Monolithe
Interview mit Gitarrist Sylvain Bégot zu "Monolithe III""

Interview

Monolithe

Lange war es ruhig um die Death-Doomer aus der französischen Hauptstadt – zumindest was ein neues Langeisen angeht. Hatten deren beiden Debütalben „I“ und „II“ mit ihrer bestechenden, einzigartigen Atmosphäre bereits bombig eingeschlagen, schließt sich auch die dritte Scheibe nahtlos an – sowohl thematisch als auch qualitativ. Worum es bei MONOLITHE eigentlich geht und darüber, welchen Stellenwert die einzelnen Werke genießen, sprach metal.de mit Bandkopf Sylvain Bégot.

Hallo und Grüße nach Frankreich! Ich nehme mal an, das aktuelle Wetter passt zu eurem neuen Album, was?

Guten Tag! Das Wetter ist prima. Wo ist das Problem mit Nässe, Kälte und einem schwarzen Himmel?
Es ist eigentlich typisches Pariser Novemberwetter – nichts Besonderes. Ich gebe zu, dass es sich nicht um meine Lieblingszeit im Jahr handelt, aber es ist auch nicht der schlechteste Platz auf der Erde. Genau gesagt, passt kein Wetter zu MONOLITHE, denn thematisch spielen die Alben im All, wo es im weltlichen Sinne des Wortes kein Wetter als solches gibt. Aber düster und kalt – ja doch, ich kann einige Parallelen erkennen.

Ein Name, ein Song. Euer neues Album ist wieder urtypisch MONOLITHE, oder?

Das ist es. Es gibt ein paar Dinge, die sofort auf MONOLITHE schließen lassen. Und das auch, obwohl sich die Musik seit den Anfangstagen durchaus entwickelt hat.

Wo liegen für Dich die wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu den frühen Werken?

Die hauptsächlichen Gemeinsamkeiten, die wir in der vorherigen Frage bereits angesprochen hatten, sind ebendiese, die MONOLITHE zu dem machen, was es ist. Die Ein-Song-Alben, die heavy Grundstimmung, the typischen Keyboards und die Zwillingsleads, die sphärische Atmosphäre, die spärlichen Lyrics, Vocals und so weiter. Die Hauptunterschiede liegen darin, dass das Album grundsätzlich etwas schneller ist und die Kompositionen progressiver sind. Wahrscheinlich sind noch mehr Unterschiede und Veränderungen als je zuvor implementiert. Mit dem sehr eng gesteckten Genrerahmen “Doom Metal” wollten wir sehr originell und variabel umgehen. Produktionsbezogen ist “III” ein sehr klares Album mit fettem Sound. Wir haben auch die Feinabstimmung geändert, sodas man die Riffs besser heraushören kann. Es gibt noch eine Menge neue Dinge für uns, die Dir sicherlich auch auffallen werden.

Nachdem “I” und “II” in einem Zeitraum von etwa zwei Jahren veröffentlicht wurden, brauchte es für dieses Album gleich sieben Jahre. War das eine Frage der Inspiration oder warum brauchte es für diese Scheibe ungleich länger?

Zwischen “II” und “III” gab es ja noch die beiden EP’s “Interlude Premier” und “Interlude Second“. Demnach liegt die längste Zeit zwischen zwei Releases nicht bei sieben, aber dennoch bei fünf Jahren. Das war schließlich zwischen “Interlude Premier” aus dem Jahr 2007 und “Interlude Second”, das 2012 erschienen ist. Es war niemals eine Frage mangelnder Inspiration, sondern viel mehr eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, eine Pause machen zu müssen. Manche dieser Gründe waren musikalischer, manche nicht musikalischer Natur. Es gibt einfach Momente, in den komponieren und Musik machen nicht die Priorität im Leben haben können. Aber der Wunsch, neue Sachen zu komponieren kommt vielleicht irgendwann wieder, so wie es bei “Interlude Second” der Fall war. 

Thematisch stützt ihr euch auf die Herkunft der Menschheit, was sich durch jedes Eurer bisherigen Alben zieht. Wie weit seid Ihr bisweilen fortgeschritten in dieser komplexen Geschichte?

