Memoriam
Born From Darkness

Interview

Selten wurde das Debüt einer Death-Metal-Band so sehr erwartet wie im Falle von MEMORIAM. Doch woran liegt das eigentlich? Ist es einfach die Sehnsucht nach dieser ganz bestimmten Art von Musik? Oder hegt man ganz automatisch große Hoffnungen, wenn sich vier gestandene Musiker zu einer Art Supergroup zusammentun? Bassist Frank Healy (BENEDICTION) gewährte uns einige sehr interessante Einblicke in die Band an sich und natürlich auch in die erstklassige Scheibe „For The Fallen“.

Hi Frank! Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Dabei habt ihr momentan sicher mehr als genug Promo-Arbeit zu erledigen, denn die Scheibe sollte ja eigentlich einschlagen wie eine Bombe, oder? Wie sind die Reaktionen bisher?

Bis jetzt absolut phänomenal! Wir haben wirklich nicht erwartet, dass unser Album so positiv aufgenommen wird. Man kann ja niemals wirklich objektiv etwas beurteilen, das man quasi bei Null gestartet, dann eine Zeit lang damit gelebt und schließlich aufgenommen hat. Daher sind wir sehr demütig gegenüber den Reaktionen, die wir auf die Scheibe bekommen.

„From the darkness comes light, from the sadness comes joy, from the despair comes hope. This is MEMORIAM.” (Karl Willets)

Demut ist natürlich immer gut, aber ihr braucht euch ja mit dieser Scheibe auch alles andere als verstecken. Mein Glückwunsch zu „For The Fallen“, was für ein Meisterstück! Bei uns hat die Scheibe satte neun Punkte bekommen. Beschreibe doch bitte mal kurz, was dieses Album für euch bedeutet.

Danke! Für uns bedeutet diese Scheibe vor allem, weiter zu machen. Die meisten der Songs entstanden in für uns traurigen Zeiten. Und der gesamte Prozess von den ersten Proben bis hin zu den Aufnahmen war wie ein Ventil, um die Trauer zu besiegen und einfach weiter zu machen. Wir kennen nur einen Weg, um uns selber auszudrücken, das ist nun mal die Musik. Und die Arbeit an „For The Fallen“ hat uns sozusagen dazu aktiviert, uns von ein paar Dämonen zu befreien.

Erzähle doch unseren Lesern mal bitte, wie es zur Gründung von MEMORIAM kam.

Die Band kam vor allem auf Initiative von Karl [Willets, Vocals, Ex-BOLT THROWER] zustande. Nachdem er quasi BOLT THROWER verloren hatte und die Band das Ende dann eines Tages auch bestätigte, war er ziemlich am Boden. Außerdem betrauerte er natürlich auch den Verlust seines Freundes Kiddie [Martin „Kiddie“ Kearns, Drums, Ex-BOLT THROWER,† 2015] und war daher zu dieser Zeit ziemlich depressiv. Er hatte also eine Entscheidung zu treffen: Entweder suhle ich mich in der Trauer, oder ich finde ein Ventil dafür. Und das war natürlich die Musik. Zuerst kontaktierte er Andy [Whale, Drums, Ex-BOLT THROWER] und der sagte zu seiner Überraschung gleich zu. Er wollte schon seit 1994 etwas gemeinsam mit Karl auf die Beine stellen, als die beiden BOLT THROWER gemeinsam verlassen hatten. Das war natürlich schon mal ein guter Start. Dann kam ich ins Spiel. Karl und ich hatten schon seit 20 Jahren darüber geredet, endlich mal gemeinsam Musik zu machen. Es war also nicht so schwierig, einen Bassisten für MEMORIAM zu finden, hahaha. Als letzter kam schließlich Scott [Fairfax, Guitar, u.a. Ex-CEREBRAL FIX] dazu. Er hatte schon bei BENEDICTION ausgeholfen, als unser Gitarrist Daz Brookes einige Shows in Südamerika nicht spielen konnte. Andy schlug ihn also vor, eben weil er wusste, dass wir bereits einmal gut zusammen gearbeitet hatten. Somit war das Lin-up komplett. Wir trafen uns dann alle in einem Pub in Birmingham und entschieden uns dazu, es einfach zu versuchen und ein bisschen Spaß zu haben. Und nun sind wir hier!

