am Ende haben wir Freundschaft geschlossen. Ich arbeite ausserdem am liebsten mit Freunden, denn Freunde gehen in gewisser Weise noch etwas weiter und stecken mehr Herzblut in eine Sache, als eine reine Arbeitsbeziehung. Alles ist viel professioneller, wenn man so will. Wir haben viele Stunden auf msn verbracht, um über unsere Songs zu sprechen und über die Ideen, die in meinem Kopf herumspukten. So konnte ich Sir Seths Arbeit hervorragend verfolgen und auch lenken. Ich mag die griechische Kultur und ich mag orthodoxe Gemälde und Zeichnungen, so etwas ähnliches hatte ich bereits als Idee in meinem Kopf, und als wir später verschiedene Einflüsse und die Songs an sich besprachen, präsentierte mir Seth seine düstere Madonna, Mutter Erde, die das Nichts in ihren Händen hält. Dies stellte die ultimative Symbolik von Leere und Verlust dar, und ich war von diesem Artwork einfach nur begeistert. Heute haben wir übrigens die endgültige Version erhalten und ich liebe es! Ich denke das ist genau das was wir wollten, eine wunderbare Arbeit von Seth, dem besten Designer, mit dem wir jemals zusammengearbeitet haben.

Laß uns über die weiblichen Vocals sprechen. Auf „Memorial“ habt ihr erneut auf Birgit Zacher zurückgegriffen, mit der ihr bereits einige Male gearbeitet habt, doch diesmal habt ihr euch für ganz neue Stimmen entschieden, zum Beispiel für Anneke van Giersbergen, die mit dir im Duett auf eurer ersten Single-Auskopplung „Scorpion Flower“ singt. Warum habt ihr euch diesmal für andere weibliche Gesangsstimmen entschieden und damit gegen eine erneute Zusammenarbeit mit Birgit?

Ich mag Birgit sehr. Sie ist eine großartige Person und Gesangslehrerin. Durch sie habe ich meine Vocals unheimlich verbessern können. Aber diesmal wollten wir einfach mit weiblichen Stimmen arbeiten, die zwar anders aber auch charismatisch klingen und damit eine ganz eigene Art der Magie besitzen. Neben vielen Namen war Anneke jedoch die erste Wahl für uns, wir wollten sie unbedingt dabei haben. „Scorpion Flower“ beginnt mit meinem Gesangspart, zu dem sich behutsam die Duettstimme gesellt, um später beide Stimmen in einem Tanz aus Wut und Schönheit zu vereinen. Anneke wird übrigens auch im Video zu diesem Song zu sehen sein. Diese Sache war nicht geplant und auch kein gewiefter Schachzug der Marketing-Maschinerie, sondern es fühlte sich für uns einfach richtig an, Anneke bzw. ihre charismatische Stimme in diesen Song zu integrieren. Es gibt manchmal diese Momente, in denen du weißt, dass es richtig ist was du tust, und ein solcher Moment war die Entscheidung, Annekes Gesang in diesen Song mit einfließen zu lassen. Im Nachhinein haben wir gespürt, wie sich dieses Lied plötzlich auf einer ganz neuen Ebene wiederfindet. Auch wenn das jetzt arrogant klingt, aber ich meine „Scorpion Flower“ ist einer der besten Songs, die ich je gehört habe, denn hier stimmt einfach alles: er klingt düster, zerbrechlich, wunderschön und bedrohlich, nicht zuletzt auch durch Annekes Gesang. Dieser Song versprüht Magie und bildet einen angenehmen Kontrast zu den härteren Songs auf dem Album.