MONOLITHE handelt von der Herkunft und dem Zerfall der Menschheit aus einer Science-Fiction-Sicht. In der Welt, die wir kreiert haben, ist das Universum ein omnipräsentes, allwissendes und empfindendes Wesen. Es handelt sich dabei nicht um einen Gott im religiösen Sinne des Wortes, aber um eine Lebensform, die zu groß und komplex ist, um von einem Menschen verstanden zu werden. Dieses Wesen, lasst es uns als den großen Uhrmacher bezeichnen, steht kurz davor, an einer Krankheit, dem großen Vakuum, zu sterben, was ein Status ist, in dem zuviel Leere und zu wenig Bedeutung der Dinge zu Tage tritt. Als nun der Uhrmacher seinen eigenen Tod verhindern kann, erstellt er ein Impfmittel – die Menschheit. Die Menschen gelangen schließlich zu einem extremen Wissenslevel, bevölkern das Universum und arbeiten an ihrem Auftrag, ebendiesem eine Bedeutung durch Verantwortlichkeit und Empfindsamkeit zu geben. Wenn dieser Auftrag erledigt ist, soll die Menschheit verschwinden, da sie nun keinen Nutzen mehr hat. Das ist der wesentliche Rahmen. “Monolithe I” und “Monolithe II” sind von einem allwissenden Erzähler beschrieben. “I” fokussiert sich auf die Art und Weise, wie die Menschheit entsteht und wie sie in das leere Universum kommt. Zur Evolution kommen sie mithilfe der Monolithen, die gleichzeitig Kickstarter und Wächter sind. “II” beschreibt dann wie sich die Menschen entwickeln und in die Tiefen des Universums vordringen. “Interlude Premier”, “Interlude Second” und “Monolithe III” sind aus der Sicht der Menschheit erzählt. In “Interlude Premier” erreichen die Menschen ultimatives Wissen. Sie sind bis dahin einigen Monolithen begegnet und stellen sich die Frage nach anderen Lebensformen. In “Interlude Second” ist dieses Wissen soweit fortgeschritten, dass man mittlerweile nahezu alles erreichen kann. Das führt schließlich zu einer Identitätskrise, da die Menschen nun keine Zielsetzung mehr haben und nichts mehr erreichen können, was langsam dazu führt, den wahren Kern und Grund der Existenz ausfindig zu machen. “III” erzählt dann, wie die Menschen das letzte noch fehlende Wissen akquirieren, bevor sie ausgelöscht werden. Also wo wir derzeit sind. Die Menschen können metaphysische Fragen beantworten. Sie haben endlich ihren Erschaffer spüren können. Es endet mit der Zerstörung der menschlichen Rasse, woraufhin das Universum wieder in sein vorheriges Gleichgewicht gelang. Der große Uhrmacher ist geheilt. “Monolithe IV” wird die Geschichte beenden, wobei die Menschen aber keine Rolle spielen werden. Aber es dreht sich alles nur noch um metaphysische Dinge, weißt du. Die großen Fragen also, die wir – die Menschen- nicht beantworten können.

Welchen Stellenwert hat “Monolithe III” in diesem thematischen Zusammenhang?

Jedes Album ist sehr wichtig, denn MONOLITHE musst du immer als Teil eines größeren Ganzen sehen, das trotzdem seine Berechtigung für sich selbst behält. Wenn ein Stück des Puzzles nicht richtig passt, fehlt vielleicht ein wichtiger Teil des Gesamtbildes. “III” ist genauso wichtig wie jedes andere Album, doch im Hinblick darauf, dass es den letzten Untergang der Menschheit markiert, ist es vielleicht doch das Wichtigste bis hierhin? Das darfst du nun selbst entscheiden.

Wo liegt denn deine persönliche Meinung zu unserer Herkunft? Wo glaubst du, kommt die Menschheit wirklich her?

Ich befürchte, dass meine eigenen Vorstellungen unserer Herkunft viel weltlicher erscheinen als die Ideen auf den MONOLITHE-Werken. Die Menschheit ist aus einem, möglicherweise zufälligen, biologischen Prozess entstanden, der vermutlich leider niemals vollständig erklärt werden kann. Aber das hat nichts mit Gott, einem höheren Wesen und sonst irgendwelchen außerirdischen Lebensformen zu tun. Ich bin ein sehr rationaler Mensch, weißt du.

