Moonspell
Interview mit Fernando Ribeiro zu "Lusitanian Metal"
Interview
Die kürzlich veröffentlichte, allererste DVD namens „Lusitanian Metal“ von MOONSPELL ist schon etwas ganz besonderes. Neben dem üblichen gefilmten Konzert gewähren Portugals Finest auf dem zweiten Silberling einen Einblick in ihre lange und bewegte Geschichte, angefangen von einer Bandprobe, über die ersten Auftritte im Zeichen des Black Metals bis hin zu Mitschnitten aus dem Jahr 2005, bis zum Ende der Jahre bei ihrer einstigen Plattenfirma Century Media. Daher widmet sich dieses Interview mit Sänger Fernando Ribeiro auch eher der Vergangenheit dieser Band, wenngleich auch ein kleiner Ausblick in die nahe Zukunft erfolgt.
Anfang Dezember wurde eure erste DVD „Lusitanian Metal“ veröffentlicht. Weshalb hat es eigentlich so lange Zeit gedauert, bis wir uns eure tollen Shows auch auf den heimischen Fernsehgeräten anschauen können?
Im Grunde hat sich die ganze Sache zu einem Paragrafenfuck mit der Interpretation unseres Vertrages durch die Anwälte von Century Media entwickelt. Es scheint so, als ob sie dachten, dass sie nicht die Rechte halten würden, die DVD zu veröffentlichen, während wir immer dachten, dass dies nicht der Fall wäre. Vier Jahre vergingen, und schätze mal, wer Recht hatte?
Ich bin froh darüber, dass unsere Fans ihre Augen nach der DVD offen hielten, und dass wir das Meiste in der Zeit rausgeholt haben, um die DVD mit jeder Minute dieser dummen Verzögerung besser zu machen. Und bisher sind die Reaktionen überwältigend, und die Dinge bleiben da, wo sie sein sollten, zwischen den Fans und der Band, auch wenn Century Media das Ganze mit der Arbeit an dieser tollen Ausgabe kompensieren konnten, genießt es also!
Das Herzstück dieser Doppel-DVD bildet das im polnischen Kattowitz (Katowice) gefilmte Konzert vom 13.03.2004. Welche Erinnerungen hast du noch an dieses Konzert?
Wir kamen gerade von einer wirklich langen Tour zwischen den USA und Europa, und wir hatten einige Shows im Osten, die Metalmania Festivals. Die Band war also in guter Form, um es einmal so zu sagen, und wir waren ganz cool. Wir spielten die Show frei von jeder Verpflichtung, damit wir, falls uns das Resultat nicht gefallen hätte, wir es einfach nicht veröffentlicht hätten. Letztendlich war diese lockere Herangehensweise sehr nützlich, die Atmosphäre wie auch das komplette Konzert waren großartig, wir hatten gute Aufnahmebedingungen und über allem eine repräsentative MOONSPELL-Show. Wir haben es also durchgezogen.
Ich habe gute Erinnerungen daran. Sie suchten nach der Sängerin von EPICA in unserem Umkleideraum, sie war nicht da. Ich trank einigen Wodka mit einigen Black-Metal-Typen, und betrank mich im Van mit DECAPITATED, obwohl diese am meisten daran interessiert waren, einfach zu schlafen.
Die DVD wurde ja über euer altes Label Century Media veröffentlicht. Welchen Einfluss hattet ihr denn auf diese DVD?
Ich war der ausführende Produzent, unser Einfluss war demnach sehr groß. Das Konzept, der Inhalt, das Artwork, das Cover, alle Entscheidungen kamen grundsätzlich durch mich, zusammen mit Phillip Schulte von Century Media. Es war also auf gewisse Weise Teamarbeit, aber die DVD wäre nicht so wie jetzt ohne meine Interventionen.
Was mir sehr gut gefällt ist die zweite DVD, auf welcher die komplette Geschichte bis ins Jahr 2005 abgedeckt wird. Wie kam es zu dieser Idee?
