Mila Mar
Mila Mar
Interview
Mila Mar singen Seelenbilder, heißt es so schön. Diese Seelenbilder, vorgetragen in einer Phantasiesprache der Sängerin Anke Hachfeld, umgehen den Verstand und ergreifen den Zuhörer genau dort, wo die Quelle dieser Laute liegt. "
Freitag der 13. – bist Du denn abergläubisch?
Nein, kein bisschen. Ich habe schon meine eigenen kleinen Zwanghaftigkeiten. Wenn zum Beispiel der und der Anruf jetzt nicht kommt, dann passiert folgendes, aber abergläubisch, in dem Sinne Freitag der 13. und so, bin ich nicht.
Ich habe von Dir gelesen, „Ich benötige viele ungeklärte Phänomene, um zu leben“. Welche ?
Ungeklärte Phänomene sind für mich zum Beispiel, wenn irgendwas für mich unbegreifliches Zustande kommt. Wieso man auf verschiedene Menschen trifft, in bestimmten Situationen – man merkt, dass passt einfach und es ist auch wichtig, dass ich jetzt irgendetwas gespürt habe bei dem Menschen und man sich schon fragt, wie kommt das nun zustande. Ich finde es zum Beispiel immer wieder unglaublich, dass man in Situationen, in denen eigentlich alles hoffnungslos erscheint man immer noch hoffen kann – dass ist zum Beispiel so ein ungeklärtes Phänomen von Menschen. Wenn man das bei anderen Menschen erlebt, fragt man sich „Wo nehmen die das her ?“, die haben eine unglaubliche Lebenspower. Das sind für mich so ungeklärte Phänomene.
Glaubst Du denn an Elfen?
Die Elfen an sich sind für mich ein Symbol. Ich glaube nicht an Elfen.
Was symbolisieren Elfen für Dich?
Für mich sind Elfen auf der einen Seite etwas ganz zartes, feinfühliges und tragen, in dieser Symbolik, ihre Seele nach außen. Sie sind sowohl männlich als auch weiblich besetzt. Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Elfen beschäftigt, die ich auch ganz interessant fand, denn es gibt tatsächlich viele Menschen, die Bücher über Elfen geschrieben haben, die ganz klar davon ausgehen, das es Elfen Naturgeister sind, die es wirklich gibt. Ich war auch schon sehr sehr oft in Norwegen und dann mitten in der Natur ausgesetzt ( lacht ) und da kann es einem schon passieren, dass man im Wald, wenn man über Stunden oder Tage keine Menschenseele gesehen hat, dass man sich dann in etwas reindenken kann, gar keine Frage. Das finde ich immer wieder faszinierend, ohne das ich persönlich jemals eine Elfe gesehen habe. Naturgeister stellen für mich schon eine Kraft von Gott dar, aber ich glaube durchaus an das Ursache-Wirkungs-Prinzipen, also schon an eine größere Logik, an einen größeren Geist sozusagen. Die Vielfalt ist schon zu logisch, wie sich die ganze Natur und der Mensch zusammensetzt, und von daher denke ich schon, dass da eine feistoffliche Geschichte existiert, ohne das ich es jetzt esoterisch meine. Und das sind für mich Dinge, die auch zutiefst mystisch sind. Das Wort Mystik wird auch ganz oft missbraucht, letztendlich ist auch nur etwas Unerklärbares damit gemeint. Auch der Mensch ist teilweise unerklärbar.
Seelenbilder werden oft im Zusammenhang mit Mila Mar genannt. Hast Du denn eine persönliche Vorstellung von einer Seele?
Ich habe ein paar Schlüsselerlebnisse. Ich bin eine, wie man so schön sagt, reanimierte Person – ich habe schon einmal im Sterben gelegen und habe in diesem Zustand schon meinen Körper gesehen. Also für mich ist das ganz klar, dass es eine Seele gibt.
Das es eine Seele gibt ist Dir klar, aber wie stellst Du sie Dir vor?
Feinstofflich – ich glaube nicht, dass die Seele an sich etwas ist, dass man greifen könnte.
Wenn man eine bestimmte Lebenserfahrung hat und auf diese zurückgreift, dass man auch selber merkt, da habe ich eine Ebene in mir selbst, die ziemlich tief ist und vielleicht ist das meine Seele. Das ist genau das, was ich im Zusammenhang mit unerklärlichen Phänomenen schon meinte. Die Hoffnung – in Momenten, in denen man eigentlich gar nicht mehr weis, das man sie noch hat und plötzlich entwickelt man so eine Energie, setzt unheimliche Ressourcen frei – das ist die Seele, in dem Moment. Ich habe keine Ahnung ( lacht ). Aber beim Singen habe ich das auch – nicht immer, nicht jedes Konzert, nicht jeder Ton – aber manchmal merke ich, da ist so eine Power. Unsere Musik ist ja grundsätzlich schon immer sehr melancholisch, also ich würde schon sagen, dass ist die Basis von jedem Song, aber es meint nie, dass es in irgendein Nichts läuft, das es irgendwas mit Aufgabe zu tun hat, sondern auch immer ein Aufbruch, dass aus dieser Melancholie herausgebrochen wird.