Würdest du die Lyrics auf euren Alben als persönlich bezeichnen?

Nein, auf keinen Fall. Es geht eher um Dinge, mit denen ich mich gerne beschäftige, wie Science Fiction, metaphysische Dinge, düstere Dinge, Mystizismus und viele mystische, fast schon kryptische Schriftstücke. Manche der Texte wirken fast schon prophetisch, was das Ganze irgendwie klassisch anmuten lässt. Aber sind sie deshalb persönlich…nein, nicht wirklich.

Was hältst du in diesem Zusammenhang von dem Ansatz, die Herkunft der Menschheit mit irgendwelchen religiösen Elementen zu erklären?

Meine Meinung bezüglich dieses Themenkomplexes ist kurz umrissen die folgende, dass sämtlicher Glaube, der auf nichts Rationalem basiert, ein Fehler ist. Da es in keiner Hinsicht Beweise gibt, kannst du es nicht sagen. Aber auf der anderen Seite, warum nicht. Vielleicht hat die Wissenschaft ja alles falsch gemacht! Ich bezweifle es ganz ehrlich, aber du kannst es nie wissen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich ein Agnostiker mit Anlehnungen im Atheismus bin. Ich denke, das beantwortet deine Frage.



Mittlerweile arbeitet ihr mit einem recht konstanten Line-Up bei MONOLITHE. Inwieweit hilft das vielleicht, einen solchen musikalisch/thematisch komplexen Rahmen zu umfassen?

Das hat etwas sehr Ironisches, denn ursprünglich wollte ich mit jeder Aufnahme ein komplett frisches Line-Up realisieren. So wurde es auch in den frühen Tagen gehandhabt. Wir haben die Bassisten gewechselt, wir hatten einen zusätzlichen Gitarrist…selbst der Sänger wurde für “Interlude Premier” geändert, aber unser Standardsänger, Richard, war immer noch in der Band, obwohl er auf dieser EP nicht auftauchte. Aber danach bin ich zu der Auffassung gekommen, dass es den Wechselaufand nicht mehr wert ist. Derweil bevorzuge ich es, mit Menschen zu arbeiten die ich kenne und auf die ich mich verlassen kann. Ich bin zwar der Mann hinter MONOLITHE, doch im Kern befinden sich auch Richard und Benoit. Ohne diese großartigen Musiker und Menschen wäre es nicht dasselbe.

Gerade auf “Monolithe III” ist mir immer wieder das Gefühl gekommen, dass ihr mit einem wahnsinnigen Kontrast aus sanfter Melancholie und wirklich höllischen Elementen, sobald die Vocals einsetzen, arbeitet. War das auch eure Intention?

Nun, das fühlst du und damit kann ich sehr gut leben. Großartig! Die Rolle der Vocals sind in dieser Band sehr speziell, da sie auch mit Absicht recht rar gesät sind. Demnach ist e shier besonders wichtig, dass sie immer etwas auslösen, sobald sie wiederkehren. Es ist als würde dir etwas Riesiges, Allwissendes und nicht Verortbares eine universale, empirische Wahrheit erklären. Es mag vielleicht tatsächlich eine allwissende Sicht der Dinge sein, ähnlich eines Vorlesers eines Buches.

Würdest du sagen, dass Doom Metal von seiner Eindimensionalität lebt? Denn ich würde eure Musik als alles andere denn eindimensional bezeichnen. Schließlich arbeitet ihr mit einer riesigen Vielzahl an verschiedenen Facetten.

