Melechesh
Melechesh

Interview

Eine wirklich aussergewöhnliche und höchst eigenständige Band sind MELECHESH, welche Black und Thrash Metal gekonnt mit orientalischer Folklore verbinden, nachzuhören auf dem neuesten Output "Emissaries", einem kleinen Meisterwerk dunkler Musikkunst. Daneben besticht die Band noch mit einem tollen lyrischen Konzept und einer nicht weniger interessanten Geschichte. Ashmedi brachte in folgendem Interview ein wenig Licht ins Dunkel.

MelecheshHallo Ashmedi! Für das neue Album „Emissaries“ reisten du und Moloch zur Inspiration nach Jerusalem. Was hat euch dort inspiriert?

Ich reise für gewöhnlich alle 12 bis 18 Monate für einige Wochen dahin, um mich zu regenerieren. So verhielt es sich auch vor den Aufnahmen zu „Emissaries“, dieses Mal begleitete mich Moloch nach Jerusalem. Es war eine gute Entscheidung.

Eure Texte beinhalten sumerische und mesopotamische Themen. Handelt es sich bei „Emissaries“ denn um eine Art Konzeptalbum?

Die Texte sind grundsätzlich eine Ansammlung sumerischer Zauberformeln, mesopotamischer Mystik und die kosmische Verbindung. Ja, wir haben speziell einzelne Zeilen in Akkadisch (eine stark vom Sumerischen beeinflusste, ostsemitische Sprache, Anmerk. d. Red.) und Sumerisch geschrieben. Hierfür erhielten wir Hilfe von einem Gelehrten, welcher diese Sprachen beherrscht. Außerdem haben wir einen Song mit einem 5.000 Jahre alten, magischen Text. Einige Sachen, von welchen wir schreiben, beinhalten die Herkunft, den Ursprung der uralten Götter, den Anunnaki (Bezeichnung der Götter im Ganzen, diese sind Bestandteil der Sumerischen und Akkadischen Mythologie, Anmerk. d. Red.). Vor allem die Theorie über die Anunnaki, welche besagt, dass diese von einem anderen Planeten auf die Erde kamen und in Sumer landeten. Sie starteten die menschliche Zivilisation und Kultur. Dies ist eine lange Geschichte, aber wir geben eine kurze Beschreibung. Unsere Texte beinhalten auch okkulte Themen aus dem Nahen Osten. Ich schrieb einen Kabbalah Song und auch ein Stück über meine Beziehung/Sichtweise zur mystischen Seite von Jerusalem.

Auf „Emissaries“ findet man den Song „Leper Jerusalem“. Woran schießt dir als erstes durch den Kopf, wenn du an Jerusalem denkst?

Nun, viele Menschen kämpfen in und um Jerusalem, vor allem religiöse Menschen. Was sie aber nicht wissen ist, dass die Stadt nicht ihnen gehört oder einer monotheistischen Religion. Die Stadt ist voller Energie und Mystik, welche von vielen Generationen und die Kraft des Geistes bewahrt wurden.

Ihr habt von THE TEA PARTY den Song „Gyroscope“ gecovert. Sind sie für euch ein Einfluß, oder anders gefragt, wie wichtig sind THE TEA PARTY für MELECHESH und weshalb habt ihr euch gerade für dieses Cover entschieden?

Sie sind kein Einfluß für uns, aber THE TEA PARTY sind eine Band, welche ich sehr bewundere. Ich entdeckte sie nach unseren Aufnahmen zu „Djinn“. Sie sind sehr talentiert und werden leider in Europa unterschätzt. Die Gruppe gab uns die Erlaubnis, einen Song zu bearbeiten und jegliche Veränderungen durchzuführen, welche unserer Meinung nach passen. Ich fand es auch eine interessante Idee und erfreulich, sich an etwas heranzuwagen, was in seinem Ursprung kein Metal ist, an unseren Stil anzugleichen und daraus extremen Metal zu machen. Ich kann sagen, dass ich sehr stolz über diese Coverversion bin, wir haben dem Song etwas Neues hinzu gegeben und so bearbeitet, dass er nun wie ein MELECHESH Track klingt. Das ist für mich eine künstlerische Leistung und ich weiß, dass sie unsere Version mögen.

Weiter befindet sich auf dem Album noch eine Jamsession als Bonustrack, was eher Erinnerungen an den Siebziger Jahre Prog Rock als zum Black Metal hervorruft. Spielt ihr oft derartige Sachen?

