Melechesh
Interview mit Bandkopf Ashmedi
Interview
Drei Jahre sind nun seit dem Release von „The Epigenesis“, einem Album das insgesamt sehr gut einschlug, aber auch von einigen traditionellen Fans der Band kritisch beäugt wurde, vergangen. Keine Frage, dass Bandkopf Ashmedi bereits wieder die Feder schwingt. Ohnehin sind die in Israel gegründeten MELECHESH eine besondere Band mit einer interessanten Entwicklung. Darüber und wie es in der nahen Zukunft bei der Truppe aussieht, sprach metal.de mit Ashmedi im Rahmen ihres Auftrittes auf dem diesjährigen Rock-Harz-Festival.
Lass uns doch mit eurem kürzlich beendeten Auftritt hier auf dem Rock Harz 2013 beginnen. Wie war’s für euch?
Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch, von daher lass mich dir sagen, dass wir gerade unsere siebte Tour abgeschlossen haben. Wir sind quer durch Amerika gereist – demzufolge sind wir schon irgendwo überarbeitet. Dennoch sind wir sehr froh, ein Sommerfestival in Europa realisieren zu können. Es war eine wirkliche Freude, wobei das besondere Vergnügen wohl darin lag, dass wir kein Matschwetter vor uns hatten. Es war vielleicht ein bisschen früh, denn wir mussten Holland ziemlich früh verlassen. Ich bin etwa gegen 3 Uhr Morgens aufgestanden und bereits um 4 Uhr los.
Du bist also müde?
Ja, schon. Aber es ist in Ordnung. Sobald ich auf die Bühne komme, geben mir die Leute Energie. Ich habe einen Verstärker in Rauch aufgehen lassen – darauf bin ich sehr stolz. Die Leute, die hier arbeiten, sind allesamt sehr cool. Das Rock Harz ist ein sehr professionelles Festival, von daher war alles spitze.
Gibt es irgendetwas Besonderes, was ein deutsches Publikum für dich ausmacht?
Ich glaube nicht an solche Unterschiede zwischen den Hörergruppen. In Deutschland ist es immer super, weil wir hier recht populär sind. Ich denke ansonsten hängt es auch immer von den Tagen ab, an denen du spielst. Montags wird zum Beispiel nie so unheimlich die Hölle los sein, außer vielleicht in Südamerika oder in anderen sehr metalhungrigen Staaten.
Euer letztes Album “The Epigenesis“ ist das Erste, das ihr in der Türkei aufgenommen habt. Wie kamt ihr dazu?
Ich würde mal sagen: Warum nicht? Ich denke nicht innerhalb, sondern außerhalb der vier Wände. Ich war dort im Urlaub, mir hat es super gefallen und da habe ich mir gedacht, hier werde ich die nächste Platte aufnehmen!
Das ist alles?
Ja, mir hat es einfach von der künstlerischen Ansichtsweise her sehr gut gefallen. Schließlich ist es ein absoluter Ausnahmefall, dass eine Band, die im Westen lokalisiert ist, gen Osten reist, um dort ein Album aufzunehmen. Eigentlich ist es immer umgekehrt. Wir haben uns gesagt, wir werden dahingehend ein kleines Risiko eingehen, doch es hat sich gelohnt. Es war eine tolle Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
Habt ihr Interesse, vielleicht nochmals dort aufzunehmen?
Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Bisher haben wir noch kein einziges Album zweimal in demselben Studio aufgenommen. Das heißt aber nicht, dass diese Möglichkeit automatisch heraus fällt. Ich schaue einfach immer nach neuen Dingen. Die Erde ist mittlerweile kein riesiger Platz mehr, ich gehe gerne an verschiedene Orte, um mir dort Inspiration zu holen.
“The Epigenesis“ ist nun drei Jahre alt. Habt ihr schon etwas Frisches im Sinn?
Ja. Wie ich eben gesagt haben wir zuletzt unsere siebte Tour abgeschlossen. Das ist ein Haufen Holz und hält dich gewissermaßen vom Schreiben ab. Da ich auch noch der einzige Schreiber in MELECHESH bin, muss ich wirklich vollständig verfügbar sein, um ein Album schreiben zu können. Bis jetzt habe ich etwa die Hälfte eines neuen Werks geschrieben, womit ich sehr sehr zufrieden bin. In den nächsten Wochen kümmere ich mich um Demos und Vorproduktionen der bereits vorhandenen Songs. Dennoch bei allem Respekt – für viele geht es nur um Quantität, das ist Quatsch.
Auf der letzten Scheibe hattet ihr eine Menge Gastmusiker am Start. Wie kam der Kontakt zustande?