Versuchst Du vielleicht auch dadurch, dass Du keine Texte benutzt und keine Phantasiesprache benutzt den Intellekt der Zuhörer zu umgehen und direkt die Seele anzusprechen – das Du versuchst davon etwas abzugeben?
Das war sozusagen mein Experiment dabei. Das fing so vor fünf Jahren an, mit der Phantasiesprache, die ich sozusagen für mich gefunden habe. Ich habe früher auch Musik gemacht, mit Texten und bei der Elfensex habe ich ja auch Texte gemacht. Aus meinen Lebenserfahrungen, den Erfahrungen, die ich gemacht habe, da wurde ich zu oft vor das Problem gestellt, dass da Worte einfach nicht reichen. Es gibt Lebenssituationen, da kannst Du das einfach nicht mehr beschreiben. Zum Beispiel, was ich eben meinte, im Koma liegen, mit dem zurückfallen – das ist unbeschreiblich. Das wirst Du nie jemandem verständlich machen können. Da habe ich sozusagen gedacht „Ja gut, wenn ich das nicht kann, dann gibt es ja noch andere Möglichkeiten“. Musik und gerade Gesang, der ist ja unmittelbar, der kommt aus deinem Körper. Bei einem Instrument ist es ein bisschen anders. Man hat immer noch das Instrument noch davor. Wieso reduziere ich das nicht sozusagen, wieso nehme ich nicht mal die Sprache, meine Sprache, raus und lasse das raus, was mir gerade da so kommt. Ich stelle mich ja auf die Bühne und es ist immer was anderes. Die Melodien sind klar, aber die Worte sind immer andere, die entstehen in dem Moment, in dem ich da stehe. Das bedeutet, dass ich mich auf der einen Seite jedes Mal offen zeigen muss und das bedeutet für mich auch, meine Seele zu offenbaren. Ich glaube das es auch ganz oft so verstanden wird, aufgrund der Rückmeldungen jedenfalls. Es ist ein ganz großartiges Kompliment, wenn jemand sagt „Du, da musste ich weinen, das hat mich irgendwo so berührt, da musste ich weinen“. Das ist mein eigener kleiner Kosmos gewesen und bei der neuen CD da waren einfach Sachen, bei denen ich gemerkt habe, das ich das in Worte fassen will, in verständliche Worte. Es war so eine Intuition, zu sagen, den und den Song will ich so machen. Wir habe noch nie eine Song in Deutsch gesungen, das haben wir vorher wirklich noch nie gemacht. In meiner eigenen Muttersprache hätte ich so etwas früher nie sagen können, das wäre vor ein paar Jahren nicht gegangen. Auf der einen Seite kann man sagen, es ist natürlich eine Weiterentwicklung, auch wenn das vielleicht ein Wiederspruch zu dem ist, was ich vorher gesagt habe.
Was meinst Du mit Widerspruch?
Ich habe ja viele Interviews gegeben und da bekomme ich oft zu hören „Du hast aber vorher das und das gesagt“. Das war eben ein Wiederspruch nun eine Sprache, eine verständliche Sprache zu benutzen – ist es aber für mich nicht.
Sprache empfindest Du auch als limitierend? Antonin Artaud sagte, die Sprache ist die Ursache der menschlichen Beschränktheit.
Dem kann ich zustimmen. Die Sprachwissenschaften gehen davon aus, das über die Sprache Gefühle erlernt werden. Das ist für mich einfach unwahr. Die Sprache ist die größte kulturelle Errungenschaft des Menschen, gar keine Frage und ich denke auch, dass ein Teil von Gefühlen und Empfindungen durch die Sprache geformt wird – aber es wird auch begrenzt. Mein traurig sein ist garantiert nicht Dein traurig sein. Bei manchen Begrifflichkeiten wird das auch ganz deutlich, zum Beispiel bei der Liebe. Es gibt einen Begriff für diesen Zustand, einen einzigen Begriff. Das ist so ein komplexes Feld, das sind so komplexe Empfindungen. Die Liebe, die ich zu einem Menschen habe ist eine ganz andere wie die, die ich vielleicht zu meinem Kind habe – und dafür gibt es nur einen Begriff, das finde ich schon erstaunlich, sehr hinterwäldlerisch ( lacht ).
