Mayhem
Interview mit dem neuen Gitarristen Morten "Teloch" Iversen zu "Esoteric Warfare"
Interview
30 Jahre Bandbestehen – Album Nummer 5 am Start! MAYHEM pur. Die Norweger sind ihrer Linie treu geblieben, haben es aber geschafft, das neue Material wieder ein Stück weit zugänglicher zu gestalten. Ein Mann ist neu im Bandgefüge und metal.de hat mit Morten „Teloch“ Iversen über das Album „Esoteric Warfare“, seine Rolle als Songwriter und die aktuelle Tour gesprochen. Am Ende ging es dann noch um den Hund seines Nachbarn.
Nur wenigen Bands wird im Rückspiegel eine dermaßen spektakuläre Vergangenheit gezeigt. Da stehen (mindestens) grenzwertige Aussagen und Taten direkt neben musikalischer Daseinsberechtigung und Genre-Bedeutung. Eine der zentralen Figuren, betrachtet man die norwegische Black-Metal-Szene in ihrer (verdorrten) Blütezeit, war Euronymous (Øystein Aarseth) – seines Zeichens Gitarrist bei MAYHEM –, der die Band gegründet hat und später von seinem einstigen Freund Varg Vikernes umgebracht wurde. Zu der Zeit gab es MAYHEM rund zehn Jahre und so einige Kirchen haben bereits gebrannt. In dieser herben Form wurde der Black Metal nie wieder ausgelebt, doch manche Dinge ändern sich wohl nicht: „Black Metal ist immer Krieg. Das Coole an MAYHEM ist aber, dass es sehr viel mehr mit Kunst zu tun hat als mit allem anderen“, berichtet ein eher wortkarger Teloch.
Trotz aller Widrigkeiten machen MAYHEM noch immer Musik – im Proberaum, im Studio und auf der Bühne. Zurzeit touren sie wieder, um das Band-Jubiläum live zu feiern, nicht um das neue Album zu präsentieren, wie Teloch zu Protokoll gibt: „Es läuft großartig. Scheint so, als wären wir tighter als je zuvor. Wir spielen aber nur einen neuen Song auf dieser Tour. Es ist keine Album-Tour, sondern eine Tour zum 30-jährigen Jubiläum. Später werden wir für eine Album-Tour wiederkommen, wenn es gewünscht wird. Wir werden sehen. Aber der eine neue Song, den wir spielen, wird sehr gut angenommen. Die Resonanz ist jedes Mal großartig, wenn wir „Psywar“ ankündigen.“ Bei einer Band wie MAYHEM erscheint es interessant, ob die Erwartungen der Fans überhaupt eine übergeordnete Rolle spielen: „Darüber habe ich ehrlich gesagt nie nachgedacht, aber natürlich ist es cool, dass das Publikum den neuen Song zu mögen scheint.“
Damit steht die Brücke zu „Esoteric Warfare“, dem neuen, aber erst fünften Studioalbum der Norweger. In 30 Jahren haben andere Bands weitaus mehr zustandegebracht, doch das sind eben MAYHEM: Letztlich machen sie, was sie wollen; in aller Konsequenz. Und auch wenn ihnen Teloch die Fähigkeit zuspricht, sich selbst immer wieder neu zu erfinden, müssen wir hinsichtlich des neuen Werks widersprechen, denn „Esoteric Warfare“ ist näher am direkten Vorgänger als an allen anderen Veröffentlichungen. Teloch, der die Stücke geschrieben hat, stimmt in dem Fall zu: „Meine Intention war es nicht, „Ordo Ad Chao“ zu übertreffen. Mein Plan war es, eine etwas zugänglichere Variante zu erschaffen, Songs, die MAYHEM vielleicht ein paar neue Hörer bescheren.“
Ob das gelingt, wird sich zeigen, denn sperrig und dissonant ist das neue Material dennoch. Typisch MAYHEM eben. Oder? „Ich habe keine Ahnung, weil ich nicht so sehr mit dem Backkatalog vertraut bin. Ich habe mich lediglich mit den Songs beschäftigt, die ich live spielen muss. Bis zum heutigen Tag ist „De Mysteriis Dom Sathanas“ das einzige Album, das ich komplett gehört habe. Die anderen sagen aber, dass das neue Album ein guter Mix aus allen bisherigen Alben ist“, gibt Teloch zu und verspricht zumindest, dass der Tag kommen könnte, an dem er seine Faulheit ablegen und sich die anderen Alben zu Gemüte führen wird.
Dennoch: So richtig vorstellbar ist es nicht, dass er lediglich das Debüt von vorne bis hinten kennt, klingt „Esoteric Warfare“ doch tatsächlich wie der strukturell enthedderte, logische Nachfolger vom 2007er-Output „Ordo Ad Chao“. Auf die Frage, ob ihm der viel kritisierte Vorgänger gefällt, folgt der leichte Widerspruch: „Natürlich. Ich finde, es ist das beste Album nach „De Mysteriis Dom Sathanas“.“ Wirklich beurteilen kann man das natürlich nicht, wenn man mit der Diskographie kaum vertraut ist.
Bei kommerziell erfolgreicheren Bands wird man als Neuling mit einer Million Dollar motiviert, MAYHEM vergeben zur Begrüßung maximal zu einem Amulett umfunktionierte Knochensplitter. Die Frage nach seinem Einstieg beantwortet Teloch selbstbewusst: „Es lief gut, wie du am Ergebnis hören kannst. Zuerst habe ich ein paar Riffs geschrieben und diese den anderen präsentiert. Als wir das Gefühl hatten, dass es in die richtige Richtung geht, haben wir das Studio gebucht und losgelegt – zunächst nur Hellhammer und ich, dann der Rest“.
Und was verbirgt sich hinter dem Albumtitel und dem Konzept von „Esoteric Warfare“? „Alles dreht sich um Geheimbünde, Bewusstseinskontrolle und im Geheimen geführte Kriege. Aber zu 100 % kann ich die Lyrics nicht erklären“, gibt der Gitarrist offen zu. Schade, passt aber irgendwie zum eher wenig ergiebigen Frage-Antwort-Spiel. Nun, was möchte Herr Iversen denn noch loswerden? „Den Hund meines Nachbarn“. Armes Tier.