Meshuggah
Interview mit Mårten Hagström
Interview
Seit letzten Freitag steht mit „Koloss“ eins der wohl mächtigsten Metal-Alben dieses Jahres in den Läden. Kaum jemand scheint sich bei der Beschreibung des siebten MESHUGGAH-Albums mit weniger als „Meisterwerk“ zufrieden zu geben. Wir haben uns mit Gitarrist Mårten über das kolossale Werk unterhalten.
Hallo Mårten! Glückwünsche zum neuen Album sind zwar obligatorisch, aber im Falle von „Koloss“ mehr als verdient. Der Titel ist Programm und könnte, wie bei „Chaosphere“ kaum besser gewählt sein. Wenn du das Album in aller Kürze beschreiben müsstest, wie würdest du „Koloss“ zusammenfassen?
Danke für das Lob! Nun, ich denke „dark“ und „groovy“ treffen es ziemlich genau.
Mit meinen Komplimenten (die ich jetzt nicht noch einmal in voller Länge ausbreite) bin ich sicherlich bloß der 1000ste. Ich habe ja auch nichts anderes erwartet, aber man wird trotzdem selten so geplättet. Was erzählt uns „Koloss“ über die Band MESHUGGAH? Ist „Koloss“ das Ende einer Reise, ein neuer Weg oder vielleicht einfach nur der momentane Zustand der Band?
Schwere Frage. Ich glaube, das hängt auch davon ab, was wir uns als nächstes vornehmen. Vielleicht ist es ein bisschen von allem. „ObZen“ fühlte sich wie zum Teil wie ein zusammenfassendes Album an. „Koloss“ ist sicherlich der Schritt in Richtung von etwas Neuem, Anderem.
Mit dem Stichwort „ObZen“ nimmst du mir fast schon die kommende Frage vorweg. In meinen Augen bewegt sich „Koloss“ nämlich ziemlich genau in der Schnittmenge von „Catch 33“ und „ObZen“, so als hättet ihr eure perfekte Balance gefunden, sozusagen euer ‚Zen des Metal‘. Folgen MESHUGGAH einer gewissen Entwicklungslinie oder ist euer Weg eher durch Zufälle und Überraschungen geprägt?
Für uns ging es im Grunde nie darum, uns mit jedem Album zu revolutionieren. Eher ging es darum, neue Perspektiven für unseren Sound auszuloten – womit wir auf „Koloss“ in meinen Augen am erfolgreichsten waren. Wie du schon sagtest, fühlt es sich genau wie der Mittelpunkt dessen an, worum sich bei uns musikalisch schon immer alles drehte. Es muss natürlich auch in Zukunft verrückt und finster bleiben, hehe.
Die Songtitel sind dieses Mal sehr direkt und konkret, aber auch persönlicher und emotionaler als auf früheren Alben. Verfolgt ihr mit „Koloss“ ein bestimmtes Konzept?
Die Antwort wollen wir lieber dem Hörer selbst überlassen. Wir haben jedenfalls keine Storyline oder ähnliches entworfen, vielmehr fügte sich der Themenkreis um Dogmen und Überzeugungen fast von selbst zusammen. Jeder Song geht einen anderen Weg, aber es gibt definitiv lose Verbindungen zwischen ihnen.
„Koloss“ hat neben seinen kolossalen Songs auch eine verdammt mächtige Produktion, von der ich jetzt ganz einfach mal behaupte, dass es die beste ist, die ihr bisher für ein Album hinbekommen habt. Brutal, dynamisch und nahezu perfekt ausbalanciert, sogar „obZen“ konntet ihr damit übertreffen. Ich gehe mal davon aus, dass ihr erreicht habt, was ihr wolltet, oder?
Ja, das kannst du laut sagen, wir sind echt glücklich mit allem. Es gibt ja immer ein paar Kleinigkeiten, die man nach einiger Zeit gerne noch verändert hätte, aber wenn ich kurz zurückblicke, ist „Koloss“ sozusagen das vollständigste Album für uns geworden. Mit dem Ergebnis sind wir alle absolut zufrieden. „Koloss“ hat die Balance und organische Qualität, die uns vorher fehlte, ist aber gleichzeitig echt brutal.
Bei „Behind The Sun“ musste ich irgendwie an Devin Townsend denken, weil STRAPPING YOUNG LADs letztes Album „Alien“ fast genauso klingt. Könntet ihr euch vorstellen, mal mit dem verrückten Kanadier zusammenzuarbeiten?
Haha, nein, nicht wirklich, auch wenn das sicherlich cool wäre. Aber es lohnt kaum, darüber nachzudenken, da Townsend schon genug eigene Baustellen hat, auf denen er sich brilliant schlägt.