Cool! Für mich sind das die Kronjuwelen! Ich hatte die Idee, da es schon so spät war, um es wie eine Anthologie unsere Century-Media-Jahre zu machen, sozusagen ein visuelles Dokument. Die meisten Bands machen die große Show und das war es, wir wollten einen Schritt weiter, um den Leuten aber auch jungen Bands im Einzelnen zu zeigen, dass es da einen Weg bis zu dieser großen Show gibt, darum dreht sich die zweite DVD.
Dann erzähle uns doch bitte ein wenig von den ersten Anfängen von MOONSPELL. Wie wurde die Band gegründet, was waren eure damaligen hauptsächlichen Einflüsse, was die ersten Schritte?
Wir wurden gegründet wie jede andere Band, von Freunden, welche sich in der Undergroundszene aufhielten und kein Teil der profilierten Szene in den frühen Neunzigern sein wollten. Viel mehr als ein Rockstar oder Metalmusiker zu sein, wollten wir etwas Eigenes erschaffen, um all unseren Brieffreunden in der Szene zu zeigen, dass wir dem portugiesischen Underground etwas Neues geben können, welcher voller Kopisten und falscher Illusionen war.
Unsere hauptsächlichen Einflüsse waren BATHORY, CELTIC FROST, ROOT und PARADISE LOST. Unser erster Schritt war MORBID GOD, wie wir zu Anfang hießen, wir übten wie verrückt, wann immer wie konnten, bis wir schließlich eingeladen wurden, an einem portugiesischen Metal Sampler auf Doppel-Vinyl teilzunehmen. Wir erhielten wirklich großartige Reaktionen darauf und entschieden uns, ernsthafter an die Sache ranzugehen. Wir änderten daher unseren Namen in MOONSPELL, und so sind wir nun hier.
Kannst du dich noch an euren allerersten Auftritt von 1993 erinnern, welchen wir auf der DVD sehen können? Wer war denn eigentlich der zweite Sänger?
Zwei Tage vor dieser Show standen noch immer weder die PA noch die Lichtanlage bereit, also haben wir uns drum gekümmert, die Sachen ranzuschaffen, anstatt nur auf unseren Ärschen zu sitzen, wie es die meisten anderen Bands aus Portugal in dieser Situation getan hätten. Es war dankenswerterweise die einzige Show von MOONSPELL mit Corpsepaint. Ich erinnere mich daran, dass sich dieses Konzert doch deutlich von anderen Auftritten portugiesischer Bands der damaligen Zeit unterschied, es war etwas mystisch. Natürlich hatten wir auch viele Probleme und uns unterliefen auch so einige Spielfehler, wir waren ja noch total unerfahren. Aber ich werde niemals das Gefühl des letzten Applauses vergessen, als wir die Bühne verließen.
Der zweite Sänger war Tann, er spielte und sang damals für DECAYED. Er schloss sich MOONSPELL an und war mit uns während „Under The Moonspell“ und „Wolfheart“. Er hat nun eine großartige Band namens IRONSWORD.
Im Anschluss sieht man einen Mitschnitt eurer Supportshow für CRADLE OF FILTH. Da herrschte ja mal wirklich Krieg! Viele ausrastende Fans versuchten, auf die Bühne zu klettern. Wo fand diese Show statt?
Ja, das waren die Tage, nicht? Es gab damals nicht viele Konzerte dieser Art in Lissabon, die Leute sind daher immer total durchgedreht! Es war ausverkauft, und CRADLE OF FILTH verbrachten mit uns zusammen eine Woche in den Wohnungen unserer Eltern. Das war der Anfang einer wirklich langen Beziehung.
Welchen Stellenwert hatte und hat Black Metal für dich?