Ich habe bereits vorher angedeutet, dass wir versucht haben, originell und abenteuerlich mit den festgesetzten Genregrenzen des Doom Metal umzugehen. Das bedeutet, dass wir diesen Grenzen folgen und zweifellos in dieses Grenze gehören – in kein anderes. Aber diese dehnen wir soweit als möglich aus, sodass wir nicht in eigens verschuldete Limitierungen verstrickt werden. Es hat durchaus etwas Elastisches. Es hat eine feste Form, doch diese kannst du so ausdehnen, dass alles breiter und größer wird. Wenn du allerdings zu kräftig ziehst, reißt das Konstrukt. MONOLITHE reizt diese Grenzen bis zum Anschlag aus, aber stoppt an den Zerreißgrenzen. Zu viele Bands tappen in die Falle, dass sie ihre potenziellen Hörer schlichtweg zu Tode langweilen. Sie spielen in einem Genre und passieren ihre Musik so weit an, bis es passt. Das Problem liegt darin, dass sie in ein bestimmtes Genre passen wollen, ohne wirklich etwas Besonderes zu sagen zu haben. Wir agieren genau andersherum: Wir spielen unsere Musik und formen anschließend das Genre rundherum, indem wir den Extraraum nutzen, den uns die Gelegenheit zur Ausdehnung gegeben hat, denn in erster Linie haben wir eine Geschichte zu erzählen. Das Genre, in welchem wir agieren hilft und lediglich dabei, ist aber nicht die Finalität unserer Musik. Kannst du mir folgen? Demzufolge hast du absolut Recht, wir bringen viele Elemente in unsere Musik ein, um interessant zu bleiben. 

Auf euren beiden EPs seid ihr etwas mehr in den experimentellen Weg eingebogen. Besteht diesbezüglich eine Trennung zwischen euren EPs und den Alben?

Dort gibt es keine Trennung, denn sie gehören zum Gesamtbild. Die EPs sind zwar eine Form von Nebenprojekten zur wesentlichen Storyline, doch sie gehören in dieselbe Welt. Deren Anspruch war durchaus, etwas experimenteller zu agieren. Wenn ich wieder meine “elastische” Metapher verwende, dann sind sie die extremen Dehnungsgrenzen, insbesondere die Zweite. “Interlude Premier” ist ein harscher, extremer Part. Er ist hart, kantig und rau in Produktion und Spielform. Wir haben haufenweise Samples und andere Elemente eingebaut, die du eigentlich nicht regelmäßig in einem Doom-Metal-Album findest.  “Interlude Second” ist dann sehr schwer zu beschreiben. Es ist ein interessanter Mix aus typischem MONOLITHE-Sound mit klasssichen Passagen, Drone, Stoner und weiteren Einflüssen. Die Rhythmusgitarren spielen keine richtigen Riffs, sondern bauen im Hintergrund eine Soundmauer auf, welche die Dynamik steuert. Es ist ein sehr abgespaceter Release. So etwas würde ich zukünftig gerne nochmal machen.

Einen einzigen Song Live zu spielen markiert doch sicher eine fast schon rituelle Atmosphäre, denn ein gewöhnliches Konzert. Was sind denn deine Erfahrungen dahingehend?

Nun die Antwort ist einfach: Ich weiß es nicht. Schlicht weil MONOLITHE keine Live-Band ist. Wir haben noch nicht mal Songs geprobt. Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Der wesentliche ist dabei, dass ich der Meinung bin, dass solche Musik nicht in einen Live-Zusammenhang passt. Meiner Meinung nach wäre die Magie dann entschwunden. Der zweite Grund ist, dass es einen Riesenaufwand bedürfte, überhaupt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass MONOLITHE Live geschehen kann. Zu viele Musiker, zu viele Proben, zu viel Zusammenspiel aus vielen Elementen, sodass es Live nicht so gut herüberkommen würde, schließlich kommen die Passagen auf Platte wie ein Uhrwerk abgestimmt aus den Boxen. Wir haben zwar schon ein paar Mal darüber gesprochen, doch daraus ist nie etwas geworden.

Das war’s schon. Ich danke dir recht herzlich für das Beantworten meiner Fragen und wünsche dir noch alles Gute! Du darfst zum Schluss gerne noch etwas loswerden.

Danke dir ebenfalls! Nun, zusätzlich zu meinen Antworten habe ich eigentlich nichts Besonderes mehr hinzuzufügen. Grüße an alle Leser von metal.de und Hörer, die sich für uns interessieren. Danke euch allen! Bis bald!

24.11.2012
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