Du hast mal Psychologie studiert, habe ich gehört?!
Das stimmt auch – unter anderem. Ich habe das noch nicht zu Ende gemacht, weil ich im Moment fast nur Musik mache. Ich arbeite zwar ab und zu noch mal, mit Kindern, mit behinderten Kindern, und da merke ich oft, Worte reichen nicht aus, weil Du mit denen nicht sprechen kannst. Also da habe ich auch viele Sachen erlebt und das hat mich in aller Hinsicht bestärkt, was meinen Gesang angeht oder die Ideen, die ich dafür habe. Ich habe da ein Problem, wenn ich das beschreibe, wenn ich Dir das beschreibe, rutscht man so schnell in so eine Esoterik Ecke oder so etwas. Das ist aber Quatsch, das ist einfach nur menschlich. Ich bin keine Esoterikerin und auch kein Hippie. Ich bin ganz bodenständig. Meine Kreativität hat halt irgendwie einen besonderen Ursprung. Was ich ganz furchtbar finde, ist, dass manche Bands behaupten sie würden schamansitische Riten oder so was abhalten. Ich habe da auch vor einigen Sache viel zu viel Respekt, als das ich da so was daher reden würde. Ich sag das jetzt, weil mich viele darauf angesprochen haben. In einem Interview viel mir das ein, wobei das auch gleich wieder als ganz pathetische aufgefasst worden ist. Dabei ist da ganz selbstvergessen menschlich. Als wenn ein Kind was vor sich herspielt. Das verwirrt mich immer so sehr.
Ist Dir die heutige Welt eigentlich fremd, oder steht Du mit beiden Beinen im Leben?
Auf der einen Seite ja, auf der andern Seite ist mir die Welt schon manchmal sehr sehr fremd. Dieser ganze Kapitalismus und zum Teil gibt es zu viel Verachtung. Ich denke, dass der Mensch sich da selber ganz gut einen Strick gedreht hat – in vielerlei Hinsicht.
Glaubst Du, dass man nicht einen Kompromiss mit dieser Welt schließen muss? Man muss Teil dieses Kapitalismus sein, um in dieser Gesellschaft überleben zu können. Das Geld braucht man, um sich selber verwirklichen zu können. Muss man eine Doppelmoral entwickeln?
Das mache ich ja auch – das machen viele Leute. Es gibt viele Leute, die auch mal rechts und links kucken. Die kommen irgendwann klar, dadurch das sie für sich selber eine Kompromiss schließen. Sicherlich habe ich auch viele Leistungen, Prinzipien und Konzepte übernommen und es gibt auch einige Sachen, die ich für gut halte. Viele Dinge werden aber immer mehr ausgeblendet. Ich denke, dass die Welt heute derart abstrakt ist, dass Du nirgendwo mehr vernünftig andocken kannst, weißt Du was ich meine?
Nicht so ganz.
Es gibt eben immer zwei Seiten einer Medaille. Geld ist irgendwie total abstrakt. Du kannst vieles nicht mehr wirklich emotional besetzen. Es gibt so viele Risiken – an sich müsste jeder Mensch, wenn er sich das verwirklicht nur noch mit größter Angst durch die Welt rennen.
Diese Fremdheit ist mir auch bei der CD Gestaltung aufgefallen. Alles sieht moderner aus.
Anekdoten zur Photosession?
(lacht) Ich bin mit der Kamerafrau und einem Begleitschutz, man kann ja nie wissen, losgezogen. Das war meine Idee: eine Elfe, Elfen stehen ja für die Natur, in der Großstadt. Ich habe mir gar nicht überlegt, was ich da für ein Gesicht mache. Letztendlich ist dabei herausgekommen, dass es ganz schon einsam aussieht – die Elfe sieht total einsam aus. Das war alles spontan, als ich den Telefonhörer gegriffen habe und ich mich aus dem Bild herausgedreht habe. So habe ich das auch empfunden. Ich bin da in meinem Kleid rumgelaufen und habe mich selber auch reingedacht, bin durch Menschenmassen gelaufen; gegen den Strom Bilder sind da zum Teil ja auch dabei. Anekdoten insofern, dass ich unheimlich viele Angebote bekommen habe, denn die Kamerafrau war ganz oft gar nicht zu sehen. Das heißt, ich in meinem blauen Kleid war erst mal völlig alleine da. Da kam dann auch mal ein Bundeswehr Trupp und dann ging es natürlich los „Hey,…“. Einer kam auch mal an und meinte „Du bist aber auch eine geile Maus“. Dann waren wir ja auch noch in der S-Bahn, in der alles ziemlich eng war. Da haben dann auch alle gekuckt, was ist das denn für eine. Dann hatte wir auch einen, der war mir längere Zeit an den Fersen. Das war in Hamburg und da sind auch einige Junkies unterwegs und der sah so aus, als hätte er sich gerade frisch einen gegönnt. Der ist überhaupt nicht mehr klargekommen..