Ich liebte BATHORY, für mich sind sie die Matrize, die Blaupause des Black Metals. VENOM nicht, aber das ist meine persönliche Meinung. Ich liebe VENOM auch, aber nicht genauso sehr. BATHORY und CELTIC FROST haben mein Leben verändert und brachten mich dazu, Musik selbst zu erschaffen. Ich war auch ein wirklich Enthusiast von einigen Neunziger Jahre Black-Metal-Sachen, „A Blaze In The Northern Sky“ von DARKTHRONE hat mich weggeblasen, das erste Album von BURZUM ist kalt und großartig, und „De Mysteriis Dom Sathanas“ von MAYHEM ist für mich der feinste Black Metal aus Norwegen, welcher jemals erschaffen wurde!
Ich habe mich auch sehr für Black Metal aus dem Süden interessiert wie ROTTING CHRIST und NECROMANTIA sowie einfallsreiche Bands von überall, von ABSU bis ARCTURUS.
Mit all den Kirchenbränden und Bullshit und Imageorientiertheit, Polemik anstatt großartiger Musik, ließ mich diese Musik immer mehr kalt, wie das für den Großteil des heutigen Black Metals für mich gilt, speziell die neuen Bands sind sinnlos und oberflächlich. Ich mag, was SATYRICON jetzt machen, sie haben sich selbst auf großartige Weise wieder erfunden, und das respektiere ich.
Mit eurer ersten größeren Veröffentlichung namens „Under The Moonspell“ von 1996 habt ihr einen neuen Stil erschaffen, eine Kombination aus altem Black Metal mit Gothic und portugiesischer Folklore. Das war natürlich sehr einzigartig. Bitte erzähle uns doch, wie es war, dieses Album einzuspielen!
Ziemlich bizarr. Wir hatten zu große Ideen für unsere musikalischen Fähigkeiten, aber auf gewisse Weise haben wir es durchgezogen, und das naive Feeling ist vielleicht das, was das Album einzigartig macht. Das Studio war recht beschissen, der Großvater unseres Produzenten starb vor dem Mix, ich hasse den Sound auf diesem Album, aber es war fertig, große Worte, schlechtes Spiel aber wie du sagst, yeah, einzigartig.
Ich glaube, ich habe einen kleinen Fehler auf der DVD gefunden. Meiner Meinung nach müsste der Gig von Krakow nach dem Auftritt in Dortmund kommen. Das Konzert in Dortmund scheint mir ein Teil der „Out Of The Dark“ Festivals zu sein, auf welchen ihr zusammen mit CREMATORY gespielt habt. Auch hat die Setlist dort lediglich einen Song, welcher nicht von „Wolfheart“ stammt. Eure Performance erinnert mich an ein Konzert in der Rockfabrik in Ludwigsburg, wo ich euch damals sah.
Ich schätze, du hast Recht.
Damals hatten MOONSPELL ihren Durchbruch. Wie hast du dich damals gefühlt?
Ziemlich konfus. Wir waren zu jung, hatten keine Erfahrung und mehr darauf konzentriert, einen Bissen abzubekommen, anstatt an unsere Karriere zu denken. Wir waren Wölfe und wir waren hungrig! Wir verkauften von „Wolfheart“ 50.000, von „Irreligious“ 80.000 Einheiten nur in Deutschland und lebten gleichzeitig aber noch bei unseren Eltern, pleite wie immer, also lief etwas schief. Aber auch, wenn das alles nicht so einfach war, fühlte es sich wie ein wahr gewordener Traum an und wir konnten nicht glauben, wenn Leute an uns herantraten und uns erzählten, wie großartig wir wären!
Eure musikalische Entwicklung ging weiter, der Stil änderte sich. Wenn du zurückblickst, worin siehst du die Gründe für diese Änderungen und wie denkst du heutzutage über eure Veröffentlichungen „Sin/Pecado“ und „The Butterfly Effect“?
Damals fand ich, dass die Leute darüber zuviel diskutierten, aber die Alben zuwenig anhören und fühlen. Aber das war letztendlich eine gute Sache, ich hörte auf naiv zu sein und jedem zu vertrauen.