Nun zunächst mal sind wir eine Band und wir befinden uns im Kunstmetier, glaubt es oder nicht. Natürlich sind wir erstmal von den Wurzeln her eine Metalband – Gitarre, Schlagzeug, Bass. Aber wir wollen in unserem Rahmen eine künstlerische Note einfangen. Wenn wir dann Leute haben, die einen Aspekt dazu beitragen können, warum nicht? Kollaborationen untereinander gehören schließlich zur Schönheit der Musik. Einen von den partizipierenden Musikern habe ich beim Musizieren auf der Straße getroffen. Ich fand einfach gut, was er gemacht hat und dann habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hat.
Habt ihr jemals einen Gastmusiker bei euren Liveshows am Start gehabt?
Nein, bisher nicht. Wir wollen die Möglichkeit nicht ausschließen, doch es benötigt natürlich einen erheblichen Aufwand. Ich bin mir ebenso nicht sicher, ob es Sinn macht, einen Gastmusiker irgendwo einzufliegen, damit er schließlich seinen Part von 20 Sekunden vorträgt.
Das wäre tatsächlich etwas über das Ziel hinaus geschossen.
Auf jeden Fall. Wenn wir die Möglichkeit haben und die entsprechenden Personen in der Nähe sind, okay, aber ob sich der Aufwand lohnt…man sollte nicht vergessen, wir sind eine Metalband, die Gastmusiker sind dann doch eher Kosmetik.
Als Musiker ist es nie so einfach, seine eigenen Werke selbst zu reflektieren. Bist Du mit all euren bisherigen Werken zufrieden oder würdest du etwas ändern, wenn du denn könntest?
Viele Musiker sind nie zufrieden mit dem, was sie tun und möchten immerzu noch irgendwas ändern oder ausbessern. Mir geht es da ähnlich, doch was mir wirklich Sorgen bereitet, ist, dass ich sehr sehr zufrieden “The Epigenesis“ bin. Das macht mir ernsthaft Angst, denn ich denke mir dann immer: “War das alles?!“. Allerdings bin ich mittlerweile auf einem anderen mentalen Stadium. Die zukünftige Musik von MELECHESH wird wieder hörbar aggressiver werden.
Ist eure Musik denn offen genug, um einfach mal auf einen ganz anderen Trichter umzuschwenken?
Wir sind kein “One-Trick-Pony“ – also unser musikalischer Erfolg hängt nicht von einem besonderen Kniff ab. Im Extreme Metal hast du ganz oft Bands, die immer wieder dieselben Songs mit ein paar unterschiedlichen Riffs spielen. Ich denke da eher wie klassische Hard-Rock- oder Metal-Bands, bei denen noch jeder Song eine andere Geschichte erzählt hat.
Lyrisch fokussiert ihr euch im Besonderen auf mesopotamische Mystizismen oder auch sumerische Dinge dieser Art. Woher kommt euer großes Interesse in diesem Bereich?
Im Grunde bedienen sich viele moderne Kulturen an den Wurzeln mystischer Belange, doch wenn man besonders gut hinschaut, dann sind viele dieser Dinge an menschliche Entwicklungen geknüpft. Somit sieht man oftmals die Verbindung zur Wiege der Zivilisation. Meine Familie ist zum Teil armenisch, zum anderen Teil mesopotamisch geprägt, von daher bin ich bereits in dieser Thematik drin. Intellektuell ist das ein äußerst stimulierendes Thema für meine Musik, das ist richtig.
Liest du auch viel in dieser Richtung?
Nein, nicht mehr. Ich habe bereits so viel gelesen, da gibt es nur noch wenig Neues für mich. Eigentlich suche ich heutzutage im Wesentlichen nach neuen Sprachmustern und Metaphern. Da schaue ich mich aber in jedem erdenklichen Bereich um.
Nun mal etwas zu eurer Zeit, bevor ihr in die Niederlande ausgewandert seid. Habt ihr euch für einen Landeswechsel entschieden, weil ihr in Israel als Black-Metal-Band Probleme mit der dortigen Zivilisation und entsprechenden Repressionen hattet?
Nein, Nein, Nein, ganz so einfach war das nicht. Erstmal ist Jerusalem ein sehr komplizierter Ort. Eigentlich sind es zwei Städte in einer, denn du hast auf der einen Seite Palästinenser und auf der anderen Israelis. Ironischerweise bin ich nichts von beidem, sondern rangiere dazwischen. Meine Bestimmung ist es also, beide Lager anzupissen, haha. Meine Eltern haben im Übrigen einen christlichen Hintergrund, aber das tut erstmal nichts zur Sache. Im Wesentlichen war Black Metal nie akzeptiert. Es gab eine Menge schlechte Presse über uns, doch das ist nun fast 20 Jahre her – es ist einfach nur noch Geschichte. Ich möchte das jetzt nicht mehr neu ausloten, denn wir haben in der Vergangenheit dermaßen oft darüber gesprochen. Dennoch ist es schon komisch, dass Metal dort so verpönt ist, denn Israel ist grundsätzlich sehr kunstoffen.