Im Promozettel findet man von dir die Aussage, dass die Band gegründet wurde, um wieder „Ruhe und Seelenfrieden zu finden“. Außerdem sei die Musik für dich persönlich auch das Ventil dazu gewesen. Kannst du das bitte etwas näher erläutern?

Es war ja nicht nur der Verlust von Kiddie, der uns zu schaffen machte. Mein Vater starb drei Wochen später leider auch, daher war es natürlich auch ganz speziell für mich eine sehr dunkle Zeit. Aber in derselben Weise, wie Karl die Musik geholfen hat, war sie natürlich auch für mich ein Trost.

War von Anfang an geplant, dass eure Musik auf den beiden Eckpfeilern BOLT THROWER und BENEDICTION aufgebaut wird? Könnt ihr vielleicht sogar gar nichts anderes schreiben?

Wir haben da ehrlich gesagt am Anfang überhaupt nicht drüber nachgedacht, es gab definitiv keinen Plan. Eigentlich wollten wir nur ein paar Cover-Songs runter prügeln, die wir schon immer mochten. Einfach nur, um Spaß zu haben und gemeinsam in einer Band zu zocken. Doch dann begannen wir plötzlich doch, eigene Songs zu schreiben. Und mit den ersten ernsthaften Lyrics entwickelte sich dann auch recht rasch die dazu passende Musik. Natürlich kann ich auch kurz auf die Vergleiche mit BOLT THROWER und BENEDICTION eingehen. Wir haben die Stimme von BOLT THROWER an Bord, dazu noch den Drummer, der die ersten fünf Klassiker dieser Band einprügelte. Und mit mir spielt der Typ von BENEDICTION Bass. Da ist es ja nur logisch, dass unsere Musik an die genannten Bands erinnert, von denen wir ein Teil waren bzw. noch immer sind und mit denen wir bekannt geworden sind. Und wir alle leugnen natürlich in keinster Weise unsere Vergangenheit, im Gegenteil, wir sind unheimlich stolz darauf. Daher machen wir auch einfach mit der Musik weiter, mit der wir bekannt geworden sind. Es ist einfach das, was wir am besten können. Warum also krampfhaft was Neues machen?

Das macht absolut Sinn und war auch eher als Kompliment denn als Vorwurf gedacht. Wer schreibt denn bei euch die Songs?

Das machen wir gemeinsam. Die Riffs und die Grundideen kommen in der Regel von Scott, die gibt er dann an uns weiter. Dann komme gewöhnlich ich ins Spiel, füge die einen oder anderen Hooks und Bridges ein und arbeite an der generellen Struktur der Songs. Karl hat ein super Gespür für die Stimmung der Songs, da er meistens die Titel schon vor den eigentlichen Lyrics festlegt, was natürlich enorm dabei hilft, in welche Richtung sich ein Song entwickelt. Zum Schluss sorgt dann Andy mit seinem einzigartigen dynamischen Drumming nochmal für große Veränderungen, da er die Songs völlig anders als wir hört. Auf diese Weise kommt kaum ein Song genauso durch, wie ihn sich Andy ursprünglich vorgestellt hat. Es herrscht also generell bei uns viel Freiheit beim Songwriting. Letztlich geben wir vier praktisch unsere Ideen in einen großen Schmelztopf und die Songs scheinen irgendwie ihren eigenen Weg zu finden.

An dieser Stelle möchte ich dich nochmal aus dem Promozettel zitieren: „Ich denke, hauptsächlich unterscheiden wir uns von BOLT THROWER und BENEDICTION in Gitarrenstil und Sound, und auch in der Struktur der Songs.“ Wie meinst du das? Denn meiner Meinung gibt es schon so einige Parallelen.

Ich wollte damit sagen, dass wir nicht den grundsätzlichen Songstrukturen folgen, welche diese beiden Bands benutzten bzw. benutzen. Wir gehen einfach über die gemeinsamen Berührungspunkte hinaus und versuchen so, die Songs interessanter zu machen. Natürlich gibt es in manchen Tracks auch deutliche Parallelen zu unserer eigenen Vergangenheit, und wir lieben das. Aber wir benutzen beispielsweise auch Samples und Soundeffekte, um unsere Musik zu verbessern. Denn als Vier-Mann-Band braucht man denke ich manchmal etwas mehr Atmosphäre in den Songs. Und da wir in dieser Besetzung auch weitermachen werden, suchen wir immer nach anderen Wegen und Möglichkeiten, um genau das zu erreichen. Und eben das unterscheidet uns meiner Meinung nach von BOLT THROWER und BENEDICTION.