Mit „Darkness And Hope“ habt ihr wieder zu eurem eigenen, sagen wir typischen MOONSPELL Dark Metal zurückgefunden. Wie kam es dazu?
Es gab keine Intention oder einen Plan. In der Kunst repräsentiert man sich selbst oder versucht eine Transformation zu repräsentieren, ein Alter Ego, eine Repräsentation. Wir taten beides, man kann es auf den Alben finden. Wir sind froh und dankbar, dass die Leute auf uns aufmerksam sind, entweder weil sie uns nicht ausstehen können oder weil wir ihre Leben verändert haben. Beides ist in der Vergangenheit passiert.
Mit „Lusitanian Metal“ hat man einen tollen Einblick in eure ersten Jahre, und die Jahre mit Century Media. Wie schaust du heute auf eure ehemaligen Geschäftspartner? Wie verlief die Zusammenarbeit mit ihnen?
Nimmt man diese oder jene Person oder manchmal falsche Verhaltensweisen, hatte ich immer eine große Bewunderung für sie, und sie haben Metal veröffentlicht, welcher mein Leben veränderte und meine Band inspirierte wie TIAMAT und SAMAEL. Nach BATHORY und CELTIC FROST waren sie genau mein Ding! Und Century Media eröffnete ihnen die Welt, sie hatten und haben eine Persönlichkeit wie sie Editionen, Artworks herausbringen und wie sie mit Bands zusammenarbeiten. Ich mag sie wirklich und ich schätze das ist beiderseitig. Die DVD war eine tolle Kollaboration, trotz des wirklich versauten Starts.
Hast du eigentlich schon die Coverversion von „Alma Mater“ der Band WOLF gehört? Wie gefällt dir ihre Version eures Songs?
Auf eine perverse Weise liebe ich ihr Cover und es zeigt vor allem, dass „Alma Mater“ ein großartiger Metalsong ist. Einige Leute hassten es, da sie „Alma Mater“ für heilig halten, aber das könnte mich nicht weniger jucken. Die Jungs hatten Spaß mit dem Song, haben ihn gut gespielt und hatten sicherlich währenddessen einige Bier!
Wie läuft eure Tour mit CRADLE OF FILTH?
Während du das hier liest, ist die Tour vorbei. Es war grandios, wir erhielten großartige Reaktionen, es herrschte eine tolle Atmosphäre, es waren viele Leute bei den Konzerten, ich kann mich absolut nicht beklagen. Es war wirklich klasse.
Gab es in den letzten Monaten ein Konzert, das etwas ganz besonderes für dich war, auf welches du sehr positiv zurückblickst?
New York, Chicago und Seattle waren exzellent, mit Leuten, welche unseren Namen riefen, bevor DIMMU BORGIR auf die Bühne gingen. Alle Konzerte, bei welchen Anneke van Giersbergen (AGUA DE ANNIQUE, Ex-THE GATHERING, Anmerk. d. Verf.) bei „Scorpion Flower“ mit auf der Bühne war, London, Paris, Tilburg, Köln, einige Festivals wie das MOR in der tschechischen Republik, es war ein großartiges Jahr für MOONSPELL.
Wie war denn allgemein die Tour in den USA?
Die besten Tour bisher, was Reaktionen anbelangt! Wir sind begierig darauf, wieder dorthin zurückzukehren und das Ganze in Schwung zu halten. Dort baut sich etwas für uns auf, was sich großartig anfühlt!
Was ist in nächster Zeit so alles geplant bei MOONSPELL?
2009 werden wir hauptsächlich mit Spielen verbringen. Im März steht der zweite Teil der „Darkest Tour“ mit CRADLE OF FILTH und GORGOROTH an, unsere Rückkehr nach Amerika, viele weitere Shows sind geplant. Wir werden dann mit den Arbeiten für ein neues Album beginnen, ich schreibe gerade bereits die Texte dazu.
Vielen Dank für das Interview!