Also waren diese Probleme doch der einzige Grund, warum ihr schließlich ausgewandert seid?
Nein, du machst niemals etwas nur aus einem einzigen Grund. Du wirst niemals sagen: “Das stört mich, ich gehe nach China“. Es häufen sich zumeist mehrere Aspekte, bis du dich zu diesem Schritt bewegen lässt. Es hatte bei uns durchaus künstlerische Gründe, aber auch praktische und sozialpolitische. Natürlich hat uns die Gesamtsituation dort aufgebracht, weshalb wir uns letztlich für den Schritt entschieden haben.
Die komplette Band?
Nein, ich bin zunächst alleine gegangen. Mein Gitarrist folgte mir dann, sodass wir relativ nah beieinander lokalisiert waren.
Fühlst du dich in den Niederlanden schon richtig zuhause?
Ich habe mich dort niemals zuhause gefühlt, allerdings wurde mir dort auch niemals das Gefühl vermittelt, ich könne mich dort wirklich wohl fühlen. Ich habe nicht einen einzigen besten Freund dort in nunmehr 14 Jahren. Wenn ich ins Krankenhaus muss, ruft mich kein Niederländer an, ironischerweise aber ein Deutscher, ein Amerikaner und viele andere. Die meisten Leute dort scheinen mich einfach nicht zu mögen. Ich lebe allerdings auch in den letzten Jahren nicht mehr allzu viel in den Niederlanden.
Junge Bands im Metalbereich haben es also in Israel nicht besonders leicht, sich durchzusetzen. Hast du ein paar Tipps, wie das dort funktionieren kann?
Okay, lass uns mal über Israel sprechen – ich habe dort seit 14 Jahren nicht mehr gelebt. Ich weiß nicht was in der dortigen Metalszene – jene, die mich niemals unterstützt hat – passiert. Ich weiß nicht, was sie machen und sie wissen nicht, was ich tue. Natürlich habe ich ein paar Freunde dort, aber wie es im Land aussieht weiß nicht. Alleine logistisch betrachtet, ist es sicherlich schon von Vorteil, eher eine Band in Zentraleuropa zu haben. Wenn du in Israel Erfolg haben willst, dann musst du etwas Besonderes machen. Du musst das Rad derart neu umfunktionieren, dass die Leute sagen: “Mann, das müssen wir uns unbedingt mal genauer anhören“. Wir wollen nicht reproduzieren, wir wollen produzieren, und das ist mein Tipp, den ich immer geben kann. Aber klar gibt es auch ein paar alte Bands, mit denen wir immer noch mal gerne ein Bier heben würden.
Gab es in eurem alten Umfeld Bands, denen du damals dieselbe Popularität zugetraut hättest, wie ihr sie heute innehabt?
Um ehrlich zu sein, gab es vor uns in den Jahren 1989/90 eine Heavy/Thrash-Band, die waren wirklich so verdammt gut. Doch das hat irgendwie keiner gemerkt, offenbar noch nicht mal die Truppe selbst. Sie waren aus Jerusalem und nannten sich LIVIDICAL. Ich besitze deren Demo. Ich bin wirklich schockiert, dass die Jungs niemals einen dicken Deal an Land ziehen konnten. Denn sie waren gut – ich sag’s dir, gut!
Würdest du dich eigentlich selbst als spirituellen Menschen bezeichnen?
Ja, ich denke schon. Ich bin zwar ein normaler Mensch, wie jeder andere auch, doch ein sehr philosophisch orientierter. Spiritualität ist ein Teil meiner Philosophie, ja.
Um nochmals auf die Musik zurückzukommen. Einige Leute haben “The Epigenesis“ angekreidet, die Black-Metal-Parts seien etwas zurückgegangen und dafür sei das Ganze etwas thrashiger geworden.
Ehrlich? Nun ja, Heavy Metal und Thrash Metal befinden sich ganz einfach in meiner DNA.
Die Nächste wird dann aggressiver?
Ja, aggressiver. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Thrash-Anteile nach oben schnellen. Schau mal, wir haben einen Song mit dem Titel “As Jerusalem Burns“. Zur damaligen Zeit hielten die Leute das Stück für enorm grimmig und true. Heute spricht man von vermehrten Thrash- und Heavy-Einflüssen, doch ebendiese waren damals im Jahr 1995 auch schon da. Ich will damit nur sagen, das war schon immer ein wichtiger Aspekt unserer Musik. Das ist 100 % MELECHESH.
Schreibst du die Songs mit langer Planungsphase oder läuft das eher spontan?
Ganz klar spontan. Es geht darum, Chaos zu ordnen und das einfließen zu lassen, was aus dem Herzen kommt. Wenn du zu sehr in Planung verfällst, dann bist du ein Geschäftsmann – nicht mehr.