Ja, im Proberaum tendieren wir häufig zum Improvisieren, nachdem wir unser gewöhnliches Set durchgespielt haben. Ich bin froh darüber, dass du die Idee hinter dieser Jamsession verstanden hast. Ich hatte damals einen schlechten Tag im Studio und wurde sehr rabiat, wir entschieden uns dann dazu, ein wenig zu Jammen und den Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Stichwort Aufnahmen: Was kannst du uns von der Zeit in den Woodhouse Studios erzählen?

Es war intensiv, die reinen Aufnahmen dauerten ca. einen Monat. Wir fügten der Musik noch einige Improvisationen hinzu, aber im Generellen standen die Sachen für Gitarre und Schlagzeug schon fest, wir hatten zuvor bereits Demos aufgenommen. Den Rest entwickelte sich dann eher aus spontanen Ideen.

Für das exzellente Coverartwork von „Emissaries“ habt ihr mit John Coulthart zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Ich fand heraus, dass er für die Cover von einigen Büchern H. P. Lovercrafts verantwortlich ist. Ich mochte diese sehr und kontaktierte ihn daher. Nach einem langen Telefongespräch kamen wir zu dem Schluß, dass wir einander verstehen. Danach ging es schon mit den Skizzen los. Wir hatten einige wenige Konzepte, aber das endgültige Resultat war das perfekte, es fängt das Album ein. Einige Songtitel oder Themen kann man auf dem Cover finden.

Was waren die Gründe für die Verschiebung des Veröffentlichungstermins vom Frühjahr bis Ende Oktober?

Attie Bauw machte uns einen wirklich schlechten Mix. Wir mussten daher jemanden anheuern, der das Ganze neu mischt. Dies nahm dann unser Produzent Dennis Kohne in die Hände. Daher kam es zu einigen Verzögerungen. Es war aber letztendlich eine gute Entscheidung.

Wie kam letztendlich euer neuer Schlagzeuger Xul in die Band? Spielte er auch schon zuvor in bekannteren Bands?

Xul spielte für uns seit 2004 immer Live. Daher entschloss ich mich dazu, ihn die Drums auf dem neuen Album einspielen zu lassen. Er war in LIAR OF GOLGOTHA und spielt in ABODE OF THE BLESSES und THANATOS.

Euer Ex-Schlagzeuger Proscriptor von ABSU steuerte ja auch ein wenig Gastgesang auf dem neuen Album bei…

Ja, wir sind gute Freunde und dachten, es wäre eine nette Geste.

MELECHESH sind ja wirklich sehr originell, nicht nur musikalisch, sondern auch textlich. Wieviel Zeit geht eigentlich für Recherchen und das Schreiben solcher Themen drauf?

Es nimmt viel von meiner Zeit ein, ich bin besessen! Aber die Musik und die Vision sind eine Reflektion meines Innersten, meiner Gedanken, es ist also natürlich. Aber ja, ich recherchiere sehr viel für die Texte und die Bilder.

Auch die Musik unterscheidet sich sehr von anderen Bands, ist diese doch weit entfernt von typischem Black/Thrash Metal. Denkst du, dass es dadurch für euch schwieriger, oder andersrum vielleicht sogar einfacher ist, da ihr nicht in die typischen Schemata passt?

Ein Führer statt eines Gefolgen zu sein ist immer hart. Wir tun, was wir tun, und du bist herzlich eingeladen, unserer Reise beizuwohnen! Irgendjemand sagte mal, dass MELECHESH es eher FÜR das Buch machen statt durch das Buch.

Ihr mischt viele verschiedene Stile in euerer Musik, um etwas wirklich Eigenständiges und Einmaliges zu erschaffen. Wie habt ihr gelernt, solche Musik zu schreiben, was waren euere Einflüsse?

Das ist alles ganz natürlich! Ich bin im Herzen Black Metaller, ich wuchs auch mit altem Metal auf und war auch immer scharf auf Thrash Metal. Auf diese Weise schärfte ich meinen Charakter an der Gitarre. So hat es sich entwickelt.

Die Band MELECHESH wurde 1993 in Jerusalem/Israel gegründet. Was kannst du uns über deinen persönlichen kulturellen und religiösen Background erzählen?

Ohje, das ist schon eine zu lange Geschichte, ich möchte damit eigentlich niemanden langweilen. Aber niemand von uns ist Israelit! Ich wurde in Jerusalem als Sohn von armenischen und assyrischen Eltern geboren. Jerusalem ist meine Heimatstadt. Ich schätze, dass mein religiöser Background der gleiche wie deiner ist. Meine Familie ist zwar christlich, aber nicht wirklich religiös. Ich selbst unterstütze eine solche Religion allerdings nicht, da sie fehlerhaft ist. Kulturell spielen für mich verschiedene Merkmale eine Rolle. Ich denke, meine Kultur dürfte zu 70% westlich und 30% östlich geprägt sein. Wahrscheinlich unterscheide ich mich kaum von einem Griechen oder einem Italiener. Ich beiße nicht!