Was entgegnet ihr Fans oder Kritikern, die euch einzig und alleine auf die Rolle als BOLT THROWER Nachfolger reduzieren?

Dann haben sie sich unsere Musik nicht wirklich angehört bzw. verstanden. Natürlich gibt es diese Einflüsse und möglicherweise könnten unsere anderen Bands auch Songs von uns spielen und es würde sich natürlich anhören. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserem Stil eigenständig genug sind, um als neue Band und nicht als Kopie wahrgenommen zu werden. Aber am Ende des Tages können wir eh nicht beeinflussen, was die Leute über uns denken und sagen. Doch das alles wird nichts daran ändern, dass wir einfach das tun, womit wir glücklich sind. Uns macht die ganze Sache einfach riesig Spaß, also genieße es auch oder lass es sein.

Gutes Statement, dass kann man getrost so stehen lassen. Erzähle uns doch bitte etwas über die Texte. Vordergründig scheinen die ja die Kriegsthematik von BOLT THROWER fortzuführen, aber da steckt doch sicher noch mehr dahinter?

Dazu könnte dir Karl sicher mehr erzählen, denn die Lyrics sind sein Job. Aber im Mittelpunkt steht ganz sicher der Verlust von Menschen, dieses Grundthema prägt das Album. Die Texte sind also sicher eher düster und in schweren Zeiten entstanden. Aber sie zeigen auch durchaus Licht am Ende des Tunnels, schließlich geht das Leben trotz aller Rückschläge immer weiter.

Mich begeistern neben der unglaublichen Intensität der Scheibe vor allem die liebevollen Details. Das BOLT THROWER-Zitat „Reduced to zero – Sum of mankind“ in „Reduced To Zero“ oder aber der „Subconscious Terror“-Gedächtnis-Ausklang bei „Corrupted System“. Sind das eher witzige Zufälle oder ganz bewusste Zitate?

Das ist ganz einfach Zufall. Aber möglicherweise kommen diese Ideen ja auch tief aus unserem Unterbewusstsein, wer weiß…

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem legendären Dan Seagrave und wer hatte die Idee für das geniale Cover?

Scott wollte schon immer mal ein Cover von Dan Seagrave auf einer seiner Scheiben haben. Daher hat er auch beschlossen, dass wir ein Bild von Dan verwenden werden, sobald wir ein Album am Start haben. Zum Glück für Scott kenne ich Dan, denn er hatte ja auch das Cover für „Transcend The Rubicon“ (BENEDICTION) gestaltet. Also fragte ich ihn und er sagte zu. Die Grundidee mit dem Trauerzug kam von Andy und Karl. Sie tauschten ihre Ideen mit Dan aus und ließen ihn dann einfach machen. Und wir denken, heraus kam eine seiner besten Arbeiten überhaupt. Dan ist einfach ein genialer Künstler.

Was steht bei MEMORIAM in Zukunft an, eher sparsam dosierte Auftritte wie bei euren früheren bzw. Hauptbands, oder das volle Programm, alles was geht?

Wir sind schon bis September mehr oder weniger ausgebucht mit Festivals. Und dann werden wir hoffentlich Album Nummer zwei in Angriff nehmen. Drei Songs sind bereits komplett im Kasten und wir haben weitere Ideen für mindestens acht weitere. Es geht also mit Volldampf voraus!

Das klingt super, prima! Eine letzte Frage hätte ich dann noch an dich persönlich: Darf man denn nochmal mit einem neuen BENEDICTION Album rechnen?

Ja, das wird es definitiv geben, aber wir wollen da nichts überstürzen, hahaha…

Ääähm, ja, Humor hat er auf alle Fälle, der gute Frank, denn die letzte Scheibe von BENEDICTION wurde ja bereits 2008 veröffentlicht. Also bloß keinen Stress machen…

Aber sei es drum, jetzt zählt erstmal nur MEMORIAM, und darüber können sich alle Old-School-Deather mächtig freuen.

16.03.2017
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