Da du gerade vom Album an sich sprichst, ich finde die Songs auf „Night Eternal“ klingen so, als ob es einen roten Faden gibt und eine fortlaufende Geschichte erzählt wird. Ich konnte allerdings noch nicht ganz genau heraushören, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Art Konzept handelt…

MOONSPELL ist eine konzeptionelle Band und wird auch immer eine bleiben, weil wir uns stets mit thematisch ähnlichen Themen befassen und jeder Aspekt unserer Alben spiegelt sich auch in unseren Artworks. Allerdings haben wir bisher niemals Konzeptalben wie zum Beispiel KING DIAMOND oder QUEENSRYCHE veröffentlicht, die ich sehr gerne höre. Doch durch alle unsere Songs zieht sich durchaus so eine Art roter Faden. Als wir damit anfingen, Songs für „Night Eternal“ zu schreiben, haben wir zunächst gedacht, dass die Songs diesmal sehr viel facettenreicher ausfallen als sonst, und auf einem gewissen Level tun sie das auch, andererseits stellten wir fest, dass wir wieder extrem düster und hart klangen. Wir haben uns bemüht, diese Seite von uns mit schönen Momenten und einem insgesamt noch besseren Songwriting im Einklang zu halten, vor allem im emotionellen Bereich, und am Ende waren wir selbst überrascht, wie stark jeder einzelne Song in Verbindung zum Gesamtwerk steht. Im Wesentlichen handelt das Album von Wut und Schönheit zwischen Kraft und Bestreben, zwischen Dasein und Nichtvorhandensein und einen letzten Atemzug zu tun. Du musst dieses Album als eine Einheit verstehen und seine Verbindung zwischen den Songs fühlen, damit du es auf deine eigene Art begreifen kannst, denn jeder Mensch wird unterschiedliche Gefühle und Assoziationen empfinden. Natürlich können die Songs auch für sich allein stehen, doch das Gefühl als Ganzes ist die Quintessenz der Magie, die von diesem Album ausgeht.

Ihr habt bereits viele gute Reviews bekommen und ich bin mir ziemlich sicher, dass das erst der Anfang war. Habt ihr keine Angst davor, dass so überwältigende Kritiken so eine Art Bürde auferlegen, in Zukunft noch einen drauf zu setzen? Ich kann mir gut vorstellen, dass so etwas enormen Druck auf eine Band ausüben kann, dem man letztendlich nicht gewachsen ist…

Um ehrlich zu sein haben wir mit MOONSPELL schon die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt. Wir wurden hochgejubelt, verehrt, später ignoriert und verspottet. Daher halten wir unsere Erwartungen im Grunde genommen immer auch auf einem gesunden Level. Für uns steht die Musik an erster Stelle und nicht das, was einzelne Personen dazu zu sagen haben. Wir erfüllen uns unseren Traum Musik zu machen, Musik, die uns gefällt, mit der wir uns identifizieren können und die uns wirklich etwas bedeutet. Natürlich wird es für eine Band, die schon einige Alben veröffentlicht hat, immer schwieriger dem Anspruch der Medien gerecht zu werden, aber als Band sollte man immer auch einen gewissen Spielraum für Entwicklungen zur Verfügung haben. Selbstverständlich sind uns sowohl positive als auch negative Kritiken nicht gleichgültig, denn es ist wunderbar zu wissen, dass es dort draussen Leute gibt, die sich mit unserer Musik beschäftigen und uns hören wollen, aber einen besonderen Druck üben diese Dinge nicht wirklich auf uns aus. Wir haben schon genug Druck damit immer wieder etwas Neues zu erschaffen. Ganz ehrlich gesagt wäre es auch unheimlich, immer gute Kritiken zu bekommen, denn dann weißt du, dass irgendetwas einfach nicht stimmen kann. Das ist Musik, so ist das Leben. Ich glaube auch, dass man als Musiker ganz genau weiß, tief im Herzen, ob das neue Material die Fans erreichen wird, wie es in der Presse aufgenommen wird oder ob es dich selbst tief befriedigt. Und mit diesem Wissen, fühlst du dich keinem besonderen Druck ausgesetzt.

Ein MOONSPELL-Gig ohne „Alma Mater“ ist kaum vorstellbar und lyrisch betrachtet empfinde ich den Song sogar als so eine Art Bandhymne. Nun gibt es auf der limitierten Ausgabe eures aktuellen Albums einen Song mit dem Titel „Age Of Mothers“. Stehen diese beiden Songs vielleicht in gewisser Weise in Verbindung zueinander? Welche Geschichte steckt hinter diesem neuen Song?