Für mich gehört ihr in die gleiche Liga wie SLAYER, BATHORY oder METALLICA – also Bands, die ihr Genre nachhaltig beeinflusst haben, sodass ihnen gerne ein Pionierstatus zugesprochen wird. Wie sehr ist euch das bewusst, schließlich bin ich nicht der einzige, der euch in solche Höhen lobt. Spielt das für eure Selbstwahrnehmung eine Rolle, oder ist das einfach nur ein nettes Nebenprodukt eurer Karriere?
Es ist auf jeden Fall ein cooles Nebenprodukt, auch wenn ich mich sehr schwer tue, uns als diese Art von Pionieren zu sehen. Aber da uns das viele Leute immer wieder sagen, werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen, hehe. Inspiration zu sein ist jedenfalls sehr schmeichelhaft. Wenn man uns einen derartigen Einfluss nachsagt, dann scheinen wir in all den Jahren definitiv etwas richtig gemacht zu haben.
Ihr werdet ja offiziell dem Progressive Metal zugeordnet. Schon in den 70ern war der Begriff umstritten, da viele Bands aus diesem Bereich bereits nicht mehr als „progressiv“ im eigentlichen Sinne betrachtet wurden. Heute scheint es für manche Bands bereits zu reichen, aus dem 4/4-Takt auszubrechen, um als „progressiv“ zu gelten, und wenn es dann noch eine Ecke komplexer wird, spricht man von „Math Metal“. Was hältst du von solchen Begrifflichkeiten? Nehmt ihr euch selbst als „progressiv“ wahr?
„Progressiv“ heißt für mich Experimentieren. Uns geht es aber weniger um Genres sondern darum, eine eigene musikalische Identität zu entwickeln. Wir versuchen nicht auf Teufel komm raus „progressiv“ zu sein, oder irgendwelchen Definitionen gerecht zu werden. Uns ging es schon immer darum das zu tun, was natürlich ist. Und wenn das für die Leute dann „progressiv“ ist, dann ist es eben so.
Für mich persönlich ist „Djent“ zu einem leichten Reizwort geworden, weil es für mich größtenteils bloß ein Ersatzwort ist, damit Bands nicht jedesmal erklären müssen, dass MESHUGGAH zu ihren größten Vorbildern zählt. Kennst du Bands wie Cloudkicker, Animals As Leaders oder Periphery?
Nun, es ist natürlich spitze, wenn andere Bands auf unsere Musik stehen, keine Frage. Aber was diese Stilbezeichnung betrifft, geht es mir da wie bei „Math Metal“ – es ist ein Label, mehr nicht. Was die Bands konkret betrifft, kann ich mir kein Urteil erlauben, da ich viel zuwenig aus diesem Bereich kenne. Frag mich nochmal, wenn wir unsere Tour mit ANIMALS AS LEADERS hinter uns gebracht haben, hehe. Die Bands sollten sich unterscheiden, eigene Facetten offenbaren – das finde ich wichtig. Individualität, nicht nur Technik.
Ihr nähert euch eurem 25jährigen Jubiläum. An welche Ereignisse aus dieser Zeit erinnerst du dich gerne zurück? Und gibt es irgendetwas, was du im Nachhinein bereut hast?
Zu bereuen gibt es nichts, das wäre alles bloß Spekulation. 25 Jahre sind eine lange Zeit, und es ist mir nahezu unmöglich, einzelne Momente herauszupicken, da es einfach zu viele schöne davon gab. Mit SLAYER und TOOL auf Tour zu sein war sehr wichtig und extrem beeindruckend für uns.
Für eure langjährigen Fans scheint sich „Destroy Erase Improve“ als DAS Meshuggah-Album herauskristallisiert zu haben. Welches Album bedeutet dir persönlich am meisten?
Mit „Destroy Erase Improve“ haben wir unsere eigenen Maßstäbe gesetzt, deshalb stellt es für die Fans sicherlich so einen Meilenstein dar. In meinen Augen haben aber alle Alben ihren ganz persönlichen Anteil an unserer Evolution, ohne sich wirklich voneinander abzugrenzen. Auf „Nothing“, auch wenn ich das jetzt nicht als mein Lieblingsalbum bezeichnen würde, haben wir eine Menge über uns selbst als Band gelernt, und es war auch das erste Album mit 8-Saitern.
Ihr scheint, das verrät das Artwork eures Live-Albums, offenbar „Alien“-Fans zu sein. Bist du schon gespannt auf Ridley Scotts neuen Film „Prometheus“?
Yeah, total! Auch wenn ich ein bisschen die Befürchtung habe, enttäuscht zu werden. Ich kann’s jedenfalls kaum erwarten, den endlich zu sehen.
Eine letzte Frage: Wer hatte denn den Einfall mit dem „Zauberwürfel“ der limitierten Edition von „Koloss“?
Das waren die Leute von Nuclear Blast.
Solange er kein Unheil freilässt wie Lemarchands Box… ok, Mårten, danke für’s Interview, alles Gute schon mal zum 25jährigen und haut ordentlich rein bei der Tour!
Yeah, danke!
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