Der Albumtitel „Elfensex“ ist einem Gedicht von Diedrich B. entnommen. Wer ist denn Diedrich B.?
Diedrich B., die geheime Person … das wird nicht verraten.
Der Festivalsommer liegt hinter euch. Welche Erfahrungen habt Ihr denn auf großen Bühnen, wie zum Beispiel auf dem M’Era Luna, gemacht?
Das M’Era Luna war für mich etwas wirklich Schönes – eine schöne Geschichte. Auf dem Feuertanzfestival haben wir auch noch gespielt, mit Subway to Sally und In Extremo (am Kyffhäuser d.Verf). Das war aber nicht so mein Publikum muss ich sagen – eher ein Metal Publikum. Natürlich nicht alle und wir sind da auch ganz gut angekommen, aber es ist irgendwie auch, ich will jetzt nicht beleidigen, ein eher gröberer Schlag von Mensch – Party machen und sich einen hinter die Binde kippen. Da ist unsere Musik überhaupt nicht gut aufgehoben. Auf dem M’Era Luna Festival war an sich schon mal die schwarze Szene vertreten. Wir haben am Sonntag um 12 Uhr im Hangar gespielt. Wir sind ja so gesehen immer noch die Newcomer überall, das heißt, wenn wir spielen, dann ist das, zumindest für mich, eine Überzeugungsarbeit. Wenn ich da stehe empfinde ich das auch oft so – ich zeig Euch das jetzt und ihr zeigt mit, ob ihr das gut findet. Dort war es dann so, man betritt die Bühne und wird derart in Empfang genommen dann ist das natürlich ein ganz anderes empfinden – ein sehr schönes an sich.
Bist Du denn gerne auf größeren oder auf kleineren Bühnen?
Ich mag eigentlich beides. Ich mag auch ganz kleine Clubs, manchmal, das empfinde ich manchmal als sehr angenehm, manchmal stört es mich. Je nachdem, wie ich selber so drauf bin. Ich gehe in der Regel auch von der Bühne runter und gehe zwischen den Leuten rum, fasse Leute an, erschrecke sie. Das ist auf kleineren Bühnen natürlich viel besser möglich, auf dem M’Era Luna Festival geht so was halt nicht – das finde ich dann schade. Auf der anderen Seite hat es natürlich auch was. Wir haben als Support auch viele Sachen gemacht und da haben wir viel in größeren Hallen gespielt. Ich hatte letztes Jahr eine Einzelaktion, da hatte ich einen Auftritt in Braunschweig im Stadion, vor 15000 Leuten.
Was war das für eine Einzelaktion?
Das war bei einer Sportveranstaltung. Da hatten wir drüber geredet, ob ich da nicht singen sollte, Klassik Sachen. Ich fand es völlig irre. Es war so unglaublich, die Menschen sind so weit weg, dass Du sie gar nicht mehr als Menschen in dem Sinne wahrnimmst, aber es hat was, wenn die Feuerzeuge angehen in so einem großen Stadion und das ganze Stadion applaudiert.
Nächste Woche beginnt die Tour, was hat man zu erwarten?
Jede Menge neue Songs, da wird es lichttechnisch jede Menge Neues geben, wir arbeiten fest mit einem Lichttechniker zusammen, der ist Vollprofi. Ich werde Flügel bekommen, die auch mal in Erscheinung treten werden. Das wird für uns auch sehr aufregend. Bislang haben wir unser altes Programm durchgezogen und nun werden wir das erste mal die neuen Songs vor Publikum spielen – das finde ich schon aufregend.
Früher seid ihr einige Male zusammen mit einer Performance Gruppe namens „Scarabäus“ aufgetreten. Ist in diese Richtung noch mal etwas geplant?
Das waren drei Auftritte mit dieser Performance Gruppe. Unsere Musik sollte aber einfach für sich stehen. Natürlich wäre eine visuelle Umsetzung schön, aber die darf auch nicht überfrachtet sein – nicht zu viel Raum einnehmen. Deshalb haben wir irgendwann davon Abschied genommen.
„Die Sprache durchbrechen, um das Leben zu ergreifen“. ( Antonin Artaud )
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