„Age Of Mothers“ steht in keinem direkten Zusammenhang zu „Alma Mater“ und hat auch einen ganz anderen Hintergrund. Tatsächlich entstammt der Begriff „Age Of Mothers“ dem heidnischen Brauchtum und steht stellvertretend für Mutter Erde, unserer Herkunft, dem Mutterleib und in gewisser Weise auch für Generationen. Dieser Song unterscheidet sich wirklich sehr von den anderen Songs auf „Night Eternal“, das sich hauptsächlich mit weiblichen Energien beschäftigt, die überall auf der Welt zu finden sind. „Age Of Mothers“ ist sehr düster und episch, viel näher am Doom Metal als an Gothic, und daher haben wir ihn als Bonustrack verwendet.

In einem anderen Interview, ich denke das muss schon mindestens ein Jahr her sein, hast du mal etwas gesagt, das mich wirklich sehr beeindruckt hat: „Mein Leben ist davon bestimmt Mauern einzureißen und Ketten zu durchbrechen, und MOONSPELL ist eines der Mittel, um die Leute wissen zu lassen, dass es keinen Gott neben dem Menschen gibt.“ Ich habe den Sinn zwar verstanden, möchte dich aber trotzdem bitten darauf etwas näher einzugehen und den Kern der Sache zu erklären. Was bewegt einen Fernando Ribeiro zu solchen Gedanken?

Nun…ich denke es ist eine große Zeitverschwendung zu beten und zu glauben. Unsere Zeit ist sehr limitiert und wir sollten uns viel eher auf den Kern konzentrieren, auf uns selbst. Denn für mich ist der Mensch definitiv das Zentrum und das Maß aller Dinge. Ich bin kein Satanist, aber vieles von dem, was ich in den Büchern von Aleister Crowley, Eliphas Lévi oder zum Beispiel auch Nitzsche gelesen habe, klingt vernünftig und einige dieser Gedanken verwende ich in unseren Lyrics. Alles was wir fühlen und alles was wir in Verbindung zu Gott oder Luzifer bringen, gilt auch für uns selbst. Ich bin der festen Überzeugung, dass es kein Wesen gibt, das über dem Menschen steht und dass sämtliche Religionen der Welt am Anfang nur dadurch entstanden sind, um unser limitiertes Verständnis des Ganzen erklären zu können. Dieser Prozess hat sich letztendlich fortgesetzt, und die Geister, die man rief, nicht wieder abschütteln können. Ich sage das nicht, um eine Art Black-Metal-Statement zu machen, sondern das ist meine Überzeugung, das bin ich.

Ein ganz anderes Thema. Eure Website ist über die Jahre hinweg immer interaktiver geworden und ihr nutzt das Medium Internet selbst aktiv um in Kontakt mit euren Fans zu bleiben. Wie wichtig ist dieser Faktor für euch?

Ich denke es ist sehr, sehr wichtig, mit den Fans in ständigem Kontakt zu stehen. Wir versuchen in erster Linie natürlich auch eine Anlaufstelle für Informationen aus erster Hand zu sein, nicht nur mit unserer Website, sondern auch mit unserem MySpace-Profil. Unsere Fans können sich über unsere Tourdaten informieren, über Videos, sie haben die Möglichkeit in unsere Songs zu hören und natürlich über alles zu diskutieren, was sie gerade bewegt. Ja, das ist uns wichtig.

Abschließend möchte ich dich bitten eine Textzeile aus irgendeinem eurer Songs zu zitieren, die dir ganz besonders am Herzen liegt:

Dann möchte ich vom letzten Song (Anm. d. Red.: „First Light“) auf „Night Eternal“ zitieren: „The prodigal son came home tonight, to slay his father and drink his blood.“ Ich denke das gehört mit zum Besten, was ich je geschrieben habe, wenn ich das mal so sagen darf… (fängt an zu lachen)

Vielen Dank für das Interview. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg und Gratulation zu diesem großartigen Album.

Alles klar. Vielen Dank. Goodbye!

Nur wenige Tage nach diesem Telefoninterview traf ich Fernando übrigens persönlich und ergründete sowohl mit ihm als auch mit Miguel Gaspar (Drums) in einem Videointerview nicht nur die antreibende Kraft hinter der Band, sondern auch die tatsächliche Geschichte von „Scorpion Flower“… (Jens)

Video-Interview mit Fernando und Mike.

05.09.2008
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