Bitte erzähle uns ein wenig wie es war, in Israel Black Metal zu spielen? Wie waren die Anfänge von MELECHESH?

Jerusalem ist eigentlich ziemlich liberal, alles ok, aber im Osten Jerusalems hatten wir Ärger. Ich wurde von dort vertrieben. In West Jerusalem lief alles gut, wir waren die erste Black-Metal-Band in der Region dort. Bis zu dem Zeitpunkt, als eine Zeitung uns als satanistischen Kult bezeichnete, danach wurde es für uns eine zeitlang sehr hart. Aber auch zu Proben in der Nähe, wo Jesus geboren war, war eher eingebungsvoll im Sinne von „Tue das, was du immer predigst!“!

MELECHESH begannen als antichristliche Black-Metal-Band. Wie kam es dazu, dass ihr euer Image und das Konzept hinter der Band verändert habt?

Nein, das ist so nicht ganz richtig, wir hatten immer die mesopotamischen Themen! Aber am Anfang haben wir auch unsere Sichtweisen bezüglich der Religionen, welche uns auferzwungen wurden, dargestellt. Wir machten klar, dass wir keine dieser monotheistischen Religionen in Jerusalem unterstützen würden. Danach konzentrierten wir uns auf unsere eigenen Mikrokosmos, welcher nun aktuell mit einem riesigen Makrokosmos hinter dieser irdischen Existenz verbunden wurde. Es ging immer um die Erschaffung.

Aufgrund von Problemen mit der Polizei bist du in die Niederlande übergesiedelt. Wie war dieser Wechsel für dich, und wie sind heutzutage deine Gefühle über Israel und deine neue Heimat die Niederlande?

Nun, ich zog ehrlich gesagt aus mehreren Gründen um. Ich lebte eine zeitlang an Bord, ich lebte als Kind in Afrika, aber ich lebte auch in den USA für eine Weile. Ich hatte das Verlangen, wieder weiter zu ziehen. Als Mensch zwischen den Seiten, weder Araber noch Israelit, wollte ich nicht in dem Konflikt gefangen bleiben. Ich war müde von der ganzen Sache. Ich sah Freunde auf beiden Seiten, die verletzt wurden. Ich hatte die Nase voll.

Was ist deine Meinung zum vereinigten Europa?

Es existiert nicht. Vielleicht auf bürokratischer Ebene, das ist gut für Geschäfte, die Wirtschaft und Politik, aber so lange es keine einheitliche Sprache gibt, existiert es einfach nicht. Die Menschen in Europa versuchen immer stark, sich von Dorf zu Dorf zu unterscheiden. Und dann erst von Land zu Land. In Wirklichkeit sind alle Menschen gleich, aber wir versuchen ständig, uns zu unterscheiden, um sich selbst wichtig zu fühlen.

Ist es richtig, dass du dich stark für andere Kulturen, Landschaften und Geschichte interessierst? Ist das ein Hobby von dir?

Hobby? Das ist eher ein Teil von mir, zumindest zeitweilig. Ich bin an Kulturen interessiert, ich wuchs in einer multi-kulturellen Umgebung auf und es war großartig! Aber gegen Ende habe ich für mich alles miteinander verbunden.

In Skandinavien besteht ebenfalls ein recht großer Respekt vor der Mythologie und uralten Kulturen. Fühlst du da eine gewisse Verwandtschaft?

Ja! Ich fühle mich zu ihrer Mystik verbunden, ich mag es. Der größte Anteil der Mystik stammt aus Sumer, es ist die Wieder der Zivilisationen!

NSBM ist nicht nur in Deutschland ein Problem. Wie stehst du zu dieser Bewegung?

Muss ich dazu ein Statement abgeben? Es ist eine wachsende Szene, ich weiß nicht viel, was da in Deutschland vor sich geht, aber ich finde es ziemlich verrückt, wenn ich solche Leute in Südamerika oder dem Mittleren Osten sehe! Viele sind verloren! Einige glauben an das, was sie tun, aber viele sind einfach verirrt!

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören dir!

Die Schlafwandler sollten aufwachen!

Galerie mit 12 Bildern: Melechesh - Rockharz Open Air 2013
10.